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Perspektiven der Integration von Frauen aus Sicht der Bundespolizei

In der Bundespolizei und generell in der Polizei werden Frauen schon seit langer Zeit als integriert angesehen. Das mag 1987 ganz anders gewesen sein. Damals stellte der Bundesgrenzschutz (BGS) die ersten 31 Frauen im mittleren Polizeivollzugsdienst ein. Den Erfahrungsberichten zufolge, die anlässlich des im Jahr 2012 begangenen Jubiläums ‚25 Jahre Frauen in der Bundespolizei‘ zusammengetragen wurden, fan-den die Frauen der ersten Stunde viel Beachtung; für fan-den bis dato rein männlichen BGS stellten sie den Berichten zufolge auch in logistischer Hinsicht eine ernsthafte Herausforderung dar. Allgemeine Unzufriedenheit herrschte offensichtlich mit der gelieferten dienstlichen Bekleidung, die nicht auf weibliche Träger ausgelegt war – ein immer noch nicht gelöstes Problem. Einem Bericht ist zu entnehmen, dass die für Frauen vorgesehenen sanitären Anlagen noch über Pissoirs verfügten, die man(n!) kurzerhand mit Blumen bepflanzte. Die erste Frauenbeauftragte (so die damalige Bezeichnung), die ich im Jahr 2000 nach meinem Wechsel vom Bundeskriminalamt zum BGS kennenlernte, war übrigens ein Mann. Es hatte sich keine Frau gefunden, die diese Aufgabe übernehmen wollte, es gab aber auch nur sehr wenige. Die dama-ligen Ausbildungsinhalte unterschieden sich deutlich von den heutigen – Granaten muss heute niemand mehr werfen können. Damals war dies fester Bestandteil der Ausbildung eines Grenzschützers bzw. einer Grenzschützerin. Resümieren lässt sich, dass die Frauen ihren ‚Mann‘ standen und in allen Disziplinen erfolgreich waren.

1989 öffnete der BGS die Pforten auch für den gehobenen Dienst und stellte drei Bewerberinnen ein. Die Zahl der weiblichen Beschäftigten im Polizeivollzugsdienst hat sich seitdem kontinuierlich erhöht. Frauen sind heute ein fester und in je-der Hinsicht integrierter Bestandteil je-der Bundespolizei. Mitte je-der 1990er-Jahre war das Thema ‚Frauen in der Polizei‘ ein medialer Hit. Zu dieser Zeit lehrte ich als Dozentin im Fachbereich Rechts- und Sozialwissenschaften an der heutigen Deutschen Hochschule für Polizei in Münster-Hiltrup. Die vielen Presseanfragen zum Thema Frauen in der Polizei wurden stets an unseren Fachbereich verwiesen.

Alle großen Tages- und Wochenzeitungen, Der Stern und Der Spiegel berichteten über weibliche Polizisten auf Fahrradstreife, in der Bereitschaftspolizei und – ange-heizt durch die zunehmende Anzahl weiblicher Ermittlerinnen im ‚Tatort‘ – über Kriminalpolizistinnen. Nach ein paar Jahren ebbte das Interesse merklich ab. Heute würde die Frage, ob eine Frau mit Helm und Schlagstock ausgerüstet ihren Dienst so gut versieht wie ein Mann, wohl eher Erstaunen auslösen.

Die Bundespolizei verfügt über etwa 40 000 Beschäftigte, davon gut 30 000 Polizistinnen und Polizisten. Der Frauenanteil beträgt weniger als 15 Prozent.

Von den 4 300 Frauen sind 3 200 Angehörige des mittleren Dienstes und 1 080 des gehobenen Dienstes. Im höheren Dienst finden sich 19 Frauen, von denen die meisten – wie ich auch – von außen ‚eingekauft‘ worden sind. Damit sind Frauen im Verhältnis zu männlichen Polizisten in der Laufbahn des mittleren Dienstes überrepräsentiert, während sie in der gehobenen und höheren Laufbahn deutlich unterrepräsentiert sind. Am Beispiel des höheren Dienstes, der ca. 1 Prozent aller Polizeivollzugsbeamten ausmacht, wird deutlich, dass im Verhältnis rechnerisch 43 und nicht 19 Frauen Angehörige des höheren Dienstes sein müssten. Hier rächt sich der im Vergleich zu den Länderpolizeien niedrige Frauenanteil von nur 15 Prozent.

Es gibt einfach zu wenige Interessentinnen für den Aufstieg. Erschwerend kommt hinzu, dass die für Karriere, sprich Aufstieg, und für Familiengründung typi-schen Lebensabschnitte gleichermaßen in die ‚Dreißiger‘ fallen, was für die meis-ten Frauen einen unüberwindbaren Spagat darstellt. Die Ausbildung findet über 2 Jahre in Lübeck und Münster-Hiltrup und damit höchstwahrscheinlich nicht in Wohnortnähe statt.

Der maßgebliche Indikator für eine erfolgreiche Integration ist für mich die Chancengleichheit in Bezug auf die Karriere. Ich denke, dass die Bundespolizei sich derzeit genau diese Frage stellen muss, nämlich wie und auf welchen Wegen erreichen wir gleiche (Aufstiegs-)Chancen für Frauen im Vollzugsdienst trotz vielfach stärkerer familiärer Belastung, Inanspruchnahme von Erziehungszeiten oder in zunehmendem Maße die Pflege von Angehörigen. Wir alle kennen diese Thematik unter dem pau-schalen Begriff Vereinbarkeit von Beruf und Familie. In erster Linie denken wir bei diesen Themen an Frauen. Nur wenige Männer nehmen Erziehungszeit. Nur we-nige Männer arbeiten in Teilzeit. Es ist kein Geheimnis, dass in Teilzeit arbeitende Beschäftigte im Durchschnitt schlechter beurteilt werden als Vollzeitbeschäftigte.

Nun wissen wir aber alle, dass eine Karriere nur mit Spitzenbeurteilungen möglich ist.

Die Bundespolizei hat sich die Förderung von Frauen in Führungspositionen ins Pflichtenheft geschrieben. Aktuell muss ich für meinen Zuständigkeitsbereich, der drei Bundesländer mit ca. 3 700 Beschäftigten umfasst, die Erfahrung machen, dass bei nahezu allen Ausschreibungen für Spitzenämter im gehobenen Polizeivollzugsdienst Männer im Bewerbungsverfahren obsiegen. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau trotz hervorragender Beurteilung den Zuschlag bekommt, ist bei hohen Bewerberzahlen auf einen bundesweit ausgeschriebenen Dienstposten A11‑13gD äußerst gering. Bei gleicher Eignung, Befähigung und Leistung soll einer weiblichen Bewerberin zwar Vorrang eingeräumt werden, sie muss sich aber zunächst gegen im Schnitt 20 bis 30 männliche Bewerber durchsetzen. Dies funktioniert in der Praxis eher selten, da bei identischer Gesamtnote, nehmen wir die Spitzennote 9, auch Einzelbenotungen auszuwerten sind. Hier ist die Chance groß, dass die Frau trotz Spitzenbeurteilung unterliegt. Behalten wir dieses System bei, werden noch viele Jahre vergehen, ehe der Anteil von Frauen in Führungspositionen deutlich zuge-nommen hat.

Seit Mai 2014 verfügt die Bundespolizei über ein Personalentwicklungskonzept (PEK), welches auch zum Ziel hat, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu

för-dern und damit auf Bedürfnisse und Lebenssituationen individualisiert eingeht.

Zudem ist das PEK ein verbindlicher Leitfaden für die eigene Karriereplanung und zeigt auf, welche Möglichkeiten der/die Einzelne hat, seinen/ihren dienstlichen Weg zu gestalten. Führungskräfte und Beschäftigte werden dabei gleichermaßen in die Pflicht genommen. Die Einrichtung von Förderpools für besonders leistungs-starke Beamtinnen und Beamte soll auch mit Blick auf die Gewinnung geeigne-ten Nachwuchses zielgerichtete Planungen ermöglichen. Neben vielen anderen Aspekten, die zu nennen den Rahmen sprengen würde, bietet das PEK einen für alle verbindlichen Leitfaden der Personalentwicklung. Im Einklang mit der demo-grafischen Entwicklung und der Tatsache, dass nur ein attraktiver Arbeitgeber den künftig noch enger umkämpften Nachwuchs für sich gewinnen wird, zeigt das PEK Chancen und Perspektiven auf, die eigene berufliche Entwicklung an die verschiede-nen Lebensphasen anzupassen. Genau hier dürfte auch der Schlüssel zur Gewinnung weiblichen Nachwuchses liegen, auf den die Bundespolizei nicht verzichten kann.

Es gilt daher, die Attraktivität des Berufsbildes ‚Bundespolizistin/Bundespolizist‘

vor allem im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie weiter zu opti-mieren, ein familienbewusstes Führungsklima zu schaffen und die Arbeitsplätze und -bedingungen unter Berücksichtigung der Einsatzbereitschaft und Einsatzfähigkeit der Organisation so zu gestalten, dass Beruf, Familie und Karriere in Einklang ge-bracht werden können.