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2.7 Kraft und EMG – Parameter als indirekte Meßgrößen physiologischer Vorgänge

2.7.1 EMG - Parameter und ihr Bezug zu physiologischen Zusammenhängen

Die Kraftentfaltung von Muskelfasern, motorischen Einheiten, ganzer Muskeln oder Muskelgruppen ist immer das Produkt von Erregungsvorgängen, die sich in ihrem Ausmaß und ihrer Qualität in der Entladung der Muskelfasermembranen darstellen. Diese Entladungsvorgänge können beim lebenden Modell an der Hautoberfläche mit speziellen Elektroden gemessen und analysiert werden. Dieses als Ober-flächenelektromyographie bezeichnete Verfahren, stellt bis heute die einzige Möglichkeit dar, reflektorisch und willkürlich initiierte Erregungsabläufe qualitativ und quantitativ zu erfassen. Nachdem in den voraus-gegangenen Kapiteln die Kraftparameter, wie Maximalkraft, Kraftentwicklung, Kraftanstieg und Kontrak-tionsgeschwindigkeit in ihrem Bezug zur Muskelfaserstruktur unterschiedlicher Sportarten schon ausführlich beschrieben wurden, soll nun abschließend dies für die verschiedenen elektromyographischen Beschrei-bungsgrößen nachgeholt werden.

Unter isometrischen Bedingungen ist das Verhältnis zwischen dem integrierten EMG (IEMG), ausgedrückt in Volt∗Sekunde bzw. dem mittleren gleichgerichteten EMG über einen definierten Zeitraum, ausgedrückt in Volt mehr oder weniger linear (Milner-Brown 1975; Woods & Milner-Brown 1983, Hering et al. 1987, Gerdle 1991).

Als Ursachen für den unterschiedlichen Verlauf der Kraft-EMG Beziehung werden das Rekrutierungs- und

Frequenzverhalten der motorischen Einheiten (Basmajian & De Luca 1985), die Muskelfaserzu-sammensetzung (Woods & Bigland-Ritchie 1983), die relative Lokalisation der schnellen Einheiten in Bezug zur Elektrode (Basmajian & De Luca 1985) und die Interaktion zwischen Agonisten und Antagonisten diskutiert. Eigene Untersuchungen (unveröffentlicht) zeigen ein stark differierendes EMG/Kraft Verhalten zwischen den eingelenkigen Vasti und den Oberschenkelmuskeln, die über zwei Gelenke ziehen, nämlich dem M.rectus femoris und dem M.biceps femoris. Aufgrund der vielfältigen Einflußfaktoren ist es demnach nur dann zulässig von der Quantität des EMGs Rückschlüsse auf die Kraftentwicklung der abgeleiteten Muskeln zu ziehen, wenn für den jeweiligen Muskel die spezifische Kraft-EMG Beziehung vorliegt.

Als Anstieg des neuronalen Inputs (Neural Drive) wurde in mehreren Studien der Anstieg des IEMGs nach mehrwöchigem Training interpretiert (Häkkinen & Komi 1986; Häkkinen et al. 1985b; Thepaut-Mathieu et al.

1988). Andere Studien zeigen jedoch trotz signifikanter Kraftsteigerung keinerlei EMG-Zunahme infolge eines isometrischen (Cannon & Cafarelli 1987), konzentrischen und exzentrischen (Komi & Buskirk 1972), dynamischen (Thorstensson et al. 1976) und isometrisch und isokinetischen Krafttrainings (Behm & Sale 1993b). Auf den Zusammenhang zwischen der Muskelfaserdicke und die generelle Problematik der Interpretation des absoluten EMGs bei Wiederholungsmessungen an verschiedenen Tagen wurde bereits hingewiesen (siehe dazu Kapitel 2.7). Unter diesem Aspekt sind auch die verringerten EMG-Aktivitäten nach Immobilisation (Yue et al. 1997) zu sehen. Jedoch scheinen nach Verletzung gewisse Mechanismen für eine reduzierte Willkürinnervation der für 6-8 Wochen immobilisierten Muskeln verantwortlich zu sein, da in einer Studie von Duchateau die willkürlich zu entwickelnde Maximalkraft, gegenüber der unter tetanischer Reizung initiierten Kontraktionskraft, um 22% geringer war (Duchateau & Hainaut 1987). Eine weitere Immobilisationsstudie der selben Autoren berichtet darüber hinaus von einer Reduzierung der maximalen Entladungsfrequenz einzelner Einheiten, wobei allerdings die Entladungsfrequenz bei Beginn der Rekrutierung gegenüber der Kontrollgruppe gleich blieb (Duchateau & Hainaut 1990). Darum ist im Umkehrschluß der trainingsbedingte Einsatz eines höheren Prozentsatzes an motorischen Einheiten bzw. die Erhöhung der maximalen Entladungsfrequenz derselben nicht auszuschließen.

Muskuläre Kraftentwicklung wird durch die Rekrutierung und die Entladungsfrequenz motorischer Einheiten bestimmt. Die Entladungsfrequenzen und das Rekrutierungsverhalten einzelner Einheiten lassen sich durch Nadel- oder Drahtelektroden bestimmen (siehe dazu auch Kapitel 2.5.5). Bei gleichzeitiger Ableitung des Elektromyogramms an der Hautoberfläche, zeigen sich deutliche Zusammenhänge zwischen der zunehmenden Entladungsfrequenz rekrutierter bzw. sukzessiv rekrutierter größerer Einheiten, und dem Frequenzinhalt des Roh-EMGs, gemessen als MPF (Fuglsang-Frederiksen & Ronager 1988; Moritani & Muro 1987; Solomonow et al. 1990). Der Beitrag neuer Einheiten mit höherer Entladungsfrequenz wird dabei höher eingeschätzt, als die Frequenzerhöhung der bereits aktiven. In einer Studie am M.biceps brachii stiegen Amplitude und MPF des Oberflächen-EMGs linear mit der Kraft, während die Entladungsfrequenz anfänglich rekrutierter Einheiten ebenfalls zunahmen und durch Einheiten mit größerer Spikeamplitude ergänzt wurden (Moritani & Muro 1987). Der am M.biceps brachii gefundene lineare Zusammenhang zwischen Kraft und MPF über einen weiten Kraftbereich wird durch eine Studie am M.tibialis anterior bestätigt (Broman et al. 1985) und durch andere Untersuchungen modifiziert. So fanden Hagberg und Ericson (1982) am M.biceps brachii nur einen linearen Kraft-MPF Zusammenhang bis zu 25% MVC und Gerdle et al. (1990) einen bis zu 60%

MVC. Kein Zusammenhang zwischen Kraft und dem EMG-Frequenzspektrum konnte bei Handmuskeln festgestellt werden (Petrofsky & Lind 1980). Bei einer statischen Vorwärtsbeugung der Schulter war während der ersten 50% der Willkürkraft die MPF konstant und fiel mit der auf 100% steigenden Kraft signifikant ab (Gerdle et al. 1988a), ähnlich wie bei der Kaumuskulatur, bei der jedoch die MPF bis zu 50% MVC anwuchs (Hagberg et al. 1988). Während die unterschiedlichen Kraft-Frequenz Beziehungen zwischen verschiedenen Muskeln als Ausdruck unterschiedlicher Rekrutierungsstrategien interpretiert werden können, versagt diese Argumentation in der Erklärung von interindividuellen Differenzen am selben Muskel, wie sie von Gerdle et al.

(1990) beschrieben werden. Die Autoren erklären diese interindividuellen Unterschiede in der Kraft-MPF Beziehung mit der unterschiedlichen Faserzusammensetzung und der Verteilung schneller FT-Fasern in Bezug zur Ableitstelle an der Hautoberfläche.

Signifikante Korrelationen zwischen der Mean- bzw. Median Power Frequency und dem FT-Faseranteil wurden am M.gastrocnemius (Moritani et al. 1985) und am M. vastus lateralis (Gerdle et al. 1991; Gerdle et al. 1988b; Wretling et al. 1987) gemessen. Dies wird verständlich, wenn man berücksichtigt, daß die verschiedenen Fasertypen unterschiedlich geformte Aktionspotentiale haben. FT-Fasern besitzen gegenüber ST-Fasern eine höhere Entladungs- und Repolarisierungsfrequenz und ihr Aktionspotential ist demnach kürzer (Wallinga-De Jonge et al. 1985). Kürzere Aktionspotentiale schlagen sich folglich im hohen Frequenzband des EMG-Leistungsspektrums nieder. Da die Dauer des Aktionspotentials wiederum von der Leitgeschwindigkeit der Muskelfasermembranen abhängt, sollte auch ein Zusammenhang zwischen der Muskelfaserleitgeschwindigkeit (MFCV) und der Faserzusammensetzung bestehen. Tatsächlich fanden

Sadoyama et al. (1988) am M.vastus lateralis eine signifikanten Korrelationen zwischen der MFCV und dem FT-Faseranteil. Gleichzeitig wurden schnellere Muskelfaserleitgeschwindigkeiten bei Muskeln mit einem höheren FT-Faseranteil gemessen, wie dem M.gastrocnemius gegenüber dem M.soleus (Mortimer et al.

1970) und dem M.triceps gegenüber dem M.biceps brachii (Hering et al. 1989). Bei angeborenen Muskelerkrankungen, bei denen eine ST-Faserdominanz von 80-100% vorherrscht, ist die MFCV am M.vastus medialis gegenüber Normalpersonen signifikant geringer (Linssen et al. 1991).

Ähnlich wie bei der MPF besteht bei ansteigender Willkürinnervation ein signifikanter Zusammenhang zwischen der MFCV, gemessen an der Hautoberfläche, und der Kraftentwicklung (Broman et al. 1985;

Hering et al. 1989; Sadoyama & Masuda 1987). Dieser gleichzeitige Anstieg der Muskel-faserleitgeschwindigkeit mit der Kraftentwicklung ist eher mit der sukzessiven Rekrutierung größerer Einheiten zu erklären, als mit der Erhöhung der Leitgeschwindigkeit der selben Einheiten (Sadoyama & Masuda 1987).

Da die Einheiten mit höherer Rekrutierungsschwelle auch häufig dem FT-Typ angehören, ist nicht verwunderlich, daß sowohl ein Zusammenhang zwischen der MFCV und dem Faserdurchmesser (Arendt-Nielsen & Mills 1985; Broman et al. 1985; Roy et al. 1986), als auch zwischen der MFCV und dem FT-Faseranteil vermutet wird (Kupa et al. 1995; Sadoyama et al. 1988). Sadoyama et al. (1988) und Wretling et al. (1987) fanden keine signifikante Korrelation zwischen dem Faserdurchmesser und der Faserleitgeschwindigkeit bzw. dem Inhalt des Frequenzleistungsspektrums. Dies wurde von Kupa et al.

(1995) für den Rattensoleus und das Diaphragma bestätigt. Allerdings errechneten sich für den M.extensor digitorum longus sowohl für den Faserdurchmesser als auch für den Flächenanteil und die prozentuale Verteilung der FT-Fasern hohe statistische Zusammenhänge zu der MFCV und der Median Power Frequency. Dies spricht eher für den Einfluß des Fasertyps als für den Einfluß des Faserdurchmessers per se auf die genannten Parameter. Bestätigt wird dies durch die vergleichsweise signifikant geringere MFCV bei ST-Fasern , die einen weit größeren Faserdurchmesser aufweisen als die hypotrophierten FT-Fasern im selben Muskel (Linssen et al. 1991).

In der Studie von Kupa et al. (1995) wurden die Frequenz- und Leitparameter unter exakt kontrollierten Versuchsbedingungen gemessen. Über den versorgenden Nerv wurde der in eine Kraftmeßvorrichtung eingespannte Muskel gereizt. Die M-Wellen konnte über quer zum Faserverlauf plazierte 2-Kanalelektroden registriert und hinsichtlich der MFCV und Frequenz ausgewertet werden. Dabei erwies sich die MFCV gegenüber den Frequenzparametern als variabler und weniger assoziiert mit der Faserzusammensetzung des Muskels. Die Autoren führen dies auf den Einfluß der Elektrodenplazierung in bezug auf den Faserverlauf zurück. Das damit angesprochenes Grundproblem bei der Leitgeschwindigkeitsmessung von Muskelfasern, ist bei allen Registriermethoden gleich. Mißt eine 2-Kanal-Oberflächenelektrode die Erregung eines Muskelbereichs, in dem die Signalausbreitung, bedingt durch die Lokalisation der motorischen Endplatten, nicht nur in eine Ausbreitungsrichtung erfolgt, so wird das Ergebnis maßgeblich durch die zufällige Muskelarchitektur unterhalb der Elektrode bestimmt42. Dies zeigt sich in einer starken Abweichung der Parallelität der gleichzeitig registrierten EMG-Signale. Darum müßte theoretisch sowohl unter Reiz- als auch unter Willkürbedingungen die Ausbreitungsrichtung der Erregung konstant in einer Richtung erfolgen.

Aufgrund der inhomogenen Faserausrichtung und der oft sehr kleinen Faserlänge, ist es in der Praxis nur schwer möglich, diese Forderung zu erfüllen. Je kürzer die Fasern des abzuleitenden Muskels, desto kleiner muß der Interelektrodenabstand der Meßelektrode sein. Dies wiederum begrenzt den Erfassungsbereich der Signale und macht es technisch schwierig, die Signalausbreitung mit der nötigen Auflösegenauigkeit zu erfassen (siehe dazu auch Kapitel 2.2). Diese Überlegungen sollten bei der Interpretation der Muskelfaserleitgeschwindigkeit Berücksichtigung finden.

Ein weiterer Parameter, der in der Literatur in Zusammenhang mit der Faserzusammensetzung genannt wird, ist die elektromechanische Kopplungszeit (Electromechanical Delay, EMD). Das EMD beinhaltet die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Aktionspotentiale auf den Fasermembranen, den elektromechanischen Kopplungsprozeß und die Dehnung der serienelastischen Komponenten durch den kontraktilen Apparat (Cavanagh & Komi 1979). Alle in den genannten Prozessen enthaltenen Faktoren können das EMG beeinflussen. Von Korrelationen zwischen dem EMG und der MVC bzw. der Kraftanstiegsrate (Bell & Jacobs 1986) und zwischen EMD und dem FT-Faseranteil (Nilsson et al. 1977; Viitasalo & Komi 1981) wird berichtet.

Außerdem wird das EMD durch die Art des Kontraktionstyps (Cavanagh & Komi 1979; Norman & Komi 1979), den Gelenkwinkel (Grabiner 1986), den Krafteinsatz (Grabiner 1986; Vos et al. 1991) und das Alter und Geschlecht (Bell & Jacobs 1986; Clarkson 1978) beeinflußt. Abhängig von den Versuchsbedingungen und der Datenauswertung differieren die gemessenen Werte erheblich. Bei Willkürinnervationen, bei denen die Differenz zwischen dem Auftreten der ersten EMG-Aktivität und dem Kraftanstieg gemessen wurden, sind EMD-Werte am Quadriceps von 38ms (Viitasalo & Komi 1981; Zhou et al. 1995), 41ms (Houston et al. 1988) bekannt. Bei Bestimmung des EMD über eine Kreuzkorrelation zwischen dem zweiseitig gefilterten EMG und

42 Siehe dazu auch Roy et al. (1986)

dem Kraftverlauf ergeben sich wesentlich höhere Werte, nämlich 106ms (Vos et al.

1991) bzw. 82ms (Vos et al. 1990). Die kleinsten elektromechanischen Verzöge-rungszeiten wurden bei Reizung des ver-sorgenden Nerven registriert. Muro &

Nagata (1985) fanden am M.triceps surae beim gedehnten Muskel 9ms und beim entspannten Muskel 11ms. In einer weiteren Untersuchung unter gleichen Versuchs-bedingungen wurde für das EMD im Mittel 18.8 ms gemessen (Moritani et al. 1987).

Am M.quadriceps femoris betrug das EMD 17.2ms bei externer Reizung und 20.1ms unter Reflexbedingungen (Zhou et al. 1995).

Als Erklärung für die deutlich kürzere elek-tromechanische Kopplungszeit bei nicht will-kürlicher Reizung führen die Autoren die möglicherweise frühere Rekrutierung schnel-lerer Einheiten an. Dies scheint plausibel, da bei synchroner Reizung der Motoneurone, die schnellen Einheiten vor den langsamen zucken müßten und damit die Dehnungsgeschwindigkeit der serienelastischen Elemente von der Zuckungsgeschwindigkeit derselben bestimmt wird. Da bei normalen konzentrischen Bewegungen erst die langsamen Einheiten zum Einsatz kommen, dauert es auch länger, bis die elastischen Strukturen gespannt sind und Kraft übertragen können. Dies bestätigen auch die Ergebnisse von Cavanagh & Komi (1979), die bei exzentrischen Kontraktionen gegenüber isometrischen und konzentrischen kürzere EMDs fanden. Die Dauer des

<<Electromechanical Delays>> scheint damit in hohem Maße vom Rekrutierungs- und damit vom Innervationsverhalten beeinflußt zu sein.

2.7.2 Kraft und EMG bei Ermüdung

Während das mittlere gleichgerichtete EMG (MEMG), die Mean Power Frequency (MPF) und die Muskelfaserleitgeschwindigkeit (MFCV) im unermüdeten Zustand mit der Rekrutierung von größeren motorischen Einheiten zunehmen, verändert sich das Verhalten der Parameter unter ermüdenden Bedingungen. Ermüdungstest beinhalten meist anhaltende isometrische Kontraktionen auf verschiedenen Kraftstufen bis zu einem definierten Abbruchskriterium.

Bei anhaltender willkürlicher Maximalkontraktion fällt das MEMG mit der gemessenen Kraft ab (Bigland-Ritchie et al. 1983; Jones et al. 1979). Ab ca. 50% der MVC setzt sich dieser Rückgang weiter fort, jedoch verändert sich das EMG-Kraft-Verhältnis in dem Sinne, daß der Kraftabfall im Vergleich zum EMG-Rückgang schneller erfolgt, und damit das EMG-Kraftverhältnis ansteigt (Stephens & Taylor 1972). Bigland-Ritchie et al.

(1978) berichtet von einzelnen Personen, die mit besonderer Anstrengung bei anfänglich abnehmender Kraft erneut Maximalkraftwerte erreichen können. Dies ist mit einem übernormalen Anstieg im MEMG verbunden.

Die Autoren vermuten zentrale Ermüdungseinflüsse.

Bei submaximal anhaltender konstanter Kraftentwicklung zwischen 25 und 80% der MVC steigt das MEMG mit zunehmender Kontraktionszeit linear an (Arendt-Nielsen & Mills 1988; Häkkinen & Komi 1983b; Moritani et al. 1986; Moritani et al. 1982; Petrofsky et al. 1982; Viitasalo & Komi 1977). Dieser EMG-Anstieg ist verursacht durch die zusätzliche Rekrutierung vornehmlich von Einheiten mit großer Spikeamplitude. Moritani et al. (1986) konnte dies mit Hilfe von simultaner Ableitung des Oberflächen-EMGs und einzelner motorischer Einheiten belegen. Wird die Kontraktion über den Ermüdungspunkt hinaus weiter aufrecht erhalten, fällt das MEMG zusammen mit der Kraft ab (Arendt-Nielsen & Mills 1988; Lind & Petrofsky 1979).

In breiter Übereinstimmung mit zahlreichen Studien fällt bei anhaltenden Ermüdungskontraktionen gesunder Personen die mittlere Frequenz des Leistungsspektrums ab (z.B. Arendt-Nielsen & Mills 1988; Häkkinen &

Komi 1983b; Moritani et al. 1986; Moritani et al. 1982; Petrofsky et al. 1982; Viitasalo & Komi 1977). Als mögliche Ursachen werden die reduzierte Ausbreitungsgeschwindigkeit der Aktionspotentiale genannt, z.B.

(Arendt-Nielsen & Mills 1988; Eberstein & Beattie 1985; Krogh-Lund & Jorgensen 1993), wobei generell ein linearer Zusammenhang zwischen der Mean Power Frequency und der Muskelfaserleitgeschwindigkeit eher bei Kontraktionen über 50% MVC beschrieben werden (Arendt-Nielsen & Mills 1988; Eberstein & Beattie 1985; Sadoyama & Masuda 1987). Bei 50% ermüdender isometrischer Kontraktion sank bei 4 von 8

Physiological

MFCV Proportional Proportional Proportional

Firing statistics

Tab.12t Physiologische Ursachen und ihr Einfluß auf Frequenzparameter des EMG-Leistungsspektrums. * die Anzahl der Striche beschreiben den Grad der Beeinflussung (Hägg 1992).

Versuchspersonen die MFCV linear mit der MPF, während bei 4 die MFCV konstant blieb (Naeije & Zorn 1982). Andere Studien beschreiben einen vergleichsweise zur MFCV wesentlich ausgeprägteren Rückgang der Leistungsfrequenz (Bigland-Ritchie et al. 1981), bzw. einen nichtlinearen Zusammenhang im niederfrequenten Erregungsbereich zwischen beiden Parametern (Sadoyama & Masuda 1987; Zwarts et al.

1987). Eine mögliche Erklärung für das unterschiedliche Ermüdungsverhalten der MFCV bei maximalen und submaximalen Kontraktionen bietet die Studie von Zwarts & Arendt-Nielsen (1988). In Vergleichs-experimenten zwischen okkludierten und nicht okkludierten Mm. Vasti laterales sank die MFCV zwischen 30%-40% MVC unter Okklusion stärker, während die Muskelfaserleitgeschwindigkeit bei 10% und 20% MVC unter beiden Bedingungen leicht anstieg. Über 40% MVC fiel der MFCV-Rückgang bei größeren Kraftstufen deutlicher aus, jedoch ohne meßbare Unterschiede bei Unterbrechung der Blutzufuhr. Offensichtlich reagiert die MFCV demnach auf die lokalen Durchblutungsverhältnisse sehr sensibel und außerdem ist zwischen 20%-40% MVC mit einer zunehmenden Einschränkung der Blutzirkulation zu rechnen, die über 40%MVC zunehmend zum Stillstand kommt. Weiterhin besteht bei Ermüdung die Möglichkeit, wie schon in Kapitel 2.5.4. beschrieben, die Innervationsfrequenz bei gleichbleibender Kraftentwicklung zentralnervös zu senken.

Dieses als <<Muscle Wisdom>> beschriebene Phänomen wird lediglich bei mittlerer bis hoher Kraftbeanspruchung beobachtet (Binder-Macleod 1995). Darüber hinaus werden Erhöhungen im 20-40 Hz Band des Leistungsspektrums beobachtet, die ihre Ursachen in veränderten Entladungsabfolgen der Einheiten, bzw. der veränderten Form der Aktionspotentiale haben und möglicherweise mit der Synchronisation des Innervationsmusters einhergehen (Hägg 1992).

Bei intermittierender isometrischer oder konzentrischer Belastung führen Kontraktionswiederholungen ebenfalls zu Ermüdungserscheinungen, jedoch wird hier, im Gegensatz zu anhaltenden Kontraktionen in der Kontraktionspause der Muskel hyperämisiert. Damit kann 02 zur Muskelzelle antransportiert und die anfallenden Stoffwechselabbauprodukte abtransportiert werden. Arbeitspausen von nur 2s verlängern die Ermüdungszeit (Hagberg 1981). Die Verlängerung der MFCV in Zusammenhang mit Laktatakkumulation bei Durchblutungsstau wurde durch Mortimer et al. (1970) beschrieben. Hypoxy im Blut führt ebenfalls zu einer Reduzierung der MFCV (Gerilovsky et al. 1991). Bei Patienten mit McArdles Syndrom, bei denen eine Laktatbildung nicht möglich ist, und bei Myopatiepatienten mit einem 95–100% ST-Faseranteil, bleibt die MFCV während einer Ermüdungskontraktion konstant, während sie bei 80% und 50% ST-Anteil abfällt (Linssen et al. 1990; Linssen et al. 1991). Damit sprechen mehrere Befunde für einen direkten Einfluß der Milchsäure auf die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Aktionspotentiale auf der Muskelfasermembran, wobei die Studie von Juel (1988) verdeutlichen konnte, daß es sich dabei um die intrazelluläre Milch-säurekonzentration handelt, da der extrazelluläre pH-Wert nach ermüdender Reizung des M.soleus und des M.extensor digitorum longus (EDL) von Mäusen nicht anstieg. Dem gegenüber erholte sich der stark gesunkenen intrazelluläre pH im ähnlichen Zeitverlauf zur ermüdungsreduzierten Faserleitgeschwindigkeit.

Daneben wird eine durch Ermüdung verursachte erhöhte K+-Konzentration im interstitiellen Raum als weitere Möglichkeit für eine Verlangsamung der Erregungsausbreitung auf der Muskelfasermembran diskutiert (Bigland-Ritchie et al. 1979; Juel 1988; Kössler et al. 1989). Als mögliche Ursache für die erhöhte K+ -Konzentration kann die erhöhte intrazelluläre Ca2+-Konzentration gesehen werden, da Ca2+ auf die K+-Kanäle aktivierend wirkt (Juel 1988). Temperaturänderungen beeinflussen sowohl die MFCV, als auch die MPF (Bigland-Ritchie et al. 1981), wobei der positive Zusammenhang zwischen MPF und Temperatur zum großen Teil durch die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Muskelaktionspotentiale bedingt ist (Hägg 1992).

Zusammenfassend kann die Verlangsamung der MFCV bei gleicher Temperatur als Ursache erhöhter Laktatbildung betrachtet werden und darum scheint es auch nicht verwunderlich, daß der mittlere Frequenzinhalt des EMGs bei Willkürkontraktionen nicht in jedem Fall mit dem Abfall der Faserleitgeschwindigkeit erklärt werden kann. Gerade in der genannten Studie von Linssen et al. (1991) sank die MPF auch bei Patienten mit 100% ST-Faseranteil, bei denen die MFCV innerhalb der Ermüdungskontraktion konstant blieb. Der Einfluß von Stoffwechsel und Temperatur auf die MFCV wird besonders in der Studie von Van der Hoeven & Lange (1994) transparent. Während 50 isometrischen Kontraktionen am M. biceps brachii bei 50% MVC und 2 Sekunden Dauer, nahm die MFCV bei 6 und 8 Sekunden Pause zwischen den Kontraktionen kontinuierlich zu. Wurde die Kontraktionspause auf 4 Sekunden verkürzt, nahm die Muskelfaserleitgeschwindigkeit bei 4 von 10 Personen leicht ab. Andere zeigten konstante oder leicht ansteigenden MFCV-Werte. Die Autoren werten dieses unterschiedliche Leitgeschwindigkeitsverhalten als Ausdruck eines individuellen Laktatschwellenphänomens. Die mittlere Frequenz des Leistungsspektrums veränderte sich bei allen drei Testmodi nicht signifikant. Innerhalb der 15-minütigen Nachbelastungsphase erhöhte sich die MFCV bei allen drei Testmodi auf übernormale Werte. Dies wird vor allem mit der erhöhten Muskeltemperatur erklärt.

Wie aus den vorausgegangenen Ausführungen hervorgeht, bestehen vielfache Verbindungen zwischen der Faserzusammensetzung eines Muskels, dem Ausdauerverhalten und den verschiedenen elektromyo-graphischen Parametern. Diese Zusammenhänge wurden in zahlreichen Vergleichsstudien bestätigt. Sowohl bei konstanten submaximalen Ermüdungskontraktionen als auch bei intermittierender Belastung steigt das mittlere EMG (MEMG) bei Muskeln mit einem höheren FT-Faseranteil als Ausdruck größerer Ermüdbarkeit steiler an (Linssen et al. 1991; Moritani et al. 1982; Nilsson et al. 1977). Der MEMG Abfall bei intermittierenden maximalen isometrischen Kontraktionen ist bei Personen mit einem hohen FT-Faseranteil im M.vastus lateralis signifikant, während bei hohem ST-Anteil das MEMG nur leicht abnimmt (Komi & Tesch 1979). Dies zeigt sich auch bei dieser Untersuchung beim Vergleich von Marathonläufern mit Sprintern. Der MEMG-Abfall des M.quadriceps femoris bei Sprintern war signifikant steiler im Vergleich zu den Marathonläufern, wobei interessanterweise dieser MEMG-Rückgang hauptsächlich vom Rectuskopf ausging.

Signifikant positive Zusammenhänge zwischen dem Abfall der mittleren EMG-Leistungsfrequenz und dem FT-Faseranteil zeigen die Studien von Komi & Tesch (1979), Kupa et al. (1995), Moritani et al. (1982) und Viitasalo & Komi (1978b). Und schließlich belegen die Befunde von Bigland-Ritchie et al. (1986), Hulten et al.

(1975) und Moritani et al. (1982) die größere Ermüdungswiderstandsfähigkeit von Muskeln mit einem höherem ST-Faseranteil (siehe dazu auch Kapitel 2.4.2).

Methodik

In der vorliegenden Studie wurden 12 Marathonläufer, 12 Sportstudenten, 12 Sprinter und 12 Volleyballspieler bezüglich ihres neuromuskulären Leistungsprofils untersucht. Als Untersuchungsmodell diente das Kniegelenk, mit seinem Extensor, dem M. quadriceps femoris. Registriert wurden Kraft- und EMG - Daten bei isometrischen Kontraktionen innerhalb variierender Testanforderungen. Um eine möglichst hohe Informationsausbeute zu erreichen, wurden aus den Rohdaten über 500 Beschreibungsparameter isoliert und statistisch ausgewertet. Mit Hilfe eines eigens dafür entwickelten Analysesystems konnten die Rohdaten in zahlreichen Wiederholung automatisiert und nach unterschiedlichen Gesichtspunkten iterativ ausgewertet werden. Die Vielzahl an statistischen Daten wurden nach problemspezifischen Gesichtspunkten auf eine

In der vorliegenden Studie wurden 12 Marathonläufer, 12 Sportstudenten, 12 Sprinter und 12 Volleyballspieler bezüglich ihres neuromuskulären Leistungsprofils untersucht. Als Untersuchungsmodell diente das Kniegelenk, mit seinem Extensor, dem M. quadriceps femoris. Registriert wurden Kraft- und EMG - Daten bei isometrischen Kontraktionen innerhalb variierender Testanforderungen. Um eine möglichst hohe Informationsausbeute zu erreichen, wurden aus den Rohdaten über 500 Beschreibungsparameter isoliert und statistisch ausgewertet. Mit Hilfe eines eigens dafür entwickelten Analysesystems konnten die Rohdaten in zahlreichen Wiederholung automatisiert und nach unterschiedlichen Gesichtspunkten iterativ ausgewertet werden. Die Vielzahl an statistischen Daten wurden nach problemspezifischen Gesichtspunkten auf eine