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5.3 Planerische Grundlagen für die Berücksichtigung von

5.3.2 Russische Föderation

wie und nach welchen Regeln menschliche Ressourcennutzung erfolgt und zum menschlichen Wohlergehen und zur Lebensqualität beitragen,

welche materiellen und immateriellen Kosten damit einhergehen und

welche komplexen sozialen Beziehungen und Wertesysteme den menschlichen Umgang mit Meeres- und Küstenräumen bestimmen.

Für eine erfolgreiche Umsetzung des Ökosystemansatzes ist eine breitere und aussagekräf-tige Datenbasis notwendig. Das entsprechende Datenvolumen kann jedoch nicht allein im Rahmen der vorhabenbezogenen Planung entstehen, sondern muss parallel in Abstimmung mit den Bedarfen der Raumordnung aufgebaut werden. Außerdem ist es notwendig, dass Daten grenz- und behördenüberschreitend zur Verfügung stehen. Insbesondere Daten, die vorhabenbezogen erhoben worden sind (bspw. zur Vorbereitung einer UVP), stehen oftmals nicht als Rohdaten für weitergehende Analysen zur Verfügung. Derartige Daten, die im Zu-sammenhang mit gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen gewonnen oder für diese er-stellt worden sind, sollten frei zugänglich sein.158

Um die Vorgaben der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie und den damit geforderten Ökosys-temansatz umsetzen zu können, müssen planerische Maßnahmen erfolgen, die die Gesamt-belastung des Meeres reduzieren und einen guten Umweltzustand sicherstellen. Dazu fehlen bisher konkrete Ziele zur Berücksichtigung des Umweltschutzes in der AWZ-Raumordnung als verbindliche Vorgabe. Damit die Fähigkeit der Meeresökosysteme, auf von Menschen ver-ursachte Veränderungen zu reagieren, nicht beeinträchtigt wird und eine nachhaltige Nutzung des Meeres heute und für künftige Generationen möglich ist, sind Vorkehrungen zu treffen.

Bei der Aufstellung von Zielen und Grundsätzen der Raumordnung für die deutsche AWZ sollen insbesondere die Funktionen des Meeresraums und die planerischen Ansprüche zu diesem Zweck berücksichtigt werden. Hervorgehoben werden in diesem Zusammenhang unter Berücksichtigung des Vorsorgeprinzips die Offenheit und Barrierefreiheit des Meeres, die Erhaltung der biologischen Vielfalt und Errichtung eines Systems von Meeresschutzge-bieten. Beim Grundsatz zur Sicherung und Entwicklung des Naturraums AWZ spielt die Frei-raumentwicklung und sparsame Flächeninanspruchnahme eine zentrale Rolle. Vor allem im Sichtbereich der Küste sollten erhebliche Beeinträchtigungen des Erlebnis- und Erholungs-werts der Meereslandschaft verhindert werden. Als Maßnahmen zur Sicherung und Entwick-lung des Naturraums AWZ werden auf Grundlage der FFH- und Vogelschutz-Richtlinie Vor-ranggebiete für die Meeresnatur vorgeschlagen.159

und Festland (vor allem die Küstenzone) als Ganzes zu betrachten sind, da sie zusammen ein Ökosystem bilden. Dadurch werden die Wechselbeziehungen „Küste-Meer“ bei der Pla-nung ganz besonders berücksichtigt. Die Methodologie des Ökosystemansatzes ist Bestand-teil der Territorialplanung und kann auch in der Meeresraumplanung zum Einsatz kommen.

Die langjährige Erfahrung im Bereich des Naturschutzes hat bewiesen, dass die höchste Wirk-samkeit in Fragen des Umweltschutzes und der Erhaltung der Biodiversität raumbezogene Maßnahmen haben, vor allem die Ausweisung von „besonders geschützten Naturgebieten“

(oder auch Besondere Schutzgebiete).

Besondere Schutzgebiete (BSG) sind Schlüsselwerkzeuge zum Aufrechterhalten von großen Ökosystemen und zur Unterstützung der Nachhaltigkeit von Naturverhältnissen im Rahmen der Regionen. Unter den Bedingungen der Anthropogenisierung und des Wachstums der In-dustrie, Bevölkerung, Fragmentierung der Landschaften durch den Bau von Objekten der Inf-rastruktur (Bahnen, Starkstromleitungen, Rohrleitungen usw.) für Wohnhauskomplexe, Erwei-terung der landwirtschaftlichen Nutzflächen und Erschließung neuer Lagerstätten werden ge-schützte Naturgebiete zur letzten Zuflucht für viele Tier- und Pflanzenarten, denen andernfalls das Aussterben droht. In den besonderen Schutzgebieten werden die Naturkomplexe in gan-zer Komplexität und Vielfalt des Ökosystems aufrechterhalten.

Die BSG dienen zur Aufrechterhaltung und Wiederherstellung von seltenen und typischen Ökosystemen. Wälder, Sümpfe, Gewässer, Wiesen usw. mit typischer Vielfalt von Lebensar-ten dienen der Unterstützung und Wiederherstellung von Ökosystemen. Die Aufrechterhal-tung von Massenanhäufungsorten von Tiere umfassen den Erhalt von Fischlaichgründen, Migrationssiedlungen und Nestkolonien von Vögeln, Orte des Haarwechsels von Wölfen und Robben, Überwinterungsort von Fledermäusen sowie Aufrechterhaltung von seltenen und be-drohten Arten von Flora und Fauna, die in der Roten Liste der Russischen Föderation und der Subjekte der Russischen Föderation erfasst sind.

BSG sind ein integraler Bestandteil des Ökosystems der Region. Sie unterstützen die natür-liche biologische und landschaftnatür-liche Vielfalt und bieten die Möglichkeiten, eine Reihe von Aufgaben zu lösen, die mit der Wechselwirkung der Natur und der Gesellschaft verbunden sind. Zur erfolgreichen Erfüllung dieser Funktionen müssen die BSG einen bestimmten Flä-chenanteil ihrer entsprechenden Naturzonen besetzen.

Wegen der geographischen Lage von Sankt Petersburg, dem Gebiet Leningrad mit dem Fest-land, dem Finnischem Meerbusen und der Newabucht kann dieser Bereich von Land- und Wasserflächen als einheitliche Naturregion mit einem einheitlichen BSG-Netz betrachtet wer-den.

Zum Schutz der Meeresumwelt der Ostsee-Region bildet es nach den Empfehlungen von HELCOM den russischen Teil des Netzes von besonderen Schutzgebieten in der Ostsee. Die

Aufgaben von HELCOM schließen im Übrigen Empfehlungen zum Schutz der Ostsee-Um-welt, wissenschaftliche Untersuchungen, Erstellung von Kriterien zur Verschmutzungsbe-kämpfung, Entwicklung von Programmen zum Wiederherstellen biologischer Ressourcen so-wie Gewährleistung sicherer Navigation in der Region ein. Im Finnischen Meerbusen ist das Problem der Erhaltung von Meerökosystemen und Biotopen mit ihren wichtigen Lebensbe-dingungen für Pflanzen und Tiere in der Ostsee sehr akut.

Zurzeit bildet das System der Naturschutzzonen innerhalb des Meeresgebietes der Pilotre-gion das BSG, deren Flächen und Nutzungseinschränkungen durch die Verordnungen der Regierung des Gebiets Leningrad und Sankt Petersburg festgelegt sind. Die Gesamtfläche der geschützten Wasserflächen und Inseln beträgt 112.300 ha, davon 101.300 ha reine Was-serflächen.

Für die Bewertung von vorhabenbezogenen Umweltauswirkungen sind in der Russischen Fö-deration das Föderale Gesetz Nr. 7 „Über den Umweltschutz“ (insbesondere Art. 32 und 33), das Gesetz Nr. 174 „Über die ökologische Expertise“ sowie die Verordnung Nr. 372 „Über die Bewertung von Umweltauswirkungen eines geplanten Vorhabens“ maßgebend.160 Zu den prüfpflichtigen Vorhaben, die einer staatlichen ökologischen Expertise unterliegen, gehören u. a. die Errichtung und Sanierung der Objekte in der AWZ, auf dem Kontinentalschelf und im Küstenmeer der Russischen Föderatioon sowie auf den Flächen der Schutzgebiete.

Die Bewertung von Umweltauswirkungen und die daran anschließende ökologische Expertise ermöglichen es nicht, im vollen Umfang den Ökosystemansatz in der Meeresraumplanung zu realisieren. Die genannten Instrumente zur Umweltprüfung sehen lediglich eine lokale (ob-jektbezogene) Untersuchung des unmittelbar vom geplanten Objekt betroffenen Territoriums bzw. Meeresgebietes vor, und können deswegen nicht im vollen Umfang die Umweltsituation und potenzielle Umweltfolgen des geplanten Vorhaben auf dem gesamten Territorium bzw.

Meer erfassen.

Dieses Problem ließe sich mittels Einführung einer SUP lösen, da die Umweltauswirkungen auf großerem Gebiet und in einer frühen Planungsphase berücksichtigt werden könnte.

160 Wende et al. (2014), 3. Handreichung zum Umgang mit der Strategischen Umweltprüfung in der Terri-torialplanung der Russischen Föderation, S. 8.

Abbildung 7: Besondere Schutzgebiete der Russischen Föderation im Finnischen Meerbusen (NIIP 2015)

6 Vergleichende Analyse

Im folgenden Kapitel soll eine kurze funktionelle Analyse des deutschen und russischen Rechtssystems der maritimen Raumordnung durchgeführt werden. Das Verständnis der funk-tionellen Analyse ist an die Methodik eines Rechtsvergleichs angelehnt und bedeutet, dass bestimmte regelungsbedürftige Probleme hervorgehoben und hinsichtlich ihrer Lösung in der jeweiligen Rechtsordnung verglichen werden sollen.161 Die folgende Analyse soll darüber hin-aus auch organisatorische und planerische Grundlagen der maritimen Raumordnung in Deutschland und Russland einbeziehen. Ihre Funktion besteht darin, Erkenntnisse aus den Erfahrungen Deutschlands in der Meeresraumordnung zu gewinnen, die für die Russische Föderation bei der Etablierung eines Systems der maritimen Raumplanung hilfreich sein kön-nen. Unter Berücksichtigung der rechtlichen, organisatorischen und planerischen Rahmenbe-dingungen in Russland werden in einem gesonderten Kapitel konkrete Empfehlungen für eine Meeresraumordnung in Russland formuliert, mit dem Ziel, diese in den Gesetzesprozess ein-fließen zu lassen.