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Eigennamen bei semantischer Demenz

3. Sprachdiagnostische Möglichkeiten der PPA

5.6 Eigennamen bei semantischer Demenz

So konnte gezeigt werden, dass eine phonologische Störung bei SD auf Fehler bei der Aktivierung der Lexeme im phonologischen Ausgangslexikon zurückzuführen ist und nicht die phonologische Enkodierung selbst betrifft. Dieses Phänomen ist also durchaus erklärbar und passend zum restlichen Störungsbild. Da die beiden Ebenen der Wortformaktivierung und der phonologischen Enkodierung im phonologischen Ausgangslexikon zusammengefasst sind ist das Modell zu differenzierten Darstellung der phonologischen Fehler wenig geeignet. Ein Vorschlag hierzu wäre das konnektionistische Modell nach Dell (1986, 1988), das die Ebene der Konzepte, die Ebene der Lexeme und die Ebene der Phoneme jeweils deutlich voneinander unterscheidet.

charakterisieren bzw. identifizieren (Lötscher 1995). In einem weiteren Ansatz wird vorgeschlagen, das Prädikat ’heißen’ als intensionalen Bestandteil von Eigennamen anzusehen (Kleiber 1981, Conrad 1985, Kubcak 1985, Lötscher 1995). Hiernach haben Namen die Bedeutung von ’Genanntsein’. Ein identifizierendes Konzept kommt hierdurch natürlich nicht zustande - sonst wäre der Unterschied zwischen Nomen Proprium und Appellativum nicht gegeben - sondern die Identifizierung geschieht auf metasprachlicher Ebene (Kuhn & Serzisko 1982).

Die Frage, der hier nachgegangen werden soll, ist, inwieweit die Produktion von Eigennamen bei semantischer Demenz beeinträchtigt ist. Die semantische Demenz zeichnet sich generell durch eine deutliche Benennstörung aus. Interessant wäre unter anderem die Fragestellung, inwieweit die Beeinträchtigung der Eigennamenproduktion verglichen mit der Produktion von Appellativa vorliegt. Studien die bei SD-Patienten in Benenntests speziell zwischen Eigennamen und Appellativa unterscheiden, sind noch nicht durchgeführt worden. In der Diskussion müssen verschiedene Parameter betrachtet werden. Ist der Eigenname tatsächlich bedeutungsleer und zeichnet sich die Semantische Demenz, wie von Snowden (1999) postuliert, durch eine isolierte Störung der Semantik aus, so sollte die Produktion von Eigennamen im Vergleich zu Appellativa nicht besonders beeinträchtigt sein. Sind die internen Lexika bei SD genauso mitbetroffen, wie in dieser Arbeit wiederholt gezeigt wurde, so wird angenommen, dass Eigennamen, wie Appellativa gleichermaßen von dem Sprachabbau betroffen sind, da beide einen lexikalischen Eintrag im internen Lexikon aufweisen.

Wie die SD-Patienten dieser Studie mit Eigennamen umgehen, soll im Folgenden durch einige Auszüge aus den Interview-Transkripten gezeigt werden. Es hat sich herausgestellt, dass Patienten mit semantischer Demenz eine relativ ausgeprägte Beeinträchtigung in der Produktion von Eigennamen besitzen. Eine Unterhaltung zwischen Patient L.S. und seiner Ehefrau soll dies verdeutlichen.

(76) E (zu U): „Dinge haben keinen Namen, ich auch nicht.“

L.S.: „Wieso?“

E: „Na, des is halt so.“

L.S.: „Was heißt nee ja also hör mal zu gell du bist ja (Z)“

E: „Sag doch mal meinen Namen“

S: „Bitte?“

E: „Ich hab doch einen Namen. Wie heiß ich denn?“

S: „Du hast einen.?“ [unsicherer Tonfall] „Natür.türlich.“

E: „Und? Wie heiß ich?“

S: „...Heiligs Blechle!“

E: “Ja.“ [lacht]

S: „Mein Gott noch mal, ich weiß das doch..Jetzt weiß ichs glei aber net“ (lacht) „..mit mit L wars doch was!“

E: „Nein mit L war des nicht“

S: „Na ich habs doch hier“ [zeigt auf den Tisch]. „Sags doch mal. Sags doch Du einmal“

E: „Was denn?“

S: „Na was da draufsteht“ [zeigt auf den Tisch]

E: „Ich verrat meinen Namen nicht“

S: „Ohhh, na geh ich ’nauf und hol den Dingsda65!“

E: „Meinen Namen, nicht deinen. Und dein Name, weißt du den?“

S: „…aber selbstverständlich!“

E: „Wie denn? Schreib ihn mal.“

S: „Wen?“

E: „Deinen Namen“

S: „Äh die.die..“

E (zu U): „da hat er Schwierigkeiten.“

S: „isne Zi. isne Ziege“

In diesem Beispiel zeigt sich, dass der Patient weder seinen eigenen Namen noch den Namen seiner Frau abrufen kann, obwohl er seine Frau als solche erkennt. Wenn er in der Unterhaltung auf seine Frau referierte, verwendete es oftmals das Personalpronomen oder benannte sie mit „diese Frau“ oder „diese Dame“.

Bei Patient F.R., der sich in einem frühen Stadium der Erkrankung befindet, zeigen sich bereits in dieser frühen Phase deutliche Schwierigkeiten: Sowohl der Name des ehemaligen Arbeitgebers als auch der eigene Heimatort konnte nicht genannt werden.

(77) F.R. (SD1): „ich hab dann ich hab ja ne Stelle gehabt von der efkatholischen ah jetz wie heißt’s wieder. katholische christliche Bewegung ungefähr..KC sehn’s des is des was [unv] fällt mir der Name net ein“

(78) F.R. (SD1): „und eben da hat dann einer der mit mir studiert hat den hab ich. engen Kontakt g’habt der is eben dann nach äh. wo ich jetzt wohn nach. des is also bei..sehn’s is net a mal wo ich [lacht] wo ich wo. also praktisch in in..in..ach“

65 Wahrscheinliches Zielwort für „Dingsda“ (nach Absprache mit der Ehefrau): ’Personalausweis’

Es zeigen sich in den Interviews also deutliche Anzeichen für eine schwere Störung in der Produktion von Eigennamen. Oftmals wird bei Wortfindungsstörungen im Bereich von Eigennamen mit der Frequenz der gesuchten Wörter argumentiert, da der Abruf bei niedrigfrequenteren Eigennamen oftmals problematisch sein kann. Dieses Argument kann in diesen Beispielen nicht greifen, da die gesuchten Eigennamen zu den höchst-frequentesten gehören, die es überhaupt gibt (eigener Name, Name der Partnerin, Name des Heimatortes). Diese Beobachtung kann mehrere Schlüsse zulassen. Zum einen können Eigennamen kognitiv wie auch semantisch als komplexere Sprachzeichen angesehen werden. Diese Komplexität kann sich in einem erhöhten Schwierigkeitsgrad im Abruf niederschlagen. Dieser Gedankengang würde zu dem Schluss führen, dass vielleicht doch bei Eigennamen ein maximaler Bedeutungsreichtum im semantischen System vorliegen könnte, der mit dem Lexikoneintrag verknüpft ist. Da die semantische Demenz generell mit einer isolierten Störung der Semantik in Verbindung gebracht wird, kann eine Störung der semantischen Attribute, die mit dem Eigennamen in Verbindung stehen, dessen Produktion erschweren. Allerdings haben die bisherigen Ergebnisse gezeigt, dass auch deutliche Störungen in den Lexika vorliegen können, so dass dieses Argument so entkräftet werden kann.

Während Eigennamen von den hier untersuchten SD-Patienten äußerst schwer abzurufen sind, konnten die Schwierigkeiten bei den PNFA-Patienten nicht in dieser Deutlichkeit nachgewiesen werden, obwohl die PNFA ebenfalls durch Wortfindungsstörungen charakterisiert ist.. Im Falle W.P.s (PNFA) konnten sogar Einzelheiten aus der Nachkriegszeit erinnert und benannt werden.

(79) U: „Wo haben Sie gearbeitet?“

W.P. (PNFA): „Ja..UKW und und dann hab ich ne Tipse gemacht gell“

U: „mhm“

W.P. (PNFA): „Ja und äh war ich erst beim Rechnungsführer äh gesessen und und dann hat man… äh…äh ..um äh Lützowplatz bei der Dienststelle und dann in Berlin und dann sind wir äh nach nach Jöterborg gezogen und äh dann ist nen kleines Dorf leergefegt und dann waren wir da.rin. ich äh fällt mir der Name nicht ein“

U: „Aha das war also irgendein kleines Dorf“

W.P: „Ja…äh Zinger äh Zinger“

Patient R.N. ist in der Spontansprache ebenfalls sehr unflüssig und logopensich, entwickelte jedoch im Verlauf Anzeichen einer semantischen Demenz. Im durchgeführten Interview zeigte der Patient überwiegend eine PNFA-Symptomatik. Im folgenden Beispiel der Spontansprache sind ebenfalls keine Schwierigkeiten beim Abrufen von Eigennamen zu beobachten.

(80) R.N. (PNFA): „In Sauerlach is eine Tochter und in . ah der Robert is in ah in der siemen na na der Robert ist in der in der H***straße66 und die Claudia is in Sauerlach und die Silvia is in. in der D***straße des is bei uns. und der Robert. Den Andi hammer ja behalten [lacht] und der Robert hammer auch behalten na na den Andi hammer behalten und den ah Andreas. An. na konn i net sogn Andreas is ah schulfertig. der is in der Arbeit und der an. ah. Bernhard is in der Schule.“

Ein weiterer Anhaltspunkt in der Diskussion um die Semantik der Eigennamen bietet Patient H.T., der ebenfalls an einer fortgeschrittenen SD leidet. H.T. konnte aufgrund der Schwere der Aphasie das Interview nicht durchführen, jedoch lassen sich im Wortschatz H.Ts Anzeichen für den Abbau des Repertoires an Eigennamen nachweisen. Die im restlichen Wortschatz verbliebenen Eigennamen beschränkten sich auf zwei Items:

„Backo“, der Name seines Hundes und - phonologisch etwas entstellt - „Münsch’n“ als Ortsname (München ist nicht sein Heimatort). Die beiden Eigennamen wandte er jedoch nicht nur in den angemessenen Referenzsituationen an, sondern er weitete das Zeigefeld beider Eigennamen aus. Mit dem Namen „Backo“ verwies er nicht nur auf seinen Hund sondern er verwendete ihn in Bezug auf die Mitglieder seiner Familie, d.h. auch auf seine Ehefrau und seinen Sohn wurde mit „Backo“ referiert. Den Ortsnamen „Münsch’n“

gebrauchte er in ähnlicher Weise. Die Bezeichnung „Münsch’n“ diente als Kennzeichnung aller Orte, auch seines Heimatortes67. Diese Beobachtungen bzw. Strategien offenbaren interessante Informationen hinsichtlich der Frage, inwieweit Eigennamen semantische Merkmale besitzen. Wären Eigennamen inhaltsleer, so wäre eine Ausdehnung des Zeigefeldes nicht möglich. Der Name des Hundes könnte somit nur auf den Hund referieren und auf nichts anderes. Offenbar enthält der Name „Backo“ jedoch das Konzept [+NAME] und [+BELEBT], da H.T. diesen Eigennamen als Rufname für andere Personen verwendete. Man könnte sogar argumentieren, dass H.T. „Backo“ die Merkmale [+NAME]

und [+PERSON] besitzt, da manche Besitzer ihre Haustiere als vollwertige

66 Straßennamen sind aus Datenschutzgründen nicht ausgeschrieben.

67 H.T. differenziert zwischen den Orten mittels Handanzeige in die Richtung, in der der Ort liegt.

Familienmitglieder ansehen. „Münsch’n“ wurde als genereller Ortsbezeichnung verwendet, besitzt also neben dem Merkmal [+NAME] das Attribut [+ORT]. In H.T.s Verwendung der Eigennamen wird die Monoreferentialität der Eigennamen somit zur

„Polireferentialität“, wobei Personen- und Ortsnamen strikt voneinander getrennt sind, und das Konzept der Eigennamen als Etiketten für Personen und Orte tritt in den Vordergrund.

Diese Verwendungsweise ist höchst ökonomisch, da hierbei möglichst viele Referenten abgedeckt werden und nicht für jedes Referenzobjekt ein neuer Name abgerufen werden muss. Der Nachteil dieser Strategie stellt dabei die fehlende Eindeutigkeit der Referenz dar.

Eigennamen scheinen also das semantische Etikett [+NAME] im Sinne von ‚Genanntsein’

oder ‚heißen’ zu besitzen, wobei weitere Spezifikationen durch die Attribute [+ORT], [+PERSON] das Konzept vervollständigen. Diese Sichtweise entspricht in etwa der Kleibers (1981:387), der vorgeschlagen hat, als intensionalen Bestandteil das Prädikat (heißen, /NAME/) innerhalb eines Eigennamens zu definieren.