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1.2 Motorisches System

1.2.1 Feinmotorik der Hände und ihre Quantifizierung

Die Feinmotorik der Hände kann durch Alter, Händigkeit, Geschlecht, Ausbildung, Erziehung und Motivation beeinflusst werden. Ein einfacher Fingertapping-Test mit Hilfe eines Tasters, wie er auch für die Übermittlung von Telegrammen genutzt wird, ergab, dass die Frequenz (in Anschlägen pro Minute) mit steigendem Alter deutlich abnimmt. Die Dauer eines Tastenanschlags nimmt hingegen mit höherem Alter zu.

Auch erhöht sich die Zeit, welche vom Beginn des einen Anschlags bis zum Beginn des folgenden Anschlags vergeht, mit steigendem Alter deutlich (Cousins et al., 1998).

Bei einem einfachen Fingertapping verringert sich bei einer mittleren Ausgangsfre-quenz von 195 Anschlägen pro Minute im Alter von 20 Jahren mit zunehmendem Alter

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die Frequenz um 0,88 Anschläge pro Lebensjahr (Nutt et al., 2000). Bei einem Fingertapping mit zwei Fingern (Zeigefinger und Ringfinger) ist die Frequenz um etwa 50 % höher als bei einem Fingertapping nur mit dem Zeigefinger. Die Zeit zwischen dem Ende des einen Anschlags bis zum Beginn des folgenden Anschlags reduziert sich bei einem Zwei-Fingertapping im Vergleich zum Ein-Fingertapping auf etwa zwei Drittel (Aoki & Kinoshita, 2001).

Betrachtet man die Händigkeit von Personen, so ist bei Rechtshändern in allen Aufga-ben die dominante Hand diejenige, die die besseren Ergebnisse erzielt. Anders ist dies bei Linkshändern. Man kann sie nicht als umgekehrte Rechtshänder betrachten, da sie durch das tägliche Leben, in dem sie in der Regel häufig auch die rechte Hand nutzen müssen, ihre nicht-dominante Hand besser trainieren, als dies Rechtshänder mit ihrer linken Hand tun (Kraus et al., 2000).

Mit steigendem Alter vermindert sich auch insgesamt die Leistungsfähigkeit der Hän-de. So nehmen die Stärke des Händedrucks und die Kraft der Finger zum Beispiel beim Pinzettengriff deutlich ab (Buckwalter et al., 1993). Ebenso reduziert sich die Sen-sibilität der Fingerspitzen mit zunehmendem Alter (Desrosiers et al., 1995). Der Verlust der Kraft in der Handmotorik des älteren Menschen hat zwei Gründe. Zum einen kommt es zu einem Verlust von Muskelmasse über die Degeneration motorischer Ein-heiten, zum anderen ist der ältere Mensch nicht mehr dazu in der Lage, alle vorhande-nen motorischen Einheiten gleichzeitig und ausreichend zu innervieren (Buckwalter et al., 1993).

Auf Grund dieser Veränderungen werden Aktivitäten des täglichen Lebens wie Schnürsenkel schnüren, Knöpfe schließen, Münzen aus einem Portemonnaie suchen oder auch das Schreiben mit zunehmendem Alter beschwerlicher. Diese komplexeren

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motorischen Aktionen können beispielsweise mit einer Stecktafel untersucht werden.

Von dieser gibt es unterschiedliche Ausführungen, in denen sich die Anzahl der Lö-cher (von neun bis 24) unterscheidet (Campell et al., 1973). Die Aufgabe besteht darin, kleine Stifte möglichst schnell in die hierfür vorgesehenen Löcher zu stecken. Dafür brauchen ältere Menschen (65–84 Jahre) etwa 25 % mehr Zeit im Vergleich zu jüngeren Menschen (18–32 Jahre) bei gleicher Anzahl von Stiften. Dieses wird in der vorhande-nen Literatur mit erhöhter Gelenksteifigkeit (Stackhouse et al., 2001) und der oben schon angesprochenen verschlechterten Muskelkoordination in Verbindung gebracht (Yue et al., 1999).

Umfangreicher als die Stecktafel ist die motorische Leistungsserie nach Schoppe. Diese umfasst neben dem oben beschriebenen Stifte-Umstecken noch vier weitere Untertests:

einen Klopftest, einen Haltetest, einen Test zur Überprüfung der Zielsicherheit und ein Liniennachfahren. Beim Klopftest soll mit einem Stift in möglichst hoher Frequenz auf eine Kontaktplatte geklopft werden, ohne Arm oder Hand aufzusetzen. Im Rahmen des Haltetests muss ein Stift 30 Sekunden in ein Gefäß gehalten werden, ohne dessen Rand oder Boden zu berühren. Zur Prüfung der Zielmotorik hat der Untersuchte die Aufgabe, möglichst schnell mit einem Griffel in 20 Kreise zu tippen, ohne deren Rand zu berühren oder außerhalb der Kreise aufzukommen. Der Linien-Test ist insbesonde-re zur Beurteilung ataktischer Störungen konzipiert. Dabei soll mit einem Griffel eine ausgefräste Linie nachgefahren werden, ohne den Boden oder die Wände der Fräsung zu berühren. Bei allen diesen Übungen findet sich eine signifikante Verschlechterung der Ergebnisse mit steigendem Alter (Kraus et al., 1993; Kraus et al., 2000).

Mehrere Untersuchungen zeigten, dass bei der Durchführung von feinmotorischen Übungen, bei denen nicht die Messung von Kraft im Vordergrund steht, sich kein

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terschied zwischen den Geschlechtern findet (Kraus et al., 2000; Nutt et al., 2000;

Ranganathan et al., 2001).

In den letzten Jahren sind verschiedene Videosysteme entwickelt worden, um Feinmo-torik zu testen und zu quantifizieren. Mit Hilfe dieser Systeme ist eine objektive, com-puterbasierte Auswertung der Bewegungsausführung möglich. Beispielsweise lässt sich mit einer Infrarotvideokamera und entsprechenden an den Fingern der Probanden aufgebrachten Markern die Bewegungssequenz filmen. Ein deutlicher Vorteil dieser Methode liegt darin, dass die Marker sehr klein sind und nur etwa ein Gramm wiegen.

Außerdem sind keine Kabelverbindungen von den Fingern zur Kamera notwendig.

Aus diesen Gründen wird die feinmotorische Leistung eines Probanden kaum ver-fälscht (Jobbagy et al., 2005). Allerdings benötigt diese Methode ein gewisses techni-sches Können bei den Untersuchern und ist in der Auswertung der Bewegungsse-quenzen relativ zeitintensiv.

Die Sensibilität der Finger misst man in der Regel mit Hilfe der Zwei-Punkte-Diskrimination. Dabei schließt der Proband die Augen und es werden zwei kleine Spitzen vorsichtig auf die Fingerbeere gedrückt. Dabei soll der Proband angeben, ob er zwei Spitzen oder eine fühlt. Die Zwei-Punkte-Diskrimination misst dabei den Ab-stand der Spitzen, bei dem gerade noch zwei Punkte gefühlt werden. Dieser liegt beim jungen Menschen an den Fingerspitzen bei etwa 1,35 mm und beim älteren Menschen mit 2,7 mm doppelt so hoch (Ranganathan et al., 2001).