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Michaela, 41 – leidenschaftliche Arsenal-Supporterin

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6.2.2 Michaela, 41 – leidenschaftliche Arsenal-Supporterin

Meine Cousine Michaela ist in einem sehr sportlichen Umfeld aufgewachsen. Durch ihre zwei

„fußballnarrischen“ Onkel, wie sie diese beschreibt, ist sie von klein auf mit dem Ballsport in engem Kontakt. Obwohl sie den Sport selbst nicht ausübte beziehungsweise auf Grund des fehlenden Angebots selbst nicht ausüben konnte, fand sie im Fußball ihre Passion. Sobald ich

73 mich für mein Forschungsthema entschieden hatte, wusste ich, sie wäre eine perfekte Interviewpartnerin und glücklicherweise war sie sofort bereit für ein Gespräch.

Michaela zog 2009 nach London, weshalb sich die Terminfindung etwas schwierig gestaltet.

Während einem ihrer Heimatbesuche nutze ich die Chance und ich besuche sie in ihrem Elternhaus. Etwas abgeschottet von den übrigen Familienmitgliedern machen wir es uns im Wohnzimmer bequem und beginnen über das Thema zu sprechen.

Ich möchte wissen, was sie am Sportzusehen besonders reizt? Zu allererst müsse zwischen dem österreichischen und dem britischen Fußball unterschieden werden, sagt sie. In Großbritannien erfährt man ein völlig anderes Stadionerlebnis als hierzulande. Die Stadien sind zum einen viel größer, zum anderen kann auch die Stimmung nicht verglichen werden. In gewissen Stadien, wie etwa dem Annfield in Liverpool, singen beim Einlaufen des Teams um die 40.000 Menschen „You`ll never walk alone“. „Da hat man Gänsehaut!“, schwärmt Michaela. Ein ebenso wichtiger Punkt ist das Gefühl der Gemeinschaft für die Wahlbritin. Geschlossen steht man hinter der Mannschaft, unterstütz sie und feuert sie an.

Wie Michaela zu ihrem Lieblingsverein Arsenal gekommen ist, war ein paar Zufällen geschuldet. In jungen Jahren war sie Fan des FC Red Bull Salzburg. In der Saison 1998/99 wechselte mit dem bisher bei Salzburg tätigen Spieler Alex Manninger, der erste österreichische Fußballspieler in die Premier League, zu Arsenal. Michaela begann somit den Verein verstärkt zu verfolgen. Während ihres Auslandssemesters in Schottland 2001 machte sie mit Freunden einen Ausflug nach London, bei dem auch zwei Stadien besucht werden sollten. Lächelnd erzählt sie mir von dem Ereignis: „Bei Arsenal ist es so, dass du mit einer U-Bahn zur Stadion fährst, die „Arsenal“ heißt. Das war damals noch das alte Stadion. Dann steigst du aus und bist direkt vor dem Stadion. Dann haben dort, weil sie gerade die Meisterschaft gewonnen hatten, die Fahnen draußen gehangen. Es war einfach Liebe auf den ersten Blick. Deswegen bin ich eigentlich Arsenalfan.“

Heute wohnt Michaela in Sichtweite des neuen Stadions. Ein Entscheidungsgrund für die Wohnung, wie sie bei meinem letzten Besuch in London lachend zugab. Sie ist nicht Teil eines offiziellen Fanclubs, aber stolze Besitzerin eines Jahresabos, denn anders als bei österreichischen Teams, kann dieses nicht einfach erworben werden. Die Arsenal-Supporterin stand 6 Jahre auf der Warteliste, bis sie endlich ein Abo auf ihren Namen erhielt. Die Jahre zuvor hatte sie allerdings das Glück, bereits 2010 über Umwege an ein weitergegebenes Abo

74 zu gelangen. Die 1.300 bis 1.500 Pfund für das jährliche Saisonticket nimmt sie für ihr Team gerne in Kauf.

Seit 2010 besucht Michaela beinahe alle Heimspiele. Termine werden gut und gerne auch mal umgeplant, um ein Match nicht zu verpassen. In den letzten Jahren entgingen ihr so nur zwei oder drei Spiele in der Saison. Das Besuchen von Auswärtsspielen sei durch die schwierige Beschaffung der wenigen regulären Karten quasi unmöglich, merkt sie etwas niedergeschlagen an. Dennoch ergattert sie zwischendurch Karten und für das Unterstützen „ihres“ Vereines ist ihr keine Reise zu weit. So war sie etwa bei Spielen in Barcelona, Mailand, aber auch im aserbaidschanischen Baku, um Arsenal anzufeuern.

Als großer Fußballfan sind für sie natürlich auch die großen Ereignisse wie die Europa-, beziehungsweise die Weltmeisterschaft ein Muss. Um die heißbegehrten Karten zu erbeuten hat sie mittlerweile in eigenes System entwickelt. Jeder ihrer Freunde und Verwandten, der ihr seine oder ihre E-Mail-Adresse zur Verfügung stellt, wird bei der Kartenverlosung angemeldet, um so ihre Chancen zu erhöhen. Mit Erfolg! Michaela konnte bereits einige Spiele bei der WM in Frankreich 2018 besuchen, bei der WM in Deutschland 2006 waren es sogar neun, bei der EM 2004 in Portugal drei. Auch der Weg nach Südafrika war ihr für ihre Leidenschaft nicht zu weit. Bei der WM im Jahr 2010 ergatterte sie Karten für sieben Spiele. Je nach Kategorie könne diese zwischen 35€ und 300€ kosten, wenn man Pech habe aber auch 1.500€, erzählt sie nüchtern.

Wir gehen zum Thema der Emotionen im passiven Sport über. Auch für sie sind die Emotionen im Sport mitunter das Wichtigste. Vor allem durch die Coronakrise werde dies wieder ganz klar sichtbar, sagt sie. Fußball ohne Fans ist ihrer Ansicht nach nur halb so interessant und ohne Stimmung in den Stadien ist es einfach nicht dasselbe. Die Pandemie habe uns gezeigt, was die Fans eigentlich wert seien, stellt sie fest. Abgesehen vom aktuellen Ausnahmezustand würde Michaela sich aber als eher ruhigen Fan bezeichnen. Das anfänglich gelegentliche Aufhüpfen während des Spiels hat sie sich, auf Grund der Proteste aus den dahinterliegenden Sitzreihen nichts sehen zu können, abgewöhnt. Heute ist sie zwar still, aber sehr unruhig und angespannt.

Präventiv schneidet sie sich vor dem Spiel auch immer die Fingernägel, um das nervöse Kauen daran zu vermeiden.

Wie ist es wenn dein Team verliert, frage ich sie? Prompt folgt ein trockenes: „Dann sollte mich am besten einen Tag niemand drauf anreden. Das wird auch so akzeptiert.“ Zunächst interpretiere ich es noch als eine nicht ganz so ernstgemeinte Aussage und schmunzle kurz, bis sie auf meine Frage, ob sie also emotional voll involviert sei, nüchtern antwortet: „Ja, es ist

75 schon besser geworden. Also es kommt drauf an, wer mich anspricht. Wenn sich jemand auskennt und mit mir diskutieren will, okay. Wenn mich jemand nur ärgern will, dann braucht er mich nicht anreden, weil dann…aber ja. Es gibt ja die Regel: Lass die Person zumindest einen Tag in Frieden und rede sie erst am nächsten Tag darauf an.“ Eine fußballinterne Regel, möchte ich wissen? Offiziell oder nicht, Michaela habe sie zumindest gelernt, als sie nach London gezogen sei, berichtet sie.

Ihre Emotionen zum Saisonende? Dabei empfindet sie ähnlich wie Felix. Je nachdem ob es gut läuft oder nicht, wünscht man sich weitere Matches oder sehnt sich das „erlösende“ Ende schon herbei.

Bereits nach 32 Minuten beenden wir unser Gespräch. Ich bin überrascht, wie sachlich und nüchtern Michaela während des Interviews gesprochen hat. Zwar passt es zu ihrem üblichen Auftreten, auf Grund ihrer schon so lange andauernden tiefen Leidenschaft für das Team und den Sport an sich, hätte ich jedoch etwas anders erwartet. Dennoch zufrieden über den Verlauf des Gesprächs gehe ich gemeinsam mit meiner Cousine wieder zum Rest der Familie auf die Terrasse zurück.

6.2.3 Thomas, 43 – Vorsitzender und Fanbeauftragter des größten Basketballfanclubs in