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Weitere Komponenten der Analyse

Kapitel 4: Durchführung der A/T-Analyse 4.1 Redetypen

4.4 Weitere Komponenten der Analyse

Kommen wir noch einmal zurück auf die Klassifizierung von erzählenden und beschreibenden Textpassagen. Per Default werden die Beschreibungen im Prä- teritum ja als narrativ gewertet.

Bei der Analyse hat sich dieser Default als sehr geeignet erwiesen, da es in den untersuchten Texten keine längeren nur beschreibenden Textstellen im Präteritum gibt. Vielmehr ,fusionieren‘ Beschreibung und Erzählung im Prä- teritum zu einer größeren Einheit, so daß man in einer erzählenden Passage bei im Präteritum eingeschobenen Beschreibungen in der Lesehaltung ״ Narra- tion“ bleiben kann. Auch wenn eine kurze Beschreibung einer Narration vorangestellt ist, so ,paßt‘ sie inhaltlich immer zu ihr, und der Narrations- Default ist gerechtfertigt.

Anders sieht es aus, wenn eine Narration im Präteritum vorliegt, aber eine Beschreibung z.B. des Ortes, an dem sich die erzählte Begebenheit abge- spielt hat, oder Argumentationen im Präsens eingeschoben werden. Dann wer- den diese ipf. Präsensformen (per Deixis-Default wg. Tempuswechsel) als deiktisch eingestuft.

Bei narrativen Textteilen im Historischen Präsens bin ich analog vorge- gangen:

Wenn ein beschreibender Satz zu einer Erzählung gehört, so werte ich ihn als narrativ. Andere Einschübe, die eher Erläuterungen der geschilderten Abläufe bzw. allgemeine Überlegungen darstellen, also nicht unbedingt unmittelbar zur Erzählung gehören, gelten als deiktisch, z.B.

(...) Минѵем (Hist. Präsens) подряд два тоннеля и попадаем (Hist. Präsens) на тер- ритории Грузии. На горе старая крепость, построенная еще в прошлых веках,- бывшая казачья таможня. Крепчайшие стены, замечательная, строгая и суровая архитектура. Делалось (ipf. D-Prät) на века, века и Апростоит (pf. D-Präs), если не вмешается (ipf. D-Präs) современный реформатор-рукосуй. Рядом со старой таможней руины сооружения нашего времени - памятника грузинским

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36 Te il I : Gr u n d l a g e n

телям, ушившимся в России. Даже по обломкам можно судить о колоссальных масштабах скульптурной композиции.

На грузинском посту нас встречают (Hist. Präsens, Fortführung der Narration) не- бритые парни [...] (aus R I)

Aus dem Beispieltext geht außerdem hervor, daß ich in der vorliegenden Untersuchung nicht alle Tempus- und nicht alle Aspektvorkommen analysiere, sondern nur die Verbalformen mit Aspekt und Tempus und zusätzlich die Adverbialpartizipien, da sie durch ihre Zugehörigkeit zum taxischen Register im Präteritum auf Narrationen hinweisen können.

Im einzelnen aufgeführt zählen zu den A/T-Formen:

pf. Präteritum Aktiv (pf. Prät)

Partizip Präteritum Passiv ohne Copula (PartPerf) Partizip Präteritum Passiv mit Copula (PartPrät)

(da die beiden Subtypen des Partizips zur Unterscheidung von deikti- sehen und narrativen Relationen beitragen, werden sie getrennt aufgeführt; im ipf. Präteritum gibt es keine Klassifizierungsmöglichkeit dieser Art anhand der Formen, daher werden Aktiv und Passiv in einer Gruppe zusammen- gefaßt:)

ipf. Präteritum Aktiv/Passiv (ipf. Prät) ipf. Präsens (ipf. Präs)

pf. Präsens Aktiv/Passiv (Partizip=PartFut) ipf. Futur

Nicht analysiert werden:

Infinitive; Imperative; Konjunktive; Tempusformen von быть; Konstruktio- nen mit должен, надо, нужно, можно; attributiv gebrauchte Partizipien (чи- тающий студент, проданная книга).

In jedem Text werden alle vorkommenden oben genannten A/T-Formen (token, gesamt: über 5300) auf ihre Funktion / Bedeutung (type) hin ana- lysiert.

Für Nebensätze gilt der Default: Bei gleichem Tempus wie im überge- ordneten Hauptsatz wird die dort angesetzte Klassifizierung übernommen, Ausnahme: Inhaltssätze nach verba dicendi. Bei zitierter Rede, ob indirekter oder direkter, kann es sich entweder um Narrationen oder um Aussagen be- zogen auf ihren ursprünglichen Sprechzeitpunkt handeln. Im letzteren Fall wird vom Leser der Kontext selbst als deiktische Origo aufgefaßt, anders ge- sagt, ״der Sprechzeitpunkt uminterpretiert“ (Dittmann 1976, 139; vgl. auch Bondarko 1971, 115). Hier spreche ich von relativ-deiktischem A/T-Gebrauch und bewerte ihn als Untergruppe des deiktischen A/T-Gebrauchs.

37 Ka p it e l 4: Du r c h f ü h r u n g d e r a/T -An a l y s e n

Dies ist ohne weiteres möglich, da in der russischen indirekten Rede Aspekt und Tempus der Prädikate der ursprünglichen direkten Rede übemom- men werden und nur die Person ggf. geändert wird, z.B.

Антон сказал мне: «Я прилѵ (pf. Präsens) к вам в среду.»

Антон сказал мне, что он придет (pf. Präsens) к нам в среду.

Die folgenden Analyseteile enthalten u.a. Abbildungen, die - um einen ersten Eindruck vom A/T-Gebrauch zu vermitteln - nur das Tempus Vorkommen der jeweiligen Textsorte zeigen. Dabei werden für das Präteritum das ipf. und pf.

Präteritum mit PartPerf und PartPrät in allen Funktionen zusammengerechnet, beim Präsens wird das ipf. Präsens, beim Futur das ipf. Futur, das PartFut und das pf. Präsens in allen Bedeutungen aufgeführt (die AdvPart treten ge- sondert auf). Zuordnungen zu deiktischen, narrativen, plusquamperfektischen oder modalen Bedeutungen sind in diesen Abbildungen noch nicht enthalten, sie folgen in weiteren Abbildungen, Tabellen und Textkommentaren mit Textbeispielen. Dabei kommen zuweilen folgende Abkürzungen vor:

D-Prät / N-Prät für deiktisches / narratives Präteritum Hist. Präs, N-Präs für Historisches (narratives) Präsens

konkr-fkt, allg-fkt, progr, stat, iter für die Bedeutungen, z.B. ipf. N- Präsprogr für Historisches Präsens in progressiver (episodischer) Bedeutung

AdvPart= für ipf. Adverbialpartizip, das Gleichzeitigkeit zu / AdvPart>

für pf. Adverbialpartizip, das Vorzeitigkeit zu der syntaktisch übergeordneten aktionalen Situation ausdrückt

Plu für Plusquamperfekt

Das Symbol д dient in den Beispielen als Lesehilfe und kennzeichnet pf. Präteritum und pf. Präsens.

Bei der Berechnung der prozentualen Anteile einzelner A^-Bedeutungen werden pro Textsorte mehrere Klassen gebildet, wobei einerseits so viele Informationen über die Textsorte wie möglich erkennbar, andererseits aber die relevanten Bedeutungen von den selten auftretenden abgehoben sein sol- len. Daher wird bei denjenigen Bedeutungen, deren Anteil weniger als 5%

ausmachen, die Prozentzahl nicht mehr berechnet. Auf diese Weise kann auch die Faustregel der Statistik zur maximalen Klassenzahl (kmax) eingehalten werden: kmax = 1 + logN : log2 = 1 + 3,322 x logN (N=Anzahl der unter- suchten Elemente) (vgl. Streck 1991, 56).

Für die meisten untersuchten Textsorten sind danach maximal zehn Klas- sen erlaubt, für die Textsorten Bericht, Reportage und Erzählung elf, für die Berechnung der durchschnittlichen TS-Werte dreizehn. Beispiel TS Nach­

Te il l : Gr u n d l a g e n

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rieht: pf. D- u. N-Prät, ipf. Prät, ipf. D-Präs ״progr.“ u. ״Stativ“, pf. Präs

״deiktisch“ u. ״ modal“, AdvPart und Restwerte.

Abschließend sei noch darauf hingewiesen, daß ich die Ausdrücke ״ Spre- eher, Hörer, Autor, Leser, Produzent, Rezipient“ als unmarkierte Begriffe be- nutze, d.h. daß sie sowohl auf Männer als auch auf Frauen referieren, ich ver- zichte aber auf die doppelte Nennung ״der / die Sprecher/in“ usw.

t e i l II : Na c h r i c h t, Be r i c h t, Re p o r t a g e

Kapitel 1: Einführung