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2.2 Theoretischer Rahmen

2.2.1 Die Schizophrenie als eine Störung der Metarepräsentation

Frith (1992) leitet in seiner neuropsychologischen Theorie der Schizophrenie die vielgestaltige schizophrene Psychopathologie aus einer Störung der Metarepräsentation ab. Unter diesem Begriff versteht er die Repräsentation einer Repräsentation („second order representation“), also das B e-wusstwerden einer Repräsentation nach dem Muster: Ich bin mir bewusst, dass ich auf einen Baum schaue. Die Metarepräsentation ist nach Frith (1992) wiederum entscheidend für die Selbst-Be-wusstheit („Self-Awareness“): „This is the cogntive mechanism that enables us to be aware of our goals, our intentions, and the intentions of other people“ (Frith, 1992, S. 133-134).

Mit einem erweiterten Verständnis lässt sich eine Störung der Metarepräsentation auch als eine Stö-rung des Selbstmodells auffassen (cf. Vogeley et al., 1999). Durch den Begriff „Selbstmodell“ wird beschrieben, dass der Mensch sich nicht nur ein Bild von der Welt (Weltmodell), sondern auch ein Bild von sich selbst macht (cf. Metzinger, 1999). Ein wesentliches Merkmal des Selbstmodells is die Erfahrung, dass eine Person ihre Handlungen als durch sich verursacht und ihre Gedanken als selbst gedacht erleb4 (Vogeley et al., 1999). Ist die Repräsentation des Selbst (Selbstmodell) g e-stört, so können schizophrene Symptome daraus resultieren. Werden z. B. innere Wahrnehmungen (inneres Sprechen) als nicht selbst-induziert wahrgenommen, so kann dies zu Halluzinationen füh-ren (cf. Kap. 2.2.1.3).

Als Spezialfälle einer gestörten Metarepräsentation betrachtet Frith (1992) eine Störung der Han d-lungsplanung und Handlungsausführung (Kap. 2.2.1.1), ein gestörtes Monitoring der Intentionen anderer (Kap. 2.2.1.2) und eine Störung des Selbst-Monitoring (Kap. 2.2.1.3). Vor allem Letzteres ist für den theoretischen Rahmen der vorliegenden Untersuchung bedeutsam und wird deshalb ausführlicher als die anderen beiden Punkte dargestellt.

4 Hier findet sich eine Parallele zu dem Begriff der “Meinhaftigkeit” von Kurt Schneider (1967).

2.2.1.1 Störung der Handlungsplanung und Handlungsausführung

Frith (1992) unterscheidet zwischen Handlungen als Antwort auf externe Reize („stimulus driven action“) und selbst-induzierten Handlungen („willed intention“) (Frith, 1992; Frith & Done, 1989).

Letztere sind vor allem bei schizophrenen Patienten mit Negativsymptomatik gestört, was zu Handlungsarmut, perseverativem und inadäquatem Verhalten führt. Die Ursache der defizitären selbstinduzierten Handlungen bei Schizophrenen sieht Frith (1992) in einer unzureichenden Met a-repräsentation handlungsleitender Ziele.

2.2.1.2 Gestörtes Monitoring der Intentionen anderer

Frith (1992) postuliert bei schizophrenen Patienten ein defizitäres Monitoring der Intentionen and e-rer. Dieses Defizit kann paranoide Wahnvorstellungen begründen, wenn die Absichten anderer Menschen als bedrohlich erlebt werden. Zu einem Beziehungswahn kommt es z. B., wenn die I n-tentionen anderer fälschlicherweise auf sich selbst bezogen werden. Auch kann eine inkohärente Sprache resultieren, wenn dem Patienten Informationen darüber fehlen, ob das gerade Gesagte vom Gegenüber auch verstanden wird. Weiter ist es nach Frith (1992) möglich, dass ein schizophrener Patient seine Gedanken über die Absichten anderer als fremd erlebt und sie als Halluzinationen wahrnimmt.

Das angenommene Monitoring-Defizit der Intentionen anderer kann durch das

„Theory-of-Mind-Paradigma“ (TOM) untersucht werden, das vor allem zur Erforschung des Autismus eingesetzt wird. Den Patienten wird eine kurze Geschichte oder ein Comic mit Handlun-gen anderer Menschen präsentiert. Die danach gestellten FraHandlun-gen erfordern, dass die Patienten sich in diese andere Person hineinversetzen können. Corcoran et al. (1995) zeigen, dass vor allem schi-zophrene Patienten mit Negativsymptomatik im Vergleich zur Kontrollgruppe schlechtere Ergeb-nisse bei TOM-Aufgaben aufweisen. Bei einer weiteren Untersuchung (Frith & Corcoran, 1996) mi 55 schizophrenen Patienten unterschiedlicher Symptomatik hatten allerdings nur Patienten mit paranoiden Wahnvorstellungen eine geringere Fähigkeit, die Vorstellungen und Gedanken anderer nachzuvollziehen. Dieser Effekt trat zwar auch bei Patienten mit einem flachen, unangemessenen Affekt und formalen Denkstörungen auf, nur war dieser Befund mit geringeren Gedächtnisleistungen konfu ndiert. Doody et al. (1998) demonstrieren in diesem Zusammenhang, dass das Monitoring-Defizit bei Schizophrenen auch unabhängig von der prämorbiden Intelligenz auftritt und so relativ spezifisch für Merkmale schizophrener Psychopathologie ist.

2.2.1.3 Störung des Selbst-Monitoring

Das Selbst-Monitoring hat nach Frith (1992) die Aufgabe, zwischen selbst- und fremdgenerierter Handlung oder Wahrnehmung zu unterscheiden. Zur Erläuterung des Selbst-Monitoring greift Frit (1992) auf Helmholtz (1866) zurück, der bereits im vorigen Jahrhundert darauf hingewiesen hat, dass das Bild der Welt sich auf der Retina durch die Augenbewegungen zwar bewegt, aber dennoch die Welt als stillstehend wahrgenommen wird. Es ist also eine Unterscheidung zwischen eigen- und fremdgenerierten Bewegungen möglich. Um dieses zu ermöglichen, wird eine „Kopie“ der Inten-tion, die Augen zu bewegen, an ein „Monitoring-System“ gesandt. Derartige „Kopien“ wurden in der Literatur als „corollary discharge“ (Sperry, 1950) oder als „Reafferent Kopie“ (von Holst &

Mittelstaedt, 1950) bezeichnet. Einen Zusammenhang zwischen internalem Monitoring und Schizo-phrenie stellt Feinberg (1978) her, indem er Wahn, Denkstörungen und akustische Halluzination auf gestörte Feedback-Schleifen zurückführt.

Da im Zentrum dieser Studie eine Handlung (Reaktion) im Rahmen eines Zwei-Reiz-Paradigmas steht, ist das Selbst-Monitoring hinsichtlich Handlungsplanung und -ausführung von besondere Interesse. Die Überwachung von Handlungen beinhaltet zwei Aspekte: Erstens wird die Beziehung zwischen eigenen Handlungen und externen Ereignissen überwacht, um zwischen selbst- oder fremdausgelösten Ereignissen unterscheiden zu können. Zweitens werden eigene Intentionen übe r-wacht, um zwischen Handlungen als Antwort auf externe Reize („stimulus driven action“) und selbst-induzierten Handlungen („willed intention“) unterscheiden zu können (Frith, 1992). Die mangelhafte Überwachung dieser Intentionen (Monitoring) und nicht eine fehlende „corollar discharge“, wie Feinberg (1978) vermutete, führt nach Frith (1987) zu Wahn- oder Beeinflussungs-erleben. Handlungen werden so z. B. nicht mehr als eigengeneriert erlebt, sondern unterliegen scheinbar einer fremden Macht.

Eine Studie von Mlakar et al. (1994) stützt die Annahme eines defizitären Monitoring-Systems bei schizophrenen Patienten. Die Autoren variierten bei einer computergestützten Zeichenaufgabe durch einen unterschiedlichen Grad visueller Rückmeldung die Anforderungen an das Monitoring-System in vier Stufen. Schizophrene Patienten mit Erstrang -Symptomatik nach Kurt Schneider (1967) zeigten bei hoher Monitoring-Anforderung im Vergleich zu Gesunden die schlechtest Leistung und wiesen weiter entsprechend den vier Stufen signifikante Leistungsunterschiede auf.

Als weiteren Beleg für die Existenz eines Monitoring-Systems nennen Frith und Done (1988) die von Rabbit (1966a, 1966b) beschriebene schnelle Berichtigung von Fehlern ohne vorhergehende

richtiger Reaktionen, wofür der Autor ein internes Monitoring von Handlungen verantwortlich macht.

In zwei Studien zeigen Malenka et al. (1982, 1986), dass Schizophrene signifikant weniger Fehler korrigieren als Gesunde, hospitalisierte Alkoholiker (Malenka et al., 1982) und Depressive (Malenka et al., 1986). Dieses Ergebnis wird von den Autoren als Beleg für die reduzierte Hand-lungsüberwachung gewertet. Frith und Done (1989) führen bei unmedizierten akut erkrankten Schi-zophrenen den Nachweis, dass nicht die Diagnose, sondern spezifische Symptome die Fähigkeit zur schnellen Fehlerkorrektur beeinflussen. Nur Schizophrene mit Beeinflussungserleben ihrer Gedan-ken und Handlungen zeigten im Unterschied zu Schizophrenen ohne Beeinflussungserleben, zu Patienten mit einer affektiven Psychose und zu gesunden Probanden eine deutlich verringerte An-zahl korrigierter Fehler. Frith und Done (1989) ziehen daraus den Schluss, dass speziell das Beein-flussungserleben auf ein defizitäres internales Handlungs-Monitoring zurückgeht. In einer Studie von Kopp und Rist (1994) zeigten Schizophrene im Vergleich zu Alkoholikern und zu Gesunden keinen signifikanten Unterschied in der Fehlerkorrektur. Dieser Befund widerspricht dem Ergebnis von Frith und Done (1989) nicht, denn neben einem anderen Aufgabentyp sind die Patientenstich-proben beider Untersuchungen nicht vergleichbar. Im Gegensatz zu Frith und Done (1989) unter-suchten Kopp und Rist (1994) medizierte und chronisch schizophrene Patienten. Es ist so denkbar, dass die verringerte Fehlerkorrektur und somit das defizitäre Handlungs-Monitoring eher bei florider und nicht bei durch Neuroleptika maskierter Akutsymptomatik auftritt.

Eine Störung im Selbst-Monitoring kann sich nicht nur auf die Handlungsplanung und -ausführung, sondern auch auf andere kognitive Prozesse erstrecken. Ist z. B. die Überwachung des inneren Sprechens defizitär, so bewerten die Patienten den inneren Monolog nicht als selbst verursacht, sondern nehmen ihn als fremd wahr und erfüllen so das Kriterium einer akustischen Halluzination (Frith, 1992, 1996).

In einer neueren Arbeit greift Frith (1996) auf eine Arbeit von Wolpert et al. (1995) zurück und präzisiert das Selbst-Monitoring als „forward modelling“. Unter diesem Begriff versteht Frith (1996) die Fähigkeit, den Ausgang einer Handlung bereits durch die Kenntnis der entsprechenden

„Befehle“ vorherzusagen. Durch einen Vergleich von motorischem Kommando und Handlungsr e-sultat ist es so möglich, Fehler schnell ohne Rückmeldung zu erkennen. Weiter dient das „forward modelling“ dazu, zwischen internalen (z. B. innere Sprache) und externalen Einflüssen (z. B.

jemand sagt was) zu unterscheiden. Es wird geprüft, ob eine erwartete Wahrnehmung aufgrund einer entsprechenden Intention mit der tatsächlichen Wahrnehmung übereinstimmt. Ist diese

Fähigkeit gestört, so können daraus akustische Halluzinationen resultieren. In diesem Fall wird eine innere akustische Wahrnehmung als von außen kommend erlebt, da die Zuordnung zum inneren Sprechen misslingt. Frith (1996) führt auch Symptome wie Beeinflussungserleben und Gedanken-entzug auf ein fehlerhaftes „forward modelling“ zurück.

Die neuronale Grundlage dieser fehlerhaften Monitoring-Prozesse bei schizophrenen Patienten ve r-mutet Frith (1996) in einer funktionalen Diskonnektivität zwischen dem präfrontalen Cortex und dem sensorischen Assoziationscortex: „This might be manifest as a functional disconnection between the appropriate areas, i.e. lack of a (negative) correlation between activity in the two areas over time“ (Frith, 1996, S. 1509). Auch Liddle (1995) argumentiert, dass der fundamentale Defekt bei schizophrenen Patienten in einer Störung der neuronalen Netzwerk-Verbindungen liegt, die für die Überwachungsprozesse („supervisory mental functions“) zuständig sind.

Die im nächsten Kapite 2.2.2 referierte Theorie der Diskonnektivität von Hirnarealen könnte so zu einem näheren Aufschluss über die neuronalen Grundlagen der nach Frith (1992, 1996) bei schiz o-phrenen Patienten gestörten Metarepräsentation und deren Spezialfall Selbst-Monitoring beitragen.