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1. EINLEITUNG

1.6. Rumination

Definiert wird Rumination von Nolen-Hoeksema (1991) als Reaktion auf Distress, wobei sich „wiederholt und passiv durch Gedanken und Handlungen auf die eigenen

Stresssymptome konzentriert wird und auf alle möglichen Ursachen und Konsequenzen dieser Symptome“ (Nolen-Hoeksema, Wisco & Lyubomirksy, 2008; S. 400). Im deutschen lässt sich Rumination am besten mit Grübeln ausdrücken. Ein Beispiel für Rumination wäre, dass man alleine dasitzt, darüber nachdenkt, wie erschöpft und traurig man sich fühlt, sich darüber sorgt, dass diese Stimmung die Partnerschaft beeinträchtigen könnte und passiv über alles nachdenkt, was falsch gemacht wurde und zu dieser Stimmung beitragen hat (Nolen-Hoeksema, 1991). Rumination löst negative Stimmung aus, indem man negativ denkt, Problemlösen somit behindert wird und instrumentelles Handeln unterdrückt wird. Somit definiert Nolen-Hoeksema Rumination als maladaptive Copingstrategie bei Distress (Nolen-Hoeksema, 1991).

Nolen-Hoeksema et al. (2008) geben zusammenfassend aus verschiedenen Studien an, dass Rumination mit anderen maladaptiven Coping Strategien wie: „negativer Attributionsstil, dysfunktionale Einstellungen (Evans et al., 2013), Hoffnungslosigkeit, Pessimismus, Selbst-Kritik, geringe Macht, Abhängigkeit, Soziotropie, Armut und Neurotizismus“ (S. 400), Sich-Sorgen und mit Depression korreliert.

Ruminativer Antwortstil ist eine Trait-ähnliche Disposition (Nolen-Hoeksema, 1991) und kann in die Subkategorien Brooding und reflective Rumination unterteilt werden (Nolen-Hoeksema et al., 2008). Brooding beinhaltet eher negative Aspekte der Selbst-Reflektion und wird somit eher mit Depression in Verbindung gebracht, reflective Rumination ist lösungs-orientierter und beinhaltet allgemeinere Aspekte über sich Nachzudenken (Nolen-Hoeksema, 1991).

1.6.1. Licht im Zusammenhang mit den Copingstrategien Rumination und Distraktion

Die therapeutische Wirkung von Licht bei SAD ist unter anderem im Zusammenhang mit Rumination zu vermuten, da Rumination als Moderator von vegetativen Symptomen auf kognitiv-affektive Symptome wirken könnte (Young, Reardon & Azam, 2008) und

nachweislich prädiktiv für die saisonale Befindlichkeit bei Frauen ist (Gagnon, 2012). Das Dual vulnerability model (Young et al., 1991; zitiert aus Young et al., 2008) geht davon aus, dass kognitive Faktoren, wie zum Beispiel Copingstrategien, mit umweltbedingten

biologischen Faktoren interagieren und somit eine wichtige pathogenetische Ursache für SAD darstellen. Menschen mit SAD berichten über mehr Rumination und negative

automatische Gedanken, welche laut Dual vulnerability Theorie als kognitive Prädisposition für das Auftreten einer SAD angesehen werden können (Whitcomb-Smith et al., 2014).

Basierend auf der Response style theory (RST) (Nolen-Hoeksema, 1991) wird Rumination als wichtiger Prädiktor sowohl für die Wahrscheinlichkeit des Auftretens depressiver

Symptome als auch für die Dauer der Erkrankung angesehen (Ho, Lo & Hollon, 2008; Just, Alloy & Strauss, 1997; Spasojević, Alloy, Davidson & Scherer, 2001).

Die Response style theorie wird durch Befunde gestützt, dass unabhängig von Geschlecht oder Alter maladaptive Copingstrategien, wie Rumination, mit stärkeren depressiven Symptomen korreliert (Aldao et al., 2010; Nolen-Hoeksema & Aldao, 2011). Zusätzlich weist ein ruminativer Selbst-Fokus einen positiven Zusammenhang mit negativem Affekt auf (Moberly & Watkins, 2010) und steht bei depressiven Personen mit einer erhöhter Aktivität von limbischen und medialen und dorsolateralen präfrontalen Regionen im Zusammenhang, insbesondere mit einer erhöhten Aktivierung von Teilen des anterioren cingulären Gyrus, Thalamus und Amygdala (Cooney, Joormann, Eugène, Dennis und Gotlib 2010). Huffziger und Kuehner (2009) stellten fest, dass eine experimentelle

Ruminationsinduktion im Vergleich mit einer Ablenkung oder einer Achtsamkeitsübung die depressive Stimmung signifikant verlängerte während Distraktion half die negative

Stimmung schneller zu überwinden. Joormann Siemer und Gotlieb (2007) kamen zu einem ähnlichen Ergebnis.

Evans und KollegInnen (2013) untersuchten den Einfluss einer 6-wöchigen Lichttherapie im Vergleich zu einer kognitiv-behavioralen Therapie (CBT) und einer Kombinationstherapie von Licht und CBT in Bezug auf die Konstrukte dysfunktionale Einstellungen, negative automatische Gedanken, Rumination und Distraktion. In allen Therapie-Bedingungen, also auch in der Lichttherapie alleine, konnte nach der sechswöchigen Behandlung eine

signifikante Abnahme der Ruminationstendenz gezeigt werden. Auch die anderen kognitiven Konstrukte zeigten eine Verbesserung mit Ausnahme der Distraktion. Da in vielen Studien ein antidepressiver und stimmungssteigernder Effekt von Licht nachgewiesen wurde (Golden et al., 2005; Partonen & Lönnqvist, 2000) und erste Ergebnisse der Studie von Evans et al. (2013) eine Beeinflussung der Rumination durch einen sechswöchige Lichttherapie nachweisen konnten, wird in der vorliegenden Untersuchung eine akute Wirkung von Licht auf kognitiv-behaviorale Verarbeitungs- und Copingstrategien wie Rumination postuliert.

1.6.2. Biologische Befunde zu Rumination

Die Wirkung von Licht auf die Stimmung ist unter anderem durch eine verstärkte

Ausschüttung von Serotonin im Gehirn zu erklären (Lambert et al., 2002). Aktuelle Studien konnten darüber hinaus auch einen Zusammenhang zwischen Ruminaton und Serotonin aufzeigen. So weisen Menschen, die homozygot für das s-Allel (kurze Allel) des Serotonin-Transporter-Gens (5-HTTLPR) sind und somit eine ineffektivere Serotoninregulation

besitzen unter Stress mehr Rumination auf, als heterozygote Personen (s/l Allel) oder Personen mit zwei langen Allelen (l/l Genotyp) (Clasen, Wells, Knopik, McGeary &

Beevers, 2011).

Die zugrunde liegenden Prozesse von Rumination sind zum Größten Teil noch

unerschlossen (Piguet et al., 2014). Erste Studien weisen darauf hin, dass Personen mit hohen Trait Ruminationswerten eine größere Amygdala-Aktivierung bei negativen Stimuli zeigen und diese Aktivierung bei depressiven Personen über die Präsentationszeit des negativen emotionalen Stimulus hinaus, für längere Zeit anhielt. (Siegle, Steinhauer, Thase, Stenger & Carter, 2002). Auch verschiedene Arten von Rumination (z. B. über negative Erlebnisse oder negative Gedanken) zeigten eine anhaltende erhöhte Aktivität der Amygdala und des Hippocampus bei depressiven und gesunden Personen (Mandell, Siegle, Shutt, Feldmiller & Thase, 2014). Koster, Lissnyder, Derakshan und Raedt (2011) fassen die neurobiologischen Grundlagen der Emotionsregulation folgendermaßen zusammen: Ein emotional ausgelöstes Signal wird von der Amygdala zum anterioren cingulären Cortex (ACC) weitergeleitet, der als Brücke fungiert indem er subcorticale Emotionsregulation und kognitive Kontrolle integriert. Der ACC projiziert zum dorsolateralem präfrontalem Cortex (DLPFC) weiter, welcher normalerweise die Emotionsregulation steuert und die Aktivität der Amygdala über den Einbezug anderer Regionen (unter anderem orbitofrontaler Cortex) unterdrücken kann (Davidson et al., 2002). Koster et al. (2011) vermuten in ihrer impaired disengagement hypothesis, dass bei depressiven Personen, die eine erhöhte Rumination zeigen, dieser Schaltkreis und somit die Emotionsregulation beeinträchtigt sind. Somit bleibt die Aufmerksamkeit auf einem negativen Gefühlszustand gerichtet, da die Weiterleitung zwischen DLPFC und ACC beeinträchtigt ist und durch die mangelhafte Hemmung der Amygdala-Aktivität der Fokus auf dem inneren Gefühlszustand haften bleibt (Koster et al., 2011).