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Semantische Demenz ohne Objektagnosie: Herr H.T

3. Sprachdiagnostische Möglichkeiten der PPA

3.2 Linguistische Leistungsprofile bei PPA

3.2.2 Die flüssige progrediente Aphasie: Falldarstellungen

3.2.2.3 Semantische Demenz ohne Objektagnosie: Herr H.T

„das ist für den Winter“, Kreide und Zigarre wurden nicht erkannt). Dennoch identifizierte F.R. durch Ausschlussverfahren meist das richtige Item und blieb somit unter dem Cut-Off-Wert. Erst beim semantischen Zuordnen schriftlich präsentierter Wörter (Untertest D) und der Farb-Zuordnung der Objekte (Untertest E) ließen sich Defizite feststellen.

BOSU-Leistungen F.R.

0 2 4 6 8 10

A B C D E

Untertests

Fehleranzahl

Cut-Off Jun 06 Dez 06

Abbildung 38. BOSU-Profil Herr F.R.

Die Tatsache, dass bei F.R. die Symptome erst seit 2 Jahren bestehen, spricht für ein frühes Stadium der Erkrankung, lässt aber schon eine PPA-Diagnose zu. Die Symptome sprechen für eine Semantische Demenz im Frühstadium.

Sowohl der AAT als auch die BOSU waren auffällig, die BOSU lies allerdings keine Störung der Objektsemantik erkennen obgleich klinisch deutliche Unsicherheiten beim Erkennen und Zuordnen der Objekte festgestellt wurde.41

und teilweise hartnäckigen Perseverationen, so dass der Hörer den Sinn des Gefragten erschließen musste. Eine klinische Bewertung der Syntax war aufgrund der Unverständlichkeit der Spontansprache nicht mehr möglich. Das Sprachverständnis war stark beeinträchtigt, wobei lediglich einfachst formulierte Anforderungen und Fragen verstanden wurden. Die Verständnisschwierigkeiten gründeten sich vor allem auf das Unvermögen, die Bedeutung einzelner Wörter (z.B. „Mund“ zu erfassen). Erklärte man ihm die Begriffe, schien das Verständnis bei einigen Wörtern wiederzukehren, andere Wörter blieben ihm weiterhin fremd. Präsentierte man ihm die Wörter in geschriebener Form, konnte er auch diese mit Ausnahme einiger hochfrequenter kurzer Einzelwörter nicht erkennen. Die Störung war in einigen Fällen inkonsistent, da manchmal die Präsentation des geschriebenen Stimulus das Verständnis des gehörten Gegenstücks erleichterte, manchmal kam ihm das auditiv präsentierte Wort bekannter vor als das geschriebene. In den meisten Fällen jedoch konnten auch beide Stimulusmodalitäten das Verständnis nicht anbahnen. Obgleich eine schwere Sprachverständnisstörung vorlag, zeigte sich H.T. in Kommunikationssituationen sehr empathisch und zugewandt. Die schwer gestörten sprachlichen Leistungen in Produktion und Rezeption wurden von H.T.

kompensiert, indem in der Kommunikationssituation verstärkt Gestik, Mimik und auch Intonation zur Informationsübermittlung eingesetzt wurden. H.T. fertigte oftmals detaillierte und komplexe Zeichnungen an, die seine Erzählungen unterstützten. Soweit möglich schrieb H.T. auch einige Buchstaben oder Zahlen um einzelne Punkte zu verdeutlichen. Lagen entsprechende visuelle Stimuli vor, konnte H.T. sich bei den kognitiven bzw. sprachlichen Tests die Aufgaben bzw. die Fragestellung per Induktion erarbeiten.

Mit dem Fortschreiten des Krankheitsbildes verstärkte sich die semantisch-phonematische Jargonaphasie. H.T. blieb als Aphasiker weiterhin flüssig, allerdings erhärteten sich einzelne Automatismen wie „so g’macht“, die aneinandergereiht einen Großteil der Jargonaphasie ausmachen. Der Wortschatz verringerte sich zunehmend so dass lediglich einige wenige Inhaltsworte aktiv produziert werden konnten.

Laut ALLOC lag eine globale Aphasie vor mit schweren Beeinträchtigungen in allen getesteten Bereichen:

Abbildung 39. AAT-Profil Herr H.T.

Im AAT wurden schwere Beeinträchtigungen in allen Untertests festgestellt, wobei Untertests wie der Token Test oder die Schriftsprache abgebrochen werden mussten, da der Patient selbst die Übungsbeispiele nicht verstand. Das Nachsprechen war gekennzeichnet durch starke phonematische Paraphasien, die aufgrund ihrer Schwere den Charakter einer Sprechapraxie aufwiesen. In der Spontansprache trat diese Problematik jedoch nicht auf.

Interessant ist hierbei, dass H.T. im Untertest Nachsprechen auch bei richtiger Aussprache nicht überzeugt war, das Stimuluswort richtig wiederholt zu haben. Dieses Verhalten zeugt ebenfalls von einem Nichtverstehen der selbstproduzierten bzw. nachgesprochenen Wörter.

Für H.T. schien jedes Wort lediglich eine bedeutungslose Ansammlung von Lauten zu sein und er gab in der Testung immer wieder zu verstehen, dass er die Bedeutung der vorgesprochenen Laute nicht verstehe. Zumindest zum Teil könnte die phonematisch entstellte Produktion hier ihre Ursache haben, da bedeutungslose Silbenketten schwerer nachzusprechen sind als bekannte Worte, welche im mentalen Lexikon als Einheit gespeichert sind. Das Lesen war ebenfalls phonematisch entstellt, oft konnten nur einige Buchstaben gelesen werden. Die Leseleistung ähnelte klinisch einer Oberflächendyslexie,

da buchstabenweise gelesen wurde, z.B. /ka:/ (muss langes/gespanntes a sein) für den Buchstaben <K>. Selbst <SCH> konnte oftmals nicht als ein Phonem realisiert werden.

Das Benennen war charakterisiert durch Wortfindungsstörungen, wobei hier auch Probleme der phonematischen Realisierung bestanden. Die Bilder konnten oftmals rudimentär benannt werden, indem der erste Buchstabe des Zielwortes geäußert und/oder geschrieben werden konnte. Bis zu den ersten drei Buchstaben war die Benennung manchmal möglich. Teilweise konnte Herr H.T. sich hiermit sogar selbst deblockieren, z.B. wurde durch dieses „Buchstaben- bzw. Phonemsammeln“ das Wort „blau“ im Farbbenennen angebahnt. Auch beim Benennen von Situationen und Handlungen wurden die Stimulusbilder korrekt interpretiert, da der Patient neben der Jargonaphasie, gestisch und mimisch das jeweilige Situationsbild beschreiben konnte. Der Untertest Sprachverständnis wies sehr schwere Beeinträchtigungen auf, da H.T. zu verstehen gab, dass er sowohl die auditiven als auch die schriftlichen Stimuli nicht verstand. Die Leistung H.T. befand sich diesbezüglich im Ratebereich.

Es wurden im Verlauf regelmäßige BOSU-Testungen durchgeführt, wobei hier die Erstuntersuchungs- und die aktuellsten Ergebnisse im Abstand von etwa 2 Jahren dargestellt sind. Für eine semantische Demenz in diesem fortgeschrittenen Stadium ist das Profil in der BOSU auffällig untypisch. Im Bereich der Objektzuordnung zeigen sich keinerlei Probleme, demnach kann davon ausgegangen werden, dass die Objektsemantik und somit das semantische System relativ unbeeinträchtigt ist.

BOSU-Leistungen H.T.

0 2 4 6 8 10

A B C D E

Untertests

Fehleranzahl

Cut-Off Dez 04 Aug 06

Abbildung 40. BOSU-Profil Herr H.T.

A = Sortieren von Objekten in Situationen B = Sortieren nach sem. Hauptmerkmalen C = Sortieren nach sem. Nebenmerkmalen D = Sortieren geschriebener Wörter E = Sortieren nach Farben

Die nonverbalen semantischen Leistungen H.T.s zeigen sich intakt und im Verlauf stabil.

In der BOSU wird jedoch eine starke Leistungsdissoziation zwischen lexikalischer Semantik und Bildsemantik deutlich. Im Untertest Semantisches Sortieren von geschriebenen Wörtern zeigten sich durchgängig Nullreaktionen, da H.T.s Lesesinnverständnis schwer gestört war und die Wörter weder lesen noch auditiv verstehen konnte.

Zusammenfassend zeigten sich Im Fall H.T. schwere Störungen im AAT, jedoch blieb die BOSU trotz deutlicher Anzeichen einer Semantischen Demenz in der Spontansprache im nonverbalen Semantik-Teil unauffällig. Das Lesesinnverständnis war jedoch schwer gestört.