• Keine Ergebnisse gefunden

2 Literatur

2.4 Angeborene Immunantwort

2.4.2 Besonderheiten der angeborenen Immunantwort in der Transitperiode 19

Das endokrine System führt, wie bereits beschrieben, in der Transitperiode zu einer Stoffwechselumstellung von einer anabolen hin zu einer katabolen Stoffwechselkon-stellation. Ingvartsen et al. (2) gehen davon aus, dass es durch diese peripartalen Veränderungen der Hormone und Metaboliten direkt oder indirekt zu einer Beeinflus-sung der Immunantwort kommt. Auch Sheldon et al. (4) vertreten die Meinung, dass unter anderem die Immunabwehr durch die endokrinen Gegebenheiten negativ beeinflusst werden könnte, auch wenn die genauen Mechanismen weiterhin größten-teils unbekannt seien (4). Sowohl Mehrzad et al. (94) als auch Hoeben et al. (95) konnten zeigen, dass nach der Geburt die Anzahl neutrophiler Granulozyten im Blut abnimmt. Viele Autoren gehen deshalb von einer Immunsuppression in dieser Phase aus (1, 94, 96), wohingegen Sander et al. (97) keine verminderte Phagozytose-leistung der neutrophilen Granulozyten beobachteten konnten.

Nach der Geburt geht die physiologische Involution des Uterus mit einer Nekrose und dem Ablösen der Karunkeln einher. Diese Vorgänge bieten günstige Voraussetz-ungen für das Wachstum von aeroben und anaeroben Bakterien im Uteruslumen und müssen dementsprechend durch uterine Abwehrmechanismen, das heißt lokale Im-munitätsmechanismen bekämpft werden (4). Gerade bei Hochleistungsmilchkühen ist die Inzidenzrate der uterinen Erkrankungen, verglichen mit anderen

domestizier-20

ten Tierarten, hoch (4). So kommt es bei über 80% der Tiere zu einer nachweisbaren bakteriellen Besiedelung des Uterus in den ersten zwei Wochen nach der Geburt (5).

Es ist dabei aber klar zwischen einer Besiedelung und einer Infektion zu trennen.

Während bei der Besiedelung lediglich Bakterien nachweisbar sind, kommt es bei einer uterinen Infektion zur Erkrankung entweder durch Adhärenz an die Mucosa mit einer Kolonisation und Penetration des Epitheliums oder durch die Ausschüttung von Toxinen (86). Sheldon et al. (86) postulieren, dass der Übergang von einer Besiede-lung zu einer Infektion während der Transitperiode durch die Einwirkungen endokrin-er Faktoren auf das Immunsystem beeinflusst wird. Bei dendokrin-er Maus wurde gezeigt, dass in diesem Zusammenhang gerade das Verhältnis von Progesteron und Östro-gen eine bedeutende Rolle für die Entzündung des Uterus spielt. ÖstroÖstro-gene fördern und Progesteron hemmt die Entzündung des Uterus und die anschließende Aus-heilung (98).

Bei den Rindern wird vor allem Progesteron eine besondere Rolle zugeschrieben, da gerade während der lutealen Phase die Inzidenz von uterinen Erkrankungen erhöht ist und die iatrogene Luteolyse eine der effektivsten Behandlungsansätze uteriner Erkrankungen darstellt (99-101). LeBlanc (15) geht davon aus, dass metabolische Faktoren, insbesondere eine Ketose und erhöhte FFS, für die Entstehung von uterinen Erkrankungen wichtig seien.

2.5 Immun-endokrine Netzwerke

In einem Review von Borghetti et al. (6) wird ausführlich beschrieben, dass die beidseitige Kommunikation zwischen dem Immun- und dem Neuroendokrinen Sys-tem eine bedeutende Rolle in der metabolischen, produktiven und verhaltenstech-nischen Homöostase spielt und dadurch die Effizienz der Immunantwort gegenüber infektiösen Agenzien und somit die Aufrechterhaltung der Gesundheit beeinflusst.

Bestehende Ungleichgewichte auf hormoneller Ebene können zu einer erhöhten Empfänglichkeit für Erkrankungen und einem schweren Verlauf infektiöser Erkran-kungen führen (102). Die enge Vernetzung von Nerven-, Immun- und Endokrinem System wird dadurch deutlich, dass zum Teil dieselben Proteine synthetisiert werden und die verschiedenen Systeme auch auf die gleichen Proteine reagieren können (6). Im Nervensystem reagiert der Hypothalamus auf höhere IGF-I-Konzentrationen mit einer erhöhten Ausschüttung von GHIH und einer verminderten

GHRH-21

Ausschüttung. Aber auch im Cerebellum, Hippocampus und Bulbus olfactorius sind hohe IGF-I-Konzentrationen nachweisbar (45). Im Immunsystem besitzen fast alle Zellen einen IGF-I-Rezeptor und in vitro reagieren selbst ausgereifte Leukozyten auf eine Stimulation mit IGF-I mit einer erhöhten Aktivität beispielsweise bei der Zytokinproduktion (8).

Nach einer Stimulation mit IGF-I kommt es bei neutrophilen Granulozyten und Ma-krophagen zu einer Aktivitätssteigerung in Form einer erhöhten Ausschüttung von Zytokinen und einer erhöhten Bakterienzerstörungskapazität durch reaktive Sauer-stoffspezies (6). Ferner wurde bei Mäusen nach Behandlung mit IGF-I und GH eine vermehrten Ansammlung von Immunzellen bei einer iatrogen erzeugten Peritonitis beobachtet (8). Speziell GH ist bei Rindern in der Lage, die TNF-α-Ausschüttung auf einen inflammatorischen Reiz hin zu senken (9). Somit sind in der Literatur viele Hinweise vorhanden, dass die Immunantwort sowohl auf humoraler als auch zellulärer Ebene durch GH und IGF-I moduliert wird (6, 8, 103).

Aber nicht nur Hormone regulieren die Immunantwort, sondern GH produzierende Zellen der Hypophyse reagieren auch auf Produkte der Immunzellen wie beispiels-weise das Zytokin Interleukin-1 (IL-1) (104). Bei Rindern ist beschrieben worden, dass es, vermittelt durch TNF-α, IL-1 und vermutlich PAMPs wie LPS, zur Reduktion der GH-Ausschüttung kommt (6, 56). Allerdings ist nach Carroll et al. (56) die Reaktion der Somatotropen Achse auf inflammatorische Zytokine und Produkte bei verschiedenen Spezies nicht einheitlich. So weisen Schweine und Schafe im Gegen-satz zu Rindern während einer Infektion eine Entkopplung der GH-IGF-I-Achse auf, die mit hohen GH- und niedrigen IGF-I-Konzentrationen einhergeht. Dies geschieht, wie beschrieben, auch bei Milchkühen in der Transitperiode (23). Bei entzündlichen Erkrankungen kommt es allerdings nach Whitlock et al. (92) bei Rindern zu einer Depression der GH-Ausschüttung und nicht zu einer vermehrten Freisetzung.

Der Einfluss von GH auf die Immunantwort wird jedoch kontrovers diskutiert. Zum einen zeigen GH knock out Mäuse, dass GH nicht für die Aufrechterhaltung der Im-munfunktion notwendig ist, zum anderen scheint aber GH die immunsuppressiven Effekte von Glukokortikoiden in Stresssituationen zu kontrollieren (102, 105).

Vor allem die durch eine GH-Resistenz und Entkopplung der Somatotropen Achse resultierenden reduzierten IGF-I-Konzentrationen verschieben nach Ansicht ver-schiedener Autoren (6, 56) die metabolischen und nutritiven Gegebenheiten hin zu einer Unterstützung der Immunantwort.

22

Nicht nur die Somatotrope Achse ist im Rahmen der immun-endokrinen Netzwerke zu erwähnen. Auch die Schilddrüse ist in Krankheitsgeschehen involviert und es kommt bei Säugetieren zu einem in der Literatur als Euthyreotes Krankheitssyndrom oder auch Nicht-Thyreodales-Erkrankungs-Syndrom (NTIS) beschriebenen Phänom-en, bei dem die T4- und T3-Konzentrationen unter den Normalbereich absinken.

Freies T4 und Thyreoidea stimulierendes Hormon (TSH) bleiben dagegen im Normalbereich (106). Dieses Euthyreote Krankheitssyndrom mit erniedrigten T4 -Konzentrationen und normalen TSH-Werten konnte auch in Zusammenhang mit erhöhten Werten von FFS, der vermehrten Freisetzung von Zytokinen und auch der exogenen Verabreichung von Glukokortikoiden gezeigt werden. Ob es sich bei dem Euthyreoten Krankheitssyndrom um einen protektiven Mechanismus oder eine Störung handelt, wird diskutiert (106).

Borghetti et al. (6) gehen davon aus, dass die bidirektionale Kommunikation über Zytokine, Hormone, Neurotransmitter und Neuropeptide es ermöglicht, die angebo-rene Immunantwort zu potenzieren, mögliche überschießende und damit schadhafte Effekte zu kontrollieren und die Immunantwort unterstützende, metabolische und nu-tritive Veränderungen zu aktivieren. Dabei betonen sie auch, dass bestehende Un-gleichgewichte in den hormonellen Regelmechanismen zu einer erhöhten Infektions-anfälligkeit und einem schwereren Verlauf der Erkrankung führen können. Die Auto-ren (6) gehen davon aus, dass gerade das Verständnis der Änderungen der Somatotropen Achse neue Ansätze für eine therapeutische Unterstützung einer effi-zienteren Immunantwort geben könnte.

23