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1.2 Motorisches System

1.2.2 Störungen der Feinmotorik beim idiopathischen Parkinson-

Eine gestörte Motorik erschwert viele alltägliche Aufgaben, zum Beispiel das Knöpfen von Jacken, das Schnüren von Schuhen oder das Schneiden von Speisen. Betrachtet man die Einschränkung der Motorik bei Parkinson-Patienten differenzierter, kann

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schen Bewegungsverlangsamung (Bradykinese), Hemmung des Bewegungsstarts und der Armut von Spontanbewegungen wie zum Beispiel der Mimik (Akinese) sowie Verminderung der Bewegungsamplitude (Hypokinese) unterschieden werden (Cebal-los-Baumann & Conrad, 2005, S. 36). Muskelschwäche, Rigidität, Tremor, ungenauere Bewegungen sowie ein leicht verlangsamtes Denkvermögen tragen ebenso zum moto-rischen Symptomkomplex der Parkinson-Erkrankung bei (Berardelli et al., 2001).

Besonders bei der Durchführung von längeren Bewegungssequenzen oder der gleich-zeitigen Bewegung zweier Extremitäten erfahren Parkinson-Patienten große Ein-schränkungen. Man führt dies darauf zurück, dass bei IPS-Patienten vor allem die räumliche und zeitliche Koordination gestört ist. Gesunde Menschen haben einen so-genannten „bilateral outflow“, der dazu führt, dass Bewegungen synchronisiert ausge-führt werden können. Im Gegensatz dazu betrachten Parkinson-Erkrankte ihre Extre-mitäten als alleingestellte motorische Einheiten, wodurch die Synchronisation von Be-wegungen deutlich erschwert wird (Almeida et al., 2002). Einem gesunden Menschen bereitet es keine Probleme, während des Gehens ein Portemonnaie oder Taschentuch aus der Hosentasche zu holen, dahingegen kommt es bei IPD-Patienten gehäuft zu sogenannten Freezing-Phänomenen, bei denen sie wie erstarrt auf der Stelle stehen bleiben (Ceballos-Baumann & Conrad, 2005, S. 72). An dieser Stelle wird deutlich, wie erschwert der Alltag für einen Parkinson-Patienten sein kann.

Vergleicht man Patienten mit Kontrollen bei der Durchführung von einzelnen und kombinierten Übungen, so zeigt sich, dass die Patienten einzelne Übungen signifikant langsamer ausführen. Diese Langsamkeit korreliert jedoch nicht mit den klinischen Akinesie-Skalen. Bei komplexeren Übungen, in denen zum Beispiel gleichzeitig ein Arm gebeugt und mit der Hand eine Greifbewegung ausgeführt wird, benötigen

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Patienten eine signifikant längere Zeit. Dabei nimmt die Zeit, die für eine einzelne Be-wegung notwendig ist, bei den Patienten gegenüber Kontrollen überproportional zu (Benecke et al., 1986).

Benecke et al. (1987) stellen fest, dass Parkinson-Patienten Bewegungen umso langsa-mer ausführen, je mehr Bewegungsschritte hintereinander geschaltet sind. Agostino et al. (1992) überprüfen diese Annahme, indem sie Parkinson-Patienten geometrische Figuren, die aus zwei bis fünf Linien bestehen, nachzeichnen lassen. Je mehr Linien von den Probanden nachzufahren sind, desto länger brauchten die Personen für eine gleich lange Linie. Auch nimmt die Zeit von der ersten bis zur letzten Linie einer Figur immer mehr zu. Sie zeigten, dass dieser Effekt bei IPD-Patienten bei allen Figuren sig-nifikant stärker ausgeprägt ist als bei den altersentsprechenden Kontrollen (Agostino et al., 1992). IPS-Patienten benötigen also nicht nur mehr Zeit für die Durchführung von sequentiellen Bewegungen, auch bei repetitiven Bewegungen wie einer Fingeropposi-tion von Zeigefinger und Daumen erreichen Patienten deutlich geringere Frequenzen als altersentsprechende Kontrollen (Agostino et al., 2003).

Diese Beobachtung bestätigen auch Kandori et al.(2004). Jedoch korreliert in ihrer Un-tersuchung die Frequenz der Bewegung nicht mit der Krankheitsausprägung, die mit der Hoehn-und-Yahr-Skala (siehe Abschnitt 3.2.6) gemessen wurde (Kandori et al., 2004). Die Amplitude von Bewegungen bei einer Fingeropposition unterscheidet sich dagegen deutlich zwischen Patienten und Kontrollen (41,4 mm bei den Patienten vs.

60,72 mm in der Kontrollgruppe) und korreliert hierbei mit der Hoehn-und-Yahr-Skala (Agostino et al., 2003).

Vergleicht man die Bewegungen von Patienten im medikamentösen On- und Off-Status mit gesunden Kontrollen bei abwechselndem Anschlagen von Klaviertasten mit

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dem Zeigefinger und Mittelfinger, den sogenannten Trillern, so zeigt sich, dass die Frequenz der Patienten deutlich geringer ist als diejenige der Kontrollen (1,2 Anschlä-ge/Sekunde bei Erkrankten gegenüber 4 AnschläAnschlä-ge/Sekunde bei Gesunden). Als Maß für die Regelmäßigkeit der Durchführung der Übung kann man zusätzlich den Varia-tionskoeffizienten (CV) des gemessenen Parameters verwenden. Bei Gesunden beträgt dieser für die Frequenz etwa zehn Prozent, während der Variationskoeffizient der Pa-tienten bei über 30 Prozent liegt. PaPa-tienten spielen jedoch nicht nur langsamer und un-regelmäßiger, auch ist das Intervall zwischen den Anschlägen deutlich größer (Taylor Tavares et al., 2005). Medikamentöser On-Status bedeutet, dass der Patient zu dem Zeitpunkt untersucht wird, zu dem die beste Medikamentenwirksamkeit und damit auch die geringste Symptomatik zu erwarten ist. Medikamentöser Off-Status hingegen bedeutet, dass der Patient mindesten 12 Stunden keine Medikamente eingenommen hat und sich somit eine maximale Symptomausprägung zeigt (Gerlach et al., 2007, S.

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Mit Fortschreiten der Parkinson’schen Erkrankung tritt auch eine Zunahme der Reak-tionszeiten bei Patienten auf. Dabei ist nach wie vor ungeklärt, ob die längeren Reakti-onszeiten sich dadurch ergeben, dass Patienten eine längere Zeit brauchen, um eine Bewegungssequenz zu initiieren, oder ob es kognitive Einschränkungen sind, die dazu führen, dass die Reaktionszeiten deutlich steigen (Berardelli et al., 2001).

Im Gegensatz zu gesunden Menschen fällt es Parkinson-Patienten schwer, ihre motori-sche Leistung durch kontinuierliches Üben zu verbessern. Zwar profitieren sie in glei-chem Maße wie Gesunde von einer kurzen Übungssequenz, können aber durch länge-res Üben ihre motorische Leistung nicht mehr so stark wie altersentsprechende Kont-rollpersonen verbessern (Nutt et al., 2000).

2 Fragestellung

Die Beweglichkeitsstörungen beim idiopathischen Parkinson-Syndrom werden theore-tisch in Bradykinese (Bewegungsverlangsamung), Hypokinese (Amplitudenminde-rung) und Akinese (Hemmung des Bewegungsstarts) eingeteilt. Diese tragen unter den motorischen Kardinalsymptomen des IPS am deutlichsten zur Gesamtbehinderung der Patienten bei. Im klinischen Sprachgebrauch werden die drei genannten Begriffe meist synonym und austauschbar verwendet, obwohl sie verschiedene Aspekte einer Grund-störung hervorheben. Zumeist wird der Begriff Bradykinese für die gesamte Symptomgruppe verwendet.

Es wurde bereits von Bronte-Stewart et al. (2000), Jabusch et al. (2004) und Taylor Tavares et al. (2005) gezeigt, dass sich MIDI-Technologie (Musical Instrument Digital Interface – siehe Abschnitt 3.3) grundsätzlich für eine feinmotorische Untersuchung bei Bewegungsstörungen eignet. Bislang wurde diese Technologie allerdings nur für ein-fache Tastenanschläge oder alternierende Bewegungen von zwei Fingern einer Hand bei Parkinson-Patienten genutzt (Bronte et al., 2000; Taylor Tavares et al., 2005).

In der vorliegenden Arbeit sollen aufbauend auf den bisher durchgeführten Studien zum einen das Aufgabenspektrum erweitert und zum anderen verschiedene Parameter untersucht werden, um das weitere Potenzial dieser Methode auszuleuchten. Dabei ist es einerseits das Ziel, eine genauere Charakterisierung der feinmotorischen Störungen beim idiopathischen Parkinson-Syndrom vorzunehmen. Auf der anderen Seite soll der Frage nachgegangen werden, mit welchen Übungen oder Parametern sich Parkinson-Patienten am deutlichsten von gesunden Probanden differenzieren lassen.

Folgende Fragestellungen sind für diese Untersuchung maßgeblich:

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1. Können die Teilkomponenten der Feinmotorikstörung (Hypokinese, Akinese, Bradykinese) bei IPS-Patienten mittels MIDI-Technologie differenziert werden?

2. Wie korrelieren die unterschiedlichen Parameter mit den klinischen Instrumen-ten der Krankheitsausprägung oder -dauer?

3. Eignet sich die quantitative Digitographie grundsätzlich für eine Differenzie-rung zwischen gesunden Kontrollen und Patienten?

3 Material und Methoden