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2.3 Befunde zu den ereigniskorrelierten Potentialen

2.3.3 Befunde zur PINV

2.3.3.1 Einfluss der Arbeitsgedächtnisbelastung auf die PINV

Allgemein zeigen schizophrene Patienten im Vergleich zu Gesunden bei Gedächtnisfunktionen oftmals Leistungseinbußen. In einer Meta-Analyse von 70 Studien konnten Aleman et al. (1999) für Langzeit- und Arbeitsgedächtnis nachweisen, dass es sich dabei um einen stabilen und verbreiteten Befund handelt, der kaum anderen Einflüssen wie Medikation, Psychopathologie und Krankheits-dauer unterliegt. Die Autoren sehen so in den Gedächtnisdysfunktionen eher eine Trait- als eine State-Charakteristik. Speziell für „delayed response tasks“, wie sie in dieser Studie verwende werden, konnten Park und Holzman (1992) bei Schizophrenen gegenüber Gesunden und Patienten mit einer bipolare Psychose schlechtere Leistungen nachweisen.

Der Störung des Arbeitsgedächtnisses (working memory) kommt eine besondere Bedeutung zu, denn diese wird in einem engen Zusammenhang mit der schizophrenen Psychopathologie gesehen.

So führt Goldman-Rakic (1994) schizophrene Denkstörungen auf Funktionsbeeinträchtigungen des Arbeitsgedächtnisses zurück, dessen Lokalisation sie in Übereinstimmung mit anderen Studien (z. B. Cohen, J.D. et al., 1997; D'Esposito et al., 1995) vor allem im präfrontalen Cortex sieht, aber auch im Sinne der Diskonnektivitäts-Hypothese (siehe Kap. 2.2.2) in gestörten Verbindungen zu anderen corticalen Arealen (Goldman-Rakic, 1999) ansiedelt

Unter dem Begriff Arbeitsgedächtnis („working memory“) versteht Baddeley (1992) ein System, das simultan Informationen speichert und verarbeitet. Das Arbeitsgedächtnis teilt Baddely (1992, 1995) in zwei Speichersysteme und in eine „zentrale Exekutive“ („central executive“) auf. Der eine Speicher besteht aus einer phonetischen Schleife („phonological loop“) und speichert akustische

Reize. Der zweite Speicher („visuospatial sketchpad“) verarbeitet visuell-räumliches Material. Die

„zentrale Exekutive“ koordiniert die Informationsverarbeitung und ist für den Transfer von Gedächtnisinhalten beider Speicher in das Langzeitgedächtnis verantwortlich.

Wendet man Baddeleys (1992, 1995) Working-Memory-Theorie auf die Schizophrenie an, so zeigt sich, dass vor allem die Funktion der „zentrale Exekutive“ bei Patienten mit einem „Disorganisation Syndrom7“ beeinträchtigt ist. Die zwei Speichersysteme zeigen dagegen bei den Schizophrenen im Vergleich zu den Gesunden keine Funktionseinbußen (Ueber, 1998).

Die für diese Studie gewählte „delayed-matching-to-sample-Aufgabe“ stellt, wie „delay tasks“

allgemein, ein bevorzugtes Paradigma zur Untersuchung des Arbeitsgedächtnisses dar (cf. Fuster, 1989). Bezogen auf diesen Aufgabentyp lassen sich in Anlehnung an von Cramon und Bublak (1997) drei Prozessphasen abgrenzen. In der Präsentationsphase wird der S1 encodiert. Während der Retentions- oder Delay-Phase bleibt der S1 im Arbeitsgedächtnis repräsentiert. In einem dritten Schritt erfolgt nach der Präsentation des S2 die Entscheidungsphase, in der der zuvor gespeicherte S1 abgerufen und dem S2 mit einem entsprechenden Tastendruck zugeordnet wird.

Kommt es zu einer Störung bzw. zusätzlichen Belastung des working memory innerhalb der drei Phasen, so ist die Zuordnung des imperativen Reizes S2 zum Warnreiz S1 erschwert. Die Folge ist, dass die Versuchsperson sich unsicher ist, ob die gewählte Reaktion (Tastendruck) richtig war oder nicht. Unter der Voraussetzung, dass die PINV die Handlungsunsicherheit reflektiert, müsste die PINV-Amplitude dann zunehmen.

Diesen Effekts konnten Klein et al. (1996a) 8 für schizophrene Patienten zeigen. Die Autoren variierten die Belastung des Arbeitsgedächtnisses während der Präsentationsphase, indem sie den Warnreiz (S1), bestehend aus einer kleinen und großen Raute, unterschiedlich gestalteten. Eine geringe Belastung realisierten sie durch eine konstante Platzierung der kleinen Raute auf der linken Seite. Durch einen zufälligen Seitenwechsel der großen und der kleinen Raute ergab sich im Gegen-satz dazu eine größere Arbeitsgedächtnisbelastung, denn nun musste auch jeweils die Lage der Rauten gespeichert werden. Vier Sekunden nach dem Erscheinen des Warnreizes (S1) wurde der

7 Liddle und Barnes (1990) ermittelten drei psychopathologische Faktoren der Schizophrenie: “Psychomotor Poverty Syndrome”, “Disorganisation Syndrom” und “Reality Distortion Syndrom”. Der Faktor “Disorganisation Syndrom”

ist durch Parathymie, Verarmung des Gesprächsinhaltes, Rededrang und durch formale Denkstörungen wie Tangentialität und Inkohärenz gekennzeichnet.

8 Die vorliegende Studie benutzt den von Klein eingesetzten Aufgabentyp in abgewandelter Form.

imperative Reiz (S2) präsentiert, der aus einer einzelnen großen oder kleinen Raute bestand. Durch einen linken oder rechten Tastendruck sollte angegeben werden, wo sich diese einzelne Raute bei Warnreiz (S1) befand. Nur die schizophrenen Patienten wiesen unter der größeren Arbeitsgedäch t-nisbelastung eine deutlich höhere PINV-Amplitude als unter der geringen Belastung auf. Eine Erhöhung der Arbeitsgedächtnisbelastung während der Präsentationsphase des S1 führt also zu einer erhöhten PINV bei den Patienten. Im Gegensatz dazu zeigten die von Harsch (1998) mit einem abgewandelten Rautendesign untersuchten schizophrenen Patienten in den Bedingungen

„geringe“ und „hohe Arbeitsgedächtnisbelastung“ ohne Unterschied eine bilaterale frontale PINV.

Die hinsichtlich Alter, Geschlecht und Schulabschluss parallelisierten gesunden Probanden wiesen jedoch nur wä hrend der größeren Arbeitsgedächtnisbelastung eine deutliche links-frontale PINV auf. Dieser Unterschied in der PINV-Amplitude zwischen geringerer und größerer Arbeitsgedächt-nisbelastung trat allerdings bei der von Löw et al. (1999) mit einer identischen Versuchsanordnung untersuchten gesunden Probandengruppe nicht auf9.

Der Befund von Harsch (1998) könnte dahingehend interpretiert werden, dass bei der gewählten Aufgabe schon eine geringe Belastung des working memory reicht, um bei den Patienten Hand-lungsunsicherheit und so eine PINV zu induzieren. Die Gesunden benötigen eine größere Arbeit s-gedächtnisbelastung, um eine PINV zu entwickeln. Somit fügt sich dieses Ergebnis in die Überlegung ein, dass Schizophrene eine niedrigere Auslöseschwelle für Handlungsunsicherheit und so für die PINV aufweisen. Auch der Befund von Klein (1996a) passt in dieses Konzept. Durch die gewählte Aufgabe wurde nur bei den Patienten die Auslöseschwelle für Handlungsunsicherheit und somit für eine deutlichere PINV erreicht.

Eine weitere Möglichkeit die Arbeitsgedächtnisbelastung in der Präsentationsphase zu variieren besteht darin, die Encodierung des Warnreizes S1 durch eine Maskierung (Backward Masking) zu stören. Aufgrund der kurzen Präsentationszeit werden die Reize nicht mit einem Computer-Bild-schirm sondern mit einem Tachistoskop dargeboten. Das Interstimulusintervall (ISI) zwischen Ziel-und Maskierungsreiz wird variiert. Dabei zeigt sich, dass der störende Einfluss der Maske bei einem ISI von 20 bis 70 ms sein Maximum erreicht (Green et al., 1994a). In einer Untersuchung mit Gesunden sowie schizophrenen und manischen Patienten konnten Green et al. (1994a, 1994b) zeigen, dass die Patienten bei einem zunehmenden ISI zwischen dem Zielreiz (Präsentationsdauer 10 ms) und der Maske einen langsameren Leistungszuwachs als die Gesunden aufwiesen. Diesen

9 Diese Probanden hatten eine etwas höhere Schulbildung als die Gesunden bei der Studie von Harsch (1998).

Effekt konnten die Autoren für eine „High -Energy Mask“ mit der doppelten Darbietungsdauer (20 ms) des Zielreizes und auch für eine „Low -Energy Mask“ mit der halben Darbietungsdauer (5 ms) zeigen. Auch bei remittierten, unmedizierten schizophrenen Patienten konnten Green et al.

(1999) ein Leistungsdefizit bei Maskierungsaufgaben nachweisen. Die Frage, inwieweit sich eine durch Maskierung veränderte Arbeitsgedächtnisbelastung auf die PINV auswirkt, scheint allerdings noch nicht untersucht zu sein.

Offen ist auch die Frage, ob nur eine größere Arbeitsgedächtnisbelastung in der Präsentationsphase oder ob auch eine Störung der Retentions- oder Delay-Phase durch Ablenkung (Distraktion) di Auslöseschwelle für Handlungsunsicherheit und somit für die PINV erreicht. Eine erhöhte Ablenkbarkeit ist häufig mit der Schizophrenie assoziiert und lässt sich bereits in der Exploration Schizophrener beobachten (Watzl & Rist, 1996). Auch konnte in mehreren Studien der Leistungs-abfall Schizophrener durch Ablenkungsreize bestätigt werden (Hotchkiss & Harvey, 1990;

Oltmanns & Neale, 1975; Spring et al., 1989; Spring et al., 1991). Dieser Effekt ist mit dem Krankheit verlauf (Spring et al., 1989) und dem Ausmaß der Positivsymptomatik (Spring et al., 1991) korreliert.

Inwieweit auch eine Störung des Arbeitsgedächtnisses in der Retentions- oder Delay-Phase die PINV moduliert ist u.a. Gegenstand dieser Arbeit (cf. Kap. 2.4).