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1. EINLEITUNG

1.3. Biologische Wirksamkeit des Lichts

Es sind mehrere Faktoren bei den Wirkmechanismen von Licht auf den Körper beteiligt.

Einer davon ist der Zusammenhang von Licht und der zirkadianen Rhythmik, welcher vor allem bei der saisonalen Depression einen guten Erklärungsansatz zur therapeutischen Wirkung von Licht gibt (Lewy et al., 2006).

Die zirkadiane Phasenverschiebungstheorie (engl.: circadian phase-shift theory) oder auch Phasenverzögerungshypothese genannt, wurde von Lewy und KollegInnen (1987)

beschrieben. Es wird postuliert, dass der endogene zirkadiane Rhythmus im Verhältnis zum exogenen Tag-Nacht-Rhythmus verschoben ist. Durch Licht kann Phasenkopplung bzw.

Entrainment wieder hergestellt werden, also eine Synchronisation des endogenen und des exogenen Rhythmus. Die Theorie besagt, dass bei SAD der zirkadiane Rhythmus aus dem Gleichgewicht geraten ist und die depressiven Symptome im Winter bei den meisten Menschen durch eine spätere Dämmerung ausgelöst werden und sie somit eine signifikante Phasenverzögerung aufweisen. Somit kann Licht am Morgen (Phasenbeschleunigung) den Rhythmus nach vorne verschieben und Licht am Abend nach hinten (Phasenverzögerung).

Licht am Morgen hat nach der Phasenverschiebungstheorie eine antidepressive Wirkung aufgrund der Veränderung im Schlaf-Wach-Rhythmus durch die Phasenbeschleunigung.

Einige Menschen, deren depressive Symptome durch das frühere Dunkelwerden am Abend im Winter ausgelöst werden, zeigen eine Verbesserung der Symptome durch eine

Phasenverschiebung nach hinten und reagieren somit besser auf Licht am Abend (Lewy et al., 2006). Nach Benedetti und KollegInnen (2007) tendiert bei den meisten Menschen

„Phasenbeschleunigung dazu die Stimmung zu heben und Phasenverzögerung dazu eine Depression zu induzieren“ (S. 511). Spricht die PatientIn also nicht auf die Therapie an, ist auch keine Phasenverschiebung festzustellen (Benedetti et al., 2007). Dallaspezia und KollegInnen (2012) fanden heraus, dass bei einer Phasenbeschleunigung von 1,5 bis 2,5 Stunden, Lichttherapie am wirksamsten ist. Interessant ist auch die Feststellung, dass diese Befunde nur im Herbst und Winter zutrafen. In den Frühlings- und Sommermonaten ist kein Effekt durch eine größere Phasenverschiebung zu sehen, was die

Phasenverschiebungshypothese für die Ätiologie saisonaler Winterdepression bekräftigt.

Es gibt noch keinen eindeutigen Hinweis, welcher Mechanismus im speziellen für die stimmungsaufhellende Wirkung sorgt. Neurotransmitter stehen im Zusammenhang mit affektiven Erkrankungen, vor allem Serotonin, Dopamin und Noradrenalin (Sohn & Lam 2005), wobei insbesondere Serotonin eine wichtige Rolle für die Stimmung spielt. Die anerkannte Monoaminhypothese von Schildkraut (1965) macht einen Mangel an Noradrenalin und Serotonin als Hauptursache für depressive Erkrankungen aus. Die zirkadiane Regulation interagiert mit verschiedenen Neurotransmittern, unter anderem Serotonin. Serotonerger Input vom Raphe Nuclei zum SCN moduliert die Reaktion auf Licht und andere Stimuli (Birbaumer & Schmidt, 2010). Es konnte von Lambert, Reid, Kaye, Jennings und Esler (2002) gezeigt werden, dass die Serotoninbildung im Gehirn im Winter geringer ist als im Sommer. Der Serotoninumsatz im zentralen Nervensystem richtet sich also nach bestimmten zirkadianen und saisonalen Rhythmen, ist jedoch auch durch direkte Lichtexposition beeinflussbar. Die direkte Sonneneinstrahlung, unabhängig von der

Jahreszeit, erhöht die Serotoninproduktion und somit ist der Serotoninspiegel an sonnigen Tagen höher (Lambert et al., 2002). Ein Einfluss von Licht auf den Serotoninhaushalt konnte auch von Spindelegger et al. (2012) bestätigt werden, welcher bei weniger Licht eine

geringere Serotonin-1A Rezeptorbildung beobachtete. Die 5-HT Serotoninrezeptoren werden durch Lichttherapie und Antidepressiva beeinflusst, was bei Studien mit Polymorphismen des 5-HTTLPR Gens gezeigt werden konnte (Benedetti et al., 2003; Benedetti et al., 2007).

Fisher et al. (2014) konnten ebenfalls einen moderierenden Effekt des Genoms bei der Wirkung von Licht auf die funktionelle Verbindung zwischen Amygdala und präfrontalen Kortex feststellen. Sie vermuten somit einen Wirkungszusammenhang zwischen SAD, Licht und Serotonin. Neumeister (2004) fasst bezüglich SAD zusammen, dass verschiedene Studien nahe legen, dass Lichttherapie für eine kurzzeitige Erhöhung der Verfügbarkeit von Monoaminen sorgen könnte und dies den stimmungsaufhellenden Effekt erklären könne.

Melatonin steht ebenfalls im engen Zusammenhang mit der zirkadianen Rhythmik und dem Einfluss von Licht. Serotonin wird wie auch Melatonin aus L-Tryptophan über L-5-Hydrox-Tryptophan synthetisiert und ist ein Vorläufer von Melatonin (Birbaumer & Schmidt, 2010).

Wehr und KollegInnen (2001) fanden heraus, dass bei Männern mit saisonaler Depression die Dauer der Melatonin-Ausschüttung im Winter länger ist als im Sommer, womit zum ersten Mal gezeigt werden konnte, dass ein biologisches Signal für die Änderung der Jahreszeiten gesendet werden kann, ähnlich wie bei Tieren. Da diese Ergebnisse aber nur auf die männlichen jedoch nicht auf die weiblichen Studienteilnehmer mit SAD zutrafen können Veränderungen des Melatoninspiegels nicht als Hauptursache für saisonale

Depressionen und somit als Hauptfaktor für den Effekt von Licht identifiziert werden. Die Melatoninhypothese nimmt an, dass Licht die Melatoninausschüttung unterdrückt und somit bei zu wenig Licht ein Überschuss an Melatonin vorherrscht, welcher ursächlich mit der

depressiven Symptomatik in Zusammenhang steht. Jedoch konnten verschiedene Studien eine antidepressive Wirkung von Licht in der Tagesmitte nachweisen (Avery et al., 2001;

Dallaspezia et al., 2012), wobei der Melatoninspiegel in der Mittagszeit am niedrigsten ist (Phipps-Nelson, Redman, Dijk & Rajaratnam, 2003). Zudem konnte in der Studie von Lavoie und KollegInnen (2009) kein Unterschied in der Melatoninkonzentration bei SAD-Patienten vor und nach einer 4-wöchigen Lichttherapie festgestellt werden. Bezüglich

Aufmerksamkeit konnte ebenso eine positive Wirkung von Licht am Tag festgestellt werden, was der Theorie des Melatoninüberschuss widerspricht (Phipps-Nelson et al., 2003; Ruger, Gordijn, Beersma, Vries & Daan, 2005; Smolders, de Kort & Cluitmans, 2012). Somit ist zusammenfassend von einer wichtigen Funktion von Melatonin bei der Steuerung des endogenen Rhythmus auszugehen, jedoch kann Melatonin nicht als Hauptursache für die Wirkung von Licht auf die Psyche ausgemacht werden.

Des Weiteren könnte die Wirkung von Licht direkt mit der Aufnahme über die Retina bzw.

durch die Ganglionzellen erklärbar sein. Lavoie und KollegInnen (2009) stellten fest, dass bei SAD-Patienten die retinale Lichtsensitivität während der depressiven Episode von der Norm abweicht und sich diese nach 4-wöchiger Lichttherapie wieder normalisiert. LeGates und KollegInnen (2012) fanden bei Mäusen ohne lichtsensitive retinale Ganglionzellen heraus, dass Licht einen Einfluss auf Kognition und Stimmung direkt über die

Ganglionzellen nimmt und dass ohne diese, der Effekt von Licht nicht mehr vorhanden ist.

Vor allem der aufmerksamkeitssteigernde Effekt von Licht, insbesondere von blauem Licht (Vandewalle et al., 2009b) scheint durch die ipRGCs mediiert zu sein (Vandewalle et al., 2007b). Die Ganglionzellen sind maximal sensitiv für blaues Licht und bei speziell diesem Licht konnten die größten Effekte bezüglich Wachheit/Aufmerksamkeit erzielt werden (Chellappa et al., 2011; Lehrl et al., 2007; Lockley et al.; Revell, Arendt, Fogg & Skene, 2006; Vandewalle et al., 2013). Zudem wird der Einfluss der ipRGCs durch

Polymorphismen, also genetische Variationen, bei einem mit Melanopsin in Verbindung stehendem Gen bekräftigt. Je nach Variationen dieses Gens gibt es einen Einfluss auf die Auftretenswahrscheinlichkeit von SAD, sodass bei Personen die homozygot für das T-Allel sind im Vergleich mit anderen Variationen (C/T, C/C) eine größere Prädisposition zur Erkrankung an einer saisonalen Depression besteht.

Neben den geschilderten biologischen Faktoren dürften auch psychologische Faktoren und kognitiv-behaviorale Prozesse bei der Entstehung von SAD eine Rolle spielen (Young et al., 1991; Young et al., 1999; Rohan et al., 2007).