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Trn EMGmn

5.2 Was macht den Sprinter schnell? Auf der Suche nach leistungsrelevanten Parametern

5.2.2 Faserzusammensetzung und Innervation – ST1 und ST2 im Vergleich

Die Assoziation zwischen den gedanklichen Konstrukten <<schnell>> und <<stark>> werden in Zusammenarbeit zwischen supplementärem und motorischem Kortex zu einem motorischen Entwurf verarbeitet, der durch die Skelettmuskulatur umgesetzt wird.40 Die gedankliche Verknüpfung beider Begriffe äußert sich in der Bewegungsausführung, wie in Schnellkraftversuch ST1. Die motorische Reaktion in Test ST2 ist das Ergebnis allein der Vorstellung <<schnell>>, ohne den Zusatz <<stark>>. Die Aufgabe so stark und explosiv wie möglich den Unterschenkel zu strecken, wurde von allen Versuchspersonen ähnlich interpretiert.41 Das mittlere Drehmoment betrug dabei 91% Tmax_MT mit einer mittleren Abweichung zwischen den Versuchsgruppen von ca. 1%. Die Vorstellung den Unterschenkel nur schnell zu strecken interpretierten die Versuchspersonen weitaus unterschiedlicher. Obwohl die Gruppendifferenzen des in Test ST2 erreichten Drehmoments nicht signifikant sind, fielen die Schwankungen innerhalb der Gruppen und über alle Versuchspersonen erheblich aus. Mit 23% Tmax_MT wurde bei einem Sprinter der geringste und mit 82%

bei einem Volleyballer der höchste Wert gemessen (siehe dazu Abb.1d –1). Diese offensichtlich sehr große Schwankungsbreite in der individuellen Umsetzung des Begriffs <<schnell>> macht die Interpretation der

31 In mehreren Studien wurde ein Zusammenhang zwischen dem FT-Anteil und der MFCV nachgewiesen (Sadoyama et al. 1988; Linssen et al. 1991). Siehe dazu auch Kapitel 2.7.1

32 rTTp_Trmaxr_ST2 / MFCV_25%_ST2 = 0.47**. Dies deutet möglicherweise auf einen nur kurzzeitigen Einsatz der schnellen Fasern hin. Siehe dazu auch Kapitel 5.5.2.

33 Drm ist die Zeit zwischen Beginn des Kraftabfalls bis zum Verschwinden des EMGs gemittelt für die 3 Muskelköpfe

34 rDrm / HRT_ET= 0,72***; rDrm / TTP_Trmaxr_ET = 0,85***; rDrm / TTP_Trmaxr_ST1= 0.71*** ; rDrm / TTP_Trmaxr_ST2= 0.05; N=48

35 Siehe Abb. 24e, Tafeln 16a und 20a

36 MEMGrnm beschreibt das mittlere EMG aller drei Muskelköpfe während der gesamten Entspannungsphase

37 rMEMGrnm / HRT_ET = 0.59*** ; rMEMGrnm / TTP_Trmaxr_ET = 0.588*** ; 37 rMEMGrnm / TTP_Trmaxr_ST1= 0.721***; rMEMGrnm / TTP_Trmaxr_ST2=0.31*. Da die TTP_Trmaxr keinen statistischen Zusammenhang zum Drehmoment zeigt, von wo aus die Entspannung erfolgt (Tmax_ET; Tmax_ST1;

Tmax_ST2), kann die kürzere TTP_Trmaxr in Versuch ST2 als Ausdruck einer geringeren <<neuronalen Behinderung>> interpretiert werden (Siehe dazu auch Abb. 16e und Tafel 20a).

38 Trmaxn1 steht für das Maximum des Drehmomentabfalls normalisiert am maximalen Drehmoment in ST2 (Tmax_ST2)

39 alle Korrelationskoeffizienten beziehen sich auf ein N von 37

40 Siehe dazu Kapitel 2.1

41 dies ist auch sicherlich auf die Probeversuche zurückzuführen, die mit Hilfe von <<Biofeedback>> unter der Maßgabe mindestens 90%

der isometrischen Kraft zu erreichen, vor Beginn der Tests durchgeführt wurden

Meßparameter nicht unbedingt einfach. Eine zweite Schwierigkeit steckt darin, daß <<schnell>> eigentlich mit Geschwindigkeit assoziiert wird und Geschwindigkeit nur innerhalb einer Unterschenkelbewegung und nicht wie hier unter isometrischen Bedingungen gemessen werden kann. Währe das motorische Programm unter konzentrisch isometrischen und dynamischen Bedingungen jedoch ähnlich oder gar gleich, wie dies die Untersuchungsergebnisse von Behm & Sale (1993a) bzw. Müller (1987) andeuten, so müßte sich die

<<gedankliche>> Schnelligkeit vor allem in den Kraftanstiegsparametern niederschlagen.

Wie in den Kapiteln 2.5.4 und 2.5.5 dargestellt, sind die Kraftanstiegsparameter vom Rekrutierungsverhalten der motorischen Einheiten abhängig. Je niedriger die Rekrutierungsschwelle und je höher die Entladungsfrequenz der beteiligten Einheiten zu Beginn einer ballistischen Kontraktion, desto steiler sollte der Kraftanstieg ausfallen. Dies gilt allerdings nur für Kontraktionen mit gleich großen Krafteinsätzen bzw.

Kontraktionen, die so groß sind, daß der Einsatz aller willentlich verfügbaren motorischen Einheiten gefordert ist. Krafteinsätze, unterhalb der Rekrutierungsschwelle für die großen Einheiten, müßten darum eine statistische Abhängigkeit zum Kraftanstieg zeigen, einfach deswegen, weil mit zunehmender Kraft größere

Einheiten rekrutiert werden, die im Vergleich zu den kleineren mehr Kraft innerhalb kürzerer Zeit produzieren.

Genau dies ist in Abb. 1d gut zu sehen. Die Korrelation zwischen dem in Versuch ST2 erreichten Drehmoment und dem Maximum des Drehmomentanstiegs ist für Krafteinsätze unter 60% MVC signifikant.

Für Drehmomente über 60% fehlt der statistische Zusammenhang zum Trmaxn in ST2, übrigens genauso wie dies für die beiden Parameter in Test ST1 der Fall ist. Dasselbe gilt für den Zusammenhang zwischen den Parametern Tmaxn und MTr_25%n und den Zusammenhang zwischen MTn und MTr_25%n.42 Allerdings besteht im Gegensatz zu den anderen Parameterkombinationen auch bei den Versuchen über 60% MVC zwischen der MTr_25%n_ST2 und der MTn_ST2 eine signifikante Korrelation. Da MTn der Quotient aus Kraft und Kontraktionszeit ist, steigt MTn auch dann weiter an, wenn die gleiche Kraft in kürzerer Zeit produziert wird. Dies wäre z.B. der Fall, wenn in zwei Muskeln synchron gleich viele Einheiten zum Einsatz kämen, die Einheiten eines Muskels aber die selbe Kraft schneller produzieren würden, als die des anderen. Dann wäre die von beiden Muskeln erreichte Kraft zwar gleich, der schnellere Muskel wäre aber früher mit der Kontraktion fertig. Der Parameter MTn_ST2 berücksichtigt also nicht nur die durch die Rekrutierung bedingte Größe des Drehmoments, sondern enthält vielmehr auch Information über die Anstiegssteilheit des selben. Da in Schnellkraftversuch ST2 nur MTr_25%n43 einen gesicherten Zusammenhang zum MTn_ST2 zeigt, kann davon ausgegangen werden, daß sich innerhalb der ersten 20 - 45 ms entscheidet, wie stark die Kontraktion sein wird, wie lange sie dauert, wie hoch das Kraftanstiegsmaximum ist44 und zu welchem Zeitpunkt das Kraftanstiegsmaximum auftritt45. Betrachtet man dazu Abb. 54t, so fällt die physiologische Interpretation nicht

42 Siehe dazu Abb.2d

43 MTr_25%n steht für den mittleren Kraftanstieg innerhalb der ersten 25% der Kontraktionszeit TTP_Tmax

44 Die Korrelation zwischen Trmaxn und MTr_25%n beträgt für ST1 r = 0.72*** N = 48 und für ST2 r = 0.86*** N = 46

45 Die Korrelation zwischen TTP_Trmax und MTr_25%n beträgt für ST1 r = -0.33** N = 48 und für ST2 r = -0.63*** N = 46 Correlation: r = .66540*** N = 46

Trmaxn_ST2 [%Tmax_MT / ms]

Tmaxn_ST2 [%Tmax_MT]

Tmaxn_ST2 [Tmaxn_MT] M

M

Abb.1d Korrelationen Tmaxn gegen Trmaxn von Schnellkraftversuch ST2. 1 = alle Versuchspersonen; 2 = VPs mit Tmaxn_ST2 > 60%; 3 = VPs mit Tmaxn_ST2 < 60%; M = Marathonläufer, C = Sportstudenten, S = Sprinter und V = Volleyballspieler

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schwer. Der Einsatz möglichst vieler Einheiten innerhalb der ersten 45 ms kann vor allem durch das Absenken der ballistischen Rekrutierungsschwelle erreicht werden ohne die Rekrutierungsreihenfolge der Einheiten zu verändern (Cutsem et al. 1998). Darüber hinaus berichtet Saplinskas et al. (1980) von Abweichungen vom Größenordnungsprinzip bei schnellen explosiven Bewegungen. Bei immerhin 31% der Messungen an Sprintern und bei 16% der Messungen bei Marathonläufern feuerten die größeren motorischen Einheiten vor den kleineren46.

Der Einfluß der Innervation auf den anfänglichen Kraftanstieg drückt sich in den Parameter EMGmaxnm_ST2, MEMGnm_TTPT_ST2 und MEMG_50%nm_ST2 aus47. Die positive Korrelation zwischen MTr_25%n_ST2 und QTn/EMG_25%nm_ST248 bedeutet, daß bei gleich großer Erregung mehr Kraft produziert wird. Dies könnte durch eine erhöhte CA2+-Ausschüttung geschehen, wobei die Mechanismen, die zu diesem erhöhten CA2+-Eflux führen vermutlich unterschiedlich sind. Bei den Sprintern könnte dies durch eine Erhöhung der Innervationsfrequenz und bei den Volleyballern über ein vergrößertes <<Sarkoplasmatisches Retikulum>>49 umgesetzt werden. Die signifikante Korrelation zwischen MTr_25%n_ST2 und MPF_ST250 bei den Sprintern scheint diese Spekulation zu bestätigen. Bei den Volleyballern fehlt der Zusammenhang zwischen den genannten EMG-Parametern und dem anfänglichen Kraftanstieg. Dagegen ist der Zusammenhang zu QTn/EMG_25%nm_ST2 signifikant51. Bei den Sportstudenten und Marathonläufer sind die statistischen Zusammenhänge zwischen MTr_25%n_ST2 und MEMGnm_TTPT_ST2 bzw. MEMG_50%nm_ST2 vorhanden, wobei der Zusammenhang zur <<Mean Power Frequency>> wie bei den Sprintern fehlt.

Die unterschiedliche Beziehung zwischen Innervation und Kraftanstiegsverhalten der Volleyballer gegenüber den anderen Gruppen zeigt sich auch im <<Treatment-Vergleich>> zwischen ST1 und ST2. Wie in Abb.22e zu sehen ist sind die Differenzen zwischen QTn/EMGnm für die ersten 50% der Kontraktionszeit signifikant unterschiedlich. Der Kraft-EMG-Quotient ist in Schnellkraftversuch 2 um nahezu 50% kleiner. Gleichzeitig sind die Verläufe der QTn/EMGnm_ST1 und QTn/EMGnm_ST2 verschieden. Während QTn/EMGnm_ST1 linear mit der relativierten Zeit anwächst, nimmt der Kraft-EMG- Quotient in ST2 einen exponentiellen Verlauf. Was hat dies nun mit dem Rekrutierungsverhalten zu tun?

Wie in Abb.13e gezeigt, kommt der im Zeitverlauf lineare Kraft-EMG-Quotient in ST1 dadurch zustande, daß im Verlauf der Kontraktion die Quantität der Erregung gegenüber der Kraftentwicklung verhältnismäßig mehr abnimmt. Der EMG-Verlauf erreicht bei 50% der Kontraktionszeit (TTP_Tmax) seinen Höhepunkt und fällt dann langsam bis zum Innervationsende ab. Mehr Oberflächen-EMG bedeutet mehr erregte motorische Einheiten und darum sind im 2. Viertel der Kontraktionszeit mehr Muskelfasern innerviert. Während in dieser Phase schnell und langsam zuckende Fasern gleichzeitig im Einsatz sind, müssen die schnellen Einheiten erneut erregt werden, damit sie nicht frühzeitig erschlaffen. Zur selben Zeit klingt die Erregung der langsameren Fasern ab, obwohl die Kontraktion noch im Gange ist. Aufgrund des alternierenden Einsatzes der Einheiten sinkt das MEMGmn ab, obwohl möglicherweise auf höheren Kraftstufen neue rekrutiert werden.

Darüber hinaus zeigen die gemittelten EMGs der Vergleichsgruppen in Abb. 9e nach einer anfänglichen Erregungsspitze einen welligen Verlauf. Dies könnte auf eine gewisse Innervationsrhythmik hindeuten, die besonders bei Marathonläufern und Sprintern regelmäßig ausgebildet ist. Ihren Niederschlag findet diese Innervationsrhythmik in den regelmäßig auftretenden Spitzen im Kurvenverlauf der Drehmomentsraten.

Obwohl dies eine Spekulation ist, bietet dieses Szenario gleichzeitig eine Erklärung für den Anstieg der Kraft-EMG-Kurve im Versuch ST2.52

Die EMG-Verläufe in ST2 haben die Form eines Zuckerhutes. Vorausgesetzt die Wellen bedeuten in Versuch ST1 ein An- und Abschalten von Einheiten, dann müßte man für Versuch ST2 folgern, daß die schnellen Einheiten weniger oft entladen, da die Wellen hier fehlen. Unter dieser Annahme müßte der Kraft-EMG- Quotient steigen, da die Erregung abnimmt, während die Kraftentwicklung weiter zunimmt. Und schließlich könnte man erwarten, daß die Erregungsfrequenz mit dem Abschalten der größeren Einheiten im zweiten Teil der Kontraktionszeit sinkt. Alle drei Bedingungen treffen zu53. Im Unterschied zu ST1 feuern also die größeren Einheiten in ST2 früher und mit großer Wahrscheinlichkeit nicht so oft.54

46 Siehe dazu auch Kapitel 2.5.4.

47 Die Korrelation zwischen MTr_25%n und EMGmaxnm_ST2 beträgt r = 0.36**, für MEMGnm_TTPT_ST2 r = 0.35** und für MEMG_50%nm_ST2 r = 0.39**

48 rMTr_25%n_ST2 / QTn/EMG_25%n_ST2 = 0.4**

49 Siehe dazu auch Kapitel 5.1

50 rMTr_25%n_ST2 / MPFm_ST2 = 0.62*

51 r MTr_25%n_ST2 / QTn/EMG_25%nm_ST2 = 0.72**

52 Siehe dazu Abb.9e und Abb.22e

53 Siehe dazu Abb.8e, 9e, 15e-b, 17e, 25e und 22e

54 Dies würde auch das Phänomen erklären, warum bei exzentrischen, im Vergleich zu konzentrischen Kontraktionen, sowohl weniger EMG, als auch weniger Milchsäure produziert wird. Die großen oberflächlich liegenden Einheiten produzieren vergleichsweise mehr EMG als die kleinen Einheiten. Dies macht sich im mittleren EMG über die Innervationszeit bemerkbar. Außerdem kann der Energiebedarf bei Ein- oder Doppelentladungen alaktazid gedeckt werden. Damit entsteht bei kürzerer Entladungsdauer der größeren Einheiten auch weniger Milchsäure.

Correlation: r = .114 N = 48

Abb.2d Zusammenhänge zwischen der anfänglichen Kraftanstiegsänderung und dem erreichten Drehmoment bzw. dem mittleren Drehmoment über die Kontraktionszeit. Für die Korrelationen zwischen MTr_25%n_u. Tmaxn bzw. MTn von Versuch ST1 (a – b) und ST2 (c - h) wurden die Daten nach dem Kriterium Tmaxn_ST2 < 60% MVC bzw. > 60% MVC gruppiert.

a

Dadurch wird relativ zur Kraftentfaltung mehr EMG produziert55 und gleichzeitig verkürzt sich das

<<Electromechanical Delay>> (EMD) geringfügig, da die serienelastischen Strukturen schneller gespannt werden. Beides ist im <<Treatment-Vergleich>> in den Abbildungen 22e und 24e gut zu sehen. Gleichzeitig ist zwar über den ganzen Kontraktionszeitraum gesehen, die Erregungsfrequenz in ST2 signifikant geringer, bei genauerer Betrachtung trifft dies jedoch nur für 75% der TTP_Tmax zu. Bei den ersten 25% der Kontraktionszeit ist die Erregungsfrequenz in ST2 eher höher, bis auf die der Volleyballer. Die Volleyballspieler bilden sowohl bezüglich der MPF in den ersten 25% TTP_Tmax, als auch hinsichtlich des EMDs eine Ausnahme56. Während die anderen Sportler über ein verändertes Rekrutierungsverhalten versuchen schnell zu sein, ist dieses Bemühen bei den Volleyballern nicht zu erkennen, was auch durch die fehlenden Korrelationen zwischen den Kraftanstiegsparametern und den EMG-Parametern bestätigt wird. Trotzdem erreichen sie mit Abstand die höchsten Kraftanstiegsraten. Ist auch hier die Ca2+-Ausschüttung verantwortlich, die bei Volleyballern über das SR-Volumen und bei den anderen Sportlern über die Innervationsfrequenz gesteigert wird?

Unabhängig davon wie der Ca2+-Eflux erhöht wird, die Kontraktionsgeschwindigkeit wird maßgeblich durch die MHC- und MLC-Isoformen der Muskelzellen bestimmt. Darum müßte die Kraftanstiegsrate der Sprinter erwartungsgemäß höher ausfallen. Wie die Abbildungen 7e-a und 9e darstellen, ist dies nicht der Fall. Die Kraftanstiegsraten Trmax_ST2 von Sprintern, Marathonläufern und Sportstudenten sind im Mittel gleich groß. Warum? Die Erklärung liegt auf der Hand. Marathonläufer und Sportstudenten zeigen durchschnittlich gleiche Drehmomente und gleiche Drehmomentanstiege, sowohl in Schnellkrafttest ST1 als auch in Schnellkrafttest ST257. Die Sprinter dagegen entwickelten gegenüber den Volleyballern ca. 14% und gegenüber den anderen beiden Gruppen ca. 8% weniger Drehmoment. 60% der Sprinter, 66% der Marathonläufer, 58% der Sportstudenten und 40% der Volleyballer wiesen maximale Drehmomente unter 60% MVC auf, wobei die Sprinter auch in der Gruppe unter 60%

MVC gegenüber den Volleyballern 14% und den Marathonläufern und Sportstudenten je 8% weniger Drehmoment hatten. Da, wie aus den vorausgehenden Ausführungen hervorgeht, unter 60% MVC ein starker Zusammenhang zwischen Kraftanstiegssteilheit und maximalem Drehmoment besteht, ist nicht verwunderlich, daß die Sprinter in ST2 verhältnismäßig geringe Kraftanstiegsraten produzieren.

Der Wille schnell zu kontrahieren, führt also bei den Athleten zu sehr unterschiedlichen Krafteinsätzen und als Folge davon zu unterschiedlichen Kraftanstiegen. Ähnlich zu sein, scheint allerdings bei allen Vergleichsgruppen die Länge der Kontraktions- und Innervationszeiten, wenigstens wenn man die Gruppenmittelwerte betrachtet.58 Zwar sind die Variabilitätskoeffizienten für die Kontraktions- und die Innervationszeiten um ca. 6%

geringer, doch sind 16% mittlere Abweichung bei der TTP_Tmax_ST2 immer noch relativ hoch.

55 Größere Einheiten liegen vermehrt an der Muskeloberfläche, besitzen dickere Fasern und produzieren deshalb im Vergleich zu den kleineren mehr EMG. Wenn diese Einheiten plötzlich bei niederen Kraftstufen eingesetzt werden, verschiebt sich das Kraft-EMG-Verhältnis. Siehe dazu auch Kapitel 2.7.

56 Siehe Abb.15e

57 Siehe Abb.9e

58 Siehe dazu Abb.6e-a und 12e-c

Correlation: r = .493**

Abb.3d Korrelation zwischen maximalem Drehmoment und Kontraktionszeit in Versuch ST2. a. alle VPs; b. VPs für Tmaxn

> 60%; c. VPs für Tmaxn < 60%

Correlation: r = .138 N=46

TTP_Tmax_ST2 [ms]

Konkret bedeutet dies, daß zwei Athleten dasselbe Drehmoment bei einer um 53% variierender Kontraktionszeit erbringen können und umgekehrt, bei gleicher Kontraktionszeit, ein um 57%

unterschiedliches Drehmoment zu produzieren in der Lage sind. Wie in Abb.3d zu sehen ist, existiert zwar generell ein positiver Zusammenhang zwischen maximalem Drehmoment und Kontraktionszeit. Es ist jedoch an einzelnen Beispielen ersichtlich, daß hohe Kräfte auch in kurzer Zeit zu entwickeln sind. Die Korrelation zwischen dem maximalen Drehmoment und der Kontraktionszeit wird sehr gering und damit nicht signifikant, wenn man nur die Gruppe der Sportler mit einem Krafteinsatz über 60% MVC betrachtet. Genau umgekehrt verhält es sich innerhalb der Gruppe mit einem maximalen Drehmoment unter 60% Tmax_MT. Hier nimmt die Korrelation zu. Die Wahrscheinlichkeit, daß ein Athlet die Begrifflichkeit <<schnell>> mit hohem Krafteinsatz umsetzt ist geringer, als die Wahrscheinlichkeit, daß dies eher mit geringerem Drehmoment geschieht. Bei Betrachtung der Sportartenverteilung innerhalb der Gruppe mit einer Kontraktionszeit von 120ms und kleiner sind 44% Sprinter, 31% Volleyballer, 19% Sportstudenten und 6% Marathonläufer vertreten. Der überwiegende Teil, nämlich 75% derer, bei denen die Innervation sehr kurz ist, stellen die Volleyballer zusammen mit den Sprintern. Da die Variabilität auch bei diesen kurzen Kontraktionen sehr hoch ist, kann die Ursache dafür sicherlich nicht auf physiologische Zusammenhänge zurückgeführt werden, sondern vielmehr auf qualitative Prozesse im kortikalen Bereich.

Die Kraftanstiegsraten sind, um das bisheriger Kapitel kurz zusammenzufassen, von verschiedenen Faktoren abhängig. Erstens wird durch die individuelle Ínterpretation der Aufgabenstellung der Krafteinsatz und die Kontraktionsdauer unterschiedlich gewählt. Dies wirkt sich unmittelbar auf die Kraftanstiegsraten aus. Die Tatsache, daß 64% der Sprinter einen Krafteinsatz unter 60% Tmax_MT wählten erklärt zum großen Teil die im Gruppenmittel unerwartet kleine Kraftanstiegsrate. Ob der Kraftanstieg allerdings bei vergleichbaren Kraftbedingungen gleich oder größer als bei den Volleyballspielern ausgefallen wäre, ist zu bezweifeln. Darum stellt sich auch in Schnellkraftversuch 2 die Frage, warum sich der vermutlich hohe Anteil an Typ II Fasern der Sprinter nicht im Kraftanstieg deutlicher bemerkbar macht. Trotz Senkung der Rekrutierungsschwelle ist es für die Sprinter bei den isometrisch ballistischen Kontraktionen nicht möglich ihren hohen Anteil an schnell zuckenden Typ II Fasern zur Geltung zu bringen. Bei diesem Kontraktionstyp scheint vielmehr eine andere Strategie zu höheren Kraftanstiegen zu führen. Die Sonderrolle der Volleyballer bezüglich des Innervationsverhaltens deutet wie bei Schnellkraftversuch I auf die dominierenden Rolle des Ca2+-Systems hin.

Während die Zeit bis zum Erreichen des Kraftabfallmaximums TTP_Trmaxr in ST1, ST2 und ET sowohl signifikante Zusammenhänge zur 100m-Zeit zeigt, als auch statistisch gesicherte Zusammenhänge zu Parametern, die in einem engen Zusammenhang mit der Faserstruktur stehen, ergibt der Zusammenhang zwischen den Kraftanstiegsraten und der 100m-Zeit in der Gruppe aller Versuchspersonen keine signifikante Korrelation. Dies ist um so verwunderlicher, als zwischen der Muskelfaserleitgeschwindigkeit (MFCV) und der TTP_Trmaxr in ST1, ST2 und ET enge Zusammenhänge bestehen und die MFCV bei 40% langsamer Kontraktion über alle Versuchspersonen gesehen auch zur 100m-Bestzeit signifikant korreliert.59 Wie läßt sich dieses Paradoxon auflösen?

5.2.3 Faserzusammensetzung und Kraftanstiegsrate – die Rolle der Dehnungskontraktion Sprinter besitzen viele Typ II Fasern. Die Zuckungseigenschaften ihrer Fasern zeigen sich aber weder in der Zeit bis zum Erreichen des maximalen Kraftanstiegs, noch im Kraftanstiegsmaximum. Nur die Volleyballer zeigen gegenüber den Marathonläufern und Sportstudenten vergrößerte Kraftanstiegsmaxima. Auch die Annahme, Sprinter bräuchten gar keinen so großen und schnellen Kraftanstieg wie die Volleyballer, provoziert sofort die Frage, warum man sowohl beim Gepard, als auch bei seinen menschlichen Kollegen, prozentual so viele dieser MHC IIA bzw. MHC IID/X Fasern im M.vastus lateralis findet, mehr jedenfalls, als bei Volleyballspieler, wie in der Fachliteratur nachzulesen ist.60

Vielleicht läßt sich das Rätsel dadurch lösen, indem man sich überlegt, durch welche Reize Transformationsprozesse zwischen den Muskelfasertypen ausgelöst werden und welche Funktion die Zuckungsgeschwindigkeit der Fasertypen innerhalb der sprintspezifischen Bewegungen haben?

Sprinter, die unter 11s auf 100m laufen, haben Bodenkontaktzeiten von ca. 100ms (Mero et al. 1992). Die Bodenkontaktzeit bei Sprüngen zum Angriffsschlag von Volleyballern beträgt ca. 300ms (Quade 1993).

Zwischen Bodenkontaktzeit und Faserzusammensetzung bei Hochspringern besteht eine signifikante Beziehung (Tihanyi et al. 1983). In Reizversuchen am M.extensor digitorum longus, einem eher schnellen

59 Damit sind vor allem die MFCV und die Latenzzeit gemeint. Beide Parameter ergeben sowohl bei der Korrelation, als auch innerhalb der groß-klein Gruppierung Verknüpfungen zur TTP_Trmaxr in Versuchsmodus ET und vor allem ST2.Siehe zu diesen Ausführungen die Tafeln 2e, 8e und 9e.

60 Siehe dazu Tab. 7

Muskel, initiieren Impulsmuster von 300ms Länge und 150Hz Reizfrequenz zwar keine Verlängerung der Kontraktionszeit, jedoch eine Verlängerung der Kontraktionsgeschwindigkeit (Gundersen & Eken 1992). Wie Hämälainen & Pette (1996) am Rattensoleus zeigten, können MHC IIA in MHC IID/X und MHC IID/X in MHC IIB mit Hilfe von Innervationsereignissen von 166ms Länge, 15-minütiger Intervallpause und 150Hz Reizfrequenz, umgewandelt werden. Gibt man den selben Reiz mit einer Länge von 300ms, so verlängert sich

Muskel, initiieren Impulsmuster von 300ms Länge und 150Hz Reizfrequenz zwar keine Verlängerung der Kontraktionszeit, jedoch eine Verlängerung der Kontraktionsgeschwindigkeit (Gundersen & Eken 1992). Wie Hämälainen & Pette (1996) am Rattensoleus zeigten, können MHC IIA in MHC IID/X und MHC IID/X in MHC IIB mit Hilfe von Innervationsereignissen von 166ms Länge, 15-minütiger Intervallpause und 150Hz Reizfrequenz, umgewandelt werden. Gibt man den selben Reiz mit einer Länge von 300ms, so verlängert sich