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Kapitel 3: A/T-Gebrauch im Vergleich 3.1 Tempusvorkommen

4.3 Regeln des A/T-Gebrauchs

In den vorangegangenen Abschnitten haben wir uns mit der großen Rolle der deiktischen Ebene, insbesondere des D-Präteritums und mit den Er- scheinungsformen narrativer Elemente in der TS Nachricht beschäftigt.

Im folgenden soll nun untersucht werden, ob einige Regeln im A/T-Ge- brauch der Nachrichtentexte zu erkennen sind, nach denen man Wahrschein- lichkeiten der Verwendung bestimmter A/T-Funktionen ableiten kann.

Wir wollen uns dazu einige Fragen stellen:

1. Hat die Textlänge einen Einfluß auf den Gebrauch bestimmter A/T- Funktionen, d.h. gilt die Regel: Je länger der Text, desto größer ist die Wahr- scheinlichkeit, auf Narration zu stoßen?

2. Das D-Präteritum bildet mit 40% aller Verbformen die größte konstitu- ierende Einheit in der Nachricht. Ist das D-Präteritum für jede Nachricht obli- gatorisch?

3. Spiegelt sich die Wichtigkeit des D-Präteritums in Plazierungstendenzen im konkreten Text wieder?

4.3.1 Narration

Wie bereits erwähnt, enthält das Korpus 90 Texte, davon 20 Meldungen / Kurznachrichten bis zu 10 Zeilen, 40 Texte bis zu 20 Zeilen und 30 Texte bis zu 40 Zeilen (s. Abschnitt 2.1). Von den Meldungen enthält nur eine eine nar- rative Zelle, Narration kommt also gewöhnlich erst bei einer Textlänge von etwa 10 Zeilen vor.

Die Zeilenzahl kann nur ein grobes, ungefähres Einstufungsmaß sein, da ja in jeder Zeitung und auch innerhalb einer Zeitung die Spaltenbreite vari- iert. Als Faustregel erhält man aber aus den Mittelwerten von Textlänge und

Es könnte sich hier die Frage ergeben, ob man diese Verbformen überhaupt als narrativ einstufen sollte. Da es sich aber nur um Einzelfalle handelt, ergäbe eine andere Einord-• « nung im Gesamtergebnis ohnehin keine Änderung.

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Verbform Vorkommen (token): drei Zeilen - eine Verbform. Ein Text mit 20 Zeien enthält also in der Regel sechs bis sieben A/T-Formen (token)40.

Unsere erste Frage, ob die Wahrscheinlichkeit, Narration im Text zu fin- den, mit zunehmender Länge eines Textes steigt, muß man bejahen, allerdings mit einigen Modifikationen.

1. Eine Regel ״ Doppelte Textlänge = doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit für Narration“ trifft nicht zu. Die Wahrscheinlichkeit, in Texten bis zu 40 Zeilen Narration zu finden ist nur 1,5 mal so groß wie in Texten bis zu 20 Zeilen und nicht doppelt so groß.

2. Die Länge des Textes hat keinen Einfluß auf den Narrationstyp. Narra- tive Zellen, Einschübe und Kurznarrationen kommen in beiden Gruppen glei- chermaßen vor.

Die Textlänge gibt uns also wenig Aufschluß über das Vorkommen von Narration in Nachrichten. Wir können aber eine andere Aussage zum Narra- tionsgebrauch treffen.

Narration kommt in jeder vierten Nachricht vor. Wenn Narration in einem Text erscheint, so geschieht das mit 50-prozentiger Wahrschein- lichkeit bereits in der ersten und / oder zweiten Verbform des Textes (N- Prät bzw. AdvPart), und zwar unabhängig von der Textlänge.__________

Auch dieses Ergebnis tritt der intuitiven Vorstellung von Nachrichtentexten entgegen, nach der man hätte annehmen können, daß Narrationen nicht gleich am Textbeginn eingesetzt werden.

4.3.2 Deiktisches Präteritum

Bei der großen Rolle, die das D-Präteritum in der TS Nachricht spielt, liegt die Vermutung nahe, in jedem Text dieser Textsorte sei seine Verwendung obligatorisch.

Tatsächlich verhält es sich aber so, daß in 10 Prozent der Korpustexte überhaupt kein Präteritum vorliegt. Diese Texte gehören alle zu der Gruppe der Texte bis zu 20 Zeilen, einschließlich der Meldungen, d.h. längere Texte kommen ohne deiktisches Präteritum nicht aus.

Daß es Texte ohne D-Präteritum gibt (der Großteil dieser Texte enthält sogar ausschließlich Präsensformen, mit denen auf eine allgemeine

Entwick-6 0 Te il 2: Na c h r ic h t, Be r i c h t, Re t o r ta g e

Die folgenden Berechnungen zur Wahrscheinlichkeit des Auftretens bestimmter Funk- tionen habe ich doppelt vorgenommen: erstens anhand der Zeilenzahl und zweitens an- hand der Verbformanzahl der Texte. Bei beiden Auszählungen bin ich immer zu densel- ben Ergebnissen gekommen, so daß die Faustregel, wenn auch nicht in jedem einzelnen Text, so doch insgesamt zutrifft.

61 Ka p it e l 4: A /T -Ge b r a u c h in d e r T S Na c h r ic h t

lung oder Lage referiert wird), liegt daran, daß Nachrichten nicht nur Mittei- lungen über Vergangenes wiedergeben, sondern auch über die gegenwärtige Situation oder bevorstehende, zu erwartende Ereignisse.

Beispiele:

М И Л Л И О Н ЕРО В В К И Т А Е С ТА Н О В И Т С Я БО Л ЬШ Е

В Китае 5 тысяч частных предприятий, у каждого из которых вложенный капитал составляет более 1 миллиона юаней.

Таков результат обследования, проведенного Госсоветом Китая. Больш е всего миллионеров в южном городе Гуанчжоу, который по глубине и смелости эконо- мических преобразований лидирует в стране. Всего в Китае 150 тысяч частных предприятий [частным считается предприятие, на котором трудится свыше 8 на- емных рабочих]. Общая сумма их активов - 13 миллиардов юаней. (N38)

О Б О Т К Р Ы Т И И Ч Е Т В Е Р Т О Г О С Ъ Е З Д А Н А Р О Д Н Ы Х Д Е П У Т А Т О В РСФСР

О ткры тие четвертого Съезда народных депутатов РСФСР С о с т о и т с я 21 мая 1991 года в 10 часов утра в Большом Кремлевском дворце. (N88)

Längere Texte (bis 40 Zeilen) geben noch genauere Informationen zu den Geschehnissen, und dabei läßt sich die Referenz auf vergangene Ereignisse nicht vermeiden.

Neben den Texten ohne D-Präteritum (10%) gibt es aber auch Nachrich- ten (Meldungen und Texte bis 20 Zeilen), in denen ausschließlich D-Präteri- tumformen verwendet werden (12%), so daß sich hier eine Art Ausgleich zeigt.

Zum letzten Punkt, den Plazierungstendenzen des D-Präteritums, lassen sich folgende Feststellungen treffen:

3/4 aller Texte haben ein D-Präteritum als erste oder zweite Verbform.

2/3 aller Texte weisen ein D-Präteritum als erste Verbform auf. Wenn die erste Verbform ein D-Präteritum ist, beträgt die Wahrscheinlichkeit, daß die zweite Form ebenfalls ein D-Präteritum ist, 50 Prozent.

Unabhängig von der zweiten Form gilt:

Wenn die erste Form ein D-Prät ist, beträgt die Wahrscheinlichkeit, daß auch die dritte Form ein D-Prät ist, ebenfalls 50 Prozent:

1. Form D-Prät (66%)

2. Form

3. Form

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Aus den Untersuchungsergebnissen geht hervor, daß am Textanfang bevorzugt das deiktische Präteritum plaziert wird, die für die TS Nachricht insgesamt wichtigste A/T-Funktion.

Dieses entspricht dem Aufbauprinzip der Nachricht, das Wichtigste zuerst zu nennen, was in den meisten Fällen vergangene Ereignisse sind, die zum Sprechzeitpunkt noch relevant sind.