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Heil Osama! – Gescheiterte Staaten, erfolgreiche Terroristen

Im Dokument Der islamische Faschismus (Seite 111-117)

Eine Minderheit von Muslimen weltweit bejubelte offen die Anschläge des 11. September 2001 als einen großen Sieg des Islam gegen die arrogante Weltmacht USA. Eine bedeutende Minderheit verurteilte die Attentate und erklärte jede Form von Schadenfreude für geschmacklos. Doch der Großteil der Muslime wusste nicht recht, ob er sich von den grausamen Attentaten distanzieren oder darauf stolz sein sollte. Diese Unentschiedenen galt es entsprechend zu beeinflussen. Es dauerte nicht lange, bis

Verschwörungstheorien die Runde machten. Muslime seien keineswegs kriminelle Terroristen, die Anschläge seien vom Mossad und der CIA gelenkt gewesen. Im ägyptischen Fernsehen verbreitete ein

Religionsgelehrter, kein Jude sei am 11. September umgekommen. Keiner der 4000 Juden sei an jenem Tag an seinem Arbeitsplatz im World Trade Center erschienen. Eine glatte Lüge, die belegen sollte, dass Israel hinter dem Anschlag steckte. Eine Lüge, die leicht hätte als solche entlarvt werden können, die aber trotzdem verfing. Es ist vollkommen absurd, dass der Mossad 4000 Menschen anruft und sie auffordert, bitte schön nicht zur Arbeit zu gehen, weil am nächsten Tag etwas passieren würde. Ebenso absurd ist es, dass alle 4000 dem Folge leisten und keiner von ihnen später Gewissensbisse bekäme oder der Versuchung erliege, die Geschichte

brühwarm der New York Times zu verraten. Und, noch etwas Absurdes: Die gleichen Verschwörungstheoretiker, die eben noch den Mossad

verantwortlich gemacht haben, sehen die Anschläge als gerechte Strafe

Allahs, der Amerika wegen seiner aggressiven Machtpolitik in die

Schranken gewiesen habe. Man kann sich offenbar nicht entscheiden, ob nun Gott oder die Juden hinter den Anschlägen stecken!

Im Jahr 2002 verfasste der amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama einen Essay mit dem Titel »Heil Osama!«, in dem er sich darüber wunderte, dass so viele Muslime Osama Bin Laden zujubelten, ohne dass dieser ein einziges Problem der islamischen Welt gelöst habe. In der Tat hat der Sohn eines saudischen Bauunternehmers keine neuen

Gebäude in der islamischen Welt errichtet, sondern zwei Gebäude in Amerika zum Einsturz gebracht. Er hat weder Armut, wirtschaftliche Stagnation, Arbeitslosigkeit oder Analphabetentum bekämpft, sich noch nicht einmal zu diesen Problemen geäußert. Warum ist er dennoch ein Held? Eben weil viele Gesellschaften der arabischen Welt gescheitert sind und die Probleme dort unlösbar erscheinen. Und wie immer ist es einfacher, den Grund für dieses Scheitern nicht bei sich selbst zu suchen, sondern einem ominösen Feind zuzuschieben.

Fukuyama warnt in seinem Essay davor, dass die Muslime, die Bin Laden gestern noch zujubelten, morgen den gleichen Preis bezahlen werden wie damals die glühenden Hitler-Verehrer, die den »Führer« so lange

kritiklos anfeuerten, bis er das eigene Land und die halbe Welt in Schutt und Asche gelegt hatte.

Wenn die Verbitterung groß ist und die Hilflosigkeit noch größer, dann schlägt die Stunde von Demagogen wie Hitler und Bin Laden. Sie müssen nur die Emotionen der Menschen weiter aufwühlen, ihre Ängste und ihren Hass befeuern und ihnen einen Schuldigen für die Misere präsentieren.

Vorgefertigte Verschwörungstheorien, gepaart mit größenwahnsinnigen Ideen, wie »der Feind« zu besiegen sei, schon geraten die Massen außer

Rand und Band. Es ist viel einfacher, sich auf einen angeblichen Feind von außen oder eine bestimmte Gruppe innerhalb einer Gesellschaft zu

konzentrieren, als über die vielschichtigen selbstverschuldeten Probleme im eigenen Land nachzudenken. Es ist viel einfacher, sich über zwei

eingestürzte Türme in der Ferne zu freuen, als sich darüber aufzuregen, dass im eigenen Land Millionen von Straßenkindern kein Dach über dem Kopf haben. Die Probleme in vielen arabischen Ländern sind so gravierend, dass man gar nicht mehr weiß, wo beginnen. Und der Feind ist im Unterricht in der Schule, in Predigten in den Moscheen und in den Medien so

allgegenwärtig, dass man an ihm nicht vorbeikommt.

Osama Bin Laden und seine al-Qaida speisen ihren Mythos aus drei Quellen: der historisch dauergekränkten Seele der islamischen Welt, dem unbegründeten universellen Machtanspruch des Islam und den ewig

sprudelnden Petro-Dollars, die Ausdruck von Wohlstand ohne Produktion sind. Mohamed Atta und die 18 übrigen Attentäter sind Kinder einer Generation, die im eigenen Land konservativ erzogen wurde, dort und im Westen den Verführungen der Moderne erlegen ist, die verbotenen Früchte gekostet und danach ein schlechtes Gewissen bekommen hat. Ihr Hass auf Amerika war so groß, dass sie bereit waren, sich selbst und Tausende Unschuldiger in die Luft zu jagen, um Amerika weh zu tun.

Eine Tat, die bezeichnend ist für die Selbstzerstörungskraft des

Islamismus. Wie viel Zeit, Geld, Planung und Phantasie muss es bedurft haben, um diesen Anschlag durchzuführen? Und was hat er der islamischen Welt genutzt? Oder anders herum: Wie sehr hat er ihr geschadet?

Diese neunzehn jungen Männer haben im Westen studiert; statt dies als Bereicherung zu verstehen, als Chance, ihr eigenes Wissen und somit ihre Lebenswirklichkeit zu erweitern, haben sie sich radikalisiert. Sie haben nicht verstanden, was Freiheit bedeutet, und Halt gesucht bei der Religion

als Schutzschild gegen jede Veränderung, gegen die Moderne. Wie ein ehemaliger Raucher intoleranter gegenüber Rauchern ist als einer, der nie geraucht hat, scheinen Konvertiten und Rekonvertiten intoleranter zu sein gegenüber den Sünden, die sie früher begangen haben. Sie wollen die Spuren dieser Sünden beseitigen, indem sie die Orte, an denen sie diese Sünden begangen haben, vernichten. Sie suchen nicht nach dem Fehler in der eigenen Kultur oder gar bei sich selbst, sondern verfluchen die Kultur, die sie vermeintlich verführt hat.

Die Attentäter des 11. September stehen stellvertretend für eine ganze Generation, die an der Schizophrenie zwischen westlichem Lebensstil einerseits und hermetischer Abschottung andererseits zerbrochen ist. Eine Generation, die inzwischen die Mehrheit der Lehrer, Imame,

Meinungsmacher und Professoren in der islamischen Welt stellt. Die allerwenigsten von ihnen werden Terroristen. Sie arbeiten und lachen, schauen westliche Filme an und feuern die Spieler von Barcelona oder Arsenal an, tragen Jeans und hören Musik. Und dennoch tragen sie einen mutierenden Virus in sich, der jederzeit ausbrechen kann. Dieser Virus heißt Dschihad. Es gibt kein einziges muslimisches Land, in dem der militante Islamismus sich nicht etabliert hätte. In jedem muslimischen Land gab es bereits Anschläge oder zumindest Terroristen, die anderswo Anschläge verübt haben. Das gilt auch für die muslimischen Minderheiten in Europa, Asien und Afrika. Ob aus den reichen Golfstaaten oder dem armen

Nordafrika, aus Indonesien oder Nigeria, ob in Thailand, Somalia,

Deutschland, Spanien oder England – der aggressive Virus des Dschihad ist aktiv.

Überall in der Welt trifft man auf die gleiche Geisteshaltung und das gleiche Gewaltpotenzial unter radikalen Muslimen. Deshalb kann man das Phänomen Islamismus nicht vom Islam trennen, denn der Dschihad-Virus

schöpft seine Sprengkraft aus der Lehre und Geschichte des Islam. Das Konzept des Dschihad haben nicht moderne Islamisten erfunden, es stammt vom Propheten Mohamed. Der Universalitätsanspruch des Islam und die Hetze gegen Ungläubige sind nicht nur in den Schriften von Sayyid Qutb und Maududi zu finden, sondern auch im Koran. Den Islam kann man nicht verstehen, ohne seinen politischen Kern zu begreifen. Anders als die

Christen, die drei Jahrhunderte lang als Minderheit leben mussten, war der Islam schon wenige Jahre nach seiner Gründung politisch erfolgreich und gründete bereits zu Lebzeiten des Propheten einen Staat. Mohamed führte Kriege zum Ausbau und zur Festigung seiner Macht und versprach den Muslimen die Weltherrschaft. Diese Kriege und das Streben nach der Islamisierung der Welt werden von vielen Muslimen heute als ein Auftrag Gottes verstanden, der auch 1400 Jahre nach dem Tod des Propheten erfüllt werden muss.

Es kommt immer wieder vor, dass der Dschihad-Virus von einigen

Muslimen relativiert wird. Man redet vom »kleinen Dschihad« und meint damit den bewaffneten Kampf gegen die Feinde des Islam; oder vom

»großen Dschihad«, dem »Sichabmühen auf dem Weg zu Gott«. Man sollte sich hiervon nicht täuschen lassen.

Nach dem 11. September 2001 schrieb Scheich Yussuf Al-Qaradawi einen 1400-Seiten-Wälzer mit dem Titel »Dschihad verstehen«. Darin

erklärt er, wann der Dschihad eine Notwendigkeit ist, wer ihn ausrufen kann und unter welchen Umständen. Viele arabische Intellektuelle

veröffentlichten nach den Anschlägen apologetische Texte, in denen sie den Islam als Religion des Friedens bezeichneten, die jede Form von Gewalt ablehne. Kaum einer wagte öffentlich zu sagen: Dieser Virus ist sehr alt.

Genauso alt wie der Islam selbst. Der Dschihad, wie ihn der Prophet

verstanden und praktiziert hat, ist das eigentliche Problem. Die koranische Aufteilung der Welt in Gläubige und Ungläubige ist das Problem. Die

Unantastbarkeit des Propheten und des Koran ist das Problem. Die Bildung, die sich vom Propheten und vom Koran nicht lösen kann, ist das Problem.

Der Dschihad als Selbstzweck ist das Problem. Denn der Kampf wird erst am Ende aller Tage aufhören.

Kapitel 7

Im Dokument Der islamische Faschismus (Seite 111-117)