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Die Todsünde der Osmanen

Im Dokument Der islamische Faschismus (Seite 96-100)

Wenn Muslime mit der Geschichte des eigenen Zerfalls konfrontiert

werden, behaupten sie oft, die christlichen Eroberer seien daran schuld. In den Geschichtsbüchern findet man kaum ein Wort über den Überfall der Mongolen und die totale Zerstörung Bagdads. Dabei haben vor allem sie die Wissenskultur der Araber massiv und nachhaltig zerstört. Die

zentralasiatischen Eroberer entfernten im Jahr 1258 alle Bücher aus den Bibliotheken von Bagdad und warfen sie in den Eufrat. Denker und Wissenschaftler wurden hingerichtet, Handwerker nach Zentralasien verschleppt. Doch in der Schule lernen die jungen Araber mehr über die bösen Kreuzritter und den Kampf um Jerusalem. Das liegt daran, dass die Mongolen später zum Islam übertraten und man ihre Eroberungskriege nun sozusagen rückwirkend mit einem neuen Etikett versehen konnte. Im

Namen des Dschihad und der Ausbreitung des Islam. Auch dass die Mongolen heute keinem Weltreich vorstehen, mag hier von Vorteil sein.

Dagegen gelten die heutigen Europäer als Nachfahren der Kreuzritter, als Glieder einer langen Kette von Feindseligkeiten des Westens gegenüber den Muslimen. Nach den Kreuzzüglern seien die europäischen

Kolonialherren gekommen, sie beuteten die islamische Welt aus und beschleunigten den Niedergang. Doch zwischen dem letzten Kreuzzug im 13. Jahrhundert und Napoleons Ägypten-Feldzug 1798 liegen genau 507 Jahre, in denen der Westen die islamische Welt kaum an einer

Entfaltung gehindert hat. Was hat die islamische Welt in dieser Zeit getan?

Was führte in dieser langen Phase zu dieser eklatanten Stagnation des Wissens?

Werfen wir noch einmal einen Blick zurück: Nach dem Fall Badgads und der Schwächung der zerstrittenen Reiche in Andalusien wurden die Türken zur neuen Großmacht. Sie traten zum Islam über und gründeten das Osmanische Reich, das sehr erfolgreiche Eroberungskriege führte und die Kontrolle über Konstantinopel, das Herz von Byzanz, erlangte. Zweimal standen die Osmanen vor den Toren Wiens: 1529 und 1683. Sie

behaupteten, ihre Eroberungen dienten einzig der Absicht, den Islam zu verbreiten. Das mag vielleicht die türkischen Expansionsbestrebungen Richtung Europa erklären. Nun war der Nahe Osten allerdings seit langem islamisiert, und dennoch fielen die Osmanen ein, töteten muslimische Glaubensbrüder und eroberten 1516 Syrien und im Jahr darauf Ägypten, bevor sie die gesamte Region kontrollierten. Die vierhundert Jahre

währende osmanische Herrschaft über den arabischen Halbmond vom heutigen Marokko bis zur Küste des Persischen Golfs schottete diesen Teil der Welt weiter von der benachbarten europäischen Kultur ab. Die

siegreichen Türken verbreiteten sogar noch engstirnigere und

konservativere Ideologien und verankerten ein menschenverachtendes Frauenbild. Die Geschlechterapartheid, die ohnehin in der arabischen Stammestradition beheimatet war, wurde durch das türkische Harem-Denken weiter verschärft.

Zwar war das Osmanische Reich in seiner Blütezeit Europa militärisch überlegen, doch der Koloss stand auf tönernen Füßen, auch weil er sich jedem Außenimpuls verschloss. Im 15. Jahrhundert schenkte der Deutsche Johannes Gutenberg der Menschheit eine Erfindung, die die Welt für immer verändern sollte: den Buchdruck. Diese Erfindung brach das

Wissensmonopol der Kirche und der Fürsten, Wissen wurde allgemein zugänglich, es wurde privatisiert. Martin Luthers Bibelübersetzung und seine 95 Thesen hätten ohne die Möglichkeit der Vervielfältigung nicht

diese Bedeutung erlangt. Der Buchdruck trug dazu bei, dass das Volk alphabetisiert wurde und dass später die Gedanken von David Hume, Immanuel Kant, René Descartes und weiterer europäischer Aufklärer fast überall in Europa zugänglich wurden. Die Menschen hatten Zugang zu Wissen, das nun nicht mehr nur in Latein, sondern in ihrer eigenen Sprache vermittelt wurde. Ohne diese Entwicklung ist weder die Wissens- noch die spätere industrielle Revolution im Westen vorstellbar.

Im Osmanischen Reich mehrten sich die Stimmen, die forderten, die Gutenberg-Maschine nach Istanbul zu importieren, um auf der Höhe der Zeit zu bleiben. Doch die religiösen Gelehrten, die im Reich sehr mächtig waren, lehnten diese Erfindung vehement ab. Mit der Begründung, der Buchdruck könne zu einer Verfälschung des Koran beitragen. Mit der Vervielfältigung hätten die Gelehrten die Kontrolle über Inhalte verloren.

Und so blieb die islamische Welt über drei Jahrhunderte lang von dieser Erfindung und ihrer Wirkung buchstäblich verschont. Die erste

Buchdruckmaschine kam zwar 1729 nach Istanbul, doch sie wurde nur für Angelegenheiten am Hof des Sultans und der Verwaltung genutzt. Mit Napoleon kam dann 1798 die erste Druckmaschine nach Kairo, doch auch dort rebellierten die Al-Azhar-Gelehrten gegen diese teuflische Erfindung.

Als die Franzosen die Druckplatten im Hafen von Abu Qir in Alexandria ausluden, wurden sie von religiösen Eiferern angegriffen, die die Platten zerschmetterten.

Nirgendwo wird die Lücke, die zwischen Europa und der islamischen Welt klafft, offensichtlicher als in ihrem Umgang mit der Druckmaschine.

Die einen nutzten die neue Erfindung, um die religiöse Bevormundung und das Wissensmonopol der Kleriker zu durchbrechen und eine Kultur des kritischen Denkens zu etablieren, während sich die anderen aus Angst um ihre religiöse Identität und ihre heiligen Texte gegen das »Teufelszeug«

stellten. In dieser Atmosphäre der Abschottung gedieh die Diktatur des Islam.

Europa schaffte den Schritt vom Glauben zum Wissen, von der

Metaphysik zur Epistemologie. Während im Verlauf des 18. Jahrhunderts die Philosophie der Aufklärung und technische Innovationen in Europa eine industrielle und eine intellektuelle Revolution anstießen, die das

»Abendland« innerhalb weniger Jahrzehnte grundlegend veränderten, herrschten im Nahen Osten Lethargie und Aberglaube.

Im Dokument Der islamische Faschismus (Seite 96-100)