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Handlungsansätze und Strategien, Projekte

6. Ergebnisse in den einzelnen Bereichen der Daseinsvorsorge

6.3 Pflege/Senioren/Leben im Alter

6.3.4 Handlungsansätze und Strategien, Projekte

Das übergeordnete Ziel in diesem Daseinsvorsorgebereich ist demnach die Verbesserung der Voraus-setzungen, die den Senioren ein möglichst langes selbstbestimmtes, ihren individuellen Vorstellun-gen entsprechendes Leben und eine lange eiVorstellun-genständige Haushaltsführung ermöglichen. Die Organi-sation der Pflege soll sich an dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ orientieren. Wichtigste Her-ausforderungen liegen in dem Anstieg des Pflegebedarfs, dem rückläufigen häuslichen Pflegepoten-zials und dem drohenden Fachkräftemangel in der Pflege. Maßnahmen und Strategien der Modellre-gionen beziehen sich dementsprechend auf eine Stärkung und Stützung des privaten, informellen Pflegebereichs (Ehrenamt, Management, Pflege- und Angehörigenberatung etc.), aber auch auf die Sicherung und Entwicklung von professionellen Pflegedienstleistungen (Ausbildungsförderung, Ver-besserung der Arbeitsbedingungen, Optimierung der Umsetzung). Eine Kombination von Ehrenamt und professioneller Pflege ist dabei eine wichtige Strategie. Ein weiterer Schwerpunkt sind Maßnah-men und Strategien, die sich auf die Begünstigung einer möglichst lange eigenständigen Haushalts-führung auch bei vorhandenem Pflegebedarf (Quartierskonzepte, Prävention, Wohnkonzepte) bezie-hen.

So breit wie die thematische Spanne dieses Bereiches ist, von Pflege über Altenhilfe bis hin zu Leben und Wohnen im Alter, so breit ist auch der Adressatenkreis der Handlungsempfehlungen in den Re-gionalstrategien. Insbesondere die Landkreise haben, auch aufgrund ihrer Zuständigkeiten, hier mehr Steuerungsmöglichkeiten als z. B. im Bereich der ärztlichen Versorgung. Aber auch den Gemeinden kommt eine immer wichtigere Rolle bei der Unterstützung von alternativen Formen des Wohnens, der Pflege oder des Engagements zu. Dies zeigt sich z. B. auch darin, dass der Vogelsbergkreis die Entwicklung eine Gesamtstrategie im Bereich Altenhilfe und Senioren als gemeinsame Aufgabe von Kreis und Kommunen sowie öffentlicher und privater Akteure sieht. Dabei soll der Fokus auf

Aspek-163 Vgl. Ergebnisbericht Landkreis Hersfeld-Rotenburg, S. 49.

ten wie Vorsorge, bürgerschaftlichem Engagement und der Kombination von Ehrenamt und professi-onellen Angeboten liegen. Die Region Oberes Elbtal/Osterzgebirge geht davon aus, dass sich die Kommunen mittel- bis langfristig stärker auf die Bedürfnisse von pflege- und hilfsbedürftigen Senio-ren ausrichten und sich als „sorgende Gemeinschaft“ ausrichten sollten. Eine neue bzw. zusätzliche Aufgabe könnte darin bestehen, in Aufgabenteilung mit den freien Trägern (z. B. Vereine oder Wohl-fahrtsverbände) die Koordination von Angeboten zur Altersversorgung selbst zu übernehmen.

Adressaten der Handlungsempfehlungen sind weiterhin die vielfältigen öffentlichen und privaten Akteure im Pflege- und Seniorenbereich wie Wohlfahrtsverbände und Wohnungsbaugesellschaften.

Nicht zuletzt sind gerade für die Ausgestaltung der künftigen Pflegelandschaft die Rahmenbedingun-gen von Bundes- und Landesseite von Bedeutung, so dass sich auch an diese Ebene Handlungsemp-fehlungen oder Forderungen der Modellregionen richten.

Die Lösungsansätze können nach folgenden Schwerpunktthemen differenziert werden:

- Unterstützung von sozialem und bürgerschaftlichem Engagement, Pflege-/Seniorenberatung - Strategien zur Behebung eines Fachkräftemangels im Pflegebereich

- Weiterentwicklung und Ausbau der pflegerischen Angebote

- Neue Wohnformen und Wohnbedarfe älterer Menschen inkl. Beratung

- Kooperative Ansätze an der Schnittstelle zwischen medizinischer Versorgung und Pflege Unterstützung von sozialem und bürgerschaftlichem Engagement, Pflege- / Seniorenberatung Unter der Annahme, dass soziales und bürgerschaftliches Engagement neben rein familiären Pflege-leistungen einen immer höheren Stellenwert erhalten wird, bestehen in den Modellregionen mehre-re Ansätze, bei denen es sich im Kern um eine Beratung und Koordination von ehmehre-renamtlichen Tätig-keiten handelt, z. B.:

- „Ehrenamtsbörse“ (TSB) - „Bürgerhilfe Sachsen“ (OEO)

- Unterstützung der Gemeinde bei ehrenamtlichen Tätigkeiten (z. B. Bürgerbus, Nachbar-schaftshilfe, „Kümmerer“) (COB)

- Seniorenbegleitung durch Verein „Bürger für Bürger e.V.“ und Generationenstätten (DAU) - Ehrenamtskoordinator (SEE)

- Alltagsbegleiter (OEO)

- Einsatz von ehrenamtlichen Seniorenbegleitern (SLF)

Da sich das ehrenamtliche Engagement verändern wird, weg von der Vereinsstruktur und hin zur Projektumsetzung, wird es laut der Oderlandregion wichtiger, die verschiedenen bestehenden Aktivi-täten besser zu vernetzen und effektiv zu ergänzen. Dafür soll ein Ehrenamtskoordinator geschaffen werden, der Strukturen aufbauen könnte und einen Ehrenamtspool als überörtliches regionales Netzwerk der Oderlandregion betreut.164

Niederschwellige, unabhängige und flächendeckende Informations- und Beratungsstellen und An-sprechpartner für Senioren sind in vielen Modellregionen ein wichtiges Thema im Bereich der Pflege (z. B. WM, UMK, COB, SLF). Aufgaben sind z. B. die Beratung von Angehörigen, Wohnungsanpas-sungsberatungen, Beratungen zur Vermeidung von Pflegebedürftigkeit in den Bereichen Ernährung und Seniorensport sowie zum Umgang mit Pflegebedürftigen. Diese Angebote sollen besser bekannt gemacht bzw. ausgebaut werden.

164 Vgl. Ergebnisbericht Oderlandregion, S. 33.

Im Landkreis Coburg wird hierzu eine internetbasierte Datenbank „Versorgungs- und Betreuungs-strukturen in der Region Coburg“ aufgebaut. Im Kreis Schleswig-Flensburg wurde eine Internetplatt-form „Sozialkompass“ erstellt, die auch über niedrigschwellige Angebote im Kreis inInternetplatt-formiert.

Der Landkreis Hersfeld-Rotenburg beschäftigt sich ebenfalls intensiv mit „Unterstützersystemen“. Er nimmt u.a. an dem Modellprojekt „Koordinierungsstelle Generationenhilfen“ des Hessischen Sozial-ministeriums teil.

Die Region Nordeifel beabsichtigt die Festlegung eines Beauftragten in jedem Dorf, der für das Eh-renamt verantwortlich ist. Insgesamt soll die Motivation zu ehEh-renamtlichem Engagement durch Übertragung von Verantwortung und eigenen Budgets sowie durch projektorientierte Ehrenamtsar-beit ohne Vereinsbindung erhöht werden.

Da bei der häuslichen Pflege häufig Familienangehörige, aber auch ehrenamtlich Tätige und ausländi-sche Personen einen Großteil der Last tragen, ist eine fachliche, sozialpolitiausländi-sche und juristiausländi-sche Un-terstützung besonders erforderlich (OWÜ). Der Vogelsbergkreis will die UnUn-terstützungsstrukturen für pflegende Angehörige durch Qualifizierung, die Bildung von Unterstützungsnetzwerken und den Auf-bau von Entlastungsstrukturen stärken.

Um junge Menschen für Pflegeaufgaben zu gewinnen, muss die Arbeitssituation, die gesellschaftliche Anerkennung, aber auch die finanzielle Situation verbessert werden. Die Region Ostwürttemberg befasste sich deshalb in einer Arbeitsgruppe mit den organisatorischen, finanziellen und versiche-rungsrechtlichen Fragen insbesondere für diejenigen Ehrenamtlichen und Vereine, die Fahrdienste mit Bürgerbussen etc. erbringen. Insbesondere Haftungsfragen wurden als mögliches Hemmnis für ehrenamtliches Engagement im Bereich Daseinsvorsorge diskutiert. Hierzu wurden konkrete Fragen zusammengestellt und mit einem Experten aus der Versicherungsbranche diskutiert und geklärt.

Leider finden sich die auch für andere Regionen interessanten Ergebnisse nicht im Ergebnisbericht der Modellregion. Die Region Oberes Elbtal/Osterzgebirge formuliert als Maßnahme die Erstellung eines Leitfadens für freie Träger bzw. Initiativen zu Versicherungsfragen bei ehrenamtlichem Enga-gement.

Die Region Oberes Elbtal/Osterzgebirge sieht zudem den Aufbau eines regionsweiten Netzes aus Alltagsbegleitern und Koordinierungsstellen für niederschwellige Angebote (u.a. Begleitung und An-leitung von Ehrenamtlichen) vor. Hier setzt das Pilotprojekt der Phase 2 „Koordiniertes Quartiersma-nagement im ländlichen Raum“ an. Die Beratungsstelle soll soziokulturelle Angebote koordinieren, Ansprechpartner für Leistungsempfänger und -erbringer sein und eigene Konzepte zum Quartiers-management entwickeln und umsetzen. Bausteine des Projektes sind bspw. der Aufbau einer Ehren-amtsbörse, eine unabhängige und mobile Pflege- und Betreuungsberatung, eine Wohnberatung und weitere bewohneraktivierende Projekte. Einen weiteren wichtigen Ansatz sieht die Region im Aufbau von Versorgungsstützpunkten in Form von Gemeindezentren, Multifunktionshäusern im Hauptort bzw. im am besten erreichbaren Ort einer Gemeinde. Dort sollen unterschiedliche Angeboten der Daseinsvorsorge gebündelt werden, um auch Dienstleistungen für ältere Menschen vor Ort zu si-chern. Neben einem kleinen selbstorganisierten Nahversorgungsladen könnte bspw. die Grundschule dort ihren Standort haben.

Die Verbandsgemeinde Daun bietet als Pilotprojekt der Phase 1 die Qualifizierung zum „Senioren-coach“ an. Es handelt sich um ein Angebot primär für Menschen, die ehrenamtlich in der stationären oder häuslichen Pflege tätig sind oder werden wollen. Der Qualifikationskurs (drei Kursblöcke, kolle-giale Beratung, Supervision, Abschluss) soll dazu befähigen, alternde Menschen in den sehr individu-ellen Lebensthemen zu begleiten. Es geht darum, Anpassungsprozesse zu unterstützen, die für den weiteren Alternsprozess förderlich sind. Zielgruppe sind insbesondere Menschen ab Mitte 50. Die Kurse sind derzeit ausgebucht.

Die Region Oberes Elbtal/Osterzgebirge will den Beratungsansatz in ein Grundversorgungsmodell integrieren. Sie hat sich über Szenarien mit den zukünftigen deutlich ansteigenden Fahrtzeiten zu

Infrastruktureinrichtungen beschäftigt und sieht eine Möglichkeit des Entgegenwirkens in kleinen Gemeindezentren/Multifunktionshäusern auf dem Lande. Das Gemeindezentrum sollte danach hauptamtlich von zwei kommunalen „Kümmerern“ geführt und täglich von einem Kombibus ange-fahren werden. Aufgrund des finanziellen Aufwands bzw. Risikos werden hier Kooperationspartner gesucht bzw. die Mitwirkungsbereitschaft bei Gemeinden erfragt.

Die Verbandsgemeinde Daun setzt stark auf das Potenzial der Generationenhilfe in sog. „Generatio-nenstätten“. Öffentlichen Kitas sollen zu Generationenstätten umgebaut und umgenutzt werden.

Auch Kitas freier Träger sollen in die Kooperationen einbezogen werden. Die Generationenstätte Meisburg ist in der konkreten Planung und Gegenstand des Pilotprojektes der Phase 2. Ein Ziel ist es dabei, dass Senioren ehrenamtlich in den Kitas arbeiten und ihr Wissen und ihre Fähigkeiten weiter-geben. So sollen Kinder von der Integration der Senioren profitieren, z. B. indem ihre sozialen Kom-petenzen in einem Miteinander gestärkt werden. Hilfebedürftige Senioren haben auf der anderen Seite mit den Generationenstätten eine Anlaufstelle, in der sie auch betreut werden und von der Begegnung mit den Kindern und anderen Senioren profitieren. Sie können so in ihrer gewohnten Umgebung wohnen bleiben. Die Generationenstätten beinhalten in unterschiedlicher Kombination die Bausteine:

- Senioren engagieren sich in der Kita - Angebote der Kita für Kinder und Senioren

- Angebote für Senioren in der Kita (z. B. im Turnraum) - gemeinsames Mittagessen für Senioren und Kinder

- Betreuung von Senioren im Kitakomplex in separaten Räumlichkeiten - punktuelle Zusammenarbeit von Kita und Seniorenheim

Unterstützt werden komplementär z. B. Fahrdienste durch den Verein „Bürger für Bürger e.V.“. Ins-gesamt verspricht man sich neben einer stärkeren Ortsgemeinschaft auch, die Kitastandorte durch neue Funktionen trotz rückläufiger Kinderzahlen zu erhalten.

Strategien zur Behebung eines Fachkräftemangels im Pflegebereich

Einige Regionen haben einen zukünftigen Mangel an Fachkräften in der Pflege konstatiert und wollen diesem mit Strategien und Maßnahmen begegnen.

Der Kreis Schleswig-Flensburg widmete sich in seiner Arbeitsgruppe einer intensiveren Aus- und Fortbildung im Pflegebereich. Nach deren Aussagen gestaltet es sich bereits heute schwierig, die vakanten Pflegestellen mit geeigneten Fachkräften zu besetzen. Die „Ausbildungs- und Qualifizie-rungsoffensive“ durch das Bundesgesetz zur Stärkung der beruflichen Aus- und Weiterbildung in der Altenpflege vom 13. März 2013 wird daher ausdrücklich begrüßt, die Geltungsdauer sollte jedoch über den 31. Dezember 2016 hinaus verlängert werden. Insgesamt wird vorgeschlagen, die Anstren-gungen aller Akteure zu verstärken, Auszubildende bzw. Quereinsteiger für die einzelnen Berufsbil-der Berufsbil-der Pflege zu finden. Im Ergebnisbericht werden eine Reihe von möglichen Maßnahmen detail-liert benannt.165

Der Landkreis Uckermark widmet sich demgegenüber der Optimierung von bestehenden Kapazitäten und der Ausschöpfung von Synergien. Hier wird derzeit als ein Leitprojekt eine durch das Land Bran-denburg geförderte Machbarkeitsstudie (TriAngel) für ein kooperatives Genossenschaftsmodell im Sinne eines Arbeitgeberzusammenschlusses nach französischem Modell erarbeitet. Das Projekt ba-siert auf der Annahme, dass der zunehmende Fachkräftebedarf im Bereich der Gesundheitswirtschaft und insbesondere in der Pflege selbst in Zukunft nicht allein durch das Angebot auf dem Arbeits-markt abgedeckt werden kann. Es gilt dabei auch, die Belastung der pflegenden Familienangehörigen

165 Vgl. Ergebnisbericht Kreis Schleswig-Flensburg, S. 36.

durch Kooperationen zu vermindern und die Möglichkeiten, Pflege und Erwerbsarbeit miteinander zu vereinbaren, zu verbessern. Es werden Lösungen zu einer effektiveren Organisation der Arbeit in der Pflege, einem koordiniertem Einsatz von Fachkräften und damit auch eine Verringerung der „unpro-duktiven“ Zeiten, insbesondere der Fahrzeiten zu den Einsatzorten in den ländlichen Regionen, er-forderlich. „So können z. B. Einkäufe oder Transporte für mehrere Personen organisiert werden und die Pflege regional „sortiert“ werden, um zu verhindern, dass mehrere Pflegerinnen ein Dorf für je-weils eine Person anfahren müssen.“166 Auf der Grundlage von Erfahrungen aus Frankreich soll hier-für ein Zusammenschluss kooperierender Dienstleister aus dem Bereich Pflege und Gesundheit, aus Wohlfahrtsverbänden, Wohnungsunternehmen, Bildungs- und Beschäftigungsträgern, Kommunen, regionalen Vereinen und Privaten (z. B. Familien, Betroffene) erfolgen. Struktur und Kosten für die Gründung und das Management der Genossenschaft wurden bereits erarbeitet. Für die Etablierung dieses Instruments ist eine Anschubfinanzierung erforderlich.

Die Region Salzachtal schlägt die Wiedereinführung des „sozialen Jahres“ im Pflegebereich in Form eines sozialen Pflichtjahres für alle Schulabsolventen bei angemessener Bezahlung. Das „soziale Jahr“

hilft Jugendlichen, ihre sozialen Kompetenzen auszubauen und gibt ihnen einen umfassenden Ein-blick in den Pflegebereich. Es bietet daher eine gute Chance, Nachwuchskräfte für Pflegedienste, Pflegeheime und ähnliche Institutionen zu akquirieren. Eine ähnliche Handlungsempfehlung formu-liert der Landkreis Trier-Saarburg mit der Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht für beide Ge-schlechter als Einstieg in medizinische und pflegerische Berufe.

Weiterentwicklung und Ausbau der Angebote in der Pflege

Neben der Sicherung und Ausweitung des ehrenamtlichen und professionellen Pflegepersonals be-ziehen sich Lösungsansätze der Modellregionen auch auf die Weiterentwicklung und den Ausbau von Angeboten in der Pflege. So sollen niedrigschwelliger Strukturen und Angebote durch Landkreis, Ver-bandsgemeinde und Ortsgemeinde entwickelt werden (TSB), ambulante Pflegedienste und Tages-pflegeangebote (klassische wie auch neue Formen) ausgebaut werden (DAU), Pflegewohngruppen bzw. Initiativen, die ein selbstbestimmtes Leben zu Hause ermöglichen, initiiert und unterstützt wer-den (VBK). Die Verbandgemeinde Daun nennt auch konkrete Orte, wo und wie die Tagespflegeange-bote realisiert werden sollen. Eine weitere Handlungsempfehlung bezieht sich auf den Aufbau von dezentralen Pflegegruppen als sog. „Satelliten“, angedockt an eine bestehende stationäre Einrich-tung und deren VerwalEinrich-tungsstruktur (DAU). Flexible, niedrigschwellige, tagesstrukturierende Ange-bote (Seniorennachmittag, gemeinschaftlicher Mittagstisch etc.) sollen geschaffen bzw. ausgebaut werden (VBK) sowie vorhandene Angebote und Strukturen im Bereich altersbedingte Hilfsbedürftig-keit (für Demenz, Depressionen etc.) vernetzt werden.

Neue Wohnformen und Wohnbedarfe älterer Menschen

Ökonomische Zielstellung und überwiegender Wunsch der auf Pflege Angewiesenen ist ein Verblei-ben in der vertrauten Wohnung und Umgebung. Um möglichst lange in der eigenen Wohnung in gewohnter Umgebung wohnen bleiben zu können, sind zahlreiche Voraussetzungen erforderlich. Die Wohnformen und die Wohnsituation sowie das Wohnumfeld sind hierbei von entscheidender Bedeu-tung und wurden in mehreren Modellregionen in den Arbeitsgruppen thematisiert.

In der Region Oberes Elbtal/Osterzgebirge wurden Wohnformen für Ältere systematisiert: 167

- „Normales Wohnen: viele Menschen über 65 Jahren werden weiterhin in ganz normalen Wohnungen leben (Erleichterungen durch Barrierefreiheit möglich)

- Gemeinschaftliches Wohnen: Gemeinschaftliches Wohnen soll ältere Menschen vor der Fremdbestimmung im Heim wie vor der Vereinsamung in der eigenen Wohnung bewahren (z. B. Senioren, Generationenübergreifendes Wohnen)

166 Vgl. Ergebnisbericht Landkreis Uckermark, S. 59.

167 Ergebnisbericht Oberes Elbtal/Osterzgebirge, S. 39.

- Betreutes Wohnen: Das Betreute Wohnen ermöglicht es, selbstständig in einer eigenen Wohnung zu leben und trotzdem bei Bedarf schnell Hilfe und Pflege zu erhalten.

- Ambulant betreute Pflegewohngruppen: Gemeinschaftlich organisierte Pflege und Betreuung von älteren, hilfe- oder pflegebedürftigen Menschen

- Pflegeheim: Vollstationäre Pflege.“

Als Ergebnis der Gemeindetypisierung zu den teilräumlichen Standortqualitäten wurde für den Kreis Schleswig-Flensburg festgestellt, dass es bereits heute vor allem die gut ausgestatteten Orte im Kreisgebiet sind, die Wanderungsgewinne – auch und gerade bei den Menschen in den Altersklassen 65 und älter – verbuchen können. Dies sollte weiter unterstützt werden. Handlungsempfehlung ist daher, dass bei Bauvorhaben für „Betreutes Wohnen“, Seniorenwohnungen etc. stets geprüft wer-den soll, welche Standorte über die erforderliche Infrastruktur im Sinne der Gemeindekategorisie-rung verfügen, damit ein selbstbestimmtes Leben im Alter möglich ist.

Ausgehend von der Gemeindetypisierung empfiehlt der Regionale Planungsverband Westmecklen-burg den Kommunen und dem Land, dass verfügbare Ressourcen konzentriert für Standorte einge-setzt werden müssen, die bereits über eine verhältnismäßig gute Ausstattung verfügen. Es werden zudem Ausschlussstandorte für die Entwicklung von Wohnangeboten und flankierender Infrastruktur für ältere Menschen empfohlen (im Gegensatz zu Präferenzstandorten).

Die Steuerungsmöglichkeiten spezifischer Wohnungsangebote im Raum wurden vom Kreis Schleswig-Flensburg und der Region Westmecklenburg bislang nicht weiter thematisiert. Neben einer intensi-ven Öffentlichkeitsarbeit und Investorenberatung könnte bei einer Selbstbindung der Gemeinden bei größeren Projekten ggf. auch eine Steuerung über die Bauleitplanung („demographieorientierte Bau-leitplanung“) eine bedarfsgerechte Zuordnung begünstigen. Zudem würden sich interkommunale Planungen anbieten, um Fehlinvestitionen der öffentlichen Hand zu vermeiden (SLF).

Einige Modellregionen setzen in ihren strategischen Ansätzen und Handlungsempfehlungen auf Bera-tung und Information, um alternative Wohnformen für Ältere oder den altengerechten Umbau wei-ter zu verbreiten.

Der Landkreis Coburg beabsichtigt, die Integration neuer Medien und neuer technische Unterstüt-zungssysteme beim Aus- und Umbau von Wohnungen gezielt beratend zu unterstützen (z. B. MZG, SLF). Eine Wanderausstellung „Zu Hause Wohnen im Alter“ plus Begleitbroschüre mit praktischen Beispielen zur Wohnraumanpassung wurde durch den Landkreis bereits erarbeitet und wird derzeit in den Gemeinden präsentiert.

Die Ausweitung der Beratung der Bürger zur Wohnraumanpassung stand auch im Mittelpunkt des Pilotprojektes der Phase 1 des Landkreises Merzig-Wadern „Einrichtung einer Informations- und Be-ratungsstelle zu (früh-)präventiven wohnumfeldverbessernden und unterstützenden Maßnahmen“.

Zielgruppen und Beteiligte waren neben den interessierten und ratsuchenden Bürgern und dem Landkreis auch Akteure aus Handwerk, Handel, Industrie und Gewerbe sowie die Kommunen im Landkreis. Die Beratungsstelle wurde mittlerweile als Teil der Stabsstelle „Regionale Daseinsvorsor-ge“ im Landkreis etabliert.168

Der Landkreis Uckermark empfiehlt den seniorengerechten Umbau und die Nutzung der Altneubau-ten in den Dörfern und stellte eine entsprechende Projektskizze für ein konkretes Objekt in seinem Ergebnisbericht dar.

Die Gemeinden der Region Salzachtal wollen Informationsveranstaltungen zu unterschiedlichen Wohnprojekten durchführen, Werbung und Information über bestehende Angebote auch für die Angehörigen, z. B. in Wartezimmern, bei Infoständen auf Festen oder durch Pressearbeit leisten.

Außerdem wollen sie einen "Verantwortlichen" in der Region für die Koordination und Information

168 Vgl. Gesellschaft für Infrastruktur und Beschäftigung des Landkreises Merzig-Wadern mbH 2014.

der Angebote alternativer Wohnformen einrichten. Auch die Landkreise Uckermark und Coburg wol-len durch Beratung altersgerechtes Wohnen bzw. Wohnraumanpassung fördern.

Der Landkreis Coburg erprobt in seinem Pilotprojekt der Phase 2 „Zusammen Leben: Wohnen und Leben in Familien für ältere Menschen“ eine neue Versorgungs- und Betreuungsform. Durch die Auf-nahme eines älteren Menschen in eine Familie soll es dem Senior ermöglicht werden, länger selbst-ständig zu leben, da ein Teil der Betreuungs- und Versorgungsleistung je nach individuellem Unter-stützungsbedarf von der Familie übernommen wird. Das Angebot richtet sich an Familien, die sich engagieren möchten und vielleicht einen sozialen oder pflegerischen Berufshintergrund haben und an Senioren, die gerne mit familiärem Anschluss leben möchten. Es ist gleichzeitig ein Weg, die Enga-gementbereitschaft von Bürgerinnen und Bürgern aufzugreifen und in konkretes Handeln zu über-führen.

Die Modellregion Peenetal/Loitz zielt mit ihrem Pilotprojekt der Phase 2 „Gemeinsam neue Wege gehen zur Stärkung der Stadt-Umland-Beziehung“ auf die Entwicklung einer generationsgerechten Wohnkonzeption für ein Quartier in Loitz, verknüpft mit einem amts- und gemeindeübergreifenden Konzept für ein Mobilitäts- und Generationenmanagement, ab.

Kooperative Ansätze an der Schnittstelle zwischen medizinischer Versorgung und Pflege

Weitere Lösungsansätze liegen in der Optimierung der Schnittstelle zwischen medizinischer und pfle-gerischer Versorgung in der Fläche und bei entsprechenden kooperativen Ansätzen (z. B. DAU, SEE, HEF). Im Bereich der ambulanten Pflegedienste und der Pflegeberatung soll in der Oderlandregion ein zukunftsfähiges Modell im Kombinationsbereich Schwester AGnES/Pflegeberatung geschaffen werden. Der Landkreis Hersfeld Rotenburg greift in seinem Pilotprojekt der Phase 2 einen entspre-chenden Handlungsansatz auf. In dem Projekt „Erprobung neuer Wege in der ärztlichen Versorgung und Seniorenversorgung“ sollen durch Einführung und Vernetzung von Kommunalen Senioren Be-treuerinnen und Betreuern (KSB) und Versorgungsassistenten in der Hausarztpraxis (VeraH)die ver-fügbaren Ressourcen in der ärztlichen Versorgung und der Seniorenversorgung gesteigert sowie die Leistungsfähigkeit des örtlichen Helfernetzwerkes (ärztlich und psychosozial) verbessert werden. Die Koordinierung und Steuerung wurde der Senioren-Beratung Waldhessen beim Landkreis übertragen, die künftig auch die Abstimmung, Koordinierung und Steuerung der Angebote der Altenhilfe im Landkreis sicherstellen soll.

Der Kreis Trier-Saarburg wird die ressortübergreifende Kommunikation und Information innerhalb der Kreisverwaltung im Bereich Senioren und Pflege durch die Leitstelle Familie optimieren. Die Ko-operationen und die Vernetzung im Altenpflegesektor mit weiteren Akteuren soll künftig über eine Regionalkonferenz Pflege erfolgen.

Als Grundlage, um in der Region eine hochwertige, bedarfsgerechte und verlässliche Betreuung für alle Generationen zu sichern, wollen die Städte des Spreewalddreiecks künftig zur besseren Koordi-nierung statt drei verschiedener Bedarfspläne der Städte einen gemeinsamen Bedarfsplan für die Region (Kita, Jugendbetreuung, Seniorenarbeit) erarbeiten. Auch ein gemeinsamer Sozialatlas soll entstehen, der als Wegweiser für soziale, aber auch kulturelle und sportliche Einrichtungen der Regi-on Spreewalddreieck dient und entsprechende InformatiRegi-onsdefizite abbauen helfen soll. Im Rahmen des Pilotprojektes der Phase 2 „Vernetzte Bürgerschaft“ wird eine gemeinsame Anlaufstelle und In-formationsplattform für die Region eingerichtet, um Informationen über Bedarfe und Möglichkeiten im Bereich der Jugend- und Seniorenarbeit zentral vorzuhalten. Die Anlaufstelle soll auch als Ehren-amt- bzw. Freiwilligenagentur dienen, zugleich alle relevanten Angebote rund um das Thema Mobili-tät vernetzen und als Mitfahrerbörse operieren.

Der Kreis Merzig-Wadern hat zum Ziel, die Kette Akut-Krankenhaus – Reha – Pflegeeinrichtung – nach Hause/Hausarzt – Pflegedienste zu stärken. Als Maßnahme soll neben einer engen Zusammen-arbeit von Klinik, Hausärzten und ambulanten Diensten zur nachklinischen Versorgung auch die In-formation der Beteiligten und Betroffenen über Angebote der Kurzzeitpflege forciert werden. Auch

präventive Hausbesuche durch Pflegestützpunktberater zum frühzeitigen Erkennen von Gefährdun-gen oder Versorgungsmängeln gehören zu wesentlichen Maßnahmen in diesem Bereich. Zudem wird eine Kooperation der Pflegestützpunktberater als zentrale Schnittstellen und Koordinatoren sowie ein Gremium, besetzt aus Pflegediensten, Apotheken und Hausärzteverband, zur Gewährleistung der Versorgungskette vorgeschlagen.

Forderungen an übergeordnete Ebenen

In den Regionalstrategien finden sich auch vereinzelt Forderungen an die übergeordnete bzw. Ge-setzgebungsebene von Bund und Land. So empfiehlt der Landkreis Trier-Saarburg die Vereinheitli-chung von Standards und Kriterien, die die verschiedenen genehmigenden Behörden (Bund, Land, Landkreis) bei der Genehmigung von Einrichtungen in der Hilfe zur Pflege, der Jugendhilfe und der Eingliederungshilfe zugrunde legen. Die Bedingungen für Zuschüsse und zinsgünstige Darlehen zur Herstellung von Barrierefreiheit sollen durch dass Land Rheinland-Pfalz nicht verschlechtert werden.

Der Landkreis Uckermark empfiehlt die Erhöhung der Pflegetarife im Land Brandenburg, um der Ab-wanderung von Fachkräften in andere Bundesländer vorzubeugen. Empfehlungen des Kreises Schleswig-Flensburg beziehen sich auf die Rahmenbedingungen der pflegerischen Ausbildung. So sollten die gesetzlichen Voraussetzungen (SGB II/III) geschaffen werden, damit eine Förderung der gesamten Ausbildung sichergestellt ist. Die Förderung des beruflichen Aufstiegs vom Pflegeassisten-ten zur Pflegefachkraft sollte staatlich gefördert werden (analog zum Meister-BAföG). Durch das Land sollte die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse erleichtert werden.

Auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Umbau von Wohnraum und die Etablierung neuer Wohnformen zielen Empfehlungen der Modellregion Westmecklenburg an Land und Bund. So sollen die Anforderungen an die Barrierefreiheit in der Landesbauordnung festgeschrieben werden (§ 50 LBauO M-V). Zudem brauche es einer rechtlichen Rahmensetzung in der Baunutzungsverord-nung zur Steuerung „neuer Wohnformen“, die allerdings nicht näher ausgeführt wird. Es sollten zu-sätzliche bzw. verbesserte Förderprogramme für alternative, generationsübergreifende Wohnprojek-te und bezahlbaren Wohnraum durch Bund und Land aufgelegt werden. Die Beratung durch unab-hängige Träger sollte Fördervoraussetzung bei Programmen des Bundes werden.

Verstetigung

Zahlreiche Regionen werden ihre Arbeitsgruppen zum Pflegebereich fortführen und sehen in der Regionalstrategie die gelegte Grundlage für eine gute „Austausch- und Arbeitskultur“.

Der Landkreis Coburg stärkt die Berücksichtigung von Belangen älterer Menschen nachhaltig auch dadurch, dass er ein „Seniorenpolitisches Programm für ein seniorenfreundliches Coburger Land 2025“ diskutiert und aufgestellt hat. Es beinhaltet u.a. die verbindliche Vertretung der Senioren im Kreistag und sichert die Berücksichtigung von Seniorenbelangen und seniorenpolitischen Fragen. Es beinhaltet auch Handlungsgrundsätze wie die Sicherung einer hauptamtlichen Person in der Ge-meinde für die Belange der Senioren (Ansprechpartner), Seniorenbefragungen und Diskussion (erst allgemein zur Themenfindung, dann vertiefend), weitere Bürgerversammlungen (Senioren) und die Unterstützung der Gemeinde bei ehrenamtlichen Tätigkeiten (z. B. Bürgerbus, Nachbarschaftshilfe).

Die Verbandsgemeinde Daun möchte die Erkenntnisse der Regionalstrategie verstetigen, indem diese in die Erarbeitung des Pflegestrukturplans des Kreises Vulkaneifel einfließen sollen.