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5.2 Diskussion der Ergebnisse zu den evozierten Potentialen

5.2.1 Ergebnisse zum S1- und S2-LPC

Die Post-Stimulus-Intervalle nach den Reizen S1 und S2 werden wesentlich durch den Late Positiv Complex (LPC) bestimmt, so dass sich die Diskussion auf dieses Potential bezieht

Gruppenbedingter Effekt auf den S1- und S2-LPC

Für den LPC nach dem Warnreiz S1 wird in den Experimenten A und B kein globaler Gruppenu n-terschied gefunden. Die topographiespezifischen Unn-terschiede sind zwischen den Experimenten A und B widersprüchlich. Im Experiment A zeigen die Patienten über den Vertexelektroden eine ausgeprägtere positive Amplitude als die Schizophrenen. Dagegen ist im Experiment B bei den Gesunden über der linken und rechten Hemisphäre eine größere Positivierung vorhanden.

Für den LPC nach dem imperativen Reiz S2 kommt es im Experiment A und B zu einem tendenziell signifikanten bzw. signifikanten globalen Gruppenunterschied. Die Patienten zeigen über den Elektroden Cz und Pz eine größere Positivierung als die Kontrollgruppe.

Insgesamt zeigen also die Patienten während des LPC vor allem nach dem imperativen Reiz S2 eher eine größere Positivierung als die Gesunden. Die Annahme einer geringeren LPC-Amplitude bei Schizophrenen in Hypothese 2 wird also nicht bestätigt. Dieser Befund steht auf den ersten Blick im Widerspruch zu Studien, die bei Schizophrenen eine reduzierte P300 berichten (z. B. Knott et al., 1999; Shajahan et al. 1997). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die P300 nur ein Bestandteil des LPC darstellt. Eine weitere Komponente wird durch die „Slow Wave“ (SW) gebildet, die weitergehende Prozesse wie z. B. eine Reizzuordnung reflektiert (cf. Rockstroh, 1989). Im Lichte dieser Überlegung könnte der positivere LPC bei den Patienten eine erhöhte Anforderung abbilden, dergestalt, dass die Patienten mit der Zuordnung der S2 zum S1 mehr Schwierigkeiten als die Gesunden haben. Dazu passt, dass die Positivierung vor allem nach dem imperativen Reiz S2 auftritt, auf den die Zuordnung zum S1 und die entsprechenden Reaktion zu erfolgen hat. Weiter ist die LPC-Positivierung im Experiment B bei den Schizophrenen am ausgeprägtesten (globaler Gruppenunterschied). Dies lässt sich durch die ausschließliche Verwendung von schwierigen Durchgängen unter der Distraktionsbedingung erklären, die die höchste Anforderung an das Arbeitsgedächtnis bedingen. Auch Baving (1998) bringt die in ihrer Untersuchung gefundene positive LPC-Amplitude mit einer vermehrten unspezifischen Aktivierung in Verbindung.

Effekt der Distraktion auf den S1- und S2-LPC

Durchgänge unter der Distraktionsbedingung zeigen bei beiden Gruppen höhere

S1-LPC-Amplituden als Durchgänge ohne Distraktor, so dass Hypothese 3 hier eine Bestätigung findet. Es kann hier nicht abschließend entschieden werden, ob dieser Befund ein Korrelat einer höheren Arbeitsgedächtnisbelastung darstellt. Dazu hätte die Reizkonfiguration bei beiden Bedingungen (mit und ohne Distraktion) die gleiche Komplexität aufweisen müssen. Die höhere S1-LPC-Amplitude ist in Anlehnung an das Modell von Johnson (1986) so eher darauf zurückzu-führen, dass unter der Distraktionsbedingung der Warnreiz S1 und der unmittelbar folgenden Distraktor eine höhere Reizkomplexität bedingen. Eine noch einfachere Erklärung wäre, dass sich die jeweils vom S1 und vom Distraktor ausgelösten P300-Wellen überlagern und so unter der Distraktorbedingung zu einer höheren LPC-Amplitude führen.

Die S2-LPC-Amplitude wird durch die unterschiedliche Arbeitsgedächtnisbelastung mittels Distraktion nach dem S1 nicht beeinflusst, so dass der entsprechende Teil der Hypothese 3 nicht bestätigt wird. Ein Effekt der Distraktion nach dem S2 wäre angesichts der weitgehenden Wirkungslosigkeit dieser experimentellen Bedingung, die sich in der nicht vorhandenen Reaktions-zeitverlängerung zeigt, auch nicht zu erwarten gewesen.

Effekt der Aufgabenschwierigkeit auf den S2-LPC

Die unterschiedliche Aufgabenschwierigkeit kann sich erstmalig auf den LPC nach dem S2 auswirken, denn die Schwierigkeit wird erst durch die Zuordnung des S2 zum S1 realisiert Aufgaben mit leichter Zuordnung führen hier bei beiden Gruppen eher zu einer Positivierung über den Vertexelektroden als Aufgaben mit einer schweren Zuordnung, was nicht dem in der Hypothese 4 vorhergesagten Befund entspricht. Diese LPC-Positivierung kann so nicht, wie oben bei den Gruppenunte rschieden ausgeführt, mit einer höheren Anforderung erklärt werden.

Allerdings ist zu bedenken, dass der LPC durch ein Flächenmaß parametrisiert wurde, das ein Zeitfenster von einer Sekunde umfasst. Es wäre denkbar, dass der LPC möglicherweise aus den zwei gegenläufigen Komponenten P300 und Slow Wave (SW) besteht. Die geringere Positivierung bei schwierigeren Aufgaben könnte dann durch eine negative Slow Wave verursacht sein. Für diese Annahme spricht, dass A nforderungen der Aufgabe mit der Slow Wave in Verbindung gebracht werden und dass die Slow Wave gewöhnlich über der Vertexelektrode Fz negative Werte aufweist (Pritchard, 1986).

Effekt der Rückmeldung auf den S1- und S2-LPC

Da die Rückmeldung nach erfolgter Reaktion angekündigt und blockweise realisiert wurde, wäre es denkbar, dass sich wie bei den Verhaltensdaten auch ein Effekt der Rückmeldung beim S1 -LPC zeigt, was aber nicht der Fall ist

Beim S2-LPC führt die Rückmeldung aber eher zu negativeren Werten als beim neutralen Reiz.

Berücksichtigt man die unter der Rückmeldungsbedingung auftretenden kürzeren Reaktionszeiten sowie die geringere Fehlerquote und folgt man weiter der Annahme, dass eine mehr positive LPC-Amplitude mit einer unspezifischen höheren Anforderung assoziiert ist, könnten die eher n egativen LPC-Amplituden eine Art „Reaktionserleichterung“ durch die Rückmeldung reflektieren. Die Alternativbegründung wäre, dass sich im LPC nach dem S2 schon frühe Elemente der PINV

niederschlagen. Dem kann aber entgegengehalten werden, dass die Durchgänge mit Rückmeldung in der ersten PINV-Sekunde kaum negative Werte aufweisen.