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5.2 Klinische Einordnung

5.2.4 MIDI-Daten und klinische Skalen

Der Verlauf der Parkinson’schen Erkrankung hängt von vielen unterschiedlichen Fak-toren ab. Für eine schnelle Progression der Krankheit prädisponieren folgende Fakto-ren: Rigidität beziehungsweise motorische Verlangsamung als Initialsymptom, Verzö-gerung der Behandlung mit Levodopa und das Einsetzen einer dementiellen Entwick-lung. Des Weiteren scheint die Krankheit umso schneller voranzuschreiten, je höher das Alter des Patienten bei Erstdiagnose ist. Hierbei ist jedoch nicht abschließend ge-klärt, ob es sich lediglich um die Kombination aus dem normalen Alterungsprozess und Krankheitsfortschritt handelt oder ob die Krankheit tatsächlich mit höherem Alter schneller voranschreitet (Roos et al., 1996).

Die unterschiedliche Entwicklungsgeschwindigkeit der motorischen Symptome spie-gelt sich auch in den in dieser Studie gefundenen Ergebnissen wider. Eine Korrelation der Anzahl der Anschläge pro Zeiteinheit lässt sich mit der Krankheitsdauer nicht nachweisen, dahingegen findet sich eine Korrelation mit dem dritten Teil des UPDRS, welcher die Schwere der motorischen Krankheitssymptome zum Ausdruck bringt. Der Punktwert in diesem Teil des UPDRS, der die motorischen Symptome des Patienten abbildet, korreliert mit der Frequenz der Anschläge. Je höher der Punktwert, d. h., je stärker der Patient von der Krankheit betroffen ist, desto langsamer ist entsprechend die Anschlagsfrequenz. Weiter verdeutlicht wird dies in den unten stehenden Abbil-dungen. Es werden exemplarisch die Fingersprünge herangezogen.

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Abbildung 5-1: Korrelation zwischen UPDRS III und Frequenz der Fingersprünge Entsprechend des dritten, motorischen Teils des UPDRS stellt auch die Hoehn-und-Yahr-Skala eine klinische Beurteilungsskala der motorischen Einschränkung bei Par-kinson-Patienten dar. Auch damit ist exemplarisch die Korrelation der Frequenz der Fingersprünge mit der Punktzahl unten dargestellt.

Abbildung 5-2: Korrelation zwischen Hoehn-und-Yahr-Skala und Frequenz der Fingersprünge Je höher die Anschlagsfrequenz liegt, desto milder ist die Parkinson-Symptomatik aus-geprägt. Der Determinationskoeffizient für den Zusammenhang zwischen der Punkt-zahl im UPDRS III und der Frequenz ist deutlich stärker als für den Zusammenhang zwischen Frequenz und der Hoehn-und-Yahr-Skala. Die Ursache liegt darin

begrün-y = -23,92x + 45,624

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det, dass der UPDRS III eine deutlich differenziertere Beurteilung mit mehr Unterstu-fen erlaubt als die Hoehn-und-Yahr-Skala mit nur sieben unterschiedlichen Punktwer-ten.

Untersucht man Parkinson-Patienten mit bildgebenden Methoden wie funktioneller Kernspintomographie (fMRI – functional magnetic resonance imaging) oder Positro-nen-Emissions-Tomographie (PET) bei der Durchführung von Ziel- und Folgebewe-gungen, so zeigt sich eine verminderte Aktivität im kontralateralen sensomotorischen Kortex, bilateral im dorsalen prämotorischen Kortex sowie im ipsilateralen Cerebellum (Grafton, 2004). Die Aufgabe dieser Areale liegt darin, die vom motorischen Kortex kommenden Befehle für eine Bewegung einer Feinabstimmung zu unterziehen. Es scheint also bei an IPD erkrankten Personen – im Gegensatz zu gesunden Probanden – die Feinabstimmung der Zielbewegung gestört zu sein. Parkinson-Patienten benötigen für jede der untersuchten Bewegungen deutlich mehr Zeit als vergleichbare Kontroll-gruppen, dieses spiegelt sich in den durchweg niedrigeren Frequenzen der Erkrankten wider. Die hier vorgestellten Ergebnisse zeigen auch, dass je weiter die Krankheit vo-ranschreitet, die Frequenz der Fingerbewegungen abnimmt und damit die Zeit pro einzelner Bewegung zunimmt.

Des Weiteren untersuchten wir den Zusammenhang zur Gesamtpunktzahl des UPDRS. Hierbei konnten wir jedoch keine Korrelation feststellen. Dieses liegt darin begründet, dass die anderen Anteile des UPDRS sich weniger mit der motorischen Symptomatik, sondern mehr mit den Einschränkungen des täglichen Lebens, den psychopathologischen Auffälligkeiten sowie der Fluktuation der Symptome beschäfti-gen (Movement Disorder Society Task Force on Rating Scales for Parkinson’s Disease, 2003). Diese nicht-motorischen Symptome haben somit im Gegensatz zur reinen

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rischen Symptomatik keinen oder zumindest keinen signifikanten Einfluss auf die An-schlagsgeschwindigkeit.

Eines der Hauptziele dieser Arbeit war es, die klinischen Untersuchungen, insbesonde-re im Rahmen des UPDRS und des PDQ-39, mit den MIDI-Parametern in Verbindung zu bringen. Hierbei sollte untersucht werden, inwieweit sich diese von den Ergebnis-sen in den klinischen Fragebögen unterscheiden beziehungsweise eine sinnvolle Er-gänzung zu ihnen darstellen.

Ein relativ einfach zu erfassender Parameter ist die Krankheitsdauer. Das Inter-Onset-Intervall, das Inter-Strike-Intervall und die Anschlagsdauer korrelieren positiv mit der von den Patienten angegebenen Krankheitsdauer. Bei der von den Patienten angege-benen Krankheitsdauer handelt es sich in der Regel um den Zeitpunkt der Erstdiagno-se. Aus Post-mortem-Studien weiß man jedoch, dass das Absterben der dopaminergen Neurone in der Substantia nigra bereits deutlich vor dem Auftreten der ersten Symp-tome beginnt (Beradelli et al., 2001; Braak et al., 2004). Des Weiteren werden die ersten Symptome des idiopathischen Parkinson-Syndroms häufig als normaler Alterungspro-zess interpretiert, da auch das physiologische Altern mit einer Verlangsamung von Bewegungen einhergehen kann (Gerlach, 2007, S. 8-14).

In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass die Anschlagsfrequenz mit der Krankheitsausprägung (gemessen mit UPDRS III) korreliert, die Krankheitsdauer aber mit dem IOI und nicht der Frequenz korreliert, sodass postuliert werden kann, dass die Hypokinese (gemessen durch die Frequenz) ein Maß für die Krankheitsschwere und die Akinese (gemessen durch IOI) einen Parameter für den Krankheitsverlauf darstellt.

Klinisch wird die Krankheitsausprägung durch die Unified Parkinson’s Disease Rating Scale bestimmt. Insbesondere der dritte Teil, welcher die motorische Einschränkung

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untersucht, korreliert sehr gut mit den Ergebnissen der untersuchten MIDI-Parameter.

In allen Übungen lässt sich eine negative Korrelation mit der Frequenz finden. Je höher der Punktwert im UPDRS III ist, was einer stärkeren motorischen Einschränkung der Patienten entspricht, desto geringer ist die Frequenz der gespielten Übungen. Ähnlich stark wie die Frequenz korreliert auch das Inter-Onset-Intervall mit dem Punktwert im UPDRS III. Jedoch zeigt sich hier eine positive Korrelation. Bronte-Stewart et al. (2000) und Taylor Tavares et al. (2005) beschreiben das IOI als ein umgekehrtes Maß für die Frequenz. Dieses lässt sich auch aus den vorliegenden Daten wie oben genannt nach-vollziehen.

Diese positive Korrelation mit dem UPDRS III ergab sich auch mit der Anschlagsge-schwindigkeit, der Anschlagsdauer sowie mit dem Inter-Strike-Intervall. Dabei ist je-doch das Bestimmtheitsmaß für das IOI und die Frequenz deutlich stärker als für die anderen Parameter.

Betrachtet man den erhobenen Fragebogen zur Lebensqualität (PDQ-39) sowie den entsprechenden Fragebogen zur Depression (BDI), so zeigt sich, dass diese mit keiner der erhobenen MIDI-Parameter korrelieren. Die Lebenssituation des Patienten sowie die psychische Stimmung haben in der vorliegenden Arbeit keinen signifikanten Ein-fluss auf die Feinmotorik des Patienten. Einschränkend ist jedoch festzuhalten, dass in dieser Studie nur Patienten untersucht wurden, die nicht unter einer schweren Depres-sion litten.