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ß. Schnee- und Lawinenverhaltnisse im schweizerischen Alpengebiet

C. Durc h L awinen verursachte Unfalle und Schaden

6. Schlußbemerkung

Nur in seltenen Fällen gelingt die Rettung von Lawinenverschütteten nach einer Verschüttungsdauer von nahezu 2 Stunden. Bei diesem Unfall bat eine Reihe von günstigen Umständen zur Lebensrettung beigetragen:

der Zufall, daß beide Verunfallten die Ski vor Abgang der Lawine ausgezogen hatten, um dieselben zu wachsen und auch die Stöcke nicht am Handgelenk eingeschlauft trugen.

das richtige Verhalten der beiden Verschütteten während und nach dem Lawinengang (Flucht vor der Lawine, Schwimmbewegungen in der bewegten Schneemasse, keine unnützen Kraftanstrengungen nach Stillstand der Lawine zur Schonung des Herzens und des Sauerstoffverbrauches, Vertrauen zu der Ret-tungsorganisationen als psychologisches Moment in hilfloser Lage).

der Umstand, daß der Unfall durch die Herren Dr. Streichenberg und Dr. Fäsch aus nächster Nähe beob-achtet wurde und beide Herren durch Markierung der Unfallstelle und sehr rasche Meldung des Unfalles und erste Sucharbeit in entscheidendem Maße zur Rettung des Lebens der Verschütteten beitrugen.

daß der Lawinenhund Iso von M. Schild die Verschütteten innert wenigen Minuten nach seinem Einsatz fand.

daß durch Zufall (Aerztekongreß) sich vier skifahrende Aerzte in Weißfluhjoch befanden, die sich bei Auslösung des Alarms auf Lautsprecheranruf hin freiwillig für die Rettungsaktion zur Verfügung stellten.

Ohne diese ärztliche Hilfe wäre es kaum möglich gewesen, die beiden Verschütteten nach der Ausgra-bung am Leben zu erhalten.

daß die eingesetzten Parsennpatrouilleure den Wiederbelebungsapparat „Ambu"', Sauerstoffbehälter, In-jektionsmaterial, Wärmeflaschen in ihrem Rettungsmaterial mitführten.

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Letzten Endes dürfte die rasche Auslösung des Lawinen-alarms und des Einsatzes der Rettungsmannschaften, ins-besondere auch des Lawinenhundeführers M. Schild, der sich im Moment, als sich der Unfall ereignete, in Davos-Platz befand und via Weißfluhjoch ins Meierhofertöbeli fahren mußte, zur Rettung beigetragen haben.

Diesem glücklichen Zusammenspiel einer ganzen Anzahl von Umständen ist es zu verdanken, daß Herr und Frau Dr.

Kurtz aus der Lawine gerettet und ihr Leben erhalten werden konnte."

c) Profil am Anriß

Bemerkungen

Der Unfall im Meierhofertäli ist in mancher Beziehung bemerkenswert. Einmal war es einer der äußerst seltenen Fälle, bei denen Skifahrer von einer Lawine verschüttet wurden, deren Auslösung weder sie noch andere Touristen provoziert haben.

Daß bei der Rettungsaktion von Anfang bis zum glücklichen Abschluß wirklich alles in nahezu vollkommener Weise getan worden ist, geht aus dem vorerwähnten Berichte hervor. Ergänzend sei dazu noch festgehalten, daß die Suche nach den zwei Verschütteten bereits vor dem Eintreffen des Lawinenhundes aufgenommen wurde. Mit den ersten z.V. stehenden Sondierstangen war der rechte Lawinenrand auf der Höhe der Verschüttungsstellen abgesucht worden. Leider war die Sondier-formation einige Meter zu kurz gewesen, sonst wären die Gesuchten auf diese Weise und früher gefunden worden.

Den wohl auffälligsten Beitrag zur Rettung haben die beiden Verunfallten selbst geleistet. und zwar durch ihre geistige Einstellung zum Geschehnis. Sie waren in der kurzen Zeit der Verschüt-tung und den wenigen nachfolgenden Minuten keinen Augenblick darüber im Zweifel, daß man sie hier herausholen würde, und zwar rechtzeitig. Ueber ihre Empfindungen während und nach dem Zugedecktwerden äußerte sich die gerettete Frau: ,.Ich wurde nach vorne geworfen und augen-blicklich von den Schneemassen so fest zugedeckt, daß ich mich nicht mehr habe bewegen können.

Ich dachte, wo wohl mein Mann liegen würde. Dann rechnete ich, wie lange es wohl bis zu unserer Befreiung dauern dürfte; denn daß uns der Parsenndienst hier rechtzeitig herausholen würde, war mir selbstverständlich. Dann habe ich an meine vier Kinder gedacht und schließlich zu beten be-gonnen. Nach schätzungsweise drei Minuten bin ich dabei eingeschlafen". Aehnlich äußerte sich ihr Gemahl, der auch angegeben hat, nach rund drei Minuten das Bewußtsein verloren zu haben, ohne sich je geängstigt und an seiner Rettung gezweifelt zu haben. Tatsächlich durften die beiden rund vier Stunden später zum Kreis der Lebenden zurückkehren, dank ihres festen Glaubens an dieses Leben, einer von Helferwillen beseelten und vorbildlich arbeitenden Rettungsmannschaft

und nicht zuletzt wohl dank eines Schicksals, für dessen Erfüllung die beiden Eheleute dem Leben erhalten werden mußten.

Nr 22 17. März: Großes Lawinenunglück in Samnaun GR. Verunglückt: Frl. G. H_µ ien, 1~36, Kontoristin, Düsseldorf-Oberkassel; Frau P. Quiris, 1906, kaufm. Angest., Hamburg-Harburg; Frl. S.

Lorey, 1925, Uebersetzerin, München; Walter Stegmann, 1934, Kaufmann, Hamburg; Dr. H. E.

Gaertner, 1911, Privatier, Hamburg.

1. Vorbemerkungen

Die Antwort auf die Frage, welche Gegend unserer Schweizeralpen seit dem Beginn einer zu-verlässigen Unfallstatistik durch die Schneeforschung - d.h. seit 1936/37 - am meisten Lawinen-opfer unter den Skifahrern gefordert habe, fällt im heutigen Zeitpunkt nicht schwer. Ohne Zweifel und mit Abstand ist dies der östlichste Zipfel unseres Landes, das abgeschlossene Bergtal von Sarnnaun. Die Unfallstatistiken unserer „Winterberichte·· enthalten nicht weniger als acht Be-richte von tödlich verlaufenen Unglücksfällen in diesem Gebiet:

15. Februar 1938 Muttler 4 Todesopfer

4. Dezember 1940 Munt da Chems 1 Todesopfer 28. Dezember 1947 Val Gravas 2 Todesopfer 25. Februar 1953 Val Chamins 1 Todesopfer

3. März 1954 Val Gravas 2 Todesopfer

24. März 1955 Val Tschüra 1 Todesopfer 6. März 1956 Piz Munschuns 5 Todesopfer 17. März 1958 Alptrider Eck 5 Todesopfer Total 8 Unglücksfälle mit 21 Todesopfern.

1n den acht Unglückslawinen verloren 14 deutsche (9 Frauen, 5 Herren) und 6 schweizerische (2 Frauen, 4 Herren) Gäste ihr Leben, dazu eine Engländerin. Im gleichen Zeitraum war unter den Einheimischen kein einziges Lawinenopfer zu beklagen, auch nicht während extremen Lawinen-perioden oder durch Arbeitsunfälle. Zu dieser charakteristischen Statistik ließen sich viele Bemer-kungen und Erklärungen anbringen. An dieser Stelle möchten wir lediglich folgende Punkte erwäh-nen: Einmal verfügt die Gegend von Samnaun über ein ausgedehntes und prächtiges Skitouren-gebiet, das durch keine Bahnen und Lifte erschlossen bzw. beeinträchtigt wird und für das als Ausgangspunkte neben den wenigen Hotels im Tale nur einzelne Hütten auf Schweizer- oder Tirolerboden (Alp Trida, Fimberhütte, Heidelbergerhütte u.a.) dienen. Das hat zur Folge, daß sich keine Konzentration auf bestimmte Routen abzeichnet und damit auch keine örtliche Schutzorgani-sation, wie sie normalerweise in bekannten Skigebieten zu finden sind, organisiert ist. Entscheidend ins Gewicht fallen dürfte aber auch die Qualität der das Samnauertal aufsuchenden Gäste. Zum größ-ten Teil handelt es sich dabei um Deutsche, meist aus München, der Rheingegend und Norddeutsch-land, die in der Regel wohl eine ideale Einstellung zum Berg und zum Skifahren, mitunter sogar eine gute Skitechnik mitbringen, aber in den seltensten Fällen eine genügende Wintergebirgserfahrung

be-sitzen. Im weitem muß erwähnt werden, daß das abgeschlossene Samnaun meteorologisch oft eine eigene Stellung einnimmt, und daher weder die Verhältnisse im Engadin noch jene im Prättigau ohne Einschränkung auf dieses Gebiet übertragen werden dürfen. Da bisher die Meteorologische Zentral-anstalt und auch unser Institut im Samnaun keine Meldestation betrieben haben, dürften die dortigen Verhältnisse bei der allgemeinen Beurteilung gelegentlich nicht mit genügender Genauig-keit erfaßt worden sein. Wetterprognose und Lawinenbulletin wären in solchen Fällen für das

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Samnaun nur bedingt zutreffend gewesen. Schließlich verfügt das Samnaun auch über keinen Lawinenrettungsdienst, wie er im Hinblick auf die Unfallhäufigkeit gefordert werden müßte. Vor allem aber fehlen dort bis jetzt Lawinenhunde.

Diese Tatsachen werden dazu führen müssen, daß im Samnaun zur Verhütung von Lawinen-opfern etwas unternommen wird. Nicht jede der angeführten Ursachen kann allerdings subjektiv beeinflußt werden. Doch was mit vernünftigen Mitteln zu einer Besserung führen kann, darf nicht ungetan bleiben. Wir denken dabei in erster Linie an einen örtlichen Lawinendienst mit einer Schnee- und Wetterstation und 1-2 Auskunftsstellen, der in kritischen Zeiten einen zuverlässigen Lagebericht herausgeben könnte und der auch Sperrungen, ev. die Sicherung durch künstliche Aus-lösung usw. veranlassen müßte. Unser Institut hat sich grundsätzlich bereit erklärt, in diesem Gebiet eine Vergleichsstation einzurichten. Dazu aber muß der Rettungsdienst ausgebaut und vor allem für mindestens einen guten Lawinenhund gesorgt werden.

2. Das Unfallgelände

Das Unfallgebiet befindet sich im Kessel des Planer Salas, rund 3 km N von Samnaun-Dorf und 1,5 km WSW des Skihauses von Alp Trida. Der Lawinenhang bildet eine nach Süden orientierte Mulde und umfaßt die Meereshöhe von rund 2600-2450 (Einzugsgebiet) bzw. 2360 m (Auslaufzone). Die Steilheit beträgt im westlichen Absturzgebiet bei einem verhältnismäßig gradlinigen Profil 27- 30°, im östlichen Teil bis zu 40° im Anrißgebiet und rund 30° in der mittleren Hangpartie.

Der Unglückshang gilt in den Augen der Einheimischen nicht als Lawinenzone in dem Sinne, daß sich dort die Schneedecke selbständig in Bewegung setzt. Dagegen wird der Hang als schneebrett-gefährlich bezeichnet und von ortskundigen Partien bei zweifelhaften Verhältnissen gemieden oder mit Vorsicht begangen.