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2. Material und Methoden

2.2 Qualitative Auswertung der erhobenen Daten

Die auf Tonband aufgenommenen Interviews wurden im nächsten Schritt transkribiert. Hierzu wurden die von Udo Kuckartz entwickelten Transkriptionsregeln72 verwendet, die im Anhang zu finden sind (vgl. A.2). Die Regeln berücksichtigen besonders die Praktikabilität für die spätere Auswertung.

Die Transkriptionen erfolgten anhand der Tonbandaufnahmen und wurden in einem Word Dokument festgehalten. Zu Zwecken des Datenschutzes wurden persönliche Angaben parallel zur Transkription anonymisiert. Dabei wurden Sprechanteile von Mutter oder Vater mit ,M’

oder ,V’ gekennzeichnet, ausgesprochene Namen wurden mit einem beliebigem aber einheitlich verwendeten Buchstaben versehen. Orte und Daten wurden ebenfalls so verändert, dass keine Rückschlüsse mehr auf die Identität der Interviewpartner möglich sind.72 Zeilennummern wurden abschließend in die Dokumente eingefügt. Auf Zeitmarken wurde verzichtet.

Die Transkripte werden in den Räumlichkeiten der Kinderklinik der MHH sowohl elektronisch auf einem passwortgeschützten Computer als auch ausgedruckt in einem abschließbaren Schrank verwahrt.

2.2.2 Qualitative Inhaltsanalyse nach Colaizzi

Die vorliegende Studie nutzte zur qualitativen Auswertung der Interviews das Verfahren nach Colaizzi.59 Paul F. Colaizzi ist ein Vertreter der deskriptiven Phänomenologie, deren Prinzipien von Edmund Husserl zugrunde gelegt und von Colaizzi weiter ausgebaut wurden.73 Seine Methodik ist vielfach aufgegriffen und im gesundheitswissenschaftlichen Kontext angewandt worden.74,50,75,76,77 Auch wenn die Analyseschritte nach Colaizzi zum Teil kontrovers diskutiert werden78, stellt die auf Grundlage der deskriptiven Phänomenologie beruhende Methodik ein geeignetes Verfahren zur Analyse narrativer Interviews dar: Erkenntnisse über individuelle menschliche Erfahrungen erlangt man – folgt man der deskriptiven Phänomenologie – nicht durch experimentelle Erhebungsmethoden, sondern anhand von Beschreibungen durch die Interviewpartner selbst.59 Das Ziel ist es, deren bewusste Erfahrung bzw. ihr bewusstes

Erleben in den Vordergrund zu stellen.79 Ihre persönlichen Sichtweisen und Sinngebungen konnten somit anhand der Methodik nach Colaizzi erfasst und herausgearbeitet werden.

Es wurden unter Berücksichtigung der ‚theoretischen Sättigung’ (vgl. Kapitel 2.1.2) insgesamt 11 Interviews nach Colaizzi in folgenden Schritten von der Autorin der vorliegenden Promotion qualitativ analysiert 59,79,80,74:

1. Wiederholtes Lesen der Protokolle und Anhören der Mitschnitte:

Die Forschende sollte ein Gefühl für den Interviewverlauf und dessen grundlegende Aussagen gewinnen. Zum Einfühlen in die Interviewsituation wurden parallel die Tonbandaufnahmen angehört.

2. Entnehmen signifikanter Aussagen:

Die Interviews wurden auf signifikante Aussagen hin untersucht. Als signifikant galten Aussagen, die in Verbindung mit dem zu untersuchenden Phänomen standen. Diese wurden für jedes Interview in einem separaten Dokument herausgearbeitet, festgehalten und mit einer entsprechenden Zeilennummer versehen.

3. Formulierung des Sinngehaltes:

Für jede signifikante Aussage sollte ein entsprechender Sinngehalt formuliert werden, der sich inhaltlich im Transkript wiederfindet.

4. Erstellen von thematischen Gruppierungen/Kategorien:

Aus den Sinngehalten hervor gehend wurden Kategorien formuliert. Konnte jeder Sinngehalt eines einzelnen Interviews einer Kategorie zugeteilt werden, war die Analyse des Interviews beendet. Die aus 11 Interviews erarbeiteten Kategorien wurden in einer Analysetabelle mit den zugehörigen signifikanten Aussagen aus Schritt 2 zusammengetragen. Diese einfache Form des Text-Retrievals81 war nötig, um die Interviews als Einheit zu erfassen und zu analysieren. Die Gesamtheit der Kategorien wurde als Zwischenergebnis in einem Kategorienbaum dargestellt (vgl. Kapitel 2.2.4).

5. Erschöpfende Beschreibung der Kategorien:

Jede Kategorie wurde erschöpfend und umfassend in eigener Wortwahl beschrieben.

6. Herausarbeiten der essenziellen Struktur:

Die erschöpfende Beschreibung einer Kategorie bzw. eines Phänomens lässt die Essenz des Gesagten in den Vordergrund treten. Diese Kernaussagen (syn. essenzielle Strukturen) wurden reduzierend erfasst und in der Analysetabelle festgehalten.

7. Validierung durch die Interviewpartner:

Colaizzi sieht vor, die Ergebnisse der Inhaltsanalyse durch die Interviewpartner zu validieren. Im vorliegenden Projekt erfolgte dieser Schritt anhand der aus Ergebnissen der Inhaltsanalyse erarbeiteten Fragebogen (vgl. Kapitel 2.3.5). Ziel war es, zu prüfen, ob die Fragen verständlich formuliert sind und diese die persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen der Interviewpartner widerspiegeln.

Während es auf der einen Seite die Aufgabe der Studienteilnehmer war, unverfälscht und dem Phänomen getreu aus der persönlichen, prädiagnostischen Phase zu berichten, war es auf der anderen Seite die Aufgabe der Interviewerin diesen Schilderungen sowohl im Interview als auch in der Auswertung ohne die eigenen „Erlebnisse, Kenntnisse und Vermutungen“74 zu begegnen. Das Ausklammern der eigenen Vorurteile und des eigenen Kenntnisstandes wird von der deskriptiven Phänomenologie gefordert79,74 und entspricht dem in der qualitativen Sozialforschung praktizierten ‚Prinzip der Offenheit’62. Dieses Prinzip strebt nach Öffnung gegenüber dem Forschungsgegenstand und dem Zurückstellen des eigenen Relevanzsystems bzw. theoretischen Hintergrundwissens.

Hieraus ergab sich eine ‚induktive Kategorienbildung’, also eine solche, die als

„Kategorienbildung am Material“82 vollzogen wurde. Die induktiv gebildeten Kategorien unterlagen dabei einem kontinuierlichen Wandel, denn die Auswertungsphasen liefen nicht als starrer, sondern vielmehr als ,iterativ-zyklischer’ Prozess ab.83 Das bedeutet, dass Erkenntnisse bezüglich des Forschungsthemas aus der schrittweisen Auseinandersetzung mit dem Datenmaterial und durch Eigen- und Gruppenreflexionen hervorgingen. Die von der Autorin der Promotion analysierten Interviewergebnisse wurden deshalb regelmäßig vom Forschungsteam reflektiert, um die intersubjektive Objektivierbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten.84 Während des Forschungsprozesses war es deshalb notwendig, Ergebnisse und Erkenntnisse zu überdenken und nachzujustieren.74,83 Kategorien wurden innerhalb des

‚iterativ-zyklischen Prozesses’ neu gebildet, aufgelöst oder feiner definiert. Ebenfalls wurden

die erarbeiteten essenziellen Strukturen der Kategorien wiederholt überdacht und dem neuesten Erkenntnisstand angepasst.

Alle Analyseschritte sind in Tabellen festgehalten, die mit dem frei verfügbaren Programm

‚Google Tabellen’ angefertigt wurden.

2.2.3 Erstellung eines Kategoriensystems

Im Anschluss an die qualitative Inhaltsanalyse wurde ein Kategoriensystem erstellt, um die Zwischenergebnisse übersichtlich und strukturiert wiederzugeben und sie für die nächsten Bearbeitungsschritte verwertbar zu machen. Ein Kategoriensystem bezeichnet die Gesamtheit aller im Forschungsprozess entstehender Kategorien. Die Art der Ordnungsmöglichkeiten solcher Systeme ist vielfältig.85

Zu Beginn der Auswertungen wurden die entstandenen Kategorien chronologisch aufgelistet.

Für jedes zu analysierende Interview wurde eine eigene Kategorienliste in einem separaten Dokument angefertigt.

Parallel hierzu wurde eine Kategorienliste zusammenfassend für alle Interviews geführt.

Zusätzlich wurde jeweils für die drei in der Studie eingeschlossenen Erkrankungsgruppen eine eigene Kategorienliste erstellt. Auf diese Weise konnte die ‚theoretische Sättigung’ (vgl.

Kapitel 2.1.2) zum einen im gesamten Forschungsprojekt und zum anderen in den jeweiligen Erkrankungsgruppen verfolgt werden.

Durch die steigende Anzahl und die gleichzeitig zunehmende Sättigung der Kategorien, wurden Themengebiete und Strukturen offengelegt. Somit entwickelte sich aus der linearen Ordnung zunehmend ein mit Ober- und Unterkategorien versehenes Kategoriensystem.85

Nachdem kein signifikanter Zuwachs an theoretischen Erkenntnissen mehr zu verzeichnen war, erfolgte die finale Bestimmung des Kategoriensystems.85 Hierfür wurde das kostenfreie Mind-Mapping Programm ‚Coggle’ verwendet, um daraus ein komplexes, hierarchisches System grafisch darzustellen. Durch die Visualisierung entwickelte sich ein reichhaltiger Kategorienbaum mit zahlreichen Ober- und Unterkategorien (vgl. A.5). Unterkategorien sind Endverzweigungen des Kategorienbaums. Oberkategorien sind dadurch definiert, dass sie sich

in mehrere Unterkategorien, oder bei höhergradigen Oberkategorien auch in mehrere darunter zusammengefassten Oberkategorien, aufspalten können. Die finale Bestimmung des Kategoriensystems zog einen Wandel der Kategorien selbst und ihrer Beziehung zu den zugehörigen Zitaten nach sich (vgl. Kapitel 3.1.2).85 Veränderungen wurden in der Forschungsgruppe besprochen und übereinstimmend vorgenommen.

2.2.4 Erweiterung der Methodik – Anpassung an die Forschungsfragen

Andere Forschungsarbeiten, die sich ebenfalls der qualitativen Inhaltsanalyse nach Colaizzi bedienen, ergänzen die Methode um eigene Schritte.80,75 So auch das vorliegende Projekt, in dem die Frage nach der Abbildung der Ergebnisse in Fragebogen im Zentrum der Arbeit steht.

So wurde die Inhaltsanalyse um den Aspekt der Fragengenerierung erweitert. Die hieraus entstandenen Fragebogen wurden anschließend den Interviewpartnern zur Validierung vorgelegt.