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Konzentrationsleistung und Aufmerksamkeit

1. EINLEITUNG

1.9. Konzentrationsleistung und Aufmerksamkeit

Da unter anderem in der vorliegenden Studie die Auswirkung von Licht auf die Konzentrationsleistung untersucht wird, wird im Folgenden näher darauf eingegangen.

Vorab sollte zwischen den Konstrukten Arbeitsgedächtnis, Konzentration und (anhaltender) Aufmerksamkeit (englisch: sustained attention) unterschieden werden. Einen guten

Überblick bieten Kretschmer, Schmidt und Griefahn (2012). Das Arbeitsgedächtnis ist für Aufgaben wie Schlussfolgern, Verstehen und Lernen zuständig und beinhaltet ein

kontrollierendes exekutives System, welches die Informationsverarbeitung überwacht und koordiniert. Aufmerksamkeit ist eine Funktion des Arbeitsgedächtnisses. Konzentration ist eine kognitive Leistung, die zur Informationsverarbeitung genutzt wird und eine

aufmerksamkeitsbezogene Fähigkeit ist. Vor allem unter schwierigen Bedingungen ist Konzentration zur schnellen und korrekten Verarbeitung von Wichtigkeit. Eine typische Aufgabe, in der Konzentration gefragt ist, wäre Rechnen. „Konzentration wird auch als exekutive Aufmerksamkeit bezeichnet“ (S. 320) und ist verbunden mit einem exekutiven Aufmerksamkeitsnetzwerk, welches sich im anterioren cingulären Cortex befindet.

Anhaltende Aufmerksamkeit sollte von Vigilanz unterschieden werden, „Vigilanz bezieht sich auf die dauerhafte Aufmerksamkeit bei monotoner Umwelt mit wenig frequentierter Stimulusdarbietung“ (S. 320), zum Beispiel Autofahren. Im eigentlichen Sinne ist

anhaltende Aufmerksamkeit bei hochfrequentierten Stimuli, welche größere kognitive und mentale Ressourcen benötigen auf einen kurzen Zeitraum gefragt und wird meist durch

Reaktionszeitaufgaben operationalisiert. Aufmerksamkeit ist also eher der Prozess der Wahrnehmung, und Konzentrationsleistung der eigentliche Verarbeitungsprozess.

1.9.1. Licht im Zusammenhang mit Konzentrationsleistung und Aufmerksamkeit

Eine Vielzahl von Forschungsergebnissen sind zur Wirkung von Licht, vor allem aus dem blauen Farbspektrum, auf Wachheit, Aufmerksamkeit und kognitive Leistungsfähigkeit vorhanden.

Bei Nachtschichtarbeitern konnte gezeigt werden, dass helles Licht einen starken und direkten Effekt auf die kognitive Leistung, im speziellem auf die Konzentration und das Arbeitsgedächtnis hat, wobei sich kein Einfluss auf die anhaltende Aufmerksamkeit zeigte (Kretschmer et al., 2012; Kretschmer, Schmidt & Griefahn, 2013). Bei Leichtfried und KollegInnen (2015) verschlechterte helles Licht (5000 lx) sogar die Leistung bezüglich anhaltender Aufmerksamkeit, sodass die Anzahl korrekter Reaktionen nach der Bedingung mit gedimmtem Licht signifikant höher war.

Die Mehrheit der Forschungsergebnisse weisen jedoch darauf hin, dass Licht mit hoher Lichtstärke im Vergleich zu Licht mit geringer Lichtstärke Schlafmangel kompensieren kann und somit zu mehr subjektiver Wachheit und Vitalität und einer verbesserten

psychomotorischen Wachsamkeit im Sinne von anhaltender Aufmerksamkeit und kognitiven Funktionen führen kann (Cajochen, Zeitzer, Czeisler & Dijk, 2000; Perrin et al., 2004;

Phipps-Nelson et al., 2003) und damit eine besserer kognitive Performance bewirkt. Am ersten Abend der Messung konnte jedoch noch keine Überlegenheit von hellem Licht auf die kognitive Performance gezeigt werden (Münch, Linhart, Borisuit, Jaeggi & Scartezzini, 2012).

Ein subjektiv erhöhte Wachheit und Vitalität sowie eine verbesserte kognitive Performance bezüglich auditorischer Stimuli (PVT) bei hellem Licht fand sich auch bei Smolders und KollegInnen (2012), jedoch zeigte sich bei komplexeren Aufgaben ein konträrer Effekt der Lichtstärke (Smolders und de Kort 2014).

Eine verbesserte psychomotorische Wachsamkeit im Sinne von anhaltender Aufmerksamkeit und subjektiver Wachsamkeit konnten Chellappa und KollegInnen (2011) ebenfalls

nachweisen, wofür sogar nur 40 lx starkes Licht am Abend ausreichte. Auf exekutive Funktionen hatte das Licht jedoch keinen Einfluss, gemessen mit der Paced visual serial addition task (PVSAT). Bei Variation der Lichtfarbe, also des Lichtspektrums, welches durch die Wellenlänge des Lichts definiert wird, zeigte sich die stärkste Wirkung und die größte Melatoninsuppression bei 6500 Kelvin, im Vergleich mit 2500 Kelvin und 3000 Kelvin. Die Variation von Kelvin-Stärken bedeutet die Variation der Lichtfarbe.

Gornicka (2006) konnte am Morgen eine Überlegenheit von beleuchtungsstarkem Büro-Licht in Bezug auf Wachheit und Vigilanz feststellen, jedoch keinen Unterschied in Bezug auf die Lichtfarbe zwischen 17000 und 2700 Kelvin. Ein anders Forscherteam (Viola, James, Schlangen & Dijk, 2008) hingegen fand eine Überlegenheit von 17000 Kelvin Licht

gegenüber 4000 Kelvin bezüglich Wachheit, positiver Stimmung, Leistungsfähigkeit, Abendmüdigkeit und Konzentration.

Verschiedene Autoren (Lehrl et al. 2007; Lockley und KollegInnen 2006; Rahman und KollegInnen 2014; Revell et al. 2006; ) konnten zeigen, dass kurzwelliges, blaues Licht (460-470 nm) zu einer besseren Aufmerksamkeitsleistung, kürzeren Reaktionszeiten, erhöhter Informationsgeschwindigkeit und mehr Wachheit führt als länger-welliges Licht (555-600nm), jedoch war keine Überlegenheit von blauem Licht auf die kognitive Leistung festzustellen bei kurzen Stimulus-Darbietungszeiten von 50 Sekunden (Vandewalle et al., 2007b). Zwar konnte Vandewalle et al. (2007a) auch keinen Einfluss der Lichtbedingung mit

470 und 550 nm monochromatischem Licht auf die Wachheit bzw. Aufmerksamkeit und Reaktionszeit finden, jedoch eine Überlegenheit von blau-welligem Licht auf die

unmittelbare Aktivierung von Gehirnstrukturen, vor allem jener für exekutive Funktionen, darstellen.

Auch neue Lichttechniken, wie Sonnenaufgangssimulationen fanden in den letzten Jahren zunehmend Eingang in die Forschungsliteratur. Zum Beispiel verglichen Gabel und

KollegInnen (2013) Licht mit blauem Spektrum (100 lx), eine Sonnenaufgangssimulation (0-250 lx) und Licht mit geringer Intensität (>8 lx) bezüglich der Auswirkung auf die kognitive Leistung bei Schlafmangel miteinander. Es konnte zwar eine Überlegenheit der

Sonnenaufgangssimulation nach der ersten Nacht gezeigt werden, die folgenden Tage jedoch nicht mehr. Die Sonnenaufgangssimulation dauerte 50 Minuten, wovon die letzten 20

Minuten die höchste Luxstärke erreicht wurde, das Licht mit dem blauem Spektrum und das dunkle Licht wurde nur für 20 Minuten eingeschaltet. Dies könnte methodisch zu bemängeln sein, da das Sonnenaufgangslicht einen zeitlichen Vorteil eingeräumt bekam.

Andere Autoren (Van De Werken et al., 2010) fanden keinen Effekt durch eine Sonnenaufgangssimulation während der letzten 30 Minuten Schlaf auf die nach dem Erwachen gemessene kognitive Performance bei Rechen- und Reaktionsaufgaben.

Zusammenfassend kann man feststellen, dass Licht, insbesondere kurzwelliges blaues Licht, generell einen aufmerksamkeits- bzw. wachheitssteigernden Effekt aufweist, wie zahlreiche Studien zeigen konnten (Cajochen, 2007; Lehrl et al., 2007; Leichtfried et al., 2015; Münch et al., 2012; Phipps-Nelson et al., 2003; Revell et al., 2006; Ruger et al., 2005; Smolders et al., 2012).

Die Wirkung von Licht auf die Aufmerksamkeit und Kognition wird wahrscheinlich durch die ipRGCs mediiert, welche besonders empfänglich sind für blaues Licht (Chellappa et al.,

2011). Es konnte eine besonders starke Aktivierung durch blaues Licht im Hippocampus, Thalamus, der Amygdala und im Hirnstamm gezeigt werden (Vandewalle et al., 2007b).

Auch bei blinden Menschen konnte, nach kurzer Darbietung blau-welligen Lichts, eine erhöhte Aktivität in bestimmten Gehirnbereichen festgestellt werden, was für eine tragende Rolle der ipRGCs spricht (Vandewalle et al., 2013). Vor allem die Aktivierung des

Hirnstamms könnte ein mediierender Effekt des Lichts auf Gehirnfunktionen sein

(Vandewalle et al., 2007b). Auch der Thalamus, der durch (blau-welliges) Licht vermehrt aktiviert wird (Vandewalle et al., 2007a) spielt eine wesentliche Rolle bezüglich Arousal und Aufmerksamkeit, da er eine „gating“-Funktion (dt.: Schleusen) besitzt, und somit eine Weiterleitung zum Cortex hemmen oder verstärken und die Aufmerksamkeit steuern kann (Birbaumer & Schmidt, 2010). Vandewalle und KollegInnen (2006) konnten zeigen, dass die Aktivität des posterioren Thalamus durch Tageslicht linear mit dem subjektiven Gefühl von Wachheit zusammenhängt und Licht unmittelbar subkortikale Bereiche und Netzwerke aktiviert, die die Aufmerksamkeit steuern, während nach Beendigung der Lichtexposition diese Aktivierung schnell zurückgeht. Vandewalle et al. (2009) fassen in ihrem Review zusammen, dass Licht eine aufmerksamkeitssteigernde Wirkung hat und zu einer besseren Leistung in verschiedenen kognitiven Aufgaben führen kann. Die non-visuelle Wirkung von Licht beeinflusst „subcorticale aufmerksamkeitsbezogene Gehirnareale (Hypothalamus, Hirnstamm, Thalamus) sowie limbische Strukturen (Amygala und Hippocampus)“ (S. 429), welche wiederum Verbindungen zum Cortex haben und somit eine Beeinflussung des Verhaltens durch Licht entstehen kann. Vor allem ist ein ventraler Schaltkreis, welcher (indirekt) zu Hypothalamus und Hirnstamm projiziert, für Arousal, Aufmerksamkeit und ein Gefühl von Aktivität und Energie verantwortlich (Barrett et al., 2007).