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Ein respektvolles Arbeitsklima schützt vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz

1. Fakten statt Meinungen zur Versachlichung der Diskussion

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz wird seit über 30 Jahren sowohl in der Forschung breiter thematisiert (vgl. Cortina/Berdahl 2008) als auch in der Praxis als soziales Problem diskutiert. Dennoch gibt es weiterhin wesentliche Forschungslücken und nur wenige verlässliche Daten. Diskussionen werden oft sehr emotional aufgrund von vorgefassten Meinungen und Einzelerlebnissen geführt und die Einschätzung der Relevanz des sozialen Problems fällt entsprechend unterschiedlich aus: Während die einen großen Handlungsbedarf feststellen, weisen andere sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz als Randerscheinung von sich.

Hier setzte ein Projekt der Universität Lausanne an, das im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms 60 Gleichstellung der Geschlechter vom Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung finanziert wurde.1 (Krings et al. 2013) Ziel des Projekts war es, vertiefte Kenntnisse über Entstehungs- und Wirkungszusammenhänge von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz zu erarbei-ten. Mit diesen Fakten soll zu einer Versachlichung der Diskussion beigetragen und eine wirkungsvolle Präventionsarbeit ermöglicht werden.

Den theoretischen Rahmen des Projekts bilden sog. interaktionale Erklärungs-modelle, die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz und ihre Folgen als Zusammenwirken von mehreren Faktoren, insbesondere von Faktoren aus Arbeitsumgebung so-wie persönlichen Faktoren verstehen. (Dekker/Barling 1998; Pryor/LaVite/Stoller 1993; Krings/Facchin 2009) Aus diesem Grund wurden im Projekt systematisch Organisationsfaktoren (z. B. Arbeitsklima, Unternehmenspolitik in Bezug auf sexu-elle Belästigung) sowie Faktoren der Persönlichkeit (z. B. Biografie der Betroffenen, Persönlichkeitsdimensionen und Motive der Personen, die sexuelle Belästigungen be-gehen) erhoben und ihr Zusammenspiel analysiert. Das Forschungsprojekt bestand aus vier Bausteinen, die Datenerhebungen wurden in allen drei Sprachregionen der Schweiz (Deutschschweiz, Romandie – französischsprachig, Tessin – italienischspra-chig) durchgeführt:

1 Die Projektberichte sind als pdf zugänglich unter <http://www.schaermoser.ch/sites/publikationen.

html>.

– Baustein 1 erfasst Risiko und Verbreitung von sexueller Belästigung am Arbeits-platz aus der Perspektive der Beschäftigten (n=2 420) mittels einer repräsenta-tiven Telefonbefragung. (Schär Moser/Strub 2010; Strub/Schär Moser 2008;

Strub/Schär Moser/Krings 2013)

– Baustein  2 analysiert den Umgang von Unternehmen mit dem Thema sexu-elle Belästigung am Arbeitsplatz in Strategie und Arbeitsalltag basierend auf Fallstudien in neun Unternehmen. (Schär Moser/Mouton/Testa Mader/Krings 2013a)

– Baustein  3 untersucht Ursachen- und Wirkungszusammenhänge von sexueller Belästigung aus der Sicht von Betroffenen mit Hilfe von 38 Tiefeninterviews.

(Schär Moser/Mouton/Testa Mader/Krings 2013b)

– Baustein  4 erfasst die Dynamik der Entstehung von potenziell belästigendem Verhalten und die wahrgenommenen Auswirkungen auf das Arbeitsklima aus Sicht der sexuell belästigenden Personen mittels einer anonymen Fragebogenerhebung bei den Beschäftigten (n=823).

2. Was ist sexuelle Belästigung?

Um die Thematik anzugehen, muss zunächst geklärt werden, was unter sexuel-ler Belästigung am Arbeitsplatz verstanden wird. Das Forschungsprojekt bezieht sich auf die in der Schweiz geltende, rechtliche Definition (Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann GlG, Artikel 4). Rechtlich relevant sind dem-nach alle im Arbeitskontext vorkommenden Verhalten sexueller, aber auch sexis-tischer Natur, die von einer Seite als unerwünscht oder die persönliche Integrität verletzend empfunden werden (vgl. Lempen 2011). Erfahrungsgemäß löst die Frage, was sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist, viel Verunsicherung in den Unternehmen aus. Man betont, dass das Phänomen kaum fassbar sei, weil ‚jeder etwas Anderes darunter versteht‘. Die Ergebnisse unseres Projekts zeigen jedoch das Gegenteil: Führungskräfte wie auch die Mitarbeiter/-innen beurteilen die gleichen Verhaltensweisen – von sexistischen Witzen über Berührungen bis hin zu Versprechen von Vorteilen im Austausch für sexuelles Entgegenkommen – als belästigend und als schädlich für das Arbeitsklima. Auch zwischen Frauen und Männern bestehen diesbezüglich kaum Unterschiede. Es stimmt also nicht, dass ‚jeder etwas Anderes unter sexueller Belästigung versteht‘. Dieser breite Konsens – zwischen Männern und Frauen, zwischen Angestellten und Führungskräften – ist bisher kaum bekannt.

Er bildet aber eine wichtige und nützliche Grundlage für die Präventionsarbeit, auf welchem das Unternehmen sinnvoll aufbauen kann.

3. Risiko und Verbreitung von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz

Die Ergebnisse der repräsentativen Umfragen von Baustein 1 zeigen, dass bereits mehr als die Hälfte der Schweizer Erwerbstätigen unerwünscht mit potenziell belästigenden

Verhaltensweisen am Arbeitsplatz konfrontiert war, Frauen und Männer in ähnlichem Ausmaß. Verbales Verhalten wie obszöne oder abwertende Sprüche sind besonders häufig. Die Verursachenden sind etwa in der Hälfte der berichteten Situationen Männer, in der anderen Hälfte gemischtgeschlechtliche Gruppen oder Frauen.

Potenziell belästigendes Verhalten ist also weit verbreitet. Es stellt das ‚Risiko-potenzial‘ zur Entstehung von sexueller Belästigung dar, und ist ungefähr gleich für Männer wie für Frauen. Anders sieht es aus, wenn das persönliche Erleben von se-xueller Belästigung einbezogen wird: In der Deutschschweiz fühlte sich jede dritte Frau schon mindestens einmal am Arbeitsplatz sexuell belästigt, und in den anderen Landesteilen ungefähr jede Fünfte. Bei den Männern liegen die Werte deutlich tiefer (vgl. Abbildung 1). Sexuelle Belästigung betrifft also Frauen klar häufiger, Männer aber in einem deutlich größeren Ausmaß als gemeinhin angenommen.

Abbildung 1: Verbreitung von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz in der Schweiz (in Prozent)

Quelle: Eigene Daten

4. Umgang mit dem Thema in Unternehmensstrategie und Alltag

Im Rahmen von Baustein  2 gewährten neun Unternehmen Einblick in ihren Umgang mit dem Thema, in ihre Strategie und ihren Arbeitsalltag. Dazu wurden Human Ressources (HR)-Verantwortliche (n=9) und Mitarbeiter/-innen (n=116) mündlich und eine große Stichprobe von Führungskräften (n=348) schriftlich be-fragt. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Unternehmen bezüglich ihres Umgangs mit sexueller Belästigung in vier Gruppen aufteilen lassen:

– Gewappnet für das Unwahrscheinliche: Es gibt kaum potenziell belästigende Verhaltensweisen, das Risiko wird einhellig als minimal erachtet, man wäre aber auf Fälle vorbereitet.

– Kann leider vorkommen – und wird angegangen: Es liegen Erfahrungen mit kon-kreten Fällen vor, man ist sich der Problematik im Unternehmen bewusst und arbeitet proaktiv daran.

– Von dringenderen Problemen verdrängt: Das Bewusstsein des Risikos ist vorhan-den, das Thema wird aber hinten angestellt, weil Wichtigeres ansteht.

– Kein Problem – und wenn doch, wird sich eine Lösung finden: Im HR geht man da-von aus, dass das Risiko minimal und ein proaktives Vorgehen deshalb unnötig ist.

Dem widersprechen oft Berichte über potenziell belästigende Verhaltensweisen von anderen Befragten.

Die beiden ersten Strategien können als konstruktiver und empfehlenswerter Umgang mit dem Thema bezeichnet werden, die beiden letztgenannten sind Ausdruck ei-nes risikobehafteten Umgangs. Unvorsichtig verhalten sich auch die Unternehmen, welche die Grenzen von tolerierbarem Verhalten hoch setzen. Beispielsweise ist die Grenzziehung bezüglich zulässiger oder grenzüberschreitender Sprüche sehr unter-schiedlich, teilweise innerhalb derselben Firma. Die Resultate unseres Projekts zei-gen deutlich, dass ein sexualisiertes Arbeitsklima, in dem es üblich ist, anzügliche oder sexistische Bemerkungen zu machen, dazu führt, dass die Beschäftigten solches Verhalten als normal erachten und davon ausgehen, es sei zu akzeptieren, selbst wenn es persönlich als unangemessen oder gar belästigend erlebt wird. Beschäftigte wehren sich nicht und setzen sich nicht für andere ein, weil sie Angst haben, als prüde und verklemmt zu gelten und ausgegrenzt zu werden. Damit wird das Risiko von Vorfällen erhöht. Dazu kommt ein Verlust an Humankapital: Wer andere persönliche Grenzen hat, wird das Unternehmen nach Möglichkeit verlassen. Eine Nulltoleranz gegenüber sexueller Belästigung lässt sich bei hohen Grenzen für tolerierbares Verhalten nicht klar kommunizieren, weil fast zwingend ambivalente Signale ausgesendet werden.

Illustriert an einem Beispiel: Unternehmen X duldet keine Bikini-Kalender, vorhan-dene mussten auf Anordnung der Geschäftsleitung entfernt werden, was zunächst einiges Murren verursachte, heute aber ganz selbstverständlich ist. Unternehmen Y hingegen lässt derartige Kalender zu, verlangt aber, dass sie verdeckt werden, wenn externer Besuch erwartet wird.

Die Existenz eines Reglements gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz hat kaum Bedeutung für die Art des Umgangs mit dem Thema. Hingegen zeigt sich in un-serem Projekt ein deutlicher Effekt der Unternehmenskultur: Je mehr Gerechtigkeit und Fairness in den Unternehmensprozessen (Colquitt 2001) wahrgenommen wer-den, je mehr dem Unternehmen eine ethische Führung (Brown/Trevino/Harrison 2005) und ein ethisches Organisationsklima (Victor/Cullen 1988) zugestanden wer-den, umso weniger potenziell belästigende Verhaltensweisen werden beobachtet.

Die Unternehmenskultur ist in vielen Unternehmen stark lokal geprägt, d. h.

in den unterschiedlichen Einheiten herrschen andere Kulturen. Damit kommt den Vorgesetzten vor Ort eine zentrale Stellung zu. Sie sind es, die bei potenziell belästi-genden Verhaltensweisen sofort reagieren – oder eben nicht. Führungskräfte, obwohl

sie potenziell belästigende Verhaltensweisen regelmäßig beobachten und als schäd-lich erachten, sehen häufig keinen Handlungsbedarf. Vor Ort Einfluss zu nehmen, ist für die zentralen Stellen eines Unternehmens, die für die Prävention verantwort-lich sind, häufig eine große Herausforderung.

5. Erfahrungsberichte belegen weiterreichende Folgen

Die Perspektive der Betroffenen wurde in Baustein 3 mit Hilfe von Tiefeninterviews mit 38 Frauen erfasst. Das Ziel, auch betroffene Männer zu Wort kommen zu lassen, wurde nicht erreicht; trotz vielfältigen Bemühungen war es nicht möglich, männli-che Gesprächspartner zu gewinnen.2

Die Gespräche mit den betroffenen Frauen erlauben einen Einblick in sehr un-terschiedliche Vorfälle und Lebenssituationen. Oft prägten die Vorfälle das Leben nachhaltig, die Betroffenen haben schwere berufliche, gesundheitliche und private (z. B. Trennung vom Partner) Folgen zu tragen. Den meisten Verursachern hinge-gen erwachsen keine Folhinge-gen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Täter in gewohnter Weise im Unternehmen weiterarbeitet, ist um ein Vielfaches größer als jene, dass dies das Opfer tut. Die Vorfälle hatten bei den Verursachern nur in sechs Fällen eine Aufgabe der Stelle zur Folge, wogegen mehr als drei Fünftel der Opfer aufgrund der Vorkommnisse nicht mehr in dem Unternehmen arbeiteten.

Es lassen sich aus den Gesprächen drei Strategien erkennen, wie die Betroffenen mit den Ereignissen umgehen:

– Durchhalten und Durchstehen: Man geht nicht gegen die Belästigungen vor, lässt sie geschehen. Die Strategie kann dann erfolgreich sein, wenn ein Ende der Situation absehbar ist. Sie kann aber auch in eine Eskalation führen.

– Sich selber helfen: Hier wird versucht, selber aktiv eine Lösung zu suchen, ohne sich an andere zu wenden. Diese Strategie ist dann erfolgreich, wenn der Täter das Fehlverhalten einsieht. Sonst bleibt nur die sofortige Kündigung mit entspre-chenden Folgen für die Laufbahn.

– Unterstützung suchen: Man sucht im Unternehmen selber oder außerhalb nach Unterstützung zur Lösung der Situation. Dies ist dann erfolgreich, wenn das Unternehmen gut reagiert oder kompetente externe Stellen involviert sind. Ist dies nicht der Fall, kann es zur Eskalation führen.

2 Über die Gründe, warum keine Gespräche mit Männern realisiert werden konnten, können wir nur spekulieren. Aus unserer Perspektive stehen drei Erklärungsansätze im Vordergrund: (1) Tabu-Thema: Männern fällt es schwer, über die Belästigung zu sprechen, weil sie sich in der Gesellschaft mit dem Problem nach wie vor nicht ernst genommen fühlen, damit den Männlichkeitsvorstellungen widersprechen und deshalb am liebsten „vergessen“. (2) Position der Stärke: Männer können mit Vorfällen sexueller Belästigung besser umgehen, weil sie für sie aufgrund ihrer gesellschaftlich stär-keren Position weniger gravierende Folgen haben. Damit nehmen sie die Vorfälle weniger ernst und erachten sie nicht als berichtenswert. (3) Kein Gesprächs- oder Thematisierungsbedürfnis: Es gibt seitens der Männer kein Gesprächsbedürfnis. Möglicherweise gehen Männer auf eine andere Art und Weise mit dem Thema um, wobei eben die Thematisierung nicht im Vordergrund steht.

Interessanterweise erklären sich die Frauen selbst die Vorkommnisse vor allem mit der Person des Täters und zeichnen das Bild von gestörten, machtgierigen, einsa-men oder schlichtweg sehr abenteuerlustigen Männern. Dies steht im Widerspruch zur Tatsache, dass es primär Faktoren im Arbeitsumfeld sind, die ihre Situation be-einflussen (siehe oben). Zudem verbessert eine gute Unterstützung von Seiten des Unternehmens den Verlauf von Situationen sexueller Belästigung ganz entschieden, während eine mangelnde oder inkompetente Unterstützung zu sehr destruktiven Entwicklungen für die Betroffenen führen kann. Als hilfreich für eine konstruktive Lösung der Situation erweisen sich unter anderem kompetente Ansprechpersonen in der Organisation und ein direktes und rasches Reagieren. Ein erhöhtes Risiko für problematische Verläufe gibt es bei überforderten Vorgesetzten, einem schlechten oder sexualisierten Arbeitsklima mit unklaren Strukturen, niedrigem Frauenanteil und hoher Vermischung von Privatem und Beruflichem im Arbeitsalltag.

6. Verursachende von potenziell belästigendem Verhalten

Unter dem Titel „Klima und Flirt am Arbeitsplatz“ wurde in Baustein 4 ein anony-mer Fragebogen per Post und als Online-Link mit dem Ziel verteilt, Häufigkeit und Ursachen von potenziell belästigendem Verhalten aus Sicht der sexuell belästigenden Personen selbst zu erfassen.

Die Fragebogen von 823 Beschäftigten aus allen drei Landesteilen konnten ausgewertet werden. 68  Prozent der Befragten geben an, dass sie in den vergan-genen 12 Monaten mindestens ein potenziell belästigendes Verhalten gegenüber Arbeitskollegen oder -kolleginnen gezeigt haben; Männer etwas häufiger als Frauen.

(vgl. Abbildung 2) Alle Befragten erachten diese Verhaltensweisen als schädlich für das Arbeitsklima – auch jene, die sie selber gezeigt haben. Dies ist eine wichtige Beobachtung, denn sie lässt den Schluss zu, dass sich die Verursachenden bewusst sind, dass ihr Verhalten im beruflichen Kontext unangebracht ist.

Analog zu den anderen Bausteinen zeigen auch die Resultate dieses Bausteins, dass potenziell belästigendes Verhalten umso häufiger auftritt, je sexualisierter das Klima am Arbeitsplatz ist. Zudem tritt potenziell belästigendes Verhalten umso häu-figer auf, je mehr Männer sich im direkten Arbeitsumfeld befinden. Auch Frauen, die vermehrt mit Männern zusammenarbeiten, zeigen mehr potenziell belästigen-des Verhalten. Der Einfluss von Persönlichkeitsfaktoren, die oft mit aggressivem Verhalten in Zusammenhang gebracht werden wie etwa Narzissmus oder überhöhtes Selbstwertgefühl (vgl. Bushman/Baumeister 1998), erweist sich demgegenüber als vernachlässigbar. Einzig Einstellungen gegenüber Männern und Frauen sowie die Beziehung zwischen Männern und Frauen am Arbeitsplatz haben einen gewissen Einfluss: Männer, die sich besonders stark mit der Gruppe der Männer identifizieren und gleichzeitig das Gefühl haben, Frauen nehmen den Männern am Arbeitsplatz Macht weg, zeigen eher potenziell belästigendes Verhalten.

Die Resultate zeigen, dass die Existenz eines Reglements gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz keinen Einfluss auf die Häufigkeit von potenziell belästigendem

Verhalten hat. Dieses Ergebnis stützt die Befunde aus den anderen Bausteinen: Ein Reglement allein kann nichts ausrichten.

Abbildung 2: Häufigkeit des Zeigens von potenziell belästigenden Verhaltensweisen am Arbeitsplatz in den vergangenen 12 Monaten (in Prozent)

Quelle: Eigene Daten

7. Schlussfolgerungen für die Praxis

Die Ergebnisse des Projekts sind dazu geeignet, zu einer Entideologisierung der Diskussion um sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz beizutragen, indem fun-dierte Fakten statt Meinungen präsentiert werden und indem gezeigt wird, dass Belästigungen auch von Frauen ausgehen können und auch Männer betroffen sind.

Zudem zeigen sie, dass sich Männer und Frauen sowie Mitarbeiter/-innen und Führungskräfte weitgehend einig sind, was sexuell belästigendes Verhalten ist und was schädlich für das Arbeitsumfeld ist. Sie belegen weiter, dass es – entgegen weit verbreiteter Meinungen – weder Opfer- noch Täterpersönlichkeiten gibt, sondern dass vielmehr organisationale Faktoren die Entstehung von und den Umgang mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz entscheidend prägen.

Für die Praxis bedeutet dies, dass vor allem auf organisationaler Ebene anzu-setzen ist. Ein entscheidender Risikofaktor ist ein sexualisiertes Arbeitsklima. Ein Schutzfaktor ist ein Klima des gegenseitigen Respekts. Zudem gilt generell, dass ein Unternehmen von einem Konsens unter den Beschäftigten ausgehen kann, welche Verhaltensweisen als belästigend und schädlich gelten. Hier zeigt sich auch, dass

Toleranzschwellen eher zu hoch eingeschätzt werden und dementsprechend oft zu spät reagiert wird.

Im Rahmen des Forschungsprojekts wurden gemeinsam mit einer Begleitgruppe aus der Praxis Empfehlungen für verschiedene Handlungsfelder erarbeitet. Als Kernpunkt für alle Handlungsfelder lässt sich festhalten, dass die Präventionsarbeit einfacher wird, wenn sexuelle Belästigung in einen breiteren Kontext gestellt und gemeinsam mit anderen Themen behandelt wird (z. B. Respekt, Belästigungsfreiheit, Gesundheitsförderung). Die Förderung von Diversität ist in sich ein Beitrag zur Prävention (gemischt-geschlechtliche Teams, Respektierung der Verschiedenheit). Die Etablierung eines von Respekt und ethischen Grundsätzen geprägten Arbeitsklimas ist eng damit verbunden. Vorgesetzte aller Hierarchiestufen haben eine Schlüsselrolle bezüglich der Prävention. Sie sind es, die im konkreten Fall frühzeitig reagieren – oder eben nicht. Sie gut auf ihre Rolle vorzubereiten (z. B. in den Kaderschulungen) und entsprechend in die Verantwortung zu nehmen, ist zwingender Bestandteil einer er-folgreichen Prävention.

8. Literatur

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Bushman, Brad J./Baumeister, Roy F. (1998): Threatened Egotism, Narcissism, Self-Esteem, and Direct and Displaced Aggression: Does Self-Love or Self-Hate Lead to Violence? Journal of Personality and Social Psychology, 75, 219‑229.

Colquitt, Jason A. (2001): On the Dimensionality of Organizational Justice: A Construct Validation of a Measure. Journal of Applied Psychology, 86, 386‑400.

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Strub, Silvia/Schär Moser, Marianne (2008): Risiko und Verbreitung sexueller Belästigung am Arbeitsplatz. Eine repräsentative Erhebung in der Deutschschweiz und der Romandie. Im Auftrag des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann und dem Staatssekretariat für Wirtschaft SECO. Bern.

Strub, Silvia/Schär Moser, Marianne/Krings, Franciska (2013): Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz – Risiko und Verbreitung. Eine repräsentative Erhebung im Tessin. Baustein 1 des Projekts „Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz – wer

Strub, Silvia/Schär Moser, Marianne/Krings, Franciska (2013): Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz – Risiko und Verbreitung. Eine repräsentative Erhebung im Tessin. Baustein 1 des Projekts „Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz – wer