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3.1 Beschreibung der untersuchten Stichprobe

3.1.1 Schizophrene Patienten

Es wurden ausschließlich Patienten der Forschungsstation der Universität Konstanz im Zentrum für Psychiatrie Reichenau (ZPR) mit der Hauptdiagnose Schizophrenie untersucht. Zum größten Teil kamen die Patienten von den Aufnahmestationen des Zentrums auf die Forschungsstation, zu einem kleineren Teil wurden sie direkt aufgenommen. Bei der Forschungsstation handelt es sich um eine in der Regel offen geführte Weiterbehandlungsstation für jüngere schizophrene Patienten.

Frühestens eine Woche nach der Aufnahme wurden die Patienten, die dem Urteil des behandelnden Arztes oder Psychologen zufolge eine annähernd zweistündige Untersuchung durchhalten würden, vom Untersucher gefragt, ob sie an der Studie teilnehmen würden.

Die Patientenstichprobe bestand aus 19 Männern und drei Frauen mit einem Durchschnittsalter von 30.4 Jahren. Alle Patienten verfügten über einen Schulabschluss. Über die Hälfte besuchten eine Realschule oder ein Gymnasium. Die tabellarische Darstellung der soziodemographischen Daten findet sich im Kapitel 3.1.2.

Die Diagnose wurde nach den Kriterien des DSM IV (1996) durch den behandelnden Arzt oder Psychologen gestellt. Die Tabelle 1 gibt einen Überblick über die vergebenen Diagnosen.

Tabelle 1: Schizophrenietypen und Zweitdiagnosen nach DSM IV (1996)

Diagnosen DSM IV-Code Anzahl der

Patienten

Prozentualer Anteil an der Stichprobe Schizophreniesubtyp

Paranoider Typus 295.3 18 81.8 %

Undifferenzierter Typus 295.9 2 9.1 %

Desorganisierter Typus 295.1 2 9.1 %

Zweitdiagnosen

Keine Zweitdiagnose 18 81.8 %

Cannabismissbrauch 305.2 3 13.6 %

Zwangsstörung 300.3 1 4.6 %

Den größten Anteil an der Stichprobe bildeten Patienten vom paranoiden Subtyp (zu 81.8%).

Ausgeschlossen wurden Patienten, bei denen neben der Schizophrenie eine manifest Substanzab-hängigkeit im Vordergrund stand. Bei drei Patienten fand sich allerdings zusätzlich zur Schizophrenie ein Cannabismissbrauch.

Die Tabelle 2 gibt die anamnestischen Daten wieder. Das durch die GAF (cf. Kap. 3.6) gemessene Funktionsniveau führt zu einem Mittelwert von 47.1 (GAF 1). Dies bedeutet, dass die Patienten zum Untersuchungszeitpunkt „ernste Symptome oder eine ernste Beeinträchtigung der sozialen, beruflichen und schulischen Leistungsfähigkeit“ aufwiesen.

Tabelle 2: Anamnestische Daten der Patienten-Stichprobe

Derzeitiges Funktionsnivau (GAF 1) 47.1 (17.4)

Höchstes Funktionsnivau in den letzten 12 Monaten (GAF 2) 59.4 (15.9)

Mittlere Krankheitsdauer in Jahren 4.9 (5.7), Range 0.1 - 20.2 Mittere Anzahl der Klinikaufnahmen 3.7 (2.6), Range 1 - 13

Anteil der Erstbehandlungen 2 Patienten - 9.1%

Mittlere gesamte Hospitalisierungsdauer in Wochen 35.4 (31.5), Range 4 - 126 Anteil mit psychiatrischen Erkrankungen in der Familie 6 Patienten - 27.3%

Anteil der neuroleptisch medizierten Patienten 19 Patienten - 86.4%

Neuroleptische Dosis in Chlorpromazinäquivalenten 148.1 mg/Tag (132.4 mg)

in Klammern Standardabweichung

Das höchste Funktionsniveau während der letzten 12 Monate lag bei 59.4 (GAF 2), d.h. „mäßi ausgeprägte Symptome oder mäßig ausgeprägte Schwierigkeiten bezüglich der sozialen, beruflichen oder schulischen Leistungsfähigkeit“. Ein unauffälliges Funktionsniveau würde sich bei Werten, di größer als 80 sind, ergeben.

Die mittlere Krankheitsdauer betrug 4.9 Jahre. Die hohe Streuung von SD = 5.7 Jahren macht deutlich, dass die Stichprobe hinsichtlich der Krankheitsdauer heterogen war. Etwa ein Drittel der Patienten wies eine Krankheitsdauer von unter einem Jahr auf. Bei ungefähr einem weiteren Drittel lag die Krankheitsdauer zwischen 2 und 5 Jahren. Das letzte Drittel war länger als 5 Jahre an einer Schizophrenie erkrank - zwei Patienten sogar länger als 20 Jahre. Auch die gesamte Hospitalisie-rungsdauer war heterogen und reichte von 4 Wochen bis über 2 Jahre. Etwas weniger als ein Drittel der Patienten wies eine Gesamthospitalisierungsdauer von über einem Jahr auf. Bei sechs Patienten waren oder sind Familienangehörige zum Untersuchungszeitpunkt in psychiatrischer Behandlung.

Bis auf drei Patienten erhielten alle eine neuroleptische Medikation. Rechnet man die unterschiedl i-chen Dosierungen der verschiedenen Neuroleptika in ein einheitliches Maß um, so erhielten die Patienten am Tag der Untersuchung im Mittel 148.1 mg Chlorpromazinäquivalente12.

Die nächste Tabelle 3 gibt den Summenscore und den mittleren Itemscore13 der Psychopatholo-gie-Skalen (Beschreibungen der Skalen siehe Kap. 3.6) wieder. Der mittlere Itemscore entsprich der Fragebogenskalierung und ist so anschaulicher.

Tabelle 3: Psychopathologie der schizophrenen Patienten

Summenscore Mittlerer Itemwer

BPRS 41.23 (9.68) 1.72 (0.40)

SANS Gesamt-Score 51.09 (25.97) 1.76 (0.90)

SANS Affektverflachung 15.95 (9.54) 1.77 (1.06)

SANS Alogie 7.68 (5.56) 1.28 (0.93)

SANS Abulie – Apathie 10.36 (4.85) 2.07 (0.97)

SANS Anhedonie 12.14 (6.96) 2.02 (1.16)

SANS Aufmerksamkeit* 4.95 (3.44) 1.65 (1.15)

PANSS Positiv-Skala 13.00 (3.46) 1.86 (0.49)

PANSS Negativ-Skala 18.68 (6.75) 2.67 (0.96)

PANSS Allgemeinpsychopathologie 33.41 (8.93) 2.09 (0.56)

PANSS Composite-Scale -5.68 (6.66)

in Klammern Standardabweichung

*ohne Item 28 - Mini-Mental-State

Die Brief Psychiatric Rating Scale (BPRS) (Overall & Gorham, 1962) weist einen Summenscore von 41.23 und einen mittleren Itemwert von 1.72 auf, so dass die Stichprobe eher durch wenig Symptomatik gekennzeichnet war. Der mittlere Itemwert der Stichprobe von 1.72 liegt in Richtung Skalenstufe 2 (sehr gering). Die siebenstufige Skala reicht von 1 (nicht vorhanden) bis 7 (extrem stark).

Die durch die „Scale for Assessment of Negativ Symptoms“ (SANS)14 (Andreasen & Olsen, 1986) erfasste Negativsymptomatik zeigt mit einem mittleren SANS-Gesamtskala-Itemwert von 1.76 in die Richtung einer „diskreten pathologischen“ Ausprägung der Negativsymptomatik (Skalen-wert 2). Ähnliche Werte weisen auch die Subskalen „Affektve rflachung“ und „Aufmerksamkeit“

12 Bei der Berechnung wurde der von Jahn und Mussgay (1989) vorgeschlagene Algorithmus verwandt.

13 Der mittlere Itemwert wird berechnet, indem der Summenscore durch die Anzahl der Item geteilt wird.

14 Benutzt wurde die deutsche Übersetzung von Dieterle et al. (1986).

auf. Die Skalen „Abulie-Apathie“15 und „Anhedonie“ sind mit mittleren Itemwerten von annähernd 2.0 etwas stärker ausgeprägt. Die Subskala „Alogie“ zeigt mit dem Wert 1.28 in Richtung des Skalenwertes 1 (fraglicher pathologischer Charakter) und ist etwas weniger deutlich ausgeprägt. Die Items der Subskalen sind von 0 (normal) bis 5 (schwere pathologische Ausprägung) skaliert.

Die Positivskala der „Positive and Negativ Syndrome Scale“ (PANSS)16 (Kay et al., 1987) gibt mi dem Wert 1.86 eine geringe Ausprägung der Positivsymptomatik wieder. Die am nächsten gelegene Skalenstufe 2 wird mit „fraglich pathologisch; eventuell an der oberen Grenze des Normalen“

umschrieben. Die Negativsymptomatik (PANSS -Negativ-Skala) ist dagegen mit 2.67 deutlicher ausgeprägt und liegt der Skalenstufe 3 (leicht) am nächsten.

Ein Streudiagramm der Skalen „PANSS-Positiv“ und „PANSS-Negativ“ gibt Abbildung 1 wieder.

Abbildung 1: Streudiagramm der „PANSS-Negativskala“ und „PANSS-Positivskala“

Bei beiden Skalen erstreckt sich die Streuung nicht über den gesamten Skalenbereich, sondern deck den unteren bis mittleren Bereich ab. Die Werte der Negativ -Skala sind etwas höher und weisen eine größere Streuung auf als die Werte der Positivskala.

Ein Überwiegen der Negativsymptomatik gegenüber der Positivsymptomatik wird durch den nega-tiven Wert -5.68 der „Composite Scale“17 ausgedrückt, so dass die Symptomatik der Stichprobe als

„Typ zwei“ nach Crow (1980) gekennzeichnet werden kann.

15 Unter „Abulie-Apathie“ wird ein Mangel an Energie, Antrieb und Interesse verstanden.

16 Eingesetzt wurde die deutsche Übersetzung von Heim (1988).

17 Die „Composite Scale” wird aus dem Differenzwert Positiv-Skala minus Negativ-Skala gebildet (cf. Kap. 3.6)

Das Streudiagramm der „Composite Scale“ zeigt Abbildung 2.

Abbildung 2: Streudiagramm der „PANSS-Composite Scale“

10 5 0 -5 -10 -15 -20 -25

Es wird deutlich, dass die Mehrzahl der Patienten auf der „Composite-Scale“ durch negative Werte - also durch ein Überwiegen der Negativsymptomatik - gekennzeichnet sind. Auch is t wiederum eine breite Streuung der Werte sichtbar.

Der Skalenwert 2.09 der PANSS-Skala „Allgemeinpsychopathologie“ beschreibt die Stichprobe in der Gesamtpsychopathologie als „fraglich pathologisch, eventuell an der oberen Grenze des Normalen“. Diese Einschätzung deckt sich auch mit den anderen Skalen und kann so als zusam-menfassende Beschreibung der Psychopathologie angesehen werden. Einzig die Negativsymptoma-tik zeigt eine „diskrete pathologische Ausprägung“