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ß. Schnee- und Lawinenverhaltnisse im schweizerischen Alpengebiet

C. Durc h L awinen verursachte Unfalle und Schaden

7. Erfahrungen und Schlußfolgerungen

a ) M a t er i a l . Mit Rücksicht auf die fast unbegrenzte Zahl von hilfsbereiten Passanten wäre es zweckmäßig gewesen, von Anfang an mehr Material - vor allem Sondierstangen - auf dem Platz zu haben. Das Beatmungsgerät Respiro soll nicht einwandfrei funktioniert haben, indem zwischen Maske und Balg wegen Fehlens eines Zwischenstückes oder Zusammenfügens unpassender Teili:?

eine Undichtigkeit bestand. Es wurde auf der Unfallstelle nach einer vermehrten Zahl großer Schaufeln gerufen. Mehr als zwei, höchstens drei Schaufeln können bei einer Grabung auf einmal nicht einge-setzt werden. Es ist aber damit zu rechnen, daß an mehreren Stellen gleichzeitig gegraben werden muß.

b ) La w i n e n h u n de . N. Kindschi traf mit seinem Hund um 11.45 h auf der Unfallstelle ein. Gemessen an den äußeren Umständen (Alarm, Bereitstellung, Dislokation etc.) ist diese Zeit op.

timal. Für den nutzbringenden Einsatz des Hundes ist sie aber an der oberen Grenze. Da die Sondie-rung zufälligerweise sehr rasch zum Ziele führte, hätte zwar auch ein auf Weißfluhjoch stationierter Lawinenhund keinen Vorteil gebracht (auf Feld ca. 11.00 h; Räumung des Feldes, Wartezeit ca.

15 Min., frühest möglicher Erfolg ca. ab 11.25 h). Doch hätte die Situation auch anders liegen können.

Ein auf Weißfluhjoch ständig stationierter Hund hätte gegenüber einem Hund von Davos einen Vor-sprung von ca. 45 Min., - eine unter Umständen entscheidene Zeitspanne.

c) Sondierverfahren. Die Schnellsondierung hat in der denkbar k ü r z e s t e n Z e i t z u m Z i e 1 g e f ü h r t . Im Fall von Frl. Amon, die durch eine eilige Stocksondierung gefunden wurde - die grundsätzlich auch als Schnellsondierung anzusprechen ist - war das Verfahren lebensrettend. Im Fall von 0. Giesswein wäre eine Lebensrettung im Zeit-raum einer Stunde wohl denkbar gewesen. Die kurze Zeitspanne von ca. 10- 15 Min., die für das Auffinden benötigt wurde, darf nicht zu voreiligen Schlüssen verleiten. Das Ansetzen der Suchlinie mitten auf der Lawine und im richtigen Streifen war trotz der vorgängig gemachten Ueberlegungen ein Zu f a 11 s treffe r. Die Möglichkeit der Verscbüttungsstelle erstreckte sich noch über das 6-fache des effektiv abgesuchten Bereiches, so daß auch mit der Schnellsondierung eine Arbeit von mindestens einer weiteren Stunde hätte erforderlich sein können.

d) V e r b in dun g e n . Die Funkverbindung erwies sich als äußerst wertvoll - und wäre noch viel wertvoller gewesen, wenn sie im Unfallmoment nicht bereits anderweitig eingesetzt und vom ersten Moment der Aktion an verfügbar gewesen wäre (Anforderung von Sondierstangen und Schaufeln)."

Nr. 18 15. März 1958: Riesige Staublawine im Kandertal. Um zwei Uhr morgens löste sich an der Susegg, südlich vom Elsighorn, eine gewaltige Schneemasse. Wie ein fürchterlicher Sturmwind überfiel die rasende Lawine die Gegend des Innerkandergrundes, drückte Scheiben ein, riß Tannen um und überdeckte alle Hausfronten mit festgepreßtem Schnee bis unter das Dach hinauf. Das ganze Tal war mit Schneestaub ausgefüllt, ja bis hinauf zum Kehrtunnel machte er sich bemerkbar. In der Zentrale gab es Schaden am Transformer, die Hochspannungsleitung wurde durch einen gestürzten Ahorn umgerissen. Seit 1942 war es das erste Mal, daß die gleiche Lawine die Bevölkerung in Auf-regung brachte. (Nach Zeitungsmeldung.)

Nr. 19 15. März 1958: Skifahrer bei Arosa verun,glückt. Todesopfer: Josef Portmann, 40-jährig, Horw (Luzern).

Eine Gruppe von vier Skifahrern stieg zur Weißhornsattelhütte. Sie benützte dabei im letzten Teilstück nicht die nahe und lawinensichere Abfahrtsroute, sondern traversierte die Westflanke des Brüggerhorns. Wahrscheinlich ließen sich die Leute von einer bestehenden Ab-fahrtsspur täuschen. Immerhin hielten sie vorsichtigerweise große Abstände ein.

Es war Mittag, der Himmel leicht bewölkt und die Sonne hatte den Hang bereits längere Zeit beschienen und die Schneedecke erwärmt. Plötzlich löste sich in einer schwach ausgeprägten Mulde oberhalb der Aufstiegsspur die Schneedecke in etwa 30 m Breite. Das abstürzende Schneebrett riß J. Portmann mit und verschüttete ihn in der rund 80 m tiefer befindlichen Mulde. Die drei Begleiter wurden dank der großen Abstände nicht betroffen.

Das Unglück ereignete sich um 12.15 Uhr und wurde von der nur 170 m entfernten Weißhorn-sattelhütte aus beobachtet. Der dort stationierte Patrouilleur L. erschien bereits um 12.20 Uhr mit dem (nicht ausgebildeten) Hund des Hüttenwartes am Unfallort und setzte, nachdem er einige Ski-fahrer vom Lawinenkegel weggewiesen hatte, das Tier ein. Um 12.35 Uhr traf Patrouilleur J. mit seinem ausgebildeten Lawinenhund ein und übernahm die Leitung der Suchaktion. Die Hunde kamen nun abwechslungsweise zum Einsatz, doch blieb der Erfolg aus.

Ab 13.40 Uhr wurde die Suche mit 26 Sondierstangen fortgesetzt. Bereits nach 25 Minuten wurde der Verunglückte in einer Tiefe von 2,50 m aufgespürt. Nach einer Viertelstunde war der Körper freigelegt. Der inzwischen eingetroffene Arzt, Dr. G., konnte sofort und einwandfrei nurmehr den Tod feststellen. Darauf wurde die Leiche durch die Rettungsmannschaft des S.A.C. zu Tal gebracht.

(Nach dem Bericht unseres Beobachters in Arosa, R. Barblan.)

Die Wahl der Aufstiegsroute durch die rund 35° steile Flanke des Brüggerhorns war bei den gegebenen Verhältnissen ein Wagnis. Glück hatten die vier Skifahrer insofern, als nur einer von ihnen vom Schneebrett, das sie zweifellos selbst ausgelöst haben, mitgerissen wurde.

Fig, 15 Lawinenunglück bei Arosa a) Karte 1 : 50 000

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b) Die Unglückslawine von der Weißhornsattelhütte aus gesehen.

A = Aufstiegsspur der verunglückten Partie (Photo R. Barblan)

Andrerseits war es ein unglücklicher Umstan:l, daß der Verunglückte 2,50 m tief in die Schnee-massen zu liegen kam und hier auch nicht mehr lange gelebt haben dürfte. So konnte der bereits nach 20 Minuten eintreffende und mit berechtigten Erfolgsaussichten eingesetzte Lawinenhund nicht finden, weil die vorhandenen Bedingungen an der Leistungsgrenze der Hundenase liegen dürf-ten und für das eingesetzte Tier offenbar zu schwierig waren. U.E. dauerte es etwas lange, bis die Sucharbeit mit den Sondierstangen begonnen wurde. Umso bestechender war dann deren Erfolg.

Am Anriß der Lawine wurde am nächsten Tage eine Schneedeckenuntersuchung vorgenommen.

Wie die Profildarstellung zeigt, waren die Schneeverhältnisse an dieser Stelle ähnlich jenen an der Weißfluh und das dort Gesagte gilt in jeder Beziehung auch für das Unglück am Brüggerhorn.

c) Ansicht der Unglückslawine mit den Standorten der aufsteigenden Skifahrer

im Moment des Anbruchs.

Bei 5 die Verschüttungsstelle des Opfers (Photo R. Barblan)

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d) Profü am Anr iß

Nr. 20 15. März 1958: Am Rigi im Nebel verunglückt. Opfer: Gregor Keiser, geb. 16.2.1937, stud. arch.1 Zug.

l. Bericht der Rettungsstation Rigi-Go1dau SAC

„Am Samstagnachmittag ca, 14.30 Uhr befanden sich drei junge Herren, Keiser, L. und H. aus Zug auf der Abfahrt vom Dossen-Gipfel Richtung Klösterli. Infolge dichten Nebels verloren sich die drei Kameraden aus den Augen. Keiser war von der richtigen Abfahrtsstrecke, welche nur einige Spuren aufwies - eine richtige Piste war nicht vorhanden - abgekommen und löste ein Schneebrett aus, das ihn mitriß und begrub. Als seine Kameraden durch Nachfragen an verschiedenen Orten G. Keiser nicht fanden und das niedergegangene Schneebrett entdeckt wurde, alarmierte um

16.45 Uhr: Herr I. vom Skilift Dossen die Familie R., Hotel Rigibahn, Rigistaffel und meldet, daß am Osthang des Dossen ein Schneebrett niedergegangen und wahrscheinlich ein Skifahrer darin begraben sei.

16.50 Uhr: Frl. R. alarmiert den Lawinenhundeführer B. in Goldau, und die auf der Rigi anwesenden Mitglieder der Rettungsstation Rigi-Goldau.

16.52 Uhr: B. alarmiert den Obmann der Rettungs-Station Rigi-Goldau, A. Zangger, bietet den Lawinen-hundeführer A. K., Schwyz, mit seinem Hunde auf, verlangt von der Schweizerischen Bundesbahn den im Bahnhof Goldau stationierten Pulmotor mit Bedienungsmann Z. auf die Station der ARB.

16.55 Uhr: Zangger alarmiert die in Goldau anwesenden Leute des Rettungsdienstes, verlangt von der ARB Bereitstellung eines Extrazuges.

17.20 Uhr: Zangger, Z. und B. mit Lawinenhund und Pulmotor fahren mit ARB und Schwebebahn nach Rigi-Scheidegg.

Polizist D. und Arzt Dr. L., Arth, werden aufgeboten.

Mettler E. requiriert bei Herrn B. 37 Panzerrohre

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3 m als Sondierstangen und Batterien für die Stirn-lampen.

Fig. 16 Lawinenunglück am Rigi a) Karte 1 : 50 000

17.30 Uhr: Die auf dem Rigi anwesenden Leute des Rettungsdienstes Rigi-Goldau (9 Mann) treffen auf dem Lawinenfelde ein und suchen dieses nach ev. hervorstehenden Zeichen des Verschütteten ab. Nachher wird das Feld genau abgesteckt und von Leuten frei gehalten bis zum Einsatz des Lawinenhundes.

17.45 Uhr: Der ebenfalls aufgebotene Rettungsdienst Rigi-Kaltbad (4 Mann) trifft mit Sondiermaterial und Schau.fein ein.

17.50 Uhr: Extrazug mit Mannschaft und zweitem Lawinenhund nach Rigi-Scheidegg.

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17.55 Uhr: Zangger und B, mit Lawinenhund treffen auf dem Lawinenfelde ein. B. sucht das Lawinenleid während 45 Minuten mit dem Hunde ohne Erfolg ab. Zangger übernimmt sofort die Leitung und angesichts des großen Lawinenkegels beordert er 3 Mann ab, um in Rigi-Kaltbad Beleuchtung und Schaufeln anzufordern.

18.20 Uhr: M. mit Mannschaft und Sondierstangen ab Goldau nach Rigi-Scheidegg.

18.30 Uhr: Zweiter Lawinenhund mit Führer trifft auf dem Felde ein und sucht dieses ebenfalls ohne Erfolg ab,

18.45 Uhr: Der Rettungsmannschaft von Rigi-Kaltbad werden Schneeschaufeln und Beleuchtungsmaterial der Feuerwehr Rigi-Kaltbad per Extrazug nach Station Freibergen und dort mit der Schwebebahn nach Unterstetten befördert, von wo sie auf beschwerlichem Wege rechtzeitig das Lawinenfeld erreichen.

19.00 Uhr: Die gesamte Rettungsmannschaft von 30 Mann wird in zwei Gruppen eingeteilt und es wird vom untern Rande des Lawinenkegels und von der Straße aus systematisch sondiert. Schneehöhe im Lawinenkegel ca. 7 m. Temperatur bereits -1 t0 .

b) Die Unglückslawine mit der Einfahrlsspur des Verunglückten (Photo G. Bergmann)

c) Der hinter der Bahnbrücke gestaute Lawinenkegel mit der Verschüttungsstelle (Photo G. Bergmann)

Da es ungewiß ist, wie lange die Sucharbeit dauern wird, werden die Tilleylampen der Feuerwehren Arth, Oberarth und Goldau bei Herrn M., Feuerwehrkommandant, angefordert. Diese sind bereits auf dem Wege zum Lawinenfelde, kommen aber nicht mehr zum Einsatz.

Polizist D. läßt sich von den Kameraden des Verunfallten über den Hergang des Unglücks orientieren und verständigt via Stadtpolizei Zug die Familie Keiser.

21.00 Uhr: Arzt und Pulmotor werden von Rigi-Scheidegg nach Rigi-Klösterli beordert.

Der Verschüttete wird g e f u n d e n und ausgegraben. Er liegt in 1,50-2 m Tiefe, direkt am Damm, Gesicht und Mund sind voll Schnee, so daß angenommen werden muß, daß der Verunglückte sofort erstickt ist. Die ganze Lawine hat sich am Damm gestaut, der Schnee war fest gepreßt und der Verschüttete konnte nicht mehr atmen. Diesen Umständen ist es zuzuschreiben, daß keine Witterung des Verschütteten an die Oberfläche drang und die eingesetzten Lawinenhunde keinen Erfolg halten.

21.50 Uhr: Auf äußerst gefährlichem und beschwerlichem Wege wird der Verunfallte mit dem Canadier-schlitten nach Station Rigi-Klösterli transportiert. Gleichzeitig mit dem Verunfallten treffen mit Extrazug von Goldau bezw, Kräbel Arzt, Pulmotor, Vater und Sohn Keiser und der Stadtpräsident von Zug ein. Anwesend sind auch H.H Pater Superior vom Kapuziner-Kloster Rigi-Klösterli, welcher von uns rechtzeitig informiert wurde.

Im Sanitätszimmer der Station bemüht sich der Arzt um den Verunfallten, und der Pulmotor arbeitet mehr als eine Stunde. Leider können alle Bemühungen den jungen Mann nicht mehr ins Leben zurückrufen.

00.45 Uhr: Rettungsmannschaft und der Verunfallte treffen in Goldau ein, wo der Tote von uns eingesargt und in die Leichenhalle in Arth überführt wird."

2. Bemerkungen

Das Unglück auf dem Rigi hat in der Innerschweiz verschiedene Diskussionen ausgelöst, die ihren Niederschlag teilweise sogar in der Presse fanden.

Ein Problem dre·hte sich um den Stcherungs- und Rettungsdtenst dieses Skigebtetes. Von berufe-ner Seite wurde dazu erklärt, daß ein Rettungsdienst auf den Rigiabfahrten nur sonntags besteht, und zwar von ehrenamtlich arbeitenden Leuten! Eine Organisation mit dem Ziele, Unfälle durch Pflege der Pisten, Markierungen, Warnung, Sperrung, Lawinensicherung usw. zu verhüten, ist nicht vorhanden. Nachdem sich in diesem Massiv schon mehrere tödlich verlaufene Lawinenunglücke ereignet haben, ist zu hoffen, daß hier nun ein zuverlässiger Sicherungs- und Rettungsdienst ins Leben gerufen wird. Grundsätzlich wäre unser Institut bereit, mit einer neuen Vergleichsstation in diesem Gebiet an die Verwirklichung beizusteuern und nötigenfalls auch beratend beizustehen.

Auf teilweise scharfe Kritik stieß der Einsatz und die Arbeit der Lawinenhunde. Wenn auch zugegeben werden muß, daß das große Reservoir von Elite-Lawinenhunden im Gebiet von Goldau-Schwyz einen ausgedehnteren und ev. erfolgreicheren Einsatz verlangt und gestattet hätte, so ist andererseits festzustellen, daß die Verschüttungsbedingungen des Opfers wahrscheinlich zu ungün-stig waren, als daß die Hundenase hätte zum Erfolg führen können. Der rasche Tod des Verunfallten mit der folgenden intensiven Abkühlung, die stark gepreßten Schneemassen und die bedeutende Verschüttungstiefe dürften das Aufsteigen einer wahrnehmbaren Witterung verhindert haben.

Nr. 21 16. März 1958: Rettung eines Ehepaares im Meierhofertäli bei Davos.

A. Bericht des Chefs des Parsenndienstes, Chr. Jost.

1. Unfallmeldung

„Am Sonntag, den 16. März traf um 12.02 Uhr, telephonisch übermittelt durch Kessler, Hotel Wolfgang Kulm, auf der Rettungszentrale des Parsenndienstes in Weißf!uhjoch die Meldung ein, daß im untern Teile des Meierhofertöbelis eine Lawine niederging und zwei Personen verschüttet wurden.

2. Die ersten Maßnahmen