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Die Streitkräfte Norwegens – Erfahrungen und Herausforderungen in einer der

weltweit am meisten gleichgestellten Armeen

1. Einleitung

Die norwegischen Streitkräfte sind weitaus kleiner als die Bundeswehr. Die Personal-stärke der norwegischen Armee liegt bei gerade einmal rund 23 000 Personen. Davon sind 5 000 Zivilbeschäftigte der Streitkräfte. Hinzu kommen etwa 50 000 Soldaten im Heimatschutz. Darüber hinaus hat Norwegen aus mehreren Gründen an der Wehrpflicht festgehalten.

Eingedenk dieser Unterschiede werde ich im Folgenden auf die Situation von Frauen in der norwegischen Armee eingehen. Dazu werde ich zunächst einige wich-tige Meilensteine in der Entwicklung der Integration von Frauen skizzieren, bevor ich den Status von Frauen und die Herausforderungen, mit denen sie sich kon-frontiert sehen, beleuchte. Im dritten Schritt werde ich zentrale Befunde der wis-senschaftlichen Forschung zu diesem Themenfeld vorstellen. Schließen möchte ich dann mit einigen persönlichen Betrachtungen zur Situation in der Bundeswehr.

Vorausschicken möchte ich jedoch, dass ich persönlich keine Trennung zwischen männlichen und weiblichen Soldaten mache. Wir sind alle Soldaten – das Geschlecht ist vollkommen egal! Auch meine Empfehlungen an die Adresse der Bundeswehr möchte ich gleich zu Beginn nennen. Sie lauten:

– Macht nicht die gleichen Fehler wie wir!

– Denkt in einem größeren Rahmen!

2. Historische Meilensteine

Die norwegischen Streitkräfte haben sich Mitte der 1970er-Jahre für Frauen geöff-net. Zunächst wurde im Jahr 1976 die Offizierausbildung für Frauen ermöglicht.

Im Jahr 1983 führte Norwegen eine freiwillige Wehrpflicht für Frauen ein. Ein Jahr später, 1984, wurde die berufliche Gleichstellung von Männern und Frauen in den Streitkräften hergestellt, indem sämtliche Laufbahnen für Frauen geöffnet wurden.

So gab es 1992 den ersten weiblichen Jagdflieger, drei Jahre später, im Jahr 1995, war erstmals ein U-Boot-Kommandant weiblich. Schließlich führte Norwegen im Jahr 2013 eine geschlechtsneutrale Wehrpflicht ein. Dies sind nur einige wenige Beispiele

auf unserem Weg zur Integration von Frauen in das Militär. Mittlerweile sind Frauen in den Streitkräften Alltag geworden, so dass wir nicht so viel darüber reden.

3. Status und Herausforderungen

Trotz der Gleichstellung der Frauen in den norwegischen Streitkräften ist der Anteil von Frauen relativ bescheiden geblieben (vgl. www.forsvaret.no). Nimmt man die weiblichen Zivilbeschäftigten der Armee aus, dann stellen Frauen in der Gegenwart weniger als 10 Prozent der Soldaten. Im Jahr 2013 belief sich der Anteil von Frauen auf 8 bis 9 Prozent; in der Offizierausbildung waren knapp ein Fünftel (18,1 Prozent) Frauen, und unter denjenigen, die in diesem Jahr die Wehrpflicht abschlossen, lag der Frauenanteil bei 10,6 Prozent und damit etwas unter dem Durchschnitt der NATO-Länder (11 Prozent). Damit ist Norwegen noch ein gutes Stück von seinem politischen Ziel, den Frauenanteil in den norwegischen Streitkräften bis zum Jahr 2020 auf 20 Prozent zu erhöhen, entfernt. Die Debatte in Norwegen dreht sich des-halb mehr um die Frage nach den Gründen für diesen niedrigen Frauenanteil und vor allem um die Frage, warum wir die Frauen nicht in den Streitkräften halten kön-nen. Statistisch betrachtet verlassen durchgängig wesentlich mehr Frauen als Männer die norwegische Armee.

4. Forschung und Entwicklung

Forschungen zu der Frage nach den Gründen für den Austritt der Frauen haben ergeben, dass Frauen die Streitkräfte lediglich als einen zeitweiligen Baustein in ih-rer Lebensplanung ansehen. Auch fühlen sich Frauen oftmals in den Streitkräften nicht willkommen. Ein dritter Faktor schließlich sind individuelle Bewertungen und Entscheidungen. Die größte Herausforderung stellt dabei der subjektive Eindruck vieler Frauen dar, wonach das Integrationsklima in den norwegischen Streitkräften relativ unfreundlich ist. Aus diesem Grund ist die ‚Maskulinitätskultur‘ im Militär ein Schwerpunkt der Forschung zu diesem Themengebiet. Bisher gibt es dazu positi-ve wie negatipositi-ve Befunde. Positiv hält die Forschung fest, dass sexuelle Belästigung bei den norwegischen männlichen Soldaten keine Akzeptanz erfährt. Negativ ist festzu-halten, dass die Ablehnung und Stigmatisierung von Frauen nicht nur ein organisa-tionsinternes, sondern auch ein gesellschaftliches Problem ist.

Problematisch ist auch die Beschäftigung mit der Thematik unter sozusagen negati-ven Vorzeichen. So schwingt beispielsweise bei der Diskussion über eine Frauenquote stets ein „Die Frauen sind nicht gut genug, und deswegen brauchen sie Quoten“

mit. Symposien wie das hiesige setzen ebenfalls den Schwerpunkt allzu sehr auf Probleme und Schwierigkeiten. Frauen wollen auch mehr als Positivmoderatoren des Betriebsklimas sein, denn die vielfach diagnostizierte Verbesserung des Umgangstons in den Streitkräften durch die Integration ist letztlich als Integrationsbegründung zu wenig. Frauen wollen vielmehr hinsichtlich ihrer militärischen Fähigkeiten beurteilt werden.

Jede Kultur hat ihre Besonderheiten, so dass es zwangsläufig Unterschiede zwi-schen Deutschland und Norwegen gibt. Einiges, was wir in Norwegen machen, muss nicht notwendigerweise auch in Deutschland funktionieren. Dennoch sei der Hinweis erlaubt, dass Norwegen einiges anders macht bei der Integration als Deutschland. So verzichten wir beispielsweise auf die sog. Frauenparkplätze, sig-nalisieren diese doch die Schwäche des weiblichen Geschlechts, die durch eine Sonderbehandlung angegangen werden muss, die meist von den Frauen selbst auch gar nicht gefordert wird. Auch haben wir eine Wehrpflicht für Frauen, die in der Praxis auch bedeutet, dass sich weibliche und männliche Soldaten die Stube teilen.

Die Zielgruppe, die wir besonders im Blick haben, sind die militärischen Führer im Alter von Mitte 30, denn diese Personengruppe ist aus unserer Sicht zentral, wenn es darum geht, etwas zu ändern. Der Fokus unserer Maßnahmen in Norwegen wiederum liegt auf Vielfalt, weil wir glauben, dass ein ausschließlicher Fokus auf Frauen kontraproduktiv ist und weil wir glauben, dass Vielfalt die militärische Effektivität letztlich erhöht. Die Gender-Problematik wird deshalb eingebettet in das Thema der Diversität in den Streitkräften, so dass wir z. B. nicht von einer Gleichstellungsbeauftragten reden, sondern von dem Vielfaltskoordinator. So geht es eben nicht nur um Frauen, sondern auch um sexuelle, religiöse oder ethnische Minderheiten. Diese Diversitätsmerkmale sind jedoch zweitrangig. Vorrangig ist die Frage nach der Auswahl der geeignetsten Personen für den Beruf des Soldaten, so dass es nicht um Mann und Frau, sondern um den Menschen geht.

Um dahin zu kommen, müssen wir auch die ethischen und moralischen Grundlagen der Streitkräfte noch einmal überarbeiten. Letztlich sind Einzelmaßnahmen oft nicht mehr als das Kurieren an Symptomen. Erforderlich bei Veränderungsprozessen wie dem Umgang mit Diversität ist nichts geringeres als die Veränderung von altherge-brachten Organisationskulturen.

5. Persönliche Betrachtungen zur Bundeswehr:

Blick von außen

Die bisherigen Maßnahmen, um die Integration von Frauen in der Bundeswehr zu fördern, sind aus meiner Sicht gut, aber sie adressieren nicht die eigentliche Herausforderung: Die „Alte-Opa“-Kultur in der Bundeswehr. Meiner Einschätzung nach ist die Entwicklung zur Gleichstellung der Geschlechter in der Bundeswehr in der Tat rund 15 bis 20 Jahre hinter der Entwicklung in Norwegen zurück. Aus diesen Gründen kann ich meinen Kameradinnen eine Ausbildung hier in Deutschland ei-gentlich nicht recht empfehlen. So wird unter deutschen Soldaten oftmals sehr sexua-lisiert und sexistisch über Frauen geredet, was ich in dieser Form aus Norwegen nicht kenne. Auch Teile der öffentlichen und politischen Reaktionen auf die Berufung von Ursula von der Leyen als Verteidigungsministerin wären hier zu nennen. Solche Reaktionen wären in Norwegen schlicht undenkbar. Und sie widersprechen auch wie die sexistische Sprache unter Soldaten einem Grundprinzip der Inneren Führung hierzulande, nämlich der Achtung der Menschenwürde des anderen. Der Weg ist hierzulande beschritten worden, doch das Ziel ist noch nicht erreicht.

Perspektiven der Integration von