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Qualitative Bedarfsanalysen

Die Erfassung und Einschätzung von zukünftigen Bedarfen erfolgt häufig über Richtwerte, wie z. B. Lehrer pro Schüler oder Ärzte pro Einwohner. Solche Richtwerte sind i. d. R. einseitig auf die allgemeinen Bevölkerungskennzahlen bezogen und gehen von durchschnittlichen oder standar-disierten Bedürfnissen aus. Sie sagen wenig über bei spezifischen Nutzerstrukturen bevorzugte gewünschte Funktion, Größe und Qualität der Versorgung mit Daseinsvorsorgeleistungen aus.

Mit qualitativen Bedarfsanalysen werden die Sichtweisen der Nutzer sowie der Leistungserbrin-ger in den Prozess einer Regionalstrategie Daseinsvorsorge integriert. Auf diese Weise werden qualitative Informationen wie Einschätzungen oder Wünsche bezüglich der Angebote und Bedar-fe der Daseinsvorsorge erhoben und analysiert. Gewünschte Qualitäten und (Mindest-)Standards der Versorgung, Ausstattung und Erreichbarkeit bzw. „Schmerzgrenzen“ werden ermittelt, vor-handene Standards und Normen sowie der Status quo der Versorgung bewertet. So werden nicht nur die Bedarfe der Bürger erfasst und die potenzielle Nachfrage spezifisch und kleinräumig er-mittelt, sondern auch mögliche Lösungen für die künftige Infrastrukturentwicklung aufgezeigt.

Zielgruppen der qualitativen Bedarfsanalysen sind einerseits die Nutzer von Infrastrukturen wie Schüler, Pflegebedürftige, Patienten, Senioren, Menschen mit Behinderung, Eltern und anderer-seits die Bereitsteller von Infrastrukturen und Leistungen der Daseinsvorsorge wie Lehrer, Sozial-arbeiter, Pflegekräfte oder die Verwaltung. Selten sind Vollerhebungen möglich. Daher bietet es sich an, neben Stichproben auch Schlüsselpersonen oder Multiplikatoren einzubeziehen.

Je nach Zielgruppe oder benötigter Information kommen verschiedene Methoden der empiri-schen Sozialforschung infrage. Die wichtigsten sind:

- Leitfadengestützte Interviews - Expertengespräche

- Gruppendiskussionen - Expertenworkshops - Schriftliche Befragungen - Haushaltsbefragungen

- Bürgerwerkstätten und Bürgergutachten

Mittels der Ergebnisse der qualitativen Bedarfsanalysen sollen quantitative Versorgungsparame-ter ergänzt werden. Die Ergebnisse fließen in Modellrechnungen, in Nachfrageabschätzungen, in die Entwicklung und Bewertung von alternativen Anpassungsszenarien sowie in die Empfehlun-gen der Arbeitsgruppen ein und qualifizieren diese. Die qualitativen Bedarfsanalysen werden meistens parallel zu den Modellrechnungen der kleinräumigen Bevölkerungsvorausschätzungen und den quantitativen Nachfrageabschätzungen durchgeführt.

Gerade die nutzerorientierten Befragungen können zudem so ausgerichtet werden, dass sie zur Aktivierung der Akteure beitragen. Sie können bspw. zur Motivation von Bürgern beitragen, sich in den Diskussionsprozess, z. B. um Schulstandorte oder um die Barrierefreiheit der Standorte, einzubringen oder bei der Umsetzung der Regionalstrategie in konkreten lokalen Projekten, wie dem Aufbau von unterstützenden ehrenamtlichen Netzwerken, mitzuwirken.

Die ergänzenden methodischen Bausteine wurden nicht von allen Modellregionen angewendet. Auf die genaue Zuordnung zu den Infrastrukturbereichen, die Gründe für die Anwendung und Nichtan-wendung und die Erfahrungen mit diesen Bausteinen wird im Kapitel 3 eingegangen.

Abbildung 6: Methodische Grundbausteine und spezifische Analysen

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an GGR

2.6 Qualitätsanforderungen an den Prozess – Organisationstruktur und Arbeitsschritte

Die Qualitätsanforderungen an den kooperativen und diskursiven Prozess der Regionalstrategie Da-seinsvorsorge umfassen Aspekte der Aufbau- und Ablauforganisation, auf die im Folgenden einge-gangen wird.

2.6.1 Organisationsstruktur

Zentrales Element ist ein breites Netzwerk engagierter regionaler und lokaler Akteure, die insbeson-dere in thematischen Arbeitsgruppen zusammenarbeiten. Ein Erfolgsfaktor für den Erarbeitungspro-zesses ist daher eine effektive Organisation. Klare Strukturen für Prozessplanung und -steuerung sowie für die Entscheidungen sind wichtig, damit die Aufgaben und Rollen klar verteilt sind, die ver-schiedenen Beteiligten mit Interesse und Motivation aktiv am Prozess teilnehmen und die Ergebnisse von möglichst vielen akzeptiert werden.

Die Organisationsstruktur des Planungsprozesses ist durch folgende Elemente gekennzeichnet:

- Lenkungsgruppe

Dieses Gremium leistet die Betreuung und strategische Steuerung des Prozesses, in dem es den laufenden Arbeitsprozess in Netzwerken koordiniert und Entscheidungen vorbereitet.

Ganz wichtig ist, dass in diesem Gremium eine hohe personelle Kontinuität gewährleistet wird und auch die Verwaltungsspitze eingebunden ist. Vertreter der Fachplanungen, des Landes und weitere Experten können themenbezogen hinzutreten. Die Mitwirkung ausge-wählter, engagierter Kommunalpolitiker kann die Arbeit dieses Gremiums deutlich berei-chern. Je nach eigener Zusammensetzung und nach Komplexität des Gesamtprozesses wird die Lenkungsgruppe durch operative Gremien unter Beteiligung der Regionalkoordination unterstützt und im Alltagsgeschäft entlastet.

- Geschäftsstelle/Regionalkoordination

Der hohe Organisations-, Koordinations- und Kommunikationsaufwand, der bei der Durchfüh-rung der Regionalstrategie von einer Region zu bewältigen ist, erfordert eine eigene Regionalko-ordination/Geschäftsstelle mit angemessenen personellen und materiellen Kapazitäten. Es bie-tet sich an, diese einer bestehenden Arbeitseinheit (Landkreisverwaltung, Planungsstelle, Lea-der-Management) anzugliedern.

- Externe Begleitung

Sofern eine Regionalstrategie Daseinsvorsorge nicht mit Bordmitteln der beteiligten Verwal-tungen erarbeitet werden kann, müssen DienstleisVerwal-tungen an externe Institutionen, z. B. für die Prozesssteuerung, die Moderation der Arbeitsgruppen oder die vielfältigen wissenschaft-lichen Analysen vergeben werden. Den Modellregionen stand es frei, geeignete externe Be-rater und Gutachter ihres Vertrauens für die Moderation, Prozessberatung/-steuerung oder für die Modellrechnungen, Prognosen, Szenarien, Bedarfsanalysen etc. zu beauftragen. Im Bereich der technisch-wissenschaftlichen Expertise sollten die potenziellen Kooperations-partner und Unterauftragnehmer dabei überzeugende Referenzen in den Bereichen Geogra-fische Informationssysteme, Erreichbarkeitsmodellierung, Bevölkerungsprognose, empirische Kostenermittlung sowie Anwendung von Kosten-Nutzen-Analysen haben, um die geforderten Qualitätsstandards zu erfüllen.

- Thematische Arbeitsgruppen

Die thematischen Arbeitsgruppen sind das zentrale Element des Prozesses. Sie werden meist ausgerichtet auf die ausgewählten Infrastrukturen gebildet. Es bietet sich an, dabei verwandte Infrastrukturen zu bündeln. Dadurch werden die integrative Vernetzung und der „Blick über den Tellerrand“ gefördert. In den Arbeitsgruppen sind idealerweise die jeweiligen Fachplanungen, externe, öffentliche und private Betreiber von Daseinsvorsorgeleistungen, Wirtschafts- und So-zialpartner, Vertreter der Kommunen und ggf. interessierte Bürger vertreten. I. d. R. reichen sechs bis acht Sitzungen pro Arbeitsgruppe aus.

Gute Erfahrungen wurden in Vorläuferprojekten auch mit einem beratenden Beirat gemacht. Dieser kann z. B. zur Einbindung der Kommunalpolitik, der Länderseite, von Bürgern, von wissenschaftlicher Expertise oder von regional gut vernetzten und akzeptierten Persönlichkeiten genutzt werden. Die Beteiligung von Bürgern kann über Bürgerwerkstätten ermöglicht werden. Abbildung 7 zeigt die ide-altypische Organisationsstruktur eines Regionalstrategieprozesses.

Abbildung 7: Idealtypische Organisationsstruktur

Quelle: Eigene Darstellung

2.6.2 Idealtypische Arbeitsschritte

Die eigentliche Erarbeitung einer Regionalstrategie Daseinsvorsorge lässt sich in drei Phasen mit ins-gesamt sieben Schritten unterteilen. Davor steht die Initiierung des Prozesses, danach dessen Verste-tigung.

Initiierung des Prozesses

Die Initiierung des Prozesses erfolgte im Falle des Aktionsprogramms bereits mit der Teilnahme der Modellregionen an dem zweistufigen Wettbewerb. Hierdurch wurde der Wille der regionalen Ver-antwortlichen aus Verwaltungen oder Politik, den demografischen Wandel aktiv zu gestalten und für zu bestimmende pflichtige und/oder freiwillige Bereiche der Daseinsvorsorge eine vorausschauende Planung durchzuführen, bereits deutlich. In vielen Regionen wurden schon zu jenem Zeitpunkt exter-ne Begleitungen beauftragt, die die Konzepterstellung unterstützten. Häufig wurden diese dann ebenfalls für den eigentlichen Regionalstrategieprozess gebunden.

Anhand eruierter Anpassungs- und Abstimmungsnotwendigkeiten sowie Handlungsmöglichkeiten wurden während der Erstellung der Bewerbungskonzepte bereits erste Schritte zur Auswahl der Inf-rastrukturen und der Daseinsvorsorgeangebote auf Ebene der Modellregion unternommen. Für diese Vorauswahl nutzten die Modellregionen i. d. R. das Kriterienraster, das mit der Konzeptanleitung zur Verfügung gestellt wurde. Dafür fanden häufig auch Abstimmungen zwischen den Fachplanungen statt. Manche Regionen befragten außerdem ihre Gemeinden.

Regionalstrategieprozess

Die drei anschließenden Phasen des Regionalstrategieprozesses sind die Auftakt-, die Arbeitsgrup-pen- und die Implementationsphase. Sie lassen sich wiederum in sieben idealtypische Arbeitsschritte unterteilen. Diese können neben den inhaltlichen Kriterien als Bewertungsraster für den Erfolg der Regionalstrategieprozesse herangezogen werden.

Abbildung 8: Idealtypischer Ablauf einer Regionalstrategie Daseinsvorsorge

Quelle: BMVBS/BBSR 2011