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Elision und Substitution von grammatischen Morphemen

3. Sprachdiagnostische Möglichkeiten der PPA

4.4 Zeichen grammatischer Störungen bei der PPA-Gruppe

4.4.2 Elision und Substitution von grammatischen Morphemen

Wie bereits oben diskutiert, ist die Analogie, dass grammatische Elisionsfehler dem Agrammatismus und Substitutionsfehler dem Paragrammatismus zugeordnet sind, als pauschalisiert anzusehen, da Agrammatiker auch grammatische Morpheme substituieren können. Im Folgenden werden Elisions- und Substitutionsfehler aller untersuchten PPA-Patienten aufgeführt.

4.4.2.1 Elision grammatischer Morpheme

Elisionfehler wurden sowohl bei der PNFA-Patientin W.P. als auch bei den beiden SD-Patienten F.R. und L.S. entdeckt. Anzumerken wäre hierbei, dass W.P. generell versucht, vollständige Strukturen zu realisieren, daher sind Elisionen in ihrer Spontansprache nicht häufig zu finden.

(10) W.P. (PNFA): Ja äh mit der Sprache.. und äh …äh … [seufzt] vergiss es…ich... hab äh immer äh Sprach..plo..bleme. und und dann… weiß es und dann kommt es nicht raus gell. (Elision: Personalpronomen/Subjekt)

(11) W.P. (PNFA): „Ja äh..in Juteborg haben wir äh kennengelernt und und dann war ich schon. 2 Jahre da und und ich hab beim Ukua. UKW gearbeitet“ (Elision:

Personalpronomen)

Auch bei den SD-Patienten wurden einige Elisionen grammatischer Morpheme entdeckt.

(12) F.R. (SD1): „Also viele Sachen gemacht ja und dann..doch.“ (Elision: Personal-pronomen/Subjekt)55

(13) L.S. (SD2): „Aber sonst.äh...na ja. Und so weiter und so fort. Da bin schon lange da.“ (Elision: Personalpronomen/Subjekt)

(14) L.S. (SD1): „Aber was wir gemacht haben des hat uns immer Freude gemacht. Und wenn ich jetzt wenn ich jetzt hierher schau drehen Sie mal rum schauen Sie mal die des Dingsda hier was da alles drinsteht hier“ (Elision: Reflexivpronomen)

55 Aufgrund des Kontextes kann diese Phrase keine Ellipse darstellen.

4.4.2.2 Substitution grammatischer Morpheme

Substitutionen von Elementen der geschlossenen Klasse werden aufgrund der Daten der Spontansprache-Interviews vor allem von den beiden SD-Patienten produziert. Gerade im fortgeschrittenen Stadium des Patienten L.S. war teilweise das Satzschema nicht mehr zu erkennen.

(15) L.S. (SD2): „Wenns mit denen reden oder mit denen ihm kennt. da sollten Sie natürlich sicherlich mit dem andern auch zusammenkommen“

Die Auxiliare haben und sein werden bei Agrammatisms oft weggelassen (Maser 1994), jedoch produzierte W.P. (PNFA) durchweg vollständige Strukturen, wobei manchmal, wie auch bei den SD-Patienten beobachtet, die Hilfsverben vertauscht sind:

(16) W.P (PNFA).: Wir haben dreiundfünfzig mit äh mit fünf äh mit drei Kindern eingezogen.“

(17) F.R. (SD1): „ma ich mache aber. außerdem dass andere die dass ’mer sehr viele äh Fahrradtouren machen mir waren a Fahrradtour g’macht“

Die produzierten Substitutionsfehler sind unter anderem einteilbar in Kasus-, Genus- und Numerusfehler. Diese werden vor allem von der SD-Gruppe produziert. Bei Patient F.R.

waren lediglich sehr vereinzelt Kasusfehler zu finden, wohingegen L.S. häufiger eine falsche Kasusform wählt (vom Patienten betonte Elemente sind fettgedruckt dargestellt).

(18) F.R.(SD1): „Und.. ja und dann hatt ich auch noch das war dann mit der Grund dann hatt’ ich auch mit äh Alkoholikern die kamen natürlich auch mit und hammer auch Gruppen aufgemacht dann und eben da hat dann einer der mit mir studiert hat den hab ich. engen Kontakt g’habt der is eben dann nach äh.“

(19) L.S. (SD2): „Na und dann bin ich sehr froh. kann hier mit damit. Ich hab hier. sie zum Beispiel (zeigt in Richtung Küche zu seiner Frau). diese Dame (unv.) mich beiden. und. was woll’n wir denn mehr?“

(20) L.S.(SD2): „Aber. es is eben halt sehr schön und das gefällt mich natürlich schon“

Die Identifizierung von Kasus-Substitutionen sind insofern problematisch, als diese auch als tiefe Satzverschränkungen angesehen werden könnten, also als zwei konkurrierende

Strukturen, die miteinander verschmolzen sind, wobei in diesen Fällen die beiden Komponenten nicht mehr eindeutig identifizierbar sind. Beispielsweise kann der Kasusfehler in Beispiel (20) daher rühren, dass die Konstruktionen das gefällt mir und das freut mich verschmolzen sind. In Beispiel (18) könnte man ebenfalls vermuten, dass in der Planung der fehlerhaften Phrase zwei Satzschemata miteinander konkurrierten, z.B. den ich oft gesehen habe und mit dem ich engen Kontakt gehabt habe. Meines Erachtens besteht diese Problematik nicht nur bei PPA-Patienten, sondern grammatische Substitutionsfehler sollten generell daraufhin überprüft werden, ob Fehler dieser Art auf einem morphologischen oder doch auf einem syntaktischen Defizit beruhen. Im Verlauf des Kapitels werden Satzverschränkungen als häufig auftretendes Symptom bei den untersuchten SD-Patienten beschrieben, so dass eine zugrundeliegende tiefe Satz-verschränkung in diesen Fällen als wahrscheinlich erscheint.

Numerusfehler wurden lediglich in dem Interview von L.S. gefunden, wobei teilweise Probleme der korrekten Numerusmarkierung in Kombination mit der Person bestanden:

(21) L.S. (SD2): „Weil mirs ja kennen oder.oder wenn wir sagen würde. dann würden wir sagen: ja wir komm komm du musst doch so machen oder so. na kommt ja gar nicht an.“

(22) L.S. (SD2): „Es gibt auch welche die so saublöd mal was redet oder so. aber nicht.

Nicht davon dass ja da sind wir eigentlich alle sehr..da sind wir sehr sehr froh“

(23) L.S. (SD2): „Ich wünste [sic] nicht was ich da machen sollten wenn ich da jetzt das machen müsste.“

Das Fehlermuster entspricht nicht der Theorie des gerichteten Markiertheitsabbaus nach Mayerthaler (1981) und Wurzel (1984), welche postulieren, dass innerhalb der Kategorie des Numerus der Singular gegenüber dem Plural das unmarkierte bzw. das „natürliche“

Element darstellt und bei Substitutionen bzw. pathologischen Prozessen die unmarkiertere Struktur gewählt wird bzw. verbleibt, allerdings wird diese gerichtete Struktur eher bei Broca-Aphasie bzw. beim Agrammatismus angenommen (Jakobson 197156).

56 Jakobson (1971) verwendet statt Broca-Aphasie den Begriff efferente Aphasie und postuliert, dass beispielsweise die Flexionsformen bei efferenter Aphasie aufgrund der zugrundeliegenden Kontiguitätsstörung systematisch zugunsten unmarkierterer Formen aufgegeben werden. Die afferente Aphasie, zu der auch die Wernicke-Aphasie gehört, zeichnet sich nicht durch eine Kontiguitätsstörung, sondern durch eine Selektionsstörung aus, somit wird ein gerichteter Markiertheitsabbau nicht erwartet.

Ein weiterer Numerusfehler wurde im Bereich einer Nominalphrase dokumentiert, wobei hier auch ein Kasusfehler und ein Substitutionsfehler einer Präsposition vorliegt (um viele Ecken)

(24) U: „Wo haben Sie das damals studiert?“

L.S. (SD2): „Wo ich. wo’s bei mir an.an. mit viele Ecke. viele Ecken.“

In diesem Beispiel kann ebenfalls, wie bereits oben angemerkt, eine Tiefenverschränkung nicht ausgeschlossen werden, wobei diese nicht die gesamte paragrammatische Äußerung erklären kann.

Im Bereich der Genusmarkierung zeigte die PNFA-Patientin W.P. wiederum leichte Auffälligkeiten:

(25) W.P. (PNFA): „Äh meine Sohn äh lebt in Berlin und und äh äh der ist verheiratet“

(26) W.P. (PNFA): „Ja und wir haben 8 Jahren lang in E*** bei Bad Tölz gewohnt und dann hat mein Mann im Landratsamt äh äh…na… der Schaltstelle von den Amis äh und äh dann da so äh extra Stelle und und und Landratsamt und dann ist er äh nach Tölz gekommen äh nach München gekommen..und acht äh acht Jahre und äh dann hat er äh under Finanzdirektion gearbeitet.“

Frau W.P. hat in Beispiel (24) sowohl einen falschen Artikel verwendet als auch einen Artikel ausgelassen. Der substituierte Artikel könnte auch als Genitivattribut des zuvor geäußerten Nomens interpretiert werden, allerdings wäre ein syntaktischer Zusammenhang zwischen den betreffenden Strukturen aufgrund der sehr langen Pause vor Äußerung des fehlerhaften Elements eher unwahrscheinlich.

(27) F.R.(SD1): „Zum Beispiel jetzt letztes Jahr im Herbst hammer bis..fast kaum unten ’n Ofen anmachen müssen weil halt net den den Heizung anmachen müssen weil ich den Ofen immer mit. Weil ich soviel Holz hatte..und…“

Lediglich ein weiteren Fehler im Bereits des Genus wurde bei F.R. entdeckt, wobei der Fehler durch eine begonnene Perseveration des zuvor geäußerten Wortes Ofen erklärt werden könnte.