3.2 Quantifizierung der Zu-‐ und Rückwanderung in den ländlichen Raum der Schweiz: Tabellen
Als Zuwanderer in den ländlichen Raum werden sämtliche Personen gezählt, die 1995 in einer Ag-‐
glomeration wohnten und 2000 in einer ländlichen Gemeinde. Untersucht wurden nur Wanderungs-‐
bewegungen von Personen über 25 Jahren, welche in Personenhaushalten wohnen. Damit Binnen-‐
wanderungsströme untersucht werden können, muss ausserdem der Wohnort 1995 in einer bekannten Schweizer Gemeinde liegen. Dies reduziert die total 7‘288‘010 erfassten Personen der Volkszählung 2000 auf 4‘519‘302 analysierbare Personen. Diese Personen sind mind. 25 Jahre alt, wohnten im Jahr 2000 in einem Personenhaushalt, 1995 in einer bekannten Schweizer Gemeinde und bei Geburt ebenfalls in einer bekannten Schweizer Gemeinde oder im Ausland. Weil ein Ver-‐
gleich der Wohnorte im Jahr 2000 und 1995 stattfindet um Binnenwanderungsströme zu analysieren, waren 25jährige Personen im Jahr 1995 folglich 20 Jahre alt. Dass Personen unter 20 Jahren bereits über «ausreichende» Möglichkeiten verfügen ihren Wohnort möglichst nach den eigenen persönli-‐
chen Präferenzen zu wählen, ist eher unwahrscheinlich (z.B. wegen starken finanziellen Einschrän-‐
kungen, noch nicht abgeschlossenen Ausbildungen etc.). Personen in Kollektivhaushalten wurden in dieser Untersuchung auch nicht berücksichtigt, weil hier ebenfalls von einer eingeschränkten Wahl-‐
freiheit des Wohnortes auszugehen ist. Zu den Kollektivhaushalten werden z.B. Strafanstalten, Stu-‐
dentenwohnheime, Spitäler, Alters-‐ und Pflegeheime etc. gezählt (vgl. BFS 2005). Wann genau die Migration an den aktuellen Wohnstandort stattgefunden hat, kann nicht gesagt werden: Sicher ist nur, dass diese im Zeitraum von 1995 bis 2000 stattgefunden hat. Ob in diesem Zeitraum von einer Person mehrere Wohnortswechsel vorgenommen wurden, kann ebenfalls nicht gesagt werden, weil in der Volkszählung lediglich der aktuelle Wohnort und der Wohnort 1995 abgefragt wurde.
3 Folgende acht Gemeinden sind alpine Tourismuszentren innerhalb von Agglomerationen: Celerina/
Schlarigna, Pontresina, St. Moritz, Sils im Engadin/Segl, Silvaplana, Davos, Chermignon, Montana
In Tabelle 2 wird zusammengefasst, welche Binnenwanderungen zwischen den Raumkategorien Agglomerationen und ländlicher Raum zwischen 1995 und 2000 stattfanden. Die nachfolgenden Tabellen geben einen Überblick über die zentrale Wanderungsmasse, welche für die Analyse der Zu-‐
und Rückwanderung in den ländlichen Raum relevant sind. Eine Übersicht über sämtliche Binnenmig-‐
rationsbewegungen zwischen den einzelnen Raumkategorien gemäss ARE (2000) findet sich im Anhang (6.1).
Tabelle 2: Unterscheidung verschiedener Binnenmigrationstypen zwischen Agglomerationen und ländlichem Raum.
Migrationstypen Anzahl Anteil an
Die Unterscheidung zwischen Neuzuzügern und Rückwanderern in den ländlichen Raum findet an-‐
hand der Reisezeiten mit dem MIV zwischen Wohnort 2000 und Geburtsort statt (vgl. Rückwande-‐
rungsdefinition: Abbildung 1 und Tabelle 1). In Abbildung 2 ist dargestellt, wie weit die Rückwanderer tatsächlich von ihrem Geburtsort entfernt wohnen. Über 50 Prozent der Rückwanderer ziehen in die eigene Geburtsgemeinde zurück. Die Häufigkeit der Rückwanderer nimmt mit zunehmender Reise-‐
zeit zu der Geburtsgemeinde ab. Eine Ausnahme bildet die Kategorie «max. 5 Minuten» Dies ist darauf zurückzuführen, dass es kaum Gemeinden gibt, die näher als 5 Minuten von einer anderen Gemeinde entfernt liegen: Es ist also kaum möglich, überhaupt in eine Gemeinde zurückzuziehen, die max. 5 Minuten von einer anderen Gemeinde entfernt ist. Die Kategorie «über 20 Minuten» beinhal-‐
tet diejenigen Personen, welche zwar weiter als 20 Minuten mit dem MIV von ihrem Geburtsort, aber trotzdem näher als 10 km Luftdistanz vom Geburtsort wohnen.
In nachfolgenden Tabellen wird dargestellt, wie sich die Bevölkerung in den einzelnen Raumkatego-‐
rien gemäss ARE aufgrund von Binnenmigrationsströmen verändert hat. Die Migrationsströme bezie-‐
hen sich auf den Zeitraum 1995 bis 2000, wobei nur Personen die im Jahr 2000 25 Jahre alt oder älter waren, berücksichtigt sind. Bei der Betrachtung von Binnenwanderungsbewegungen ist zu beachten, dass bei der Volkszählung 2000 in einigen Gemeinden einzelne Personen keine Angaben zum Woh-‐
nort 1995 und Geburtsort gemacht haben. Je nachdem, wie hoch dieser Anteil Personen mit fehlen-‐
den Angaben in den Gemeinden ist, bestehen Unsicherheiten zum Migrationsverhalten dieser Perso-‐
nen. Es ist unklar, ob diese Personen bereits 1995 in dieser Gemeinde gewohnt haben oder zugezogen sind. Das heisst, dass für Gemeinden mit hohem Anteil dieser Personen die Zahlen zur Binnenwanderung mit Vorsicht zu interpretieren sind, da nur die Personen ausgewertet wurden, welche korrekte Angaben zum Wohnort 1995 und Geburtsort machten. Werden Resultate zu Bin-‐
nenwanderungsströmen auf aggregierter Ebene (z.B. MS-‐Regionen, Raumkategorien gemäss ARE) ausgewiesen, verkleinern sich diese Unsicherheiten4.
4 Insgesamt haben 5,9% der Personen ab 25 keine Angabe zum Wohnort 1995 oder Geburtsort gemacht. Die Anteile auf Ebene der Gemeinde schwanken zwischen 0% und 99%, wobei von 2896 Gemeinden 122 einen Anteil von über 10% aufweisen, von diesen 122 Gemeinden haben wiederum 5 einen Anteil von über 30%. In diesen 5 Gemeinden wohnten bei der Volkszählung 2000 insgesamt 1195 Personen. Auf Ebene der MS-‐
Regionen reduzieren sich die Anteile der Personen mit fehlenden Angaben zum Wohnort 1995 oder Geburts-‐
ort auf den Bereich zwischen 1,5% und 12,5% je MS-‐Region.
Abbildung 2: Reisezeit Geburtsort – Wohnort 2000 in Minuten mit dem MIV der Rückwanderer.
Tabelle 3: Binnenwanderungsströme nach Raumtypologie ARE in 10 Klassen: absolute Zahlen.
Einwohner
2000
Einwohner 1995
Abwanderung Zuwanderung Netto-‐
wanderung
Agglomerationen 3'332'580 3'333'588 658'311 657'303 -‐1'008
Periurban (Err. +) 340'890 338'787 64'828 66'931 2'103
Periurban (Err. 0) 486'579 480'651 87'734 93'662 5'928
Periurban (Err. -‐) 49'026 49'068 9'653 9'611 -‐42
Periurbane Zentren 98'298 99'428 15'852 14'722 -‐1'130
Alpine Tourismuszentren 38'451 41'194 7'361 4'618 -‐2'743
Periphere Zentren 17'603 17'628 2'815 2'790 -‐25
Periphere Kleinzentren 51'987 53'265 8'018 6'740 -‐1'278
Peripherer Raum 69'674 71'071 10'494 9'097 -‐1'397
Peripherer bevölkerungsarmer Raum
34'214 34'622 5'156 4'748 -‐408
Gesamt 4'519'302 4'519'302 870'222 870'222 0
Tabelle 4: Wanderungsziffern je 100 Einwohner im Jahr 2000 nach Raumtypologie ARE in 10 Klassen.
Anzahl Wanderer je 100 EW im Jahr 2000
Abwanderung Zuwanderung Nettowanderung
Agglomerationen 19,8 19,7 0,0
Periurban (Err. +) 19,0 19,6 0,6
Periurban (Err. 0) 18,0 19,2 1,2
Periurban (Err. -‐) 19,7 19,6 -‐0,1
Periurbanes Zentrum 16,1 15,0 -‐1,1
Alpine Tourismuszentren 19,1 12,0 -‐7,1
Periphere Zentren 16,0 15,8 -‐0,1
Periphere Kleinzentren 15,4 13,0 -‐2,5
Peripherer Raum 15,1 13,1 -‐2,0
Peripherer bevölkerungsarmer Raum 15,1 13,9 -‐1,2
Deutlich zu sehen ist, dass nur der periurbane Raum von einem Bevölkerungszuwachs aufgrund von Binnenwanderungen profitiert. Die Agglomerationen verzeichnen zwar einen negativen Binnenwan-‐
derungssaldo von rund -‐1000 Personen (vgl. Tabelle 3). Die Einwohnerzahl von rund 3,3 Millionen Personen im Jahr 2000 in Agglomerationen relativiert diese Zahl jedoch: je 100 Einwohner im Jahr 2000 wandern etwa gleichviele Personen zu oder ab (vgl. Tabelle 4). Aus dem peripheren Raum wandern in allen Unterkategorien insgesamt mehr Personen in andere Regionen der Schweiz ab als zu.
Die grössten Bevölkerungsrückgänge aufgrund von Binnenwanderungen sind in den alpinen Touris-‐
muszentren (ausserhalb der Agglomerationen) auszumachen (Tabelle 3 und Tabelle 4). Die relativ hohen negativen Binnenwanderungssaldi in alpinen Tourismuszentren in den späteren 1990er Jahren wurde auch in ESPOP-‐Daten beobachtet (vgl. dazu ARE 2005). Rückwanderer verzeichnet. Den tiefsten Anteil Rückwanderer verzeichnen die alpinen Tourismuszen-‐
tren: Hier machen Rückwanderer nur knapp 13 Prozent an der Zuwanderung aus den Agglomeratio-‐
nen aus. Im Durchschnitt sind im gesamten ländlichen Raum von 100 Zuwanderern aus der Agglome-‐
ration 16 Rückwanderer und 84 Neuzuzüger. Beim Vergleich der Anzahl Rückwanderer mit der ge-‐
samten Zuwanderung – also aus Agglomerationen und anderen ländlichen Gemeinden – verringert sich der Anteil der Rückwanderer in den ländlichen Raum auf rund 8 Prozent. Es ist nochmals darauf hinzuweisen, dass in dieser Studie ausschliesslich Binnenwanderungsströme untersucht werden, die gesamte Zu-‐ und Abwanderung ins Ausland wird hier nicht berücksichtigt.
3.3 Quantifizierung der Zu-‐ und Rückwanderung in den ländlichen Raum der Schweiz: Karten
Die in den Tabellen des vorangehenden Kapitels gezeigten Veränderungen der ständigen Wohnbe-‐
völkerung aufgrund von Binnenwanderungsströmen können auf beliebigen Massstabsebenen karto-‐
graphisch dargestellt werden. Werte auf Ebene der Gemeinden lassen sich gesamtschweizerisch jedoch schlecht darstellen, die Interpretierbarkeit wäre nahezu unmöglich.
In Abbildung 3 werden darum auf Ebene der MS-‐Regionen die aggregierten Werte der darin enthal-‐
tenen ländlichen Gemeinden dargestellt. Die Veränderungen in den Agglomerationen wird NICHT gezeigt. Dargestellt ist die Bevölkerungszu-‐/abnahme aufgrund von Binnenmigration im Zeitraum 1995 bis 2000, gemessen je 100 Einwohner im Jahr 2000 (analog zur Nettowanderung je 100 Ein-‐
wohner in Tabelle 4). Es wird deutlich, dass insbesondere der innere Alpenraum einen negativen Binnenwanderungssaldo aufweist: Es wandern mehr Personen ab, als zuwandern. Im Mittelland sieht dies grösstenteils gerade umgekehrt aus, die ländlichen Gemeinden im Mittelland verzeichnen mehr Binnenzuwanderer als Abwanderer.
Abbildung 3: Binnenwanderungssaldi der ländlichen Gemeinden in den MS-‐Regionen der Schweiz. Bevölkerungszu-‐/
abnahme aufgrund von Binnenwanderung je 100 Einwohner im Jahr 2000.
Werden nur die insgesamt 17‘467 Rückwanderer berücksichtigt, zeigt sich ein ganz anderes Bild.
Abbildung 4 zeigt, dass die zwischen 1995 und 2000 zurückgewanderten Personen je nach MS-‐Region einen unterschiedlich hohen Anteil an der Einwohnerzahl im Jahr 2000 ausmachen. Grosse Unter-‐
schiede zwischen Berggebieten und Mittelland gibt es hier nicht. Sowohl innerhalb des Mittellands als auch innerhalb des Alpen-‐ und Jurabogens sind zwischen den MS-‐Regionen grössere Unterschiede zu erkennen. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Anteile der Rückwanderer mit Werten zwi-‐
schen 0,7% und 2,8% der Bevölkerung nicht besonders weit auseinanderliegen und gemessen an der Bevölkerungszahl relativ klein sind.
Anders sieht das Bild aus, wenn die Rückwanderung im Verhältnis zur Binnenzuwanderung betrach-‐
tet wird (vgl. Abbildung 5). Hier zeigt sich, dass einzelne Regionen im Berggebiet – insbesondere im Wallis und Engadin – relativ hohe Rückwanderungsanteile verzeichnen. Sehr hohe Anteile sind je-‐
doch auch in den agglomerationsnahen ländlichen Gemeinden um die Grossagglomerationen Basel sowie Bern-‐Fribourg erkennbar. Diese ländlichen Gemeinden im Mittelland verzeichnen ausserdem auch gemessen an der Einwohnerzahl (Abbildung 4) Höchstwerte.
Abbildung 4: Anteil der Rückwanderer zwischen 1995 und 2000, gemessen am Bevölkerungsstand 2000.
Wird die Anzahl Rückwanderer nur mit der Zuwanderung aus Agglomerationsgemeinden verglichen, sieht das Bild nochmals anders aus5 (siehe Abbildung 6): Die höchsten Werte erreichen hier Bergge-‐
biete, insbesondere ums Gotthardmassiv, im Engadin sowie im Jura. Die tiefsten Werte verzeichnen ländliche Gemeinden in MS-‐Regionen der Agglomerationsräume Zürich sowie Genf-‐Lausanne. Dies ist wenig erstaunlich, da gerade diese ländlichen Gemeinden eine sehr hohe Binnenzuwanderung zwi-‐
schen 1995 und 2000 verzeichneten. Die Anteile der Rückwanderer im Vergleich zur Zuwanderung von Neuzuzügern (Personen die in einer Agglomeration geboren sind und zwischen 1995 und 2000 aufs Land gezogen sind) fallen somit tiefer aus. Anders gesagt bevorzugen Personen die neu aufs Land ziehen agglomerationsnahe ländliche Gemeinden und weniger Berggebiete. Dieser Zusammen-‐
hang wird beim Vergleich der Anteile der Zuwanderung in ländlichen Gemeinden in den einzelnen Typen des ländlichen Raums gemäss ARE noch deutlicher. Die periurbanen Gemeinden verzeichnen anteilsmässig weniger Rückwanderer und mehr Neuzuzüger aus Agglomerationen als die peripheren Gemeinden (vgl. Tabelle 5).
5 In Abbildung 5 werden Rückwanderer mit der gesamten Binnenzuwanderung in die MS-‐Regionen verglichen, also inkl. Zuwanderung aus ländlichen Gemeinden ausserhalb der MS-‐Region.
Abbildung 5: Verhältnis Rückwanderung zu Binnenzuwanderung 1995 bis 2000.
Verschiedene Studien zeigen, dass rund 1/4 bis 1/3 aller Binnenwanderungen als Rückwanderung betrachtet werden können (Newbold 2001; Newbold und Bell 2001; Niedomysl und Amcoff 2011, zit.
in Haartsen und Thissen (2013)). Werden diese Werte mit dem Anteil der Rückwanderer an der Zuwanderung in den ländlichen Raum insgesamt verglichen, fällt auf, dass der Wert von 8,2 Prozent markant tiefer ist. Dies könnte mit der restriktiven Definition von Rückwanderung in dieser Studie zusammenhängen. Newbold (2005: 285) zeigte, dass mit zunehmender Massstabsebene der Anteil Rückwanderer steigt. Aufgrund der kleinräumigen «Heimatregionen» relativiert sich folglich der Wert von rund 8 Prozent in dieser Studie. Ein Vergleich des Rückwanderungsanteiles mit anderen Studien ist wegen der speziellen Rückwanderungsdefinition in dieser Studie trotzdem kaum sinnvoll.