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Nucleus caudatus/ Putamen A

5.3 SUBZELLULÄRE VERTEILUNG UND VIRUSAUSBREITUNG

Bisherige Studien, die sich mit dem Vorkommen des Intron I beschäftigten, untersuchten vorwiegend die Effektivität, mit der die viralen Transkripte gespleißt werden, die Relationen von ungespleißten versus gespleißten +ssRNAs sowie deren subzelluläre Verteilung (SCHNEIDER et al., 1997b; JEHLE et al., 2000). Dabei basieren diese Ergebnisse auf Analysen anhand von in vitro-Modellen. Detaillierte in vivo-Studien zum Vorkommen BDV-Intron I-spezifischer +ssRNA und deren intrazelluläre Verteilung in der akuten und chronischen Phase der Infektion liegen derzeit nicht vor. In einer vorangegangenen Untersuchung wurde das Auftreten und die intrazelluläre Lokalisation von BDV-N und Intron II-enthaltenden Transkripten in Gehirnen von experimentell infizierten Lewis Ratten

untersucht (WERNER-KEIŠS et al., 2002, 2003). In der vorliegenden Arbeit sollte ergänzend die spatio-temporale Expression von BDV-Intron I +ssRNA systematisch analysiert werden, um mögliche Unterschiede in der Expression und subzellulären Verteilung von Intron I- und Intron II-enthaltenden BDV-Transkripten im Verlauf der Infektion aufzudecken und die morphologischen Daten mit den quantitativen Mengenverhältnissen korrelieren zu können.

Die BDV-Intron I +ssRNA lag bevorzugt in den Neuronen von Ammonshorn, Neocortex und Thalamus vor. Ein ähnliches Verteilungsmuster konnte in einer vorherigen Studie für BDV-GP (=Intron II-enthaltende) +ssRNA beobachtet werden (WERNER-KEIŠS et al., 2002, 2003). Am 14. Tag p.i. war bei allen Tieren eine fokale Expression der BDV-Intron I +ssRNA in den meisten Gehirnregionen nachweisbar. Die Pyramidenzellen der CA3-Region im Ammonshorn enthielten bereits disseminiert BDV-Intron I +ssRNA, wobei dieses Verteilungsmuster bis zum Ende der Untersuchungsperiode bestehen blieb. Im Ammonshorn wurden analog relativ gleich bleibende Transkriptspiegel im Verlauf der Untersuchung mittels real-time RT-PCR gemessen, die mit der beobachteten, früh auftretenden und anhaltend disseminierten Expression von BDV-Intron I +ssRNA im Ammonshorn übereinstimmen. Der Nachweis von BDV-Intron I +ssRNA mittels ISH erreichte am 24. Tag p.i. das Maximum und betraf alle untersuchten Gehirnareale. Diese Beobachtung entspricht den quantitativen Daten aus den gesamten Gehirnschnitten, Gehirnarealen, Neuronen und Astrozyten. Auch hier wurde eine Zunahme der BDV-Intron I +ssRNA-Mengen zum 24. Tag p.i. festgestellt, was darauf schließen lässt, dass nicht nur die Zahl der infizierten Zellen steigt, sondern auch der Transkriptgehalt pro Zelle. Die letztere Aussage gilt zumindest für Pyramidenzellen der CA3-Region und Astrozyten des Ammonshorns.

Eine Abnahme der Anzahl BDV-Intron I +ssRNA-positiver Zellen wurde mittels ISH ab dem 42. Tag p.i. beobachtet. Von der Reduktion der positiven Zellen waren jedoch die Gehirnregionen Ammonshorn und Thalamus nicht betroffen. Bis zum 90. Tag p.i. waren hier disseminiert positive Zellen detektierbar. In Neuronen war eine signifikante Reduktion der Transkriptmengen vom 24. zum 90. Tag p.i. festzustellen, während sich in Astrozyten die Intron I +ssRNA signifikant vom 24. zum 42. Tag p.i. verringerte und dann bis zum Ende der Untersuchungsperiode auf annähernd gleichem Niveau exprimiert wurde. Diese Daten verdeutlichen, dass im Ammonshorn die Transkriptmengen pro Zelle in der chronischen Phase der Infektion abnehmen, was durch die zellspezifische Analyse der hippocampalen Neurone und Astrozyten exemplarisch gezeigt werden konnte.

Intrazellulär war BDV-Intron I +ssRNA in Abhängigkeit vom jeweiligen Untersuchungszeitpunkt p.i. vorwiegend im Zytoplasma und/ oder im Nukleus von Neuronen zu lokalisieren. Während zu früheren Zeitpunkten p.i. die +ssRNA vor allem im Zytoplasma der infizierten Neurone zu finden war, konnte eine vornehmlich intranukleäre Reaktion ab

dem 42. Tag p.i. in diesen Zellen beobachtet werden. Abweichend von dieser zeitlich differierenden intrazellulären Verteilung waren in den Pyramidenzellen der CA3- und CA1-Region des Ammonshorns während der gesamten Untersuchungsperiode sowohl zytoplasmatische, als auch intranukleär lokalisierte +ssRNAs zu finden. Die intrazelluläre Verteilung von BDV-N und BDV-GP +ssRNA wurde exemplarisch an zwei Zeitpunkten p.i.

dargestellt. Während BDV-N +ssRNA vor allem im Zytoplasma von Neuronen gefunden wurde, war die BDV-GP +ssRNA vorwiegend im Nukleus der infizierten Zellen detektierbar.

Diese Beobachtungen entsprechen den Ergebnissen aus vorangegangenen Studien (GOSZTONYI et al., 1991; WERNER-KEIŠS et al., 2002, 2003) und verdeutlichen, dass das BDV in vivo in der Lage ist, die virale RNA gezielt im Kern zurückzuhalten oder ungespleißte +ssRNA aus dem Nukleus zu exportieren (JEHLE et al., 2000). Diese Fähigkeit scheint zellabhängig und regionenspezifisch gesteuert zu sein und wird möglicherweise im Verlauf der Infektion anders reguliert.

Zelluläre prä-mRNAs werden polyadenyliert und gespleißt, bevor sie aus dem Nukleus entlassen werden. Der Export unprozessierter zellulärer Transkripte aus dem Zellkern wird normalerweise durch zelluläre Faktoren verhindert (RODRIGUES et al., 2001; SANDRI-GOLDIN, 2004). JEHLE et al. (2000) beobachteten ebenfalls eine vorwiegend zytoplasmatische Lokalisation Intron I-enthaltender BDV-Transkripte in persistent infizierten COS-7-Zellen. Die +ssRNA der dritten Transkriptionseinheit aus diesen Zellen wurde vorwiegend in ungespleißter Form und zum großen Teil im Zytoplasma der Zellen vorgefunden, was bedeutet, dass das BDV wie viele andere Viren in der Lage ist, un- oder teilgespleißte Transkripte aus dem Nukleus zu exportieren. Die zytoplasmatische Akkumulation von un- oder teilgespleißter RNA ist essentiell für den Infektionszyklus verschiedener Viren, um die Synthese entsprechender viraler Proteine zu sichern. Es müssen Mechanismen existieren, die prinzipiell eine Retention der unprozessierten viralen Transkripte verhindern können und am nukleozytoplasmatischen Export beteiligt sind.

Möglicherweise sind während der BDV-Infektion zellspezifische Mechanismen beteiligt, da eine zytoplasmatische Lokalisation von BDV-Intron I +ssRNA vorwiegend in Neuronen gefunden werden konnte (WERNER-KEIŠS et al., 2002, 2003). Welche speziellen Faktoren im Rahmen der BDV-Infektion mitwirken, ist derzeit nicht bekannt. Es sind jedoch zahlreiche Mechanismen bei verschiedenen Viren beschrieben. Bei einigen Retroviren sind das virale Rev-Protein oder cis-aktive Elemente für den nukleären Export un- oder teilgespleißter RNA verantwortlich (DALY et al., 1989; BRAY et al., 1994; PASQUINELLI et al., 1997; CULLEN, 1998; EMERMAN und MALIM, 1998; TRONO, 1998). In der Influenza Virus-infizierten Zelle wird der nukleozytoplasmatische Transport und das Spleißen der viralen prä-mRNA durch das virale NS 1 Protein reguliert (CHEN et al., 1999). JEHLE et al. (2000) postulierten einen viralen Faktor, der zum einen mit der Spleißeffizienz der viralen Transkripte interferiert und

zum anderen für die Translokation von nicht- und teilprozessierten Transkripten verantwortlich sein soll.

Die subzelluläre Verteilung der BDV-Intron I +ssRNA in Neuronen entspricht in der frühen Phase der Infektion der vorwiegend zytoplasmatischen Lokalisation der BDV-N +ssRNA. In der chronischen Phase der Infektion konnte wie bei der BDV-GP-C +ssRNA eine vorrangig intranukleäre Akkumulation in Neuronen beobachtet werden. Ebenfalls wurde eine vorwiegend intranukleäre Lokalisation der BDV-Intron I +ssRNA in Astrozyten, Ependymzellen, in den Zellen der Leptomeninx und bemerkenswerterweise auch in den Neuronen des Stratum granulosum des DG beobachtet. Das vermehrte intrazytoplasmatische Vorkommen von BDV-Intron I +ssRNA in den frühen Infektionsphasen deutet zusammen mit der nachweislich maximalen Expression dieser +ssRNA am 24. Tag p.i. in Neuronen und Astrozyten auf eine entsprechend hohe Bereitstellung BDV-M-kodierender +ssRNA hin, die mit einer immunhistologisch detektierten Aufregulation von BDV-M korreliert (WERNER-KEIŠS et al., 2002, 2003). Tatsächlich war BDV-M im Gehirn experimentell infizierter Lewis Ratten maximal zwischen dem 31. und 50. Tag p.i.

nachweisbar. Während nachfolgend BDV-M in den großen Neuronen weniger nachzuweisen war, konnte dieses Protein in Astrozyten und kleinen Neuronen bis zum Ende der Untersuchung stabil detektiert werden (WERNER-KEIŠS et al., 2002, 2003). Diese Beobachtungen zur Expression des BDV-M stützen die These, dass frühzeitig im Infektionsverlauf die Produktion des BDV-M in den Neuronen durch Aufregulation der Transkription und nukleären Export gefördert wird, während in der chronischen Phase der Infektion BDV-Intron I-spezifische +ssRNA aus nicht näher bekannten Gründen vermehrt im Nukleus zurückgehalten wird und in den Neuronen der CA3-Region nachweislich die Transkriptmenge abnimmt.

Aus den Beobachtungen der vorliegenden Studie ist die Annahme eines Regulationselements mit zellulärem Ursprung plausibel, welches an der Regulation der subzellulären Verteilung von BDV-Intron I-spezifischer +ssRNA beteiligt war, da ein zelltypspezifisches aber auch zeitlich determiniertes und charakteristisches intrazelluläres Verteilungsmuster zu beobachten war. Unklar bleibt trotzdem, warum BDV-M in Astrozyten konstant und vor allem in der chronischen Phase der Infektion nachzuweisen war (WERNER-KEIŠS et al., 2002, 2003), aber die BDV-Intron I-spezifische und somit BDV-M-kodierende +ssRNA nicht mit Sicherheit im Zytoplasma dieser Zellen detektiert werden konnte. Dies wurde möglicherweise durch die Lokalisation des in der Doppelmarkierung verwendeten zytoplasmatischen Astrozytenmarkers GFAP erschwert.

Das Ausbreitungsmuster der komplementären genomischen RNA entsprach im Wesentlichen der Topographie der BDV-Intron I-spezifischen +ssRNA. Bereits am 24. Tag

p.i. konnte die genomische RNA disseminiert im Gehirn der Tiere nachgewiesen werden. Ein maximales Vorkommen der genomischen RNA konnte ab dem 42. Tag p.i. beobachtet werden, das bis zum Ende der Untersuchungsperiode andauerte. Nahezu identische Ergebnisse zum spatio-temporalen Vorkommen genomischer BDV-RNA konnte mit DIG-markierten RNA-Sonden erzielt werden, die komplementär zu ausgewählten Sequenzen im ORF I (BDV-N) bzw. im ORF IV (BDV-GP) waren (WERNER-KEIŠS et al., 2002, 2003).

Die genomische BDV-RNA fand sich zu allen Zeitpunkten p.i. fast ausschließlich im Nukleus von infizierten Neuronen, Astrozyten, Oligodendrozyten, Ependymzellen und in Zellen der Leptomeninx. Zu Beginn lagen die Reaktionsprodukte vorwiegend als umschriebene intranukleäre Akkumulationen vor. PYPER et al. (1998) konnten ebenfalls genomische RNA in den neuronalen Zellkernen infizierter Ratten mittels ISH nachweisen. Sie fanden das Virusgenom sowohl im Karyoplasma als auch im Nukleolus der infizierten Zellen. Ob die in dieser Studie detektierte genomische RNA auch im Nukleolus vorlag, konnte lichtmikroskopisch nicht mit abschließender Sicherheit bestimmt werden, erscheint aber möglich. Das Auftreten und die Beschränkung von genomischer BDV-RNA auf den Zellkern verdeutlichen die bereits beschriebene intranukleäre Replikation und Transkription des BDV (CARBONE et al., 1991; BRIESE et al., 1992; CUBITT und DE LA TORRE, 1994).

Ab dem 24. Tag p.i. waren feingranuläre Faserreaktionen im Stratum lucidum vorhanden, die im Verlauf der Untersuchung verstärkt auftraten. Möglicherweise konnte hier virale RNA bei der intraaxonalen Ausbreitung in den Termini der Moosfasern beobachtet werden.

GOSZTONYI und LUDWIG (1995) postulierten eine Virusausbreitung von den Neuronen des DG über die Moosfasern zu den Pyramidenzellen der CA3-Region. Die Faserreaktion des Stratum lucidum in der CA3-Region stimmt mit dieser Annahme überein. Ähnliche Beobachtungen wurden bereits in einer vorherigen Studie gemacht (WERNER-KEIŠS et al., 2002, 2003). Ein intraaxonaler Transport scheint demnach verstärkt in Anteilen des Ammonshorns und bemerkenswerterweise verstärkt in der chronischen Phase der Infektion zu erfolgen. Diese Beobachtung deutet zusammen mit einer nachweislich zunehmenden Produktion von viralem Antigenom im Ammonshorn auf eine anhaltende, möglicherweise verstärke Replikation des BDV in dieser Region hin. Inwieweit dies zu einer verstärkten Synthese ganzer Viruspartikel führt bleibt fraglich. Aus anderen Studien ist jedoch bekannt, dass infektiöses Virus auch in der chronischen Phase der typischen BDV-Infektion in hohen Titern nachgewiesen werden kann (HERDEN et al., 2000; WERNER-KEIŠS et al., 2002, 2003). Dies ist insofern interessant, als dass eine disseminierte Infektion des ZNS bereits in der akuten Phase der Infektion erfolgt (HERDEN et al., 2000; WERNER-KEIŠS et al., 2002, 2003) und im Falle einer persistierenden Virusinfektion eine limitierte Virusreplikation zu erwarten wäre (OLDSTONE, 2001). Möglicherweise wird in der chronischen Phase der

BDV-Infektion die aktive Replikationsleistung lediglich in wenigen bevorzugten Gehirnarealen aufrechterhalten und somit eine Persistenz ermöglicht.

5.4 KONSEQUENZ DER VIRALEN TRANSKRIPTION FÜR DIE