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Salafisten und Dschihadisten – der islamische Faschismus in Europa

Im Dokument Der islamische Faschismus (Seite 169-173)

Lamya Kaddor ist eine deutsche Islamlehrerin syrischer Abstammung. Sie verfolgt den Krieg in ihrer Heimat mit großer Anteilnahme. Sie sieht, wie das Land ihrer Eltern zum Schlachtfeld eines brutalen Krieges wird, bei dem man kaum noch durchblickt, wer für oder gegen wen kämpft und warum. Kann man tatsächlich noch von einem Bürgerkrieg sprechen? Oder ist der Konflikt nicht längst zu einem Stellvertreter-Krieg geworden?

Tatsächlich fallen die Entscheidungen nicht mehr in Aleppo, Hama und Damaskus, sondern eher in Teheran, Riad und Moskau. Und die Kämpfer kommen aus dem Libanon, dem Irak, aus Kuwait, Algerien, Marokko, eigentlich aus der ganzen Welt, auch aus Deutschland. Der

Verfassungsschutz schätzt, dass seit Beginn der Kämpfe rund 240 deutsche Islamisten nach Syrien gereist sind (Stand Dezember 2013), um sich dem Dschihad anzuschließen. Aus ganz Europa, so vermutet man, seien rund 2000 Kämpfer in Syrien aktiv.

Wie vor ein paar Jahren der Irak ist Syrien heute der Magnet schlechthin für Abenteuer-Dschihadisten. Syrien hat den Nahostkonflikt als

Rekrutierungs- und Betätigungsfeld für Islamisten aus aller Welt abgelöst.

Mit Erschrecken hat Lamya Kaddor festgestellt, dass auch fünf ihrer ehemaligen Schüler unter den Syrien-Dschihadisten sind. Fünf junge Männer, die früher mit dem Islam kaum etwas am Hut gehabt hätten. »Sie hatten alle Freundinnen, konsumierten Alkohol und Drogen«, erzählt Lamya. »Keiner von ihnen hatte jemals irgendetwas mit Syrien zu tun, sie

sind nicht einmal Araber. Vier von ihnen sind türkischstämmig, der fünfte ist Kosovo-Albaner.« Wie konnte es geschehen, dass fünf Jugendliche aus Nordrhein-Westfalen zu Dschihad-Kämpfern in Syrien wurden? Was und wer hat sie dorthin gebracht?

»Ich glaube, sie wissen überhaupt nicht, worum es bei dem Konflikt dort geht. Das ist vielleicht auch egal. Entscheidend ist, dass sie dort eine

Aufgabe haben«, meint Lamya. Sie erzählt, dass alle fünf einen

Hauptschulabschluss gemacht hätten, aber keiner von ihnen danach einen Job gefunden habe. »Ein 17-jähriger testosterongeladener junger Mann, der alle Klischees erfüllt: Muslim, Ausländer, wohnt in einem bestimmten Stadtviertel, fühlt sich wegen seiner Herkunft und wegen der sozialen Realitäten diskriminiert, ist völlig orientierungs- und haltlos und reagiert dann mit Gewalt.«

Alle fünf waren vorbestraft, zum Teil mehrfach: wegen schwerer

Körperverletzung, Diebstahl und Drogenbesitz. Irgendwann, so Kaddor, sei dann ein netter Salafist dahergekommen, der vielleicht eine ähnliche

Vorgeschichte hat wie sie, der ihre Ohnmacht und Hilflosigkeit kennt und ihnen eine »vernünftige Beschäftigung für den Nachmittag« anbietet.

Während unsere Gesellschaft solchen jungen Männern das Gefühl vermittelt, sie seien nutzlos und sogar eine Last, sagt er ihnen, dass sie wertvoll seien, dass der Islam sie brauche und dass sie die Welt verändern könnten. Das steigert ihr Selbstwertgefühl und gibt ihrem Leben einen Sinn.

Salafisten und andere Fundamentalisten stoßen in Deutschland und anderen Ländern Europas hier in eine Lücke. Oft genug sind sie die Ersten, die an das Potenzial dieser Jugendlichen glauben und ihnen eine

Handlungsperspektive bieten. In unserer sich rasant wandelnden Welt kann der Staat sich nicht um jeden kümmern. Da werden viele zurückgelassen, fallen durch das Netz und bleiben ratlos ohne wirtschaftliche Perspektive

und ohne emotionale und moralische Orientierung zurück. Salafisten und Islamisten geben diesen jungen Menschen zunächst eine Struktur. Fünfmal täglich mit der Gruppe beten, gemeinsam Texte berühmter Salafisten aus Ägypten und Saudi-Arabien studieren oder Videos von Pop-Salafisten aus Deutschland wie Pierre Vogel ansehen. Eine Mischung, die ankommt: Der elitäre Koranunterricht trifft auf moderne Medien und nutzt auch die zum Teil vulgäre Jugendsprache. Dazu später mehr.

Junge Leute wie die fünf Schüler von Lamya bewundern den Salafisten.

Er ist einer von ihnen, und er ist angesehen in seiner Gemeinde. Er hat geschafft, was sie auch schaffen wollen: Er hat sich durch seine Religiosität in doppelter Sicht rehabilitiert. Denn durch seine Hinwendung zum

Glauben hat er sich von seinen früheren Sünden reingewaschen und sich gleichzeitig sozial etabliert. Er ist nicht mehr kriminell, hat eine Aufgabe, er hat es geschafft. »Und genau diese schnelle religiöse und soziale Dusche wollen diese Jungs auch«, meint Lamya Kaddor.

Eine der wichtigsten Stimmen des Salafismus weltweit ist der Ägypter Scheich Abu-Ishaq Al-Huwayni, der als Mentor von Pierre Vogel gilt. Er war mehrfach in Deutschland, um aufstrebende salafistische Prediger auszubilden. Den deutschen Behörden gilt Al-Huwayni als moderat. Die Gruppe um Pierre Vogel wird zwar als radikal eingestuft, doch man unterscheidet hier klar zwischen Salafisten und Dschihadisten. Salafisten gelten angeblich als nicht gewaltbereit, denn sie oder zumindest Pierre Vogel und seine Gemeinde betonen immer wieder, sie seien gegen Terrorismus. Die Frage ist nur: Wo fängt Gewalt eigentlich an?

Lamya Kaddor ist eine der Gallionsfiguren des liberalen Islam in Deutschland. Sie gründete den Liberal-Islamischen Bund, um ein klares Zeichen gegen radikale Strömungen des Islam zu setzen. Es muss eine

bittere Niederlage für sie gewesen sein, als sie erfuhr, dass sie fünf ihrer früheren Schüler an die Salafisten verloren hat. Lamya lehnt die

Unterteilung der Menschen in Gläubige und Ungläubige ab. Sie steht an der Seite von Reformtheologen wie Mouhanad Khorchide, Professor für

islamische Theologie an der Universität Münster, der einen permanenten Kampf gegen Islamverbände führt, um eine zeitgemäße islamische

Theologie zu etablieren. Khorchide will keinen strafenden, sondern einen barmherzigen Gott im Islamunterricht sehen. Es mag wie Wunschdenken klingen, aber Mouhanad Khorchide ist ein aufrichtiger junger Mann, der an wirklichen Reformen interessiert ist. Islamverbände haben gefordert, ihm die Lehrerlaubnis für islamische Theologie in Deutschland zu entziehen.

Denn Khorchide bildet Lehrer aus, die den Islamunterricht in den

kommenden Jahren in Deutschland prägen werden. Er leitet auch junge Geistliche an, die künftig in den Moscheegemeinden in Deutschland predigen werden. Khorchide sucht die Annäherung an andere Religionen.

Er ist überzeugt davon, dass auch Juden und Christen und Angehörige anderer Religionen die Barmherzigkeit Gottes erfahren können, wenn sie in ihrem Leben Gutes tun. Er findet dafür sogar Anhaltspunkte im Koran. Je nachdem, wie man die Texte interpretiere, könne man darin Wegweiser für ein gutes Zusammenleben finden.

Lamya Kaddor unterstützt Khorchides Haltung. Pierre Vogel reagierte prompt und verkündete in einer Twitterbotschaft: »Wer behauptet, Juden und Christen sind nicht kuffar (Ungläubige), ist selber kafir (ungläubig)!«

Im Dokument Der islamische Faschismus (Seite 169-173)