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2.4 Eigenschaften und Plastizität motorischer Einheiten

2.5.5 Die Plastizität neuronaler Vorgänge

2.5.5.1 Die Rolle von schnellen und langsamen Muskelfasern innerhalb typischer Bewegungsmuster

Wie die vorausgegangenen Ausführungen deutlich machen, unterscheiden sich Muskelfasern in vielfältiger Weise. Jedoch scheinen die mechanischen Eigenschaften, wie dies in der populären Namensgebung schnell und langsam zum Ausdruck kommt, von besonderer Bedeutung zu sein. Schnelle Muskelfasern unter-scheiden sich von langsamen hauptsächlich durch ihre unterschiedlichen Zuckungsgeschwindigkeiten, die einmal in der Kontraktionszeit (TTP_Tmax) und der maximalen unbelasteten Verkürzungsgeschwindigkeit (V0) zum Ausdruck kommt. Die TTP_Tmax und die V0 können bei schnellen Fasern vergleichsweise um den Faktor 4-5 kleiner, bzw. schneller sein (Burke et al. 1973; Eberstein & Goodgold 1968; Widrick et al. 1996a;

Widrick et al. 1996b). Die einfachste Möglichkeit die mechanischen Kontraktionseigenschaften in der Summe aller Muskelfasern unblutig zu messen, währe demnach die Streckgeschwindigkeit bzw. die Kontraktionszeit an einem Gelenk zu bestimmen. Erstaunlicherweise ergeben sich bei dieser Versuchsanordnung innerhalb von Willkürbewegungen aber keine gesicherten Zusammenhänge zwischen einem Muskelfasertyp und der maximalen Kniestreckgeschwindigkeit (Houston et al. 1988) bzw. der TTP_Tmax (Häkkinen et al. 1985b).

Lediglich bei einem Reizversuch am menschlichen M.gastrocnemius zeigte sich eine relativ geringe Korrelation zwischen ST-Faseranteil und der TTP_Tmax (Rice et al. 1988), die jedoch in einem ähnlichen Versuch von (Moss 1992) nicht bestätigt werden konnte. Dagegen sind die Kontraktions- und Halbrelaxationszeiten von ganzen Muskeln mit unterschiedlicher Faserzusammensetzung eindeutig unterschiedlich (Brooks & Faulkner 1988) und darüber hinaus können Muskeln mit 30% ST-Faserdifferenz nahezu identische Kontraktionszeiten aufweisen (Round et al. 1984). Wie ist dies zu erklären?

Offensichtlich entwickelt ein Muskel durch das Zusammenspiel seiner Einheiten ganz individuelle Eigenschaften. Um diese Problematik besser zu verstehen, scheint es nützlich, ein einfaches Denkmodell zum Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen zu machen. Angenommen, ein Muskel bestünde aus 3 langsamen S-Einheiten, 3 schnellen FR-Einheiten und 3 schnellen FF- Einheiten. Die S-Einheiten haben eine doppelt so lange Kontraktionszeit, wie die FF-Einheiten (35/70ms). Wenn alle 9 Einheiten ungefähr zur selben Zeit zucken, wie groß ist dann die Kontraktionszeit, die Kontraktionskraft und die Kraftänderung für diesen Modellmuskel? Um diese Frage zu beantworten, wurden die Zuckungskurven von S-, FR- und FF- Einheit des M.gastrocnemius der Katze (Burke et al. 1973) digitalisiert. Mit Hilfe eines Softwareprogramms konnten dann die Zuckungsparameter für verschiedene Verteilungs- und Verschiebungsvarianten berechnet werden.

Die Ausgangskonfiguration der Zuckungsamplituden untereinander wurden den Relationen angenähert, wie sie schon in menschlichen Muskeln gefunden wurden (Eberstein & Goodgold 1968). Alle Kurvenverläufe in Abb.57t sind an den Kraft- und Kraftänderungsamplituden der FF-Einheiten normalisiert. Für den Modellmuskel mit der Kombination F_333 oder FD_333 (F/FD steht für Kraft/Kraftänderung; die drei Zahlen für die Anzahl der S/FR/FF Einheiten) ergibt sich in diesem Modell eine Zuckungsamplitude von 60% bei einer Kontraktionszeit von 39 ms. Die Kontraktionszeit erhöht sich um 11ms und die Kraft vermindert sich um 12%, wenn der S–Anteil im Muskel bei 50% liegt (F_532). Nur bei einem sehr hohen S-Faseranteil von 80%

(F_820) nähert sich die Kontraktionszeit des Gesamtmuskels mit 65 ms der Kontraktionszeit der einzelnen S-Einheiten an, genauso, wie eine Annäherung an die Kontraktionszeiten bei einem sehr hohen FF-Anteil in umgekehrter Richtung erfolgt. Dabei wird jedoch davon ausgegangen, daß der Kontraktionsbeginn aller beteiligten Einheiten so erfolgt, daß sie gleichzeitig ihr Maximum des Kraftanstiegs erreichen. Dies würde im vorliegenden Modell bedeuten, daß die FF-Einheiten 5ms und die FR-Einheiten 2ms vor den S-Einheiten mit der Kraftentwicklung beginnen müßten, was eigentlich dem Rekrutierungsprinzip von Henneman & Olson (1965) dann widerspricht, wenn die Rekrutierungsreihenfolge nicht im motorischen Kortex, sondern am Ende der Reizkette, bei Beginn der Kraftentwicklung festgelegt wird. Selbst wenn schnelle und langsame Einheiten zugleich innerviert werden, könnten es sich die schnellen Fasern leisten im bindegewebigen Muskelverbund nach den langsamen zu zucken, da sie die serienelastischen Elemente schneller spannen können. Doch deuten fast alle Literaturhinweise darauf hin, daß bei konzentrischen Kontraktionen erst die langsamen Einheiten zucken, gefolgt von den schellen und damit wären die Kontraktionszeiten für die Modellmuskeln mit hohen FF- und FR- Anteilen mehr nach rechts verschoben. Genau dies ist aus Abb.57t ersichtlich, wo die schnellen gegenüber den langsamen Einheiten um 10ms oder 20ms verschoben wurden. Die Kontraktionszeiten der unterschiedlich zusammengesetzten Muskeln liegen somit alle in einem mittleren Zeitbereich zwischen der Kontraktionszeit der schnellsten und der langsamsten Einheit. Funktionell gesehen garantiert dies eine gewisse Zeitkonstanz, die besonders beim Zusammenwirken mehrerer Muskeln an einem Gelenk von großer Bedeutung sein könnte. Unter der Voraussetzung, daß die Innervation bei dynamischen und isometrischen Kontraktionen gleich ist (Behm & Sale 1993a; Müller 1987), gelten diese Überlegungen auch für konzentrische Gelenkbewegungen.

- 2 0 0 2 0 4 0 6 0 8 0 1 0 0 1 2 0

F _ F F F _ F R F _ S

F _ F R _ h y p o F _ S _ h y p o F D _ F F F D _ F R F D _ S

F D _ F R _ h y p o F D _ S _ h y p o

3 6 m s 3 4 m s

K ra fta nti e g s ra te

K ra ft

- 2 0 0 2 0 4 0 6 0 8 0 1 0 0 1 2 0

F _ 3 3 3 / F _ 2 8 0 F rh F D _ 3 3 3 / F D _ 2 8 0 F rh F _ 3 6 1 / F _ 3 6 1 F rh F D _ 3 6 1 / F D _ 3 6 1 F rh

F _ 3 1 6 / F _ 5 5 0 F rh F D _ 3 1 6 / F D _ 5 5 0 F rh F _ 2 0 8 / F _ 5 5 0 S h F D _ 2 0 8 / F D _ 5 5 0 S h

F _ 5 3 2 2 5 / F _ 8 2 0 S h F D _ 5 3 2 / F D _ 8 2 0 S h F _ 8 2 0 F D _ 8 2 0

F _ F F F D _ F F

2 9 m s

- 2 0 0 2 0 4 0 6 0 8 0 1 0 0 1 2 0

F 3 3 3 _ 1 0 F 3 3 3 _ 2 0 F D _ 3 3 3 _ 1 0 F D _ 3 3 3 _ 2 0 F _ F F F D _ F F F _ 3 3 3 F D _ 3 3 3 F _ 3 1 6 F D _ 3 1 6 F _ 3 1 6 2 _ 1 0 F D _ 3 1 6 2 _ 1 0 F _ 8 2 0 F D _ 8 2 0 F 8 2 0 _ 1 0 F D 8 2 0 _ 1 0 F 0 5 5 F 0 5 5 _ 1 0 F D 0 5 5 F D 0 5 5 _ 1 0

Abb.57t Unterschiedliche Verteilungen der Zuckungskurven von S, FG und FF Einheiten aus Burke(1973) digitalisiert.

a. Kraft- und Kraftänderung der verschiedenen Units auf 100% Kraft der FF-Einheiten normalisiert. Der Zusatz “hypo“

bedeutet, daß die Zuckungskurven des Typs in der Amplitude erhöht wurde, um eine hypotrophierte Faser zu simulieren.

Die Kraftamplituden der Einheiten wurden den Relationen angepaßt, wie sie schon am Menschen gemessen wurden (Eberstein & Goodgold 1968).

b. Darstellung von Kraft- und Kraftänderung bei verschiedenen Faserverhältnissen, jeweils auf 10 Einheiten bezogen und auf den maximalen Kraftanstieg zeitnormiert. Die jeweils erste Zahl der Codes steht für die Anzahl der S-Einheiten, die zweite für die Fr-, und die dritte für die FF-Einheiten. Frh , Sh bedeutet hypotrophierte FR-, S – Einheit und F, FD = Kraft-, Kraftänderung. Die Verschlüsselung F361Frh kennzeichnet die Kraftkurve eines Muskels mit 3 S-, 6 hypotrophierten Fr- und 1 FF-Einheit.

c. Verschiedene Faserzusammensetzungen mit gleichzeitiger Verschiebung der Einheiten gegeneinander. Der Zusatz 10 am Ende des Namenscodes bedeutet 10 ms Zeitverschiebung zwischen der S- und der FF-Einheit (Hering, unveröffentlicht).

b

c

a

Somit kann man verstehen, warum bei konzentrischen Kontraktionen die Zuckungszeiten der einzelnen Fasertypen eines Muskels durch ihre Interaktion untereinander und in Verbindung mit den serienelastischen Strukturen, nicht identisch mit der Kontraktionszeit des gesamten Muskels sind. Die fehlenden Literaturnachweise für einen Zusammenhang zwischen der Faserzusammensetzung und der Kontraktionszeit ist im Nachhinein eine Bestätigung für diese Überlegungen.

Wenn die schnellen Einheiten die <<Schnelligkeit>> der Kontraktion nur bedingt beeinflussen können, worin liegt dann ihr eigentlicher Vorteil? Anhaltspunkte zur Beantwortung dieser Frage ergeben sich am ehesten aus Studien, bei denen Korrelationen von Kraftparametern mit dem Anteil von schnellen und langsamen Muskelfasern gefunden wurden. Als Ergebnis solcher Studien ergeben sich durchweg signifikante Zusammenhänge des ST-Faseranteils zu Parametern, die in Verbindung mit der Kraftänderung im ersten Drittel der isometrischen Kontraktion stehen (Viitasalo & Komi 1978a). In der Vergleichsstudie von Sleivert (1995) zwischen Volleyballern und Mittelstreckenläufern zeigte sich zwar kein Unterschied in der Faserzusammensetzung zwischen den Gruppen. Dagegen war die Korrelation zwischen Kraftanstiegsrate und der Faserfläche der schnellen Fasern signifikant

Als Pendant zur maximalen Kraftentwicklungsrate, kann sicherlich auch das unter isokinetischen Bedingungen gemessene Drehmoment interpretiert werden, da bei hohen Winkelgeschwindigkeiten nur dann hohe Drehmomente entstehen, wenn die Kraftanstiegsrate entsprechend hoch ist. Ein signifikanter Zusammenhang zwischen FT-Faseranteil (Inbar et al. 1981; Suter et al. 1993; Thorstensson et al. 1976), bzw. FT-Faserfläche und maximalem Drehmoment (Johansson et al. 1987) lies sich in mehreren Studien bei hohen Winkelgeschwindigkeiten zeigen. Darüber hinaus beschreibt Houston et al. (1988) eine signifikante Beziehung zwischen dem FT-Faseranteil und der maximalen Unterschenkelbeschleunigung bei einer konzentrisch explosiven Kniestreckung.

Die Bedeutung der Kraftanstiegsrate für sogenannte Schnellkraftsportarten wird durch zwei Vergleichsstudien belegt. Sowohl Volleyballspieler gegenüber Mittelstrecklern (Sleivert et al. 1995), als auch Sprinter gegenüber Ausdauersportlern (Häkkinen & Keskinen 1989) entwickeln durchschnittlich höhere Kraftanstiegsraten bei isometrisch explosiver Kniestreckung.

Betrachtet man die Kraftanstiegsraten der digitalisierten Zuckungskurven des M.gastrocnemius der Katze in Abb.57t, so spiegelt sich der Zusammenhang zwischen Faserzusammensetzung und Kraftanstiegsrate in den einzelnen <<Modellmuskeln>> wieder. Verteilungsvarianten mit einem hohen FT-Faseranteil besitzen auch eine hohe maximale Kraftanstiegsrate. Da die FT- Einheiten aufgrund ihres größeren Innervations-verhältnisses, ihres größeren Faserdurchmessers und möglicherweise auch aufgrund ihrer größeren spezifischen Spannung (siehe auch Kapitel 2.4.2 und 2.5.1) höhere Zuckungsamplituden besitzen, besteht auch eine indirekte Kausalität zwischen Zuckungskraft und Kraftanstiegsrate. Besonders hohe Kraftanstiegsraten kommen im vorliegenden Modell durch hohe FF-Anteile zustande.

In diesem Zusammenhang drängt sich natürlich die Frage auf, ob sich durch eine Angleichung der Zuckungsamplituden der FR–Einheiten an das Niveau der FF-Einheiten, gleiche Kraftanstiegsraten erreichen lassen, wie mit einem Muskel, der von vorne herein durch seinen hohen FF-Anteil diese hohen Zuckungskräfte besitzt. In der Praxis könnte dies z.B. durch Hypertrophie der FR-Einheiten innerhalb eines Schnellkrafttrainings erreicht werden (Häkkinen et al. 1985b). In Anbetracht der Ergebnisse in Abb.57t muß die Frage mit einem klaren <<Nein>> beantwortet werden. Die Kombination dreier langsamer Einheiten mit einer FR- und 6 FF-Einheiten (316) resultiert in einem Kraftanstiegsmaxima von 70% FF. Hypertrophieren die FR-Einheiten innerhalb der Kombination 361Frh und entwickeln dabei gleiche Zuckungsmaxima, wie die FF-Einheiten, so ergibt sich ein Kraftanstiegsmaxima von 63%, zwar 16% mehr als vorher, jedoch immer noch 7% weniger wie beim Modellmuskel mit hohem FF-Anteil. Ein zusätzlicher Nachteil bei dieser Trainingsart, ergibt sich aus der zu erwartenden Umwandlung von FF- in FR-Einheiten (Staron et al. 1994) und durch die querschnittsbedingte Gewichtszunahme für Sportarten, bei denen das eigene Körpergewicht beschleunigt werden muß

Eine weiter Einflußgröße für die Kraftentwicklungsrate stellt natürlich auch die Präzision und Konstanz des Rekrutierungsmusters dar. Die maximalen Kraftanstiegsraten können nur erreicht werden, wenn der Einsatz der Einheiten auf die Millisekunde genau gesteuert ist. Bei einer Verschiebung um 10 ms von der optimalen Konstellation, reduziert sich die Kraftanstiegsrate um ca. 10%, bei 20ms schon um 23% und bei 40ms um 42%. Allerdings liegt die größte Trefferquote bei einer schrittweise Verschiebung von 10 Einheiten um jeweils 2ms in 5 Verschiebungsschritten, bei ca. 96%. Sowohl die 90%, als auch die 100% der Kraftmaximas werden in den im Modell berechneten 6 bis 55 - tausend Kombinationsmöglichkeiten sehr selten erreicht (siehe Abb.57t).

Die Chance, eine hohe Kraftanstiegsrate zu erreichen, steigt mit der simultanen Rekrutierung aller an der

Kontraktion beteiligten Einheiten in einem kleinen Zeitfenster. Dies deckt sich mit den Ergebnissen der Studien von Desmedt & Godaux (1977) und Cutsem (1998). Gleichzeitig wird damit der kortikale Einfluß deutlich, da bei zentraler Ermüdung die Abstimmung des Rekrutierungsmusters nicht mehr optimal abläuft und damit der Kraftanstieg deutlich reduziert ist (siehe auch Kapitel 2.5.5).

Wenn nun aber die Kraftanstiegsrate zu Beginn einer ballistischen Kontraktion bei schnellkräftigen Athleten größer ist als bei Ausdauerathleten, welche Funktion kommt ihr innerhalb einer sportspezifischen Bewegung zu? Die Antwort liegt auf der Hand. Sie bestimmt das Kraft-Zeit-Verhalten, des für den Muskel tolerierbaren Dehnungsreizes zu jedem Zeitpunkt der exzentrischen Phase36. Zu schnelle Dehnungsgeschwindigkeiten führen entweder zu einer Kraftreduktion über die Propriozeptoren in den Sehnen und Gelenken oder zu Mikroverletzungen, wie dies unter dem Phänomen des Muskelkaters bekannt ist (Appell et al. 1992). Zu langsame Dehnungsreize nutzen nicht das mögliche Potential, mit dem Kraft bzw. Energie auf elastische Strukturen übertragen werden kann. Die optimale Gestaltung des Kraftanstiegs innerhalb einer spezifischen Bewegung zwischen den vielen Muskeln, an den innerhalb der Bewegung beteiligten Gelenken, unterliegt jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit einem gezielten Planungsprozeß, dessen Optimierung einen Lernprozeß voraussetzt. Die Einflußgrößen scheinen dabei eine Komplexität zu erreichen, die meßmethodisch bis heute nicht zu erfassen ist. Sicherlich spielen dabei jedoch auch das Körpergewicht, die Elastizität der Sehnen und die Art der Bewegung eine Rolle. Beispielsweise geht aus mehreren Studien hervor, daß größere Säugetiere eher in der Lage sind, elastische Energie in ihren Sehnen zu speichern, als leichtgewichtige (Biewener 1998). Jedoch gibt es auch Hinweise, die den Zusammenhang der Fortbewegungstechnik mit der Fähigkeit zeigen, elastische Energie zu speichern. In einem Vergleich zwischen Ratten und Springmäusen war das Verhältnis von Muskelfaser- zur Sehnenlänge bei den Springmäusen ebenso größer, wie die Speicherkapazität an elastischer Energie (Ettema 1996). Interessant ist diesbezüglich auch eine Studie an Hochspringern, bei denen neben Leistungsparametern wie Sprunghöhe, Anlaufgeschwindigkeit und Absprungzeiten, die Faserzusammensetzungen des M.vastus lateralis und des M.gastrocnemius bestimmt wurden. Während sich keine signifikanten Korrelationen zwischen dem FT-Anteil und der Sprunghöhe errechneten, ergaben sich für die Faserzusammensetzung beider Muskeln und der Absprungzeit jeweils gesicherte Zusammenhänge. Erstaunlicherweise besaßen die 19 Männer und 11 Frauen durchschnittlich nur einen FT-Faseranteil von 49% im vastus lateralis und 47% im Gastrocnemius (Tihanyi et al. 1983). Entgegen der Vorstellung, daß Athleten, die in der Lage sind aus dem Stand über 90 cm zu springen, auch einen hohen FT-Faseranteil haben, entsprecht dieser FT-Faseranteil dem, wie er auch bei Volleyballspielern gefunden wurde (Sleivert et al. 1995; Viitasalo & Komi 1978a). Da Sprinter im Durchschnitt

36 Siehe dazu Hill (1970) und die Ausführungen in Kapitel 2.5.

-2 0 2 4 6 8 1 0 1 2 1 4 1 6

58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 100 [% ]

820 - 2m s V erschiebung - 10m s B andbreite 532

316 333 361 550F rh 316F rh 280F rh 550S h 820S h

2804Frh - 4m s V erschiebung - 20m s B andbreite 8204S h

2806Frh - 6m s V erschiebung - 30m s B andbreite 8206S h

2808Frh - 8m s V erschiebung - 40m s B andbreite 8208S h

[% ]

Abb.58t Verteilung der Wahrscheinlichkeiten der Kraftanstiegsraten bei einer Verschiebung der Zuckungskurven um jeweils 2,4,6 und 8ms in 5 Verschiebungsschritten in unterschiedlichen Verteilungsvarianten der Fasertypen. Diese Kombinationen ergeben jeweils maximale Verschiebungsbreiten von 10,20,30 und 40 ms. Bei einer maximalen Verschiebungsbreite von 10ms besteht noch eine sehr große Wahrscheinlichkeit maximale Kraftanstiegsraten zu erreichen. Je größer der Verschiebungsgrad wird, um so mehr ist diese Wahrscheinlichkeit auf geringere Prozentstufen verteilt (Hering, unveröffentlicht).

weit höhere FT-Faseranteile und kürzere Bodenkontaktzeiten aufweisen, scheint eine Verbindung zwischen beiden Parametern zu bestehen. Die Bodenkontaktzeit in der Phase konstanter Geschwindigkeit von Spitzensprintern liegt zwischen 80 und 100ms (Mero et al. 1992). Die der untersuchten Hochspringern bei durchschnittlich 210 ms und die von Volleyballspielern bei ca. 300ms (Quade 1993), also ungefähr dem Doppelten bis Dreifachen. Dadurch steht dem Hochspringer und Volleyballspieler in der konzentrischen Phase wesentlich mehr Zeit zur Verfügung seine Körpermasse zu beschleunigen. Auch die exzentrische Phase ist bei volleyballspezifischen Sprungbewegungen am Netz wesentlich länger, nämlich ca. 100ms (Quade 1993). Demnach handelt es sich bei Hochspringer und Volleyballspielern nicht um eine typische kurze Dehnungs-Verkürzungs-Bewegung, sondern eher um einen Bewegungsablauf, der mit dem eines

<<Countermovement Jump>> vergleichbar ist. Diese Art der Absprungtechnik erfordert offensichtlich ebenfalls eine hohe Kraftanstiegsrate, wie die Studien von Sleivert et al. (1995) und Tihanyi et al. (1983) zeigen. Die Beziehung zwischen der Kraftanstiegsrate und dem Faserquerschnitt bei gleichzeitig relativ niederem FT-Faseranteil von 46% bei den Volleyballspielern, deutet darauf hin, daß die höheren Kraftanstiegsraten durch die Verdickung der vorhandenen FT-Einheiten verursacht ist. Eine weitere Möglichkeit die Kraftanstiegsrate zu vergrößern besteht natürlich in der Optimierung des Ca2+-Systems. Gerade bei Kontraktionen mit großem konzentrischem Anteil ist die Kraftentwicklung eher durch die Charakteristik der <<Elektromechanischen Kopplung>> bestimmt, als durch die Eigenschaften des kontraktilen Apparates (Brody 1976; Rüegg 1987)37. Demnach kann die Kraftanstiegsrate durch mehrere Faktoren beeinflußt werden, zum einen durch das Ca2+ -System und zum anderen durch den Querschnitt und die Verteilung von langsamen und schnellen Einheiten.

Welche Kombination aus den genannten Faktoren verspricht nun theoretisch die größten Kraftanstiegsraten?

Wirft man noch einmal einen Blick auf das Fasermodell in Abb.57t, so ist klar zu erkennen, daß die Verteilungskombinationen mit großem FT- und kleinem S-Faseranteil die größten Kraftanstiegsraten erzielen, vorausgesetzt, das Ca2+-System ist optimal auf die Möglichkeiten der kontraktilen Eiweiße abgestimmt. Eine Steigerung kann nur noch erfolgen, wenn der S-Faseranteil entfallen würde und lediglich die FT-Fasern zum Einsatz kämen. Dies würde in Abweichung vom normalen Rekrutierungsprinzip einen selektiven Einsatz schneller Einheiten voraussetzen und genau dieses Szenario wurde von Nardone et al. (1989) innerhalb exzentrischer Kontraktionen beschrieben. In Verbindung mit der Studie von Grabiner (1995) verdichten sich die Argumente für die These, wie sie von Enoka formuliert wurde: <<Eccentric contractions require unique activation strategies by the nervous system.>> (Enoka 1996).38