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Erreichbarkeitsanalysen

3. Anwendung der methodischen Grundbausteine in den Modellregionen

3.2 Erreichbarkeitsanalysen

Durch die Erreichbarkeitsanalysen werden Informationen „zur Lage von Einrichtungen sowie zu de-ren verkehrsmittelspezifischen Erreichbarkeit für die Bevölkerung oder bestimmte Nachfragegrup-pen“25 (Schüler, Patienten usw.) geliefert. Diese sind eine wesentliche Grundlage für die Diskussionen in den thematischen Arbeitsgruppen. Erreichbarkeit meint i. d. R. die Wegezeiten zum Erreichen von Angeboten und Standorten. Einzelheiten der verschiedenen Modellansätze werden ebenfalls im Be-richt der Begleitforschung Zentrale Datendienste detailliert beschrieben.26

Es können „zwei Phasen der Erreichbarkeitsmodellierung“27 unterschieden werden:

− Im Referenzszenario Status quo wurde die aktuelle Erreichbarkeitssituation der ausgewähl-ten Infrastrukturstandorte ermittelt.

− Im Erreichbarkeitsszenario für das Jahr 2030 wurden die Folgen für die Erreichbarkeit anhand von durch die Modellregionen definierten Szenarien für den Zeithorizont 2030 untersucht.

In den meisten Fällen wurden die Analysen jeweils für die Verkehrsmittel Fahrrad, PKW, ÖPNV und den Fußverkehr vorgenommen. Sie wurden in Form von Karten, Tabellen, Erreichbarkeitsprofilen sowie Abbildungen von Verkehrsangeboten, kleinräumiger Verkehrsverhältnisse und Erreichbarkeits-veränderungen aufbereitet.

Die räumliche Verteilung der verschiedenen Daseinsvorsorgeeinrichtungen wurde in vielen Modell-regionen zum ersten Mal dargestellt. Sie waren wichtige Grundlagen für die thematischen Arbeits-gruppen und spielten insbesondere bei der themenbezogenen Problemanalyse und den strategi-schen Überlegungen wie den Szenarien eine Rolle. Als vollständige und themenübergreifende Über-sicht werden sie von der Modellregion Ostwürttemberg auch als eine Bereicherung für die strategi-sche Arbeit in Region und Landkreisen gesehen und sollen daher entsprechend fortgeführt werden.28 Grundsätzlich sind aus Sicht der Modellregionen die standardisierten Erreichbarkeitsmodelle für viele Problemstellungen geeignet. In Themenfeldern wie Eintreffzeiten im Brandschutz, tageszeitspezifi-sche Erreichbarkeit von Ärzten u .Ä. gibt es jedoch weitere Informationsbedürfnisse, die spezialisierte Modelle erforderlich machen.29 Tabelle 6 gibt einen Überblick über die durchgeführten Erreichbar-keitsanalysen in den Modellregionen. Erreichbarkeitsrelevant sind vor allem die sozialen, für ge-wöhnlich standortgebundenen Infrastrukturen. Technische, meist leitungsgebundene Infrastrukturen und Themenbereiche wie Fachkräfte haben dagegen keine oder nur sehr geringe Erreichbarkeitsrele-vanz, so dass für diese Themen auch keine Erreichbarkeitsanalysen erstellt wurden.

25 Ebd., S. 61.

26 Eine Beschreibung und der Vergleich der verschiedenen Modellansätze findet sich im Endbericht der Begleit-forschung Zentrale Datendienste: Schwarze, Spiekermann 2014, S. 64f.

27 Ebd.

28 Vgl. Ergebnisbericht Ostwürttemberg, S. 67.

29 Vgl. Ergebnisbericht Landkreis Trier-Saarburg, S. 37, Schwarze und Spiekermann, S. 124f.

Tabelle 6: Durchgeführte Erreichbarkeitsmodellierungen in den Modellregionen

Daseinsvorsorgebereiche OWÜ WM OEO AMA RAC UMK ELE COB HEF VBK TSB SLF MZG SHK CLV SEE SAL SPE LOI MNI DAU

Mediz./Ärzteversorgung Z Z Z R Z Z Z Z R Z Z R R Z Z R

Bildung/Schulentwicklung Z R Z Z Z Z Z R Z Z Z R Z R Z

ÖPNV/Mobilität R R R R R R R R R R

Pflege/Senioren/Leben im Alter R R R Z R R R R Z

Kindertagesbetreuung R Z R R R R R Z R

Jugendarbeit R

Siedlungsentw./Zentrale Orte R Z R R R R Z

Brandschutz Z Z R R R Z Z

Nahversorgung R R Z R Z R R R Z Z

Soziale Treffpunkte R

Kultur R R

Schwimmbäder Z

Daseinsvorsorgebereiche ohne bzw. mit sehr geringer „Erreichbarkeitsrelevanz“

Wasser/Abwasser Energieversorgung Rettungswesen Breitband Straßen/Wege

Menschen mit Behinderung Fachkräfte

Arbeitsmarkt/Grundsicherung

R = Referenzszenario – Status quo, Z = Referenzszenario – Status quo und Erreichbarkeitsszenario 2030 Eigene Darstellung auf Grundlage von Schwarze und Spiekermann 2014, S. 62, ergänzt

In den Modellregionen wurden von den Arbeitsgruppen für folgende Bereiche der Daseinsvorsorge Erreichbarkeitsanalysen angewendet:

− Medizinische/Ärzteversorgung in 16 von 18 Regionen30

− Bildung/Schulentwicklung in 15 von 16 Regionen

− ÖPNV/Mobilität in zehn von elf Regionen

− Pflege/Senioren/Leben im Alter in neun von 15 Regionen

− Kindertagesbetreuung in neun von zehn Regionen

− Jugendarbeit in einer von sechs Regionen

− Brandschutz in sieben von acht Regionen

− Nahversorgung in zehn von sechs Regionen31

Sieben Modellregionen haben die Erreichbarkeit von Daseinsgrundfunktionen bzw. -einrichtungen in einem Ort oder einer Teilregion insgesamt analysiert und dargestellt, z. B. in zentralen Orten. Sie dienten dann zur Typisierung und Bewertung von Gemeinden bzw. Orten sowie für entsprechende

30 Regionen, die das Thema in einer Arbeitsgruppe bearbeitet haben.

31 Dieses Missverhältnis ergibt sich dadurch, dass nur in sechs Modellregionen das Thema Nahversorgung expli-zit in einer Arbeitsgruppe bearbeitet wurde. Die vier weiteren Regionen haben Erreichbarkeitsanalysen, z. B.

von Standorten des Lebensmitteleinzelhandels im Rahmen der Erreichbarkeit der Daseinsgrundfunktionen, angewendet.

Festlegungen und Handlungsempfehlungen (z. B. SEE, AMA, SHK, VBK).

Deutlich wird, dass Erreichbarkeitsszenarien des Status quo deutlich häufiger vorgenommen wurden als Erreichbarkeitsszenarien für das Jahr 2030. Wurden erstere im Durchschnitt noch für sieben bis acht Themenfelder durchgeführt, sind es bei letzteren im Durchschnitt zwei bis drei Szenarien je Mo-dellregion.32 Erreichbarkeitsszenarien mit Zukunftsorientierung wurden vor allem bei den Themen ärztliche Versorgung, Schulentwicklung und Brandschutz verwendet.

Nicht ganz optimal verlief die Bereitstellung der Erreichbarkeitsmodellierungen im Rahmen der Regi-onalstrategieprozesse bei den Modellregionen, die Leistungen der Begleitforschung Zentrale Daten-dienste in Anspruch genommen haben.33 So standen in einigen Modellregionen die Ergebnisse der Erreichbarkeitsanalysen erst zu einem späten Projektzeitpunkt zur Verfügung, so dass sie gar nicht oder kaum mehr in die Arbeit der Arbeitsgruppen, insbesondere nicht in die Diskussion um Alternati-ven und Bewertung von Handlungsansätzen, einfließen konnten (z. B. CLV, TSB, MZG, UMK, OWÜ)34. Dies war ggf. auch ein Grund für die geringere Zahl von zukunftsorientierten Erreichbarkeitsanalysen.

Viele Modellregionen betonen in ihren Ergebnisberichten die Bedeutung der Erreichbarkeitsanalysen für den Regionalstrategieprozess bzw. die thematischen Arbeitsgruppen. Lagen die Erreichbarkeits-analysen und vor allem entsprechende Karten und Auswertungen vor, wurde die Arbeitsgruppenar-beit deutlich befördert, da „die Diskussionen in den ArArbeitsgruppenar-beitsgruppen lebhafter, kritischer und konkre-ter wurden und auch erst auf dieser Basis Lösungsansätze für die erkennbar gewordenen Versor-gungslücken auf den Tisch kamen.“35 Die Erreichbarkeitsanalysen können ein „sehr wichtiger Türöff-ner für den Diskussionsprozess“36 sein und eine bedeutende Grundlage, um diesen auf sachlicher Ebene führen zu können. Sie waren neben den Bevölkerungsvorausschätzungen zentrale Arbeits-grundlage für alle Arbeitsgruppen und „unverzichtbar“37 für die Themenbearbeitung. Die kartogra-phischen Darstellungen der Erreichbarkeiten scheinen in manchen Themen mehr als Visualisierungs-, denn als Entscheidungshilfe genutzt zu werden. Sie werden als gutes Instrument bei angedachten Standortalternativen oder -schließungen angesehen.38 Insbesondere die Fachplanungen erkennen in dem erweiterten Blick auf den Raum einen positiven Aspekt der Erreichbarkeitsanalysen (z. B. OEO).

Es gibt aber auch Modellregionen, die Erreichbarkeitsmodellierungen nur bedingt als tauglich und praktikabel einschätzen. Ggf. ist die Bedeutung der Erreichbarkeitsanalysen aber auch abhängig von Regionsgröße und -zuschnitt. Insbesondere in kleineren Regionen wie der interkommunale Koopera-tion Salzachtal werden Erreichbarkeitsanalysen für die Region aufgrund ihrer Größe und des Zu-schnitts als eher unbedeutend eingeschätzt, da die Randeffekte, die die Bewertung der Analysen und Szenarien relativieren können, zu groß sind.39

Grenzen der Nutzbarkeit von zukunftsorientierten Erreichbarkeitsmodellierungen werden von eini-gen Modellregionen wie dem Spreewalddreieck im Hinblick auf die Perspektive für das Jahr 2030 gesehen, weil eine Vorausschätzung an öffentlichen Verkehrsangeboten eher unrealistisch sei. 40 Der Landkreis Trier-Saarburg weist darauf hin, dass die Erreichbarkeitsmodelle „auf sehr konkrete Frage-stellungen modelliert sein müssen“41, um als Basis einer Abschätzung der demografischen Folgen für die Auslastung und Kostenentwicklung dienen zu können. Dies betrifft insbesondere die Betrachtung

32 Vgl. Schwarze und Spiekermann 2014, S.61ff.

33 Vgl. z. B. Ergebnisbericht Spreewalddreieck, S. 9; Ergebnisbericht Landkreis Trier-Saarburg, S.19; Ergebnisbe-richt Ostwürttemberg, S. 66f.

34 Vgl. beispielhaft Ergebnisbericht Ostwürttemberg, S. 66.

35 Ebd., S. 67.

36 Ergebnisbericht Amt Peenetal/Loitz, S. 54.

37 Ergebnisbericht Westmecklenburg, S. 21.

38 Vgl. Ergebnisbericht Verbandsgemeinde Daun, S. 21.

39 Vgl. Ergebnisbericht Interkommunale Kooperation Salzachtal, S. 14.

40 Vgl. Ergebnisbericht Spreewalddreieck, S. 13.

41 Ergebnisbericht Landkreis Trier-Saarburg, S. 37.

der ÖPNV-Erreichbarkeit in Teilräumen, die im Wesentlichen durch die Schülerverkehre angebunden sind. Hier ist „die Verwendung eines Modells, das die optimale Verbindung zugrunde legt, ohne zu berücksichtigen, in welcher Häufigkeit diese gegeben ist, mit einem hohen Risiko verbunden.“ Es wird daher festgestellt, „dass Erreichbarkeitsmodelle ein hilfreiches Instrument sind, das aber zunächst kein Qualitätsmerkmal darstellt und dem weitere Kriterien zur Seite gestellt werden müssen, um ei-nen sinnvollen Abwägungsprozess gestalten zu könei-nen.“42