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ß. Schnee- und Lawinenverhaltnisse im schweizerischen Alpengebiet

C. Durc h L awinen verursachte Unfalle und Schaden

5. Hergang des Unglücks

Kurz vor 14.00 Uhr erreichte die Partie nach bisher gut verlaufener Fahrt den Planer Salas von Westen her. Hier galt es, von der sichern Ebene bei Pt. 2458 durch den Süd- und Südwesthang auf den Sattel Pt. ?.500 zu gelangen; eine sanfte, gefahrlose Abfahrt zum Skihaus hätte den Ausflug beschließen sollen.

Fig. 18 Lawinenunglück in Samnaun a) Karte 1 : 50 000

Angesichts der unberechenbaren Schneebrettgefahr befahl der verantwortliche Schweizer Ski-lehrer, die Bindungen zu lockern und Lawinenabstände von 20-30 m einzuhalten. Er nahm die Spitze der Kolonne ein und legte die Spur an der selben Stelle wie immer bei ähnlichen Verhält-nissen, ziemlich hoch oben als flache Gleitspur an. Bereits waren 21 Teilnehmer auf dem Marsch, die Kopfgruppe hatte bereits die jenseitigen flachem Hangpartien erreicht und die Kolonne befand sich in regelmäßigen Einzelabständen auf eine Länge von ca. 250- 300 m verteilt. In diesem Augenblick versuchte der Schlußmann, Dr. G., die vor ihm marschierenden Kameraden zu überholen und legte bergwärts eine neue Spur an. Diesem Abweichen von der befohlenen Marschordnung folgte rasch das Verhängnis: nur etwa 10- 20 m oberhalb der Ueberholungsspur von Dr. G. riß die Schneedecke, glitt als Schneebrett talwärts und überraschte Dr. G. und die in seiner Nähe marschierenden Fahrer, ohne ihnen Zeit zu einer Flucht zu gewähren. In wenigen Sekunden pflanzte sich der Anriß hangauf-wärts fort und erfaßte schließlich den ganzen mittleren Teil der Mulde. Von den in diesem Abschnitt

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traversierenden 11 Leuten konnten sich auf Weisung des Führers die meisten durch Schrägausfahrt retten, fünf wurden jedoch erfaßt und bis in die Ebene von Planer Salas hinunter geschwemmt. Im primären Anrißgebiet am Ende der Kolonne hatten sich die Schneemassen nur etwa 90 m talwärts ergossen und waren dort an einer kleinen Gegensteigung gestaut worden. In diesem Teil der Lawine wurden vier Personen vermißt. Der Niedergang der Lawine ereignete sich um ca. 14.00 Uhr.

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d) Die Flucht- und Verschüttungswege.

1: Ueberholungsspur tOr. Gaertner, 2: Fluchtwege der Nichtverschütteten, 3: Verschüttungsweg der Geretteten bzw. der

Todesopfer (4)

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-b) Ansicht des Unglückshanges mit der Spur der Skilehrer-partie, den Ausmaßen der Lawine und den Verschü ttungsslellen (Photo R. Figilister)

c) Längsprofile des Lawinenhanges

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6. Die Rettungsaktion

Noch bevor die Schneemassen zum Stillstand gekommen waren, fuhr der Schweizer Skilehrer gegen den Ablagerungsbereich des östlichen Lawinenteils und verfolgte dort die Sturzbahn von fünf um ihr Leb.en Kämpfenden. Die Lag.e von vier Ver.s.chütte.len konnte unverzüglich ermitlell werden: der Skilehrer legte den Betreffenden das Gesicht frei und gab den Nichtverschütteten Anweisung zu ihrer Befreiung. Sodann sandte der verantwortliche Führer zwei gute Skifahrer nach Alp Trida, um das Unglück zu melden und die notwendigen Rettungsmittel anzufordern. Nachdem die vier Verschütteten, die keinen Schaden genommen hatten, befreit waren, wurde versucht, Anzahl und Namen der noch Vermißten festzustellen. Dies gelang nicht sofort, da einzelne der nichterfaßten Damen bereits gegen Alp Trida abgefahren waren. Erst später konnte eindeutig fest-gestellt werden, daß noch fünf Personen fehlten.

Mit Hilfe der Skistöcke begannen die Ueberlebenden im großen Lawinenkegel zu sondieren.

Bereits nach etwa 15 Minuten konnte eine Verschüttete, Frl. Lorey, aufgefunden werden. Der Körper war leblos. Unverzüglich nahm sich der an der Tour beteiligte deutsche Arzt der Verunglückten an, jedoch ohne Erfolg; nach seiner Auffassung war sie einem Schock erlegen.

Ca. 14.45 Uhr bereits erschien die erste Rettungsmannschaft von Alp Trida mit Sondiermaterial;

ihr Einsatz im östlichen Lawinenkegel blieb ohne Erfolg. Um ca. 16.15 Uhr erreichte der Lawinen-hundeführer A. Spinas aus St. Moritz mit seinem Tier, die durch F. Wisse! nach Alp Trida geflogen worden waren, die Unfallstelle. Nachdem die Rettungsmannschaft das Feld verlassen hatte, setzte Spinas den Hund im untersten Ablagerungsbereich ein. Das Tier suchte intensiv, hatte aber die Tendenz, die obern Ablagerungsgebiete aufzusuchen. Schließlich wurde die Suche auf den relativ kleinen Kegel in der westlichen Lawinenzone verlegt. Hier fand „Edy" um ca. 17.00 Uhr zuerst den Körper von Dr. Gaertner unter einer Schneedecke von 30----40 cm. Innerhalb einer weitem

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e) Die Fundstellen der vier Todesopfer im westlichen Teile der Lawine (Photo Figilister)

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f) Profil am Anriß

stunde zeigte der Hund auch die Verschüttungsstellen von Frau Quirus - unter 30-40 cm Schnee - und von Herrn Stegmann unter einer 1,50 m mächtigen Schneedecke an. Vor 18.00 Uhr fand „Edy"

schließlich noch das letzte Opfer, Frl. Hugen, die nur wenige Zentimeter unter der Oberfläche lag;

der Körper ruhte in sehr natürlicher Stellung im lockeren Schnee, so daß eine Selbstbefreiung hätte möglich sein sollen. Doch dürfte hier - wie möglicherweise auch bei den Opfern Dr. Gaertner und 95

Frau Quirus, die in ebenfalls natürlicher Körperlage nur unbedeutend verschüttet lagen - der Schocktod das Ende herbeigeführt haben. Immerhin lagen diese Opfer während 3- 4 Stunden be-graben. Eine Atmungshöhle war bei ihnen nicht festgestellt worden. Der Körper von Stegmann war am tiefsten verschüttet und befand sich zudem in einer ungünstigen Stellung: Kopf unten, Ski oben, Bindungen ca. 1,50 m unter der Schneeoberfläche. Hier wurde eine große Atmungshöhle festgestellt.

Stundenlange Wiederbelebungsversuche unter Leitung von zwei Aerzten, denen Injektionsmit-tel und Pulmotor zur Verfügung standen, konnten die vier Verunglückten nicht mehr retten.

Inzwischen war auch die Rettungskolonne aus Samnaun auf der Unfallstelle eingetroffen und ebenso ein zweiter Lawinenhund hergeflogen worden. Ein Einsatz dieser Mittel zur Sucharbeit war nicht mehr notwendig. Die Rettungsleute wurden zur Mithilfe bei der künstlichen Beatmung und für den Leichentransport verwendet. Um ca. 22.00 Uhr traf die Rettungskolonne mit den Opfern auf Alp Trida ein.