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3 Sport und Gesellschaft

3.2 Der Sport im 21. Jahrhundert

Heute ist der Sport aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Sei es beim Hobbysport mit Freunden, beim Mitfiebern in Stadien oder vor dem Fernseher, beim Lesen der unzähligen Berichterstattungen über die Ergebnisse der Leistungssportler und -sportlerinnen in den Zeitungen, oder bei den zahlreichen Charitysportevents. Längst ist der Sport in jeden Bereich unseres Lebens vorgedrungen. Im folgenden Abschnitt möchte ich auf einige Phänomene

81 Vgl. SPORTUNION Österreich (Hg.), 2020. Online verfügbar: https://sportunion.at/ueber-uns/geschichte/

(Zugriff: 25.11.2020).

82 Vgl. Sport Austria - Österreichische Bundes-Sportorganisation (Hg.), 2020. Online verfügbar:

https://www.sportaustria.at/de/ueber-uns/sport-austria/geschichte-von-sport-austria/ (Zugriff am 25.11.2020).

83 Vgl. Otmar Weiß: Sport und Gesellschaft. Eine sozialpsychologische Perspektive. Wien 1990. S. 9.

21 unserer Zeit eingehen, die den Sport und unsere Gesellschaft im 21. Jahrhundert wiederspiegeln.

Ohne Frage hat die sportliche Betätigung eine sehr positive Auswirkung auf die Gesundheit.

Häufig wird man deshalb auf die Frage, warum man denn eigentlich Sport betreibe, als Antwort hören: „Weil es gut für den Körper und meine Gesundheit ist“84. Für viele, besonders im höheren Alter, ist dies deshalb wohl einer der ausschlaggebenden Gründe, Sport zu treiben. Mit Erfolg, denn er scheint den Menschen als wirksames Mittel zu dienen, um die immer häufiger auftretenden Volkskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Diabetes oder Übergewicht vorzubeugen.

Der gesundheitliche Aspekt ist jedoch nicht nur bei der älteren Generation ein zentrales Thema, sondern auch jüngere Menschen beschäftigen sich in den letzten Jahrzehnten immer stärker mit dem eigenen Körper und damit, diesen möglichst gesund zu halten. Neben den unterschiedlichsten Ernährungsvarianten tun sie dies eben auch häufig durch Sport.

Weiters dient der Sport als ein Ausgleich vom Alltag, beziehungsweise vom Arbeitsleben. Dies ist keineswegs eine neuzeitige Erscheinung, denn wie bereits im vorherigen Kapitel erwähnt, lässt sich dieser Beweggrund für die sportliche Betätigung schon seit den frühen Entwicklungen des Sports beobachten. Unsere heutige Leistungsgesellschaft ist geprägt von Arbeitsdruck, Erfolgsdruck und Zeitdruck – Druck, den viele durch Sport abbauen. Er dient als eine Art Ventil. Zum einen finden viele Menschen diesen Ausgleich in „normalen“ Sportarten wie einer Laufrunde nach der Arbeit, bei einer kurzen Wanderung oder bei einem Tennisspiel. Zum anderen gibt es jene, denen diese körperliche Betätigung nicht mehr ausreicht. Sie finden ihren Ausgleich im Extremsport.

Unter der Sportart Free-Solo-Klettern oder Freeclimbing (aus dem Englischen: Freiklettern) etwa, versteht man das Klettern an Felswänden, jedoch ohne jegliche Sicherungen. Ein falscher Griff kann somit über Leben und Tod entscheiden. Diese Sportart ist wohl ein Paradebeispiel für den häufig in unserer Gesellschaft vertretenen unstillbaren Durst nach Adrenalin und Abenteuer, der besonders beim Extremsport eine große Rolle spielt. Ähnlichen Gefahren setzen sich auch Extrembergsteiger und -bergsteigerinnen aus. Ständig auf der Suche nach neuen Rekorden, werden besonders schwere Berge in möglichst kurzer Zeit erklommen und nicht selten kommt es dabei zu Unfällen und Abstürzen.

84 Interview mit meinem Vater, 27.11.2020.

22 Der Terminus Leistungsgesellschaft beschränkt sich nicht auf die Arbeitswelt, denn er prägt auch unsere Freizeit. Im Sport wird dies besonders sichtbar. Im ständigen Wettkampf mit sich selbst und anderen treibt man sich zu sportlichen Höchstleitungen. Man möchte sich messen, zeigen was man kann und die anderen übertrumpfen. Natürlich trifft dies nicht auf alle Sporttreibenden zu. Ich selbst kann mich hier wohl als Beispiel nennen, da ich Sport zum reinen Vergnügen ausübe und der Leistungsaspekt dabei für mich keine Rolle spielt.

In meiner Jugend habe ich neun Jahre lang Leichtathletik betrieben. Beim Training stand für mich immer der gemeinschaftliche Aspekt im Vordergrund, ob ich besser oder schlechter als meine Kollegen und Kolleginnen war, war nebensächlich. Wahrscheinlich waren mir gerade deshalb die mehrmals jährlich stattfindenden Wettkämpfe so unangenehm. Ich hätte alles gegeben, um nicht daran teilnehmen zu müssen, um mich keiner offensichtlichen Leistungsschau auszusetzen, doch das stand in unserem Verein nicht zur Diskussion. „Wenn man bei einem Verein ist, dann gehört der Wettbewerb einfach dazu“85, stellte mein Vater fest.

Ob gewollt oder ungewollt, bewusst oder unbewusst, der Leistungsvergleich ist im Sport des 21. Jahrhunderts ein wichtiger Aspekt.

Der Vergleich spielt auch bei der Körperlichkeit eine ungemeine Rolle. Der Körper ist in unserer heutigen Gesellschaft wohl so zentral wie nie zuvor. Schon 2006 schreibt Bausinger, dass der Sport in der neuen Körperkultur eine erhöhte Inszenierung und Exposition des Körpers erfahre86, ohne zu wissen, wie sehr es damit heute, 15 Jahre später, auf den Punkt trifft. Unsere Welt ist gezeichnet von der Inszenierung über soziale Medien. Besonders auf der Plattform Instagram lässt sich dieses Phänomen sehr gut beobachten. Mittels Fotos und Videos präsentieren Nutzer und Nutzerinnen ihr vermeintlich perfektes Leben. Neben den immer populärer werdenden Fitnessbloggern und -bloggerinnen zeigen sich auch unzählige Otto- Normalbürger und -bürgerinnen im engen Sportoutfit in lässiger Pose am Gipfel eines Berges oder vor dem Spiegel im Fitnessstudio, ständig auf der Suche nach den besten Winkeln, um ihren gestählten Körper zu präsentieren.

„Zu den Formen der neuen Köperkultur gehört nicht nur, dass sie Mittel zur Verfügung stellt, die Leistungssteigerungen klar erfahrbar machen, also auch eine schnelle positive Rückmeldung zulassen; auch neue soziale Formen gehören zu der

85 Interview mit meinem Vater, 27.11.2020

86 Vgl. Hermann Bausinger: Kultur als Sport. In: Helmut Digel u.a. (Hg.): Sportkultur. Sport in der heutigen Zeit. Tübinger Schriften zur Sportwissenschaft, Bd. 6, Tübingen 2006, S. 4–14, hier S. 4.

23 scheinbar so individualistisch ausgerichteten Tendenz. Es ist richtig, dass die neue Bewegung mit einer gewissen Abkehr vom Vereinssport zusammengeht.“87

Neben der Tatsache, dass sich von Bausingers Aussage zu schnellen positiven Rückmeldungen ebenfalls wieder hervorragende Parallelen zur Instagram-Kultur ziehen lassen, weist er auf einen weiteren Aspekt des Sports im 21. Jahrhunderts hin: Der Sport entwickelt sich weg vom früher so üblichen Vereinssport, hin zum Individualsport.

Hat man sich früher hauptsächlich in Sportclubs körperlich betätigt, geht der Trend heute eher in Richtung eigenständiges Trainieren in Fitnessstudios. Ein möglicher Hintergrund dieser Entwicklung könnte die Entfremdung der Gesellschaft sein. Früher war meist die gesamte Familie Teil eines Vereins. Besonders in den ländlichen Bereichen entwickelte sich so eine stetige Gemeinschaft, die sich regelmäßig traf. 88 Natürlich sind diese Vereine auch noch heute zu finden, doch längst nicht mehr mit derselben Popularität. Heute ist unsere Gesellschaft geprägt von Anonymität, vor allem in den Städten. Hier zählt es eher zur Seltenheit, dass man seine Nachbarn und Nachbarinnen kennt. Möchte man Sport betreiben, neigt man dadurch vielleicht eher zum Individualsport, da es den klassischen Sportverein im Nachbarort schlicht und ergreifend einfach nicht gibt. Zudem sind Sportclubs im städtischen Gebiet häufig viel professioneller und kostspieliger aufgebaut.

Nichtsdestotrotz stimme ich Bausinger89 zu, dass dieses Abwenden von Vereinen mit Bedacht gesehen werden muss. Es bleibt außer Frage, dass sich die Vereine in den vergangenen Jahrzehnten dezimiert haben, doch es scheint auch außerhalb der kommerziellen Sportclubs der Wunsch nach Gemeinschaft stärker zu werden. So lässt sich dies etwa bei der Grüppchenbildung im Fitnessstudio oder bei organisierten Lauftreffs beobachten. Neben dem Verlangen nach individuellen Tendenzen, scheint der Gemeinschaftsgedanke im Sport also doch nicht ganz verloren zu sein.

Zuletzt bleibt noch ein weiteres Phänomen der Welt des Sports im aktuellen Jahrhundert zu erwähnen. Neben dem üblichen, stetig wachsenden Sportangebot ist heute vor allem die Onlinesportauswahl beträchtlich gestiegen. In den letzten Jahren, und gezwungenermaßen besonders in den aktuellen Zeiten der Corona-Pandemie, hat das virtuelle Sportangebot einen

87 Hermann Bausinger: Die schönste Nebensache... Etappen der Sportbegeisterung. In: Helmut Digel u.a. (Hg.):

Sportkultur. Sport in der heutigen Zeit. Tübinger Schriften zur Sportwissenschaft, Bd. 6, Tübingen 2006, S. 15–

17, hier S. 27.

88 Vgl. Hermann Bausinger: Sind Vereine überholt? In: Helmut Digel u.a. (Hg.): Sportkultur. Sport in der heutigen Zeit. Tübinger Schriften zur Sportwissenschaft, Bd. 6, Tübingen 2006, S. 43–59, hier S.55.

89 Vgl. Ebd., S.55.

24 regelrechten Boom erlebt. Nicht zuletzt diese leichte Erreichbarkeit von angeführten Trainings und Bewegungseinheiten, trägt zur steigenden Popularität und Ausübung von Sport bei.