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In Russland gibt es, wie bereits angeführt, kein übergeordnetes Raumordnungsrecht. Zwar vereint das Gesetz „Über die Strategische Planung“ die vier grundlegenden Planungsarten – darunter auch Territorialplanung einschließlich der Meeresgebiete. Jedoch enthält das Gesetz selbst keine Vorgaben zur Berücksichtigung von ökologischen Belangen. Die Anwendung der Prinzipien der Territorialplanung, welche im Städtebaugesetzbuch verankert sind, erscheint grundsätzlich möglich. Allerdings lässt der enggefasste Regelungsgegenstand des Städte-baugesetzbuchs keine Konkretisierung der Prinzipien im Hinblick auf marine Gewässer zu.

Vereinzelte Regelungen zum Umwelt- und Naturschutz sind in einer Vielzahl von Fachgeset-zen enthalten. Dazu zählen in erster Linie das föderale Gesetz „Über die marinen Binnenge-wässer, das Küstenmeer und die Anschlusszone der Russischen Föderation“ sowie das fö-derale Gesetz „Über die Ausschließliche Wirtschaftszone der Russischen Föderation“. Beide Gesetze enthalten jeweils ein Kapitel zum Schutz der Meeresumwelt sowie maritimer Res-sourcen. Letzteres wird auch im Gesetz „Über die Tierwelt“ konkretisiert. Das Gesetz enthält unter anderem die Pflicht, bei jeder Tätigkeit mit negativen Auswirkung auf die Lebensräume, Rast-, Brut- und Niststätten sowie Migrationswege der Tiere, die Anforderungen an den Schutz der Tiere zu beachten (vgl. Art. 22 Abs. 1 föderales Gesetz „Über die Tierwelt“).

Jedoch beziehen sich die genannten Fachgesetze auf die Ebene der Festlegung, Projektie-rung und des Baus bestimmter Objekte wie Unternehmen, Anlagen oder Infrastrukturobjekte.

Dadurch kommen die ökologischen Belange der maritimen Planung in Russland derzeit erst in einem Stadium zur Anwendung, in dem ein konkretes Projekt geplant wird. Eine Betrach-tung von System- und Strukturalternativen auf Grundlage von Anforderungen des Umwelt- und Naturschutzes wird auf diese Weise erschwert.

Territorialplanung, aufzustellen. Jedoch gibt es ähnlich wie in Deutschland Regelungsberei-che, die ausschließlich der Regierung der Russischen Föderation vorbehalten sind. Diese betreffen z. B. militärische Tätigkeiten und nationale Sicherheit.

Sowohl in Deutschland als auch in Russland existiert mindestens ein übergeordnetes Minis-terium, welches für die Formulierung und Erarbeitung der Strategien und Konzepte im Bereich der Planung und Raumentwicklung zuständig ist. Für die maritime Raumordnung in Deutsch-land liegt die Federführung beim Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI). Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) führt mit Zustimmung des BMVI die vorbereitenden Verfahrensschritte zur Aufstellung des Raumordnungsplans durch.

Die in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen werden beteiligt, so z. B. UBA und BfN.

In Russland ist seit der Auflösung des Ministeriums für Regionalentwicklung nunmehr das Ministerium für Wirtschafsentwicklung hauptsächliche für die (maritime) Planung zuständig.

Ähnlich wie in Deutschland gibt es auch in Russland eine interministerielle Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen, so auch im Umweltschutz. Infolgedessen hat das Ministerium für Ökologie und natürliche Ressourcen der Russischen Föderation an der Erarbeitung der Ge-setzeskonzeption „Über die maritime Planung in der Russischen Föderation“ mitgewirkt.

6.2.1.2 Unterschiede

Unterschiede bestehen zunächst in der Kompetenzverteilung zwischen den deutschen Bun-desländern und dem Bund sowie den russischen Föderationssubjekten und der Föderation.

Im Zuge der Zentralisierung der öffentlichen Verwaltung in Russland haben föderale Instituti-onen ihre Planungskompetenzen gegenüber den Föderationssubjekten weiter ausgebaut.

Trotz der Existenz regionaler Institution wie der Meeresräte, sind diese nicht dazu ermächtigt, rechtlich bindende Entscheidungen zu treffen. Der Meeresrat der Regierung von Sank Pe-tersburg fördert vielmehr die Koordinierung maritimer Tätigkeiten zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren. In fachlicher Hinsicht kann der Meeresrat den Ministerien und Äm-tern für Raumordnung und Landesplanung der deutschen Küstenbundesländer gegenüber-gestellt werden. Im Gegensatz zu den regionalen Behörden in Russland stellen die deutschen Landesbehörden rechtsverbindliche Pläne in Form von Landesentwicklungsplänen oder -pro-grammen auf.

Auf Bundesebene und föderaler Ebene bestehen in dieser Hinsicht ebenfalls Unterschiede zwischen den beiden Staaten. In Deutschland ist das BMVI mit der Raumordnungskompetenz für die Ausschließliche Wirtschaftszone ausgestattet. Die Raumordnung wird dabei vom BSH praktisch durchgeführt. In Russland existiert zwar auf föderaler Ebene ein Marinekollegium, welches in die Regierung der Russischen Föderation eingegliedert ist, jedoch hat auch dieses keine Planungskompetenz und ist nicht mit dem BSH gleichzusetzen. Allerdings wirkt das Marinekollegium der Russischen Föderation am Gesetzesprozess im Bereich der maritimen

Planung mit, so unter anderem an der Konzeption zum Gesetzesentwurf „Über die maritime Planung in der Russischen Föderation“.

6.2.2 Verfahren der maritimen Raumplanung 6.2.2.1 Gemeinsamkeiten

Die Verfahrensschritte einer maritimen Raumplanung in Deutschland umfassen den Planent-wurf, einschließlich Umweltprüfung sowie eine Öffentlichkeitsbeteiligung. Dabei setzen Um-weltprüfung und Öffentlichkeitsbeteiligung schon zu einem frühen Planungszeitpunkt ein und bilden einen wichtigen Bestandteil des Trägerverfahrens. Alle genannten Schritte dienen so-wohl als Voraussetzung für die Aufstellung oder Änderung eines Raumordnungsplanes auf dem Festland als auch im marinen Bereich. In Russland folgt das Planaufstellungsverfahren im Wesentlichen dem gleichen Ablauf, wenn auch einzelnen Schritten jeweils unterschiedli-che Bedeutung beigemessen wird. Ein wichtiger Verfahrensschritt ist darüber hinaus die Ab-stimmung zwischen den unterschiedlichen Planungsebenen (Föderation, Subjekte, kommu-nale Körperschaften). Obwohl die Meeresraumordnung in Deutschland nicht hierarchisch er-folgt, wie dies in Russland vorgesehen ist, findet dennoch eine horizontale Abstimmung schen den Küstenbundesländern und dem Bund statt. Somit können Gemeinsamkeiten zwi-schen den beiden Planungssystemen festgestellt werden.

6.2.2.2 Unterschiede

Im Gegensatz zu Deutschland ist die maritime Raumordnung im russischen Planungssystem bisher rechtlich nicht explizit verankert. Daher können nur Erfahrungen aus der terrestrischen Planung herangezogen werden, die sich jedoch nicht vollständig auf den marinen Raum über-tragen lassen. So sind derzeit an der Gestaltung der maritimen Raumplanung mehrere Insti-tutionen beteiligt. Eine zentrale Behörde, die für das Planungsverfahren zuständig ist, wie das BSH oder die jeweiligen Landesministerien, ist in Russland noch nicht bestimmt worden. Das Marinekollegium als föderales Regierungsorgan übernimmt bereits einige Koordinierungs-funktionen, die die Arbeit föderaler Exekutivorgane sowie der Exekutivorgane der der Föde-rationssubjekte der im Bereich der maritimen Tätigkeit harmonisieren sollen. Jedoch mangelt es dem Marinekollegium an einem Mandat, rechtsverbindliche Entscheidungen treffen zu kön-nen.

Auch beim Verfahrensschritt der Umweltprüfung gibt es derzeit wesentliche Unterschiede zwi-schen dem deutzwi-schen und russizwi-schen System.166 In Deutschland setzt diese in Form einer Strategischen Umweltprüfung (SUP) bereits frühzeitig ein und ermöglicht damit eine Betrach-tung von Planalternativen. In Russland dagegen werden die Instrumente der Umweltprüfung

166 Ausführlich dazu: Luttmann et al. (2017): Umweltbewertung bei der maritimen Raumplanung in der Russischen Föderation unter Berücksichtigung der Anwendung und Erprobung in der Pilotregion.

– OVOS und ökologische Expertise – erst auf der Projektebene angewendet, sodass grund-sätzliche Planalternativem nicht mehr berücksichtigt werden können. Allerdings kann ein Pla-nungsvorhaben in diesem Stadium noch abgelehnt werden, wenn es nicht den vorgegebenen ökologischen Standards entspricht.

6.2.3 Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung 6.2.3.1 Gemeinsamkeiten

Eine Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung ist in Deutschland und Russland Teil des Pla-nungsverfahrens. Im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung können sowohl die in ihren Be-langen berührten öffentlichen Stellen als auch grundsätzlich jede interessierte natürliche oder juristische Person zu einem Planungsvorhaben Stellung nehmen. Begleitend zur Veröffentli-chung oder öffentlichen Auslegung des Plans werden in beiden Staaten üblicherweise Infor-mationsveranstaltungen und öffentliche Anhörungen durchgeführt. Eingegangene Stellung-nahmen werden im Rahmen des Planungsverfahrens ausgewertet und zusammengefasst.

Die Stellungnahmen sind im Abwägungsprozess der Planungsentscheidungen von den pla-nenden Behörden zu berücksichtigen.

6.2.3.2 Unterschiede

Während in Deutschland eine Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung auf allen Planungs-ebenen vorgesehen ist, beschränkt sich die Beteiligung aller interessierten natürlichen und juristischen Personen in Russland bisher auf die kommunale Ebene. Das Städtebaugesetz-buch sieht bisher ausschließlich eine Beteiligung bei Entwürfen zu Generalplänen von Sied-lungen und Stadtkreisen vor. Im Hinblick auf eine maritime Planung ist daher fraglich, ob bei analoger Anwendung der entsprechenden Vorschrift, eine effektive Öffentlichkeitsbeteiligung ermöglicht werden kann. Auch wenn die kommunalen Körperschaften Planungsbefugnisse im Bereich der Meeresgewässer erhalten sollen, wird der Planungsraum relativ klein sein. Bei Planungsvorhaben im Bereich der Küstengewässer oder eventuell auch bei Offshore-Wind-energieanlagen in der AWZ ist eine Beteiligung interessierter Personen nach derzeitiger Rechtslage nicht möglich.