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2 Literatur

2.2 Somatotrope Achse

Die Somatotrope Achse hat einen bedeutenden Einfluss auf das fetale und post-natale Wachstum des Organismus. Das Wachstumshormon wurde in diesem Zusammenhang bereits 1921 von Evans und Long (42) nachgewiesen und erhielt aufgrund dieser Funktion auch seinen Namen. Erst später erkannte man, dass GH nicht nur direkt, sondern auch über Serumfaktoren wirkt (43). Einige dieser Serumfaktoren wurden von Rinderknecht und Humbel (44) als Insulin-ähnliche Wachstumsfaktoren beschrieben.

Die klassischen Elemente der Somatotropen Achse umschließen das Wachstums-hormon, das Wachstumshormon Bindungsprotein, den Wachstumshormonrezeptor, die Insulin-like Growth Factors I und II, sechs IGF Bindungsproteine (IGFBP) und weitere IGF ähnliche Bindungsproteine (45).

2.2.1 Wachstumshormon

Das im Hypophysenvorderlappen gebildete GH gehört zur Gruppe der Peptidhor-mone, besteht aus 191 Aminosäuren und wird mit einer pulsatilen, circadianen Rhy-thmik in den Blutkreislauf abgegeben (45). Im menschlichen Fetus kann GH bereits in der 6. Woche der Schwangerschaft nachgewiesen werden und besitzt einen

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großen Einfluss auf das Längenwachstum (45). Die pulsatile Ausschüttung des GH wird mit geschlechtsspezifischen Unterschieden durch zwei Neuropeptide gesteuert.

Diese Neuropeptide sind das Growth Hormone Releasing Hormone (GHRH) und das Growth Hormone Inhibitor Hormone (GHIH). Beide werden im Hypothalamus gebildet und in den Blutkreislauf abgegeben (46).

Die Regulation der Ausschüttung dieser beiden Neuropeptide erfolgt zum einen durch ein negatives Feedback auf den Hypothalamus durch das Wachstumshormon selbst, wodurch die GHRH-Ausschüttung gesenkt und gleichzeitig die Sekretion von GHIH gefördert wird (47). Des Weiteren sind auch andere Hormone beschrieben, die einen Einfluss auf die hypothalamische GHRH- und GHIH-Ausschüttung und somit auch auf das hypophysäre GH-Ausschüttungsmuster haben. Dazu gehören das in der Leber gebildete IGF-I, sowie die gastrointestinalen Peptide Ghrelin, Leptin und Insulin (45). Neben dem Feedback auf den Hypothalamus kommt es aber auch zu einem direkten Feedback auf die Hypophyse, wodurch die GH-Ausschüttung gesenkt werden kann. Dabei besitzen IGF-I und Insulin die größte Bedeutung (48).

Aus der Hypophyse wird GH in den Blutkreislauf abgegeben und an das GH-Bin-dungsprotein gebunden. In vivo konnte von Renaville et al. (49) gezeigt werden, dass das Bindungsprotein die Halbwertszeit verlängert und eine stärkere Wirkung des GH an seinem Rezeptor bedingt.

Neben dem Längenwachstum beeinflusst GH auch den Stoffwechsel (50). Die Wir-kung von GH auf bestimmte Zielgewebe wie Fett, Muskulatur oder auch Leber ist da-bei direkt oder wird indirekt durch IGF-I und IGF-II vermittelt. Einen direkten Effekt hat GH beispielsweise auf die Adipozyten. Es wirkt lipolytisch und ein GH-Mangel führt bei Mäusen zu einem vermehrten Fettgehalt des Körpers (51). In der Leber kommt es durch GH zu einer vermehrten Glukoneogenese. Indirekt bewirkt es aber durch die Bildung von IGF-I eine vermehrte Aufnahme von Glukose aus der Blutbahn in die Gewebe. Wachstumshormon und IGF-I sind somit zum Teil Antagonisten und die Regulation auf Zellebene ist komplex gesteuert (50).

2.2.2 Wachstumshormon Rezeptor

Die Wirkung von GH wird über GHR in der Zellmembran vermittelt (52). GHR ist ein transmembranes Glycoprotein, dessen mRNA Expression und dessen Protein in der Leber die höchsten Konzentrationen besitzen. Aber auch in Fettgewebe, Muskel und

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Niere wurden hohe Konzentrationen des GHR nachgewiesen (53). Die Wirkung von Wachstumshormon an seinem Rezeptor wird intrazellulär über die Janus Kinase 2 (Jak2) vermittelt, die mit dem intrazellulären Teil des Rezeptors assoziiert ist. Die Bindung von GH veranlasst eine Konformationsänderung des Rezeptors, der die Jak2 aktiviert. Das intrazelluläre Signaltransduktionsprotein Jak2 phosphoryliert in Folge das DNA Bindungsprotein „signal transducer and activator of transcription 5b“

(STAT5b). Zwei phosphorylierte STAT5b bilden zusammen ein Dimer, das im Zell-kern an spezifische DNA Sequenzen, sogenannte „interferon-gamma-activated sites“

(GAS), bindet. Diese GAS Elemente befinden sich in den Promotern der GH-ab-hängigen Gene, wie beispielsweise dem IGF-I-Gen, die dadurch die Transkription dieser Gene erhöhen (23).

Es sind drei verschiedene GHR mRNA Transkripte beim Rind beschrieben: GHR 1A, 1B und 1C (52). Lucy et al. (54) konnten die GHR 1A mRNA beim Rind nur in der Le-ber nachweisen. Weiterhin konnte diese Arbeitsgruppe (55) zeigen, dass die Bindung von GH auf mikrosomalen Membranen homogenisierter Hepatozyten um den Ge-burtszeitpunkt beim Rind deutlich verringert ist. Das auf den Hepatozyten gebundene GH korreliert mit der Transkription der GHR 1A mRNA, nicht aber mit der Transkrip-tion der gesamten mRNA der GHR 1A, 1B und 1C. Die Autoren machen deshalb GHR 1A für das Absinken der IGF-I-Konzentrationen vor der Geburt verantwortlich (55).

2.2.3 Insulin-like Growth Factor System

In der Literatur wird übereinstimmend dem IGF-I im Metabolismus, aber auch bei Funktionen der Immunantwort und der Regeneration und Differenzierung von Ge-weben eine besonders wichtige Bedeutung zugesprochen (6, 8, 56). Bereits nam-entlich wird bei Insulin-like Growth Factor auf eine strukturelle Homologie zum Insulin verwiesen, die ca. 50% beträgt (45). Dementsprechend kann IGF-I nicht nur an sei-nen eigesei-nen Rezeptor, sondern auch an die Rezeptoren der strukturverwandten Hor-mone Insulin und IGF-II binden. Allerdings ist bei dieser Kreuzreaktivität die Bin-dungsaffinität von beispielsweise IGF-I am Insulinrezeptor gegenüber Insulin 100-mal niedriger (8, 45).

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In der fetalen Phase wird vor allem IGF-II gebildet, wobei IGF-I einen ebenso großen Einfluss auf das Wachstum hat (57), so dass beim Rind sowohl IGF-I als auch IGF-II positiv mit dem fetalen Wachstum korrelieren (58). Sowohl im fetalen als auch post-natalen Leben wird die Synthese und Sekretion von IGF-I vor allem durch GH ge-steuert. Dabei synthetisiert die Leber den größten Anteil des im Blut zu messenden IGF-I (ca. 75%). Das restliche im Blut zu messende IGF-I wird unter anderem in der Muskulatur sowie im Fett- und Nierengewebe gebildet (59). Das gebildete IGF-I kann sowohl endokrin, als auch parakrin und autokrin wirken (60). Die parakrine Wirkung beschreibt die Wirkung eines Hormons auf die Nachbarzelle, während man unter autokriner Wirkung den Einfluss auf dieselbe Zelle, in der das Hormon gebildet wurde, versteht. Yakar et al. (59) konnten bei Mäusen nachweisen, dass über 2/3 von dem endokrin wirksamen, im Serum zu messenden IGF-I in der Leber synthe-tisiert werden. Allerdings war ohne dieses in der Leber gebildete IGF-I weder das Wachstum noch die Reproduktion beeinträchtigt.

Das gebildete IGF-I wird im Blut an Bindungsproteine gebunden: Nur ca. 1% liegt un-gebunden, also frei vor. Viele der IGF-I-Aktionen werden durch Bindungsproteine modifiziert und kontrolliert (8, 45, 61). Der Komplex aus IGF-I, IGFBP-3 und Acid labile subunit (ALS) bildet den größten Anteil (80 – 95%) an gebundenem IGF-I (62).

Dieser Bindungskomplex, der eine Halbwertzeit von 15 Stunden hat, wird als Pool für IGF-I angesehen (8). Zusätzlich kommt es zu einer Beeinflussung des IGF-I durch weitere Bindungsproteine. Ist IGF-I beispielsweise an IGFBP-1 gebunden, so er-leichtert dieses Bindungsprotein den Transport von IGF-I durch Membranen (63). Da-rüber hinaus wurde für IGFBP-2 ein bedeutender Einfluss auf die physiologische Fol-likelentwicklung gezeigt. Ein Mangel steht in Zusammenhang mit einer zystischen Entartung von Follikeln (64).

Die weitreichenden Wirkungen von IGF-I auf den Organismus werden durch den IGF-I-Rezeptor (IGF-IR) vermittelt, der nach Frago et al. (45) in allen Geweben, mit Ausnahme von Hepatozyten und ausgereiften B-Zellen vorkommt. Im Gegensatz dazu konnten Gross et al. (65) beim Rind IGF-IR mRNA auch in der Leber nach-weisen.

Zu den Wirkungen von IGF-I gehören eine gesteigerte Zellproliferation und Zelldif-ferenzierung (45). Die beiden Wirkungen konnten auch für heranreifende und sich entwickelnde Lymphozyten in primären und sekundären lymphoiden Geweben ge-zeigt werden (8). Der zugrunde liegende Mechanismus der erhöhten Proliferation ist

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die Beschleunigung des Zellzyklus einschließlich der Mitose (45). Neben der gestei-gerten Proliferation ist bei Immunzellen aber auch die Apoptoserate, d.h. der pro-grammierte Zelltod, herabgesetzt (45).

Des Weiteren konnte in vielen Arbeiten gezeigt werden, dass sich die metabolischen Gegebenheiten auf die systemischen IGF-I-Blutkonzentrationen auswirken (49). Aber auch umgekehrt sind Beeinflussungen von IGF-I auf den Metabolismus beschrieben.

Liegt beispielsweise eine anabole Stoffwechsellage vor, senkt vom Körper gebildetes IGF-I systemisch vorhandene Triglyceride, FFS und Ketonkörper und erhöht die Aminosäureaufnahme in die Muskulatur (66). Weiterhin kann IGF-I durch die insulin-ähnliche Wirkung die Glukoseaufnahme in die Gewebe erhöhen und die Glukagon- und GH-Sekretion senken. Dadurch wirkt es unter anderem auch dem diabetogenem Effekt des GH entgegen (8).

Während einer katabolen Stoffwechsellage kommt es zu einer Resistenz gegenüber GH in den Geweben und damit zu einer verminderten IGF-I-Konzentration. Breier (66) geht davon aus, dass dieser Mechanismus dazu führe, dass freigesetzte Sub-strate wie z. B. Glukose und freie Fettsäuren vorwiegend für die Homöostase und nicht für Zellwachstum und Zellproliferation verwendet werden. Ähnliches gilt für den peripartalen Zeitraum bei Hochleistungsmilchkühen, in dem eine negative Energie-bilanz zu einem Abfall der IGF-I-Werte führt. Butler et al. (48) stellen eine Verbindung zwischen unterernährten Tieren und Tieren am Anfang der Laktation her, da bei beiden Gruppen niedrige IGF-I-Konzentrationen zu messen sind.

2.2.4 Besonderheiten der Hochleistungskuh

Bei den Rassen Holstein und Guernsey, sprich Rassen mit hoher Milchleistung, kommt es zu einem Absinken des GHR in der Leber um den Geburtszeitpunkt (67).

Die geringste GHR-Konzentration ist in der Woche nach der Geburt parallel zu einer niedrigen IGF-I mRNA Transkription und IGF-I-Serumkonzentration gemessen worden (7).

Bei Rindern, die züchterisch auf Fleischproduktion und nicht auf hohe Milchleistung selektioniert worden sind, ist dagegen die Änderung der GHR- und IGF-I-Konzen-trationen nicht zu beobachten (68). Lucy et al. (50) gehen deshalb davon aus, dass dieses Absinken von GHR und IGF-I mit der hohen Milchleistung und der damit

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einhergehenden katabolen Stoffwechselsituation während der Transitperiode in Zu-sammenhang steht.

Bei Hochleistungsmilchkühen kommt es durch die sinkenden IGF-I-Werte im peri-partalen Zeitraum zum Anstieg von GH und damit zu einem in der Literatur als Ent-kopplung der Somatotropen Achse beschrieben Phänomen (23).

Dadurch, dass eine erhöhte Milchleistung bei Rindern auch durch eine parenterale Gabe von GH erreicht werden kann (23, 69, 70), schlussfolgern Bell et al. (22) und Lucy et al. (23), dass die vermehrte Ausschüttung von GH die Bereitstellung von Substraten zur Milchbildung erhöht. Es kommt zu einem Anstieg von FFS und zu einer verstärkten Glukoneogenese der Leber (48).

Weiterhin beschreiben Butler et al. (48), dass die Entkopplung der Somatotropen Achse in direktem Zusammenhang mit sinkenden Insulinkonzentrationen steht. Ihnen war es möglich, mittels Insulininfusion und damit steigenden Insulinkonzentrationen in den ersten Wochen nach der Geburt eine Zunahme der GHR 1A mRNA und damit steigende IGF-I- und sinkende GH-Konzentrationen zu erreichen.

Auch auf das weitere Zyklusgeschehen der Kühe haben IGF-I und GH einen Einfluss. So ist die IGF-I-Konzentration während der letzten vier Wochen vor Geburt bei Tieren, die postpartal in den ersten drei Wochen ovulieren, höher als bei anovula-torischen Kühen. Genau entgegengesetzt verhält es sich mit GH (71). Kawashima et al. (71, 72) konnten zwischen ovulatorischen und anovulatorischen Kühen jedoch keine Unterschiede hinsichtlich der metabolischen Parameter freie Fettsäuren, Cholesterol und Glukose feststellen. Daraus schließen die Autoren, dass der IGF-I-Wert sensitiver zu sein scheint, um metabolische Belastungen darzustellen als bei-spielsweise freie Fettsäuren. Ähnliche Zusammenhänge konnten Piechotta et al. (10) aufzeigen. Sie beobachteten bereits vor der Geburt bei Tieren mit Produktionser-krankungen niedrigere IGF-I-Konzentrationen als bei Tieren, die postpartal gesund blieben. Ihren Ergebnissen zufolge bestand bei Tieren mit IGF-I-Werten um 100 ng/ml zwischen dem 242. bis 250. Tag post inseminationem (p. insem.) ein höheres Risiko an Produktionserkrankungen zu erkranken, als bei Tieren mit IGF-I-Werten über 130 ng/ml.

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