• Keine Ergebnisse gefunden

,QKDOWVRULHQWLHUWH$XV]HLFKQXQJ

Im Dokument Dynamische elektronische Bücher (Seite 83-90)

(OHNWURQLVFKH%FKHU

,QKDOWVRULHQWLHUWH$XV]HLFKQXQJ

onsmedium und seine Charakteristika aussagen, die entsprechende Information erst durch Transformationssprachen wie DSSSL (s. u. Kap. 7.1.1) oder Cascading Style Sheets (CSS) dem Strukturmarkup zugeordnet werden muss. Für dynamische Publikationen mit inhaltsorientiertem Markup ist diese Zweiteilung daher durch die inhaltsbezogene Mar-kupebene zu einer Dreiteilung (Struktur, Inhalte, Präsentation) zu erweitern.

6WUXNWXUPDUNXS

Zur logischen Struktur gehören Merkmale, die nicht an den Einzelfall eines bestimmten elektronischen Buchs gebunden sind, sondern generell für eine Vielzahl von Publikati-onsprodukten verwendbar sind. Dazu gehören Gliederungsebenen und die hierarchische Einteilung von Inhalten, die einfache sequentielle Abfolge informationeller Einheiten (z. B. Absätze als logische Gliederung eines längeren Texts) und untypisierte Hypertext-verknüpfungen, die einen nicht näher spezifizierten Zusammenhang zwischen zwei in-formationellen Einheiten kodieren und dem Benutzer eine zusätzliche Navigationsmög-lichkeit eröffnen. Strukturmarkup kann je nach Realisierung einer elektronischen Publi-kationsplattform eine Doppelfunktion übernehmen, wenn es zusätzlich als Präsentations-format für mit inhaltsorientiertem Markup versehene Ausgangsdaten verwendet wird: Die Überführung von inhaltsorientierter Kodierung in reines Strukturmarkup bildet die in-haltsorientierte Auszeichnung (z. B. '(),1,7,21!, %(:(,6!, 9(568&+6%(6&+5(,

%81*!) auf einfachere Textstrukturmerkmale wie Paragraphen, Überschriften etc. ab. In dieser Form ist das Publikationsprodukt mit Standardwerkzeugen wie einem Webbrowser ohne weiteres nutzbar, ein gebräuchliches Beispiel für diese Transformation, wie es im Referenzprojekt verwendet wird, ist die Abbildung einer inhaltsorientierten Beschreibung von SGML oder XML auf (X)HTML. Damit das inhaltsorientierte Markup als Bezugs-punkt für die dynamische Ergänzung durch Komponenten und Dienste für den Benutzer nicht verloren geht, ist der Zeitpunkt der Transformation kritisch: Soll eine Materialzu-sammenstellung bereits vor der Distribution erfolgen (z. B. ausführlicher vs. einfacher Eintrag in einem elektronischen Lexikon), kann die Transformation bereits auf der Seite der Distribution erfolgen, d. h. als Umwandlung eines Materialbestands mit inhaltsorien-tierter Auszeichnung in einen Materialbestand, der weniger umfangreich ist und eine einfachere Binnenstruktur aufweist, aber nach wie vor inhaltsorientierte Marken enthält.

Die eigentliche Übersetzung in Strukturmarkup mit zugeordneten Präsentationsanweisun-gen wird dann erst durch den Viewer auf der Seite des Nutzers erfolPräsentationsanweisun-gen. Dieser Schritt ist unerlässlich, da gerade die Offenheit des Entwurfs unterschiedlicher Dokumentstrukturen bzw. Inhaltsauszeichnungen verhindert, dass ein Viewer a priori Wissen über die korrekte Präsentation aufweisen kann. Der Ansatz, eine inhaltsorientierte Auszeichnung für ihre Präsentation in ein Zielformat ohne Inhaltsmarkup zu transformieren, bietet die Möglich-keit, von der Zielplattform zu abstrahieren: Ein detailliertes Inhaltsmarkup bei der Aufbe-reitung der Daten kann erfolgen, ohne dass das front end bzw. der Benutzer dessen De-tails verstehen müssen. Die Aufbereitung durch Markup mit einer generischen logischen Struktur entspricht dem state-of-the-art elektronischer Publikationen, insbesondere in Form von in HTML kodierten Hypertextdokumenten.

,QKDOWVRULHQWLHUWH$XV]HLFKQXQJ

Unter inhaltsorientiertem Markup wird die Einführung von Beschreibungsmarken ver-standen, die anders als Strukturmarkup nicht eine allgemeine logische Struktur, sondern die konkreten Inhalte eines dynamischen elektronischen Buchs beschreiben.

.DSLWHO¥'\QDPLVFKHHOHNWURQLVFKH%FKHU

Inhaltsorientiertes Markup ist als eine Form der Informationsanreicherung mit zusätz-lichem Aufwand verbunden; seine Einführung muss durch einen entsprechenden Mehr-wert gerechtfertigt sein. Ein solcher MehrMehr-wert kann erzeugt werden, wenn

in Abhängigkeit von den kodierten Inhalten unterschiedliche Präsentationsformen möglich sind (Beispiel: Präsentation von inhaltsorientiert kodierten Messdaten in ta-bellarischer oder graphischer Form, unter Zuhilfenahme entsprechender Transformati-onsverfahren),

• durch inhaltsorientierte Filter eine unterschiedliche Materialzusammenstellung er-reicht werden kann,

• aufgrund der Analyse inhaltsorientierten Markups eine Zuordnung von Komponenten und Diensten zu den jeweiligen Inhalten möglich ist (Beispiel: Zusammenführung von Versuchsbeschreibung und Versuchssimulation über inhaltsorientiertes Markup; An-bindung externer Dienste an durch inhaltsorientiertes Markup gekennzeichnete Textpassagen, z. B. Zuordnung von Recherche- oder Nachschlagediensten zu inhalt-lich gekennzeichneten Fachbegriffen) oder

• inhaltsorientiertes Markup für die Informationserschließung genutzt wird und der Wiederverwendbarkeit von Ressourcen bzw. deren Integration in eine Informationsin-frastruktur (z. B. eine digitale Bibliothek) dienen kann; dies gilt vor allem für die Be-schreibung von Komponenten und Multimediadaten, bei denen für die Primärdaten (Bitmap, Videodatei) keine leistungsfähigen Erschließungsverfahren vorliegen.

Ein weiteres Beispiel für inhaltsorientiertes Markup stellen typisierte Verknüpfungen dar:

In HTML als dem am weitesten verbreiteten Kodierungsstandard für Hypermedia-Daten werden nur einfache syntaktische Verknüpfungen verwendet. Sie sind sowohl in ihrer formalen Mächtigkeit (unidirektionale 1:1-Verknüpfungen) als auch in ihrer semantischen Aussagekraft eingeschränkt. Es gibt keine Möglichkeit, durch die Spezifikation der Ver-knüpfung eine Aussage über ihre Semantik bzw. die semantische Relation der verknüpf-ten informationellen Einheiverknüpf-ten zu machen. Dies geschieht i. d. R. unsystematisch durch entsprechende Ausgestaltung von Ankern: Reine Navigationslinks, die z. B. dem linearen Weiterblättern innerhalb des Informationsbestands dienen, werden durch geeignete Be-schriftungen oder Graphiken kenntlich gemacht, während bei Links mit nicht-navigationaler Semantik die Beschriftung des Ankers meist einen Hinweis auf die se-mantische Rolle der Verknüpfung gibt. Auch wenn man einräumen muss, dass es nicht möglich ist, eine abschließende Menge möglicher Relationen zu definieren33 oder ggf.

automatisch zu erzeugen, ist die Möglichkeit, Links mit semantischer Zusatzinformation auszustatten, ein geeignetes Werkzeug, um die Dynamisierung elektronischer Publikatio-nen zu realisieren und im Interface durch geeignete graphische Gestaltung kenntlich zu machen.

Neben der Frage nach der Funktion inhaltsorientierten Markups ist die Granularität ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal. Hinsichtlich des Umfangs der als inhaltsori-entiertem Markup kodierten (zusätzlichen) Information existiert eine offene Skala: An deren einem Ende steht vollständige Transformation aller beschriebenen Inhalte in dekla-rative Beschreibungen, d. h. die explizite Wissensrepräsentation: Auch wenn ein solcher Ansatz derzeit für elektronische Bücher nicht unmittelbar umsetzbar ist, da sich die kom-plexen multimedialen und sprachlichen Inhalte allenfalls in eng eingegrenzten,

33 Die semantische Typisierung von Hypertextverknüpfungen ist ein Sonderfall der Klassifikation semantischer Beziehungen zwischen informationellen Einheiten; eine ausführliche Übersicht zu verschiedenen Ansätzen geben KUHLEN 1991: 106 und STEINMETZ 1999: 714 f.

'HNODUDWLYH$XV]HLFKQXQJYRQ,QIRUPDWLRQ

hend formalisierbaren Domänen deklarativ beschreiben lassen, sei darauf verwiesen, dass sich deklarative Standards der Informationsauszeichnung zur Wissensrepräsentation eig-nen.34

Bei einer weniger ausgeprägten Beschreibungstiefe – inhaltsorientiertes Markup als echte Zusatzinformation – bedeutet dies, dass zu vorgegebenen informationellen Einhei-ten Attribute vergeben werden, deren Semantik durch das Publikationssystem in einer der oben dargelegten Formen bestimmt wird. Die Granularität der Zuordnung kann unter-schiedlich sein:

Beschreibung von Komponenten, z. B. einer Versuchssimulation durch Bezeichnung, Kurzbeschreibung, Bedienungsanleitung, Schlagworte etc.

Angabe der Funktion von strukturellen (Text-)Einheiten, z. B. Kennzeichnung als Versuchsbeschreibung, Herleitung, Aufgabe, Beispiel etc.

Kennzeichnung auf Wort- und Phrasenebene (z. B. als Fachbegriff, als Verweis auf eine Komponente etc.).

Die konkrete Auswahl von Funktion und Granularität des inhaltsorientierten Markup ist dem Einzelfall vorbehalten – gerade der Bezug zu den konkreten Inhalten einer Publika-tion schließt eine einfache Generalisierung des Einsatzes inhaltsorientierten Markups aus;

in Kap. 4.2.5 wird versucht, eine Methode zur Ermittlung von Art und Umfang inhaltsori-entierten Markups anzugeben; Kap. 10 stellt die Verwendung inhaltsoriinhaltsori-entierten Markups im Referenzprojekt vor. Es wird deutlich, dass die anwendungsspezifische Definition von inhaltsorientiertem Markup die Gefahr birgt, nicht-standardisiertes oder standardisierba-res Wissen für die Aufbereitung der Information einzusetzen. Dem kann allerdings durch Einführung sekundärer Strukturierungs- bzw. Restringierungsformate entgegengewirkt werden, wie sie etwa die Architectural Forms als Erweiterung von SGML bereitstellen, vgl. LOBIN 2000: 85 ff. und unten Kap. 5.1.3. Zusammenfassend kann man den Versuch, durch inhaltsorientierte Auszeichnung von Information die Anknüpfung von Komponen-ten und DiensKomponen-ten zu ermöglichen, als einen Beitrag zur Entwicklung eines semantic web auffassen, das Tim Berners-Lee 1999A als wesentliche Herausforderung für die Weiter-entwicklung des World Wide Web ansieht.

3UlVHQWDWLRQVPDUNXS

Der dritte Aspekt der Informationsauszeichnung ist das Präsentationsmarkup, d. h. die Kodierung darstellungsrelevanter Information. Während generisches Strukturmarkup wie HTML mit Defaultregeln für die Präsentation versehen ist, die eine Darstellung in jedem Fall gewährleisten, erfordert inhaltsorientiertes Markup die zusätzliche Angabe von Prä-sentations- und Layoutinformation: Zu jedem Auszeichnungselement muss angegeben werden, wie es darstellt werden soll. Auf der Mikroebene betrifft dies die Information über Text- und Absatzformate, die Darstellung von Bildern und Tabellen, d. h. allgemein Regeln für die Darstellung der einzelnen Medientypen in einem elektronischen Buch.

Auf der Makroebene ist damit die Frage angesprochen, was die kleinste zusammen-hängende Präsentationseinheit ist, welche Möglichkeiten das Viewing-System bietet und inwiefern die tatsächliche Darstellung in die logische bzw. inhaltliche Auszeichnung ein-greift. Die Einbeziehung unterschiedlicher Präsentationsregeln für denselben

34 Ein Entwurf für einen Standard zur deklarativen Kodierung von Wissen ist die Ontology Markup Language (OML, vgl. http://wave.eecs.wsu.edu/CKRMI/OML.html); dort auch Bei-spiele für die Übersetzung von textuell repräsentiertem Wissen in OML.

.DSLWHO¥'\QDPLVFKHHOHNWURQLVFKH%FKHU

entiert kodierten Informationsbestand stellt ein Beispiel für die Nutzung der Zusatzinfor-mation in inhaltsorientiertem Markup dar: Je nach Nutzungssituation erfolgt eine unter-schiedliche Transformation derselben Information in ein Präsentationsformat.

Die Kodierung präsentationsbezogener Information ist ein Werkzeug der Umsetzung gestalterischer und ergonomischer Anforderungen an elektronische Bücher; diese Anfor-derungen werden im Rahmen der Diskussion des Prototyps eines dynamischen elektroni-schen Buchs in Kap. 13.2 diskutiert. Kap. 7 erläutert verschiedene SGML-basierte Stan-dards für die Kodierung von Präsentationsinformation.

0HWDGDWHQPDUNXS

Eine vierte, ergänzende Ebene der deklarativen Informationsauszeichnung ist die Kodie-rung von Metainformation. Metadaten sind von inhaltsorientiertem Markup in funktiona-ler und formafunktiona-ler Hinsicht abzugrenzen: Unter Metadaten sei diejenige deklarativ zu ko-dierende Information verstanden, die anders als inhaltsorientiertes Markup nicht in un-mittelbarem Zusammenhang mit der konkreten Nutzungssituation steht, z. B.

• bibliographische Angaben zu einer Komponente,

• die Einstufung einer informationellen Einheit hinsichtlich ihrer Funktion im Rahmen eines Lehr-/Lernsystems oder

• die Verwaltung von Versionsinformation.

Lässt sich auf diese Weise eine funktionale Unterscheidung treffen, so kommt die formale Unterscheidung hinzu: Die Kodierung von Metadaten erfolgt mittels dedizierter Metada-tenschemata wie dem Resource Description Framework (RDF, vgl. unten Kap. 9.1), das als generisches Format für unterschiedliche Metadaten-Funktionen angewandt werden kann und vom primären Markup unterschieden werden kann: Der allgemeine Ansatz des Resource Description Framework gibt nur ein syntaktisches Schema für die Kodierung von Metainformation vor, ohne Inhaltsszenarien zu spezifizieren oder Auswertungsme-chanismen vorzuschreiben. Der Begriff Metadaten ist ein allgemeiner Containerbegriff, der weder einer der oben eingeführten Ebenen zugeordnet ist, noch einen Hinweis auf die funktionale Anwendung enthält. Dieser Ansatz geht über die „klassischen“ bibliographi-schen Metadatenformate hinaus, die wie DigiMarc oder Dublin Core im wesentlichen die Erfassung bibliographischer Daten und deren Nutzung bei der Informationserschließung zum Ziel haben.

Da RDF aber keinerlei Hinweise auf die Operationalisierung (Schlussregeln, Know-ledge Engine etc.) enthält, ist in diesem Bereich eine Standardisierung mittelfristig kaum zu erwarten. Daher stellt sich für die Implementierung die Frage, ob für unterschiedliche Einsatzszenarien von Metadaten wie

• die Speicherung und Auswertung von Interaktionsdaten,

• die Bereitstellung funktional mächtiger Schnittstellen zwischen Publikationsinhalten und eingebetteten Multimediakomponenten oder externen Diensten oder

• die Kodierung von zusätzlichem Wissen über alternative Dokumentzusammen-stellungen

in jedem Fall auf das generische Format von RDF zurückzugreifen ist oder ob es im Ein-zelfall nicht sinnvoller sein kann, durch die Definition zusätzlicher XML-DTDs Funkti-onsbereiche dynamischer elektronischer Bücher abzudecken.

'HNODUDWLYH$XV]HLFKQXQJYRQ,QIRUPDWLRQ

0HWKRGLNGHU,QKDOWVDXV]HLFKQXQJ

Die voranstehenden Kapitel haben nur allgemein beschrieben, welche Anforderungen an die deklarative Auszeichnung von Information zu stellen sind. Sie haben aber keinen Hinweis auf die Ermittlung eines konkreten Markupmodells gegeben. Daher ist nun eine Methode für die Ermittlung eines Markupmodells zu entwickeln. Dabei ist von folgenden Prämissen auszugehen:

1. Ausgangspunkt der Analyse ist der vorhandene bzw. geplante Informationsbestand eines elektronischen Buchs. Im Referenzprojekt Multimediales Physikalisches Prakti-kum lag zunächst ein Teil des Informationsbestands als Druckfassung vor, während alle weitergehenden Komponenten (Multimediasimulationen, Dienste etc.) lediglich als abstrakte Anforderung spezifiziert waren. Eine solche „Mischsituation“ ist typisch für die Entwicklung elektronischer Bücher, soweit sie von einem gedruckten Refe-renzwerk ausgehen.

2. Dedizierte Markupstandards stehen als Leitfäden bzw. Orientierungspunkte zur Verfü-gung (vgl. unten Kap. 6 zu einzelnen vordefinierten Markupmodellen).

3. Die verschiedenen Ebenen der Informationsauszeichnung (logische Struktur, Inhalts-beschreibung, Präsentation, Metadaten) sind grundsätzlich erweiterbar, d. h. das Mar-kupmodell muss für Modifikationen auf den verschiedenen Ebenen (Beschreibung zu-sätzlicher Inhalte, Änderungen der logischen Struktur, Anpassung an verschiedene Präsentationssysteme) offen sein.35

4. Der Entwurf des Markupmodells ist zunächst noch unabhängig von der Architektur des Nutzungssystems für ein dynamisches elektronisches Buch, vgl. dazu unten Kap.

4.5 und 12.5.1.

Zur Ermittlung eines konkreten Markupmodells werden folgende Arbeitsschritte vorge-schlagen:

1. top-down-Analyse: Ermittlung der logischen Struktur

2. bottom-up-Analyse: Ermittlung der unterschiedlichen Inhaltskomponenten und der erforderlichen Beschreibungskategorien

3. Definition von Verknüpfungstypen zwischen den Strukturbestandteilen 4. Festlegen der Präsentationsmerkmale für alle Elemente

5. Definition von Metainformation und Schnittstellen zu Diensten und ihre Kodierung Die Ermittlung der logischen Grundstruktur (Hierarchieebenen) bildet den Ausgangs-punkt der Modellierung, zunächst noch unabhängig von der Präsentationsform im View-ersystem. In sie werden die in Schritt zwei ermittelten Inhaltskomponenten eingeordnet, wobei sich bei der im Referenzprojekt gewählten Lösung eine Unterscheidung in

• Komponenten des Basistexts, im wesentlichen die Textgrundlage des Buchs sowie die darin enthaltenen Formeln, und in

• ergänzende Komponenten (nicht nur Multimediakomponenten, sondern auch Abbil-dungen, Schemata, Tabellen) ergeben hat.36

35 Ein wesentliches Werkzeug hierfür ist die Definition von Namensräumen, die es erlaubt, ver-schiedene Markupmodell konfliktfrei zu integrieren, vgl. dazu unten Kap. 5.2.3.

36 Diese Unterscheidung ist auch durch eingeschränkte Layoutmöglichkeiten, insb. den einge-schränkten Darstellungsbereich des Viewingsystems bedingt.

.DSLWHO¥'\QDPLVFKHHOHNWURQLVFKH%FKHU

Ergänzende Komponenten können jeweils mehreren Strukturknoten des Basistexts zuge-ordnet sein. Zwei Beispiele aus dem Referenzprojekt sollen dies verdeutlichen:

a) Die Simulation eines Elektronenstrahloszilloskops kann unter verschiedenen didakti-schen Gesichtspunkten mehreren Struktureinheiten bzw. den in ihnen enthaltenen In-haltskomponenten zugeordnet werden:

– Erlernen der Bedienung eines Arbeitsgerätes: Zuordnung zu Einführung bzw. all-gemeine Grundlagen.

– Einsatz als Teil einer Versuchssimulation (z. B. RC-Glied): Zuordnung zu den In-haltskomponenten Versuchsaufbau bzw. Versuchsdurchführung.

b) Ähnliches gilt für generisches Wissen, das wie die Tabelle physikalischer Grundkon-stanten im Referenzprojekt zwar nicht unmittelbar Teil des Basistextes ist (im ge-druckten Werk als Tabellenanhang realisiert), aber einer Mehrzahl von Strukturbe-standteilen zugeordnet werden kann und auch über allgemeine Erschließungs- und Navigationsmöglichkeiten auffindbar sein muss.

Die beiden ersten Schritte

• bauen einen Baum als hierarchische Repräsentation der Struktur des Dokuments auf,

• füllen die Knoten des Baums mit den verschiedenen Inhaltskomponenten und

• erweitern den Baum durch Zuordnung ergänzender Komponenten zu einem Netzwerk.

Diese Strategie orientiert sich grundsätzlich an den Annahmen, dass

• sich für elektronische Bücher eine hierarchische Gliederung finden lässt und

• für die Inhalte grundsätzlich eine lineare Abfolge von Teilsequenzen als primärer Nut-zungspfad gefunden werden kann.

Wie die Erläuterung der für das Referenzprojekt gewählten Gestaltungsmetapher zeigen wird (vgl. unten Kap. 13.3.1), orientieren sich diese beide Annahmen stark am Vorbild des gedruckten Buchs. Hinsichtlich der inhaltsorientierten Auszeichnungselemente ist dabei folgendes zu beachten:

• In vielen Fällen überlappen sich Struktur und inhaltliche Funktion, wenn z. B. eine Versuchsbeschreibung gleichzeitig eine Gliederungsebene zugewiesen bekommt. Die-se Doppelfunktion ist durch das Markup entsprechend zu berücksichtigen.

• Die Menge inhaltsorientierter Marken ergibt sich aus einer textfunktionalen Analyse:

Dabei werden im Primärdatenbestand wiederholt auftretende Bestandteile auf Wort-und Abschnittsebene ermittelt. Im Beispiel des Referenzprojekts ergibt sich die bereits erwähnte Aufgliederung von Versuchsbeschreibungen.

Der dritte Schritt legt fest, welche Verknüpfungstypen eingeführt werden – zunächst an den Inhaltskomponenten orientiert, d. h. Verknüpfungen, die inhaltlich motiviert und nicht von den Erfordernissen des Präsentationssystems bedingt sind (wie reine Navigati-onsverknüpfungen, die die sequentielle Abfolge von Präsentationseinheiten ermöglichen).

Im vierten Schritt werden die Präsentationseigenschaften für die eingeführten Ele-mente bzw. – bei einem generischen Ausgabeformat wie HTML – die Übersetzungsregeln für die inhaltsorientierten Marken angegeben. Eine Übersetzung ist dann erforderlich, wenn das Betrachtungssystem nur für bestimmte Dokumenttypen wie HTML zu nutzen ist und andere Dokumenttypbeschreibungen auf dieses Zielformat abgebildet werden müssen. Die Festlegung der Präsentationseigenschaften gehört zwar formal zur Markup-spezifikation, soweit die Präsentationsinformation durch einen deklarativen Standard erfolgt (z. B. XSL oder CSS, vgl. unten Kap. 7); ihre Ausprägung ist aber auf der Basis

'HNODUDWLYH$XV]HLFKQXQJYRQ,QIRUPDWLRQ

eines Gestaltungsleitfadens zu ermitteln (vgl. unten Kap. 13.3.2). Sie sagt zudem noch nichts über die Gestaltung des Viewingsystems auf der Makroebene (Aufbau der Benut-zerschnittstelle, Fensterorganisation) aus. Je nach den technischen Möglichkeiten des Betrachtungssystem kann eine weitere Aufteilung der in den Schritten 1 und 2 definierten logischen bzw. inhaltlichen Komponenten in kleinste Präsentationseinheiten erforderlich sein – im Referenzprojekt die einzelnen Bildschirmseiten als kleinste Einheit der Dar-stellung.

Der letzte Schritt betrifft die Definition der Metadatenformate und die Festlegung der Schnittstellen zu externen Diensten (siehe unten Kap. 4.4.3 und 14.2). Dabei ist nicht nur zu definieren, welche Arten von Metainformation (z. B. bibliographische Angaben, Nut-zungsinformation für Lehr-/Lernkomponenten), sondern auch, wie diese Metadaten zu nutzen sind (Übersetzung in ein Darstellungsformat; Nutzung als Parameterwerte für die Anforderung von Diensten etc.). Wie bei der Einführung von inhaltsorientiertem Markup ist die Granularität der Beschreibung bzw. die Zuordnung der Metadaten zu den Inhalts-komponenten zu bestimmen: Sie ergibt sich aus der Funktion der Metadaten hinsichtlich der beschriebenen Ressourcen – z. B. kann die Zuordnung einer bibliographischen Be-schreibung auf der obersten Ebene der Inhaltshierarchie erfolgen, für die das Merkmal (Autor; Entwickler etc.) noch zutreffend ist, soweit ein impliziter Schlussmechanismus vorausgesetzt werden kann, der bei für Inhaltskomponenten unterhalb dieser Ebene auf die höheren Hierachiestufen zurückgreift. Auf der Ebene der Metadaten kann eine Wie-derholung von Schritt 4 erforderlich sein, um die Metainformation mit einem Präsentati-onsformat zu versehen.

Durch die Integration von Multimediakomponenten und Diensten und die elektroni-sche Präsentation weicht die Methodik von aus dem SGML-Umfeld bekannten Struktu-rierungsmodellen ab, die sich stärker an textuellen Formaten orientieren.37 Dies betrifft weniger die logische Struktur und die Identifikation von Ansatzpunkten für die inhaltsori-entierte Auszeichnung, als vielmehr die Fragen der Hypertextverknüpfungen, der Prä-sentationsspezifikation und der Beschreibung der Schnittstellen zwischen Komponenten.

Die Schritte 1 – 5 sind nicht als einmalige und abschließende Arbeitsschritte zu verste-hen: Durch Hinzunahme neuer Dienste oder die Ermittlung zusätzlicher Information oder die Integration neuer Komponenten(typen) in ein dynamisches elektronisches Buch kann eine sukzessive Erweiterung der inhaltsorientierten Beschreibung und der Metadatenin-formation erforderlich sein.

Abschließend sei bemerkt, dass die Definition eines Markupmodells ähnlich der Er-mittlung eines Datenmodells für eine Datenbankanwendung zwar eine zentrale Rolle spielt, aber bei der Entwicklung eines dynamischen elektronischen Buchs durch eine Rei-he weiterer Schritte zu ergänzen ist – die Definition des Markupmodells besagt noch nichts über Verfahren zur tatsächlichen Einführung der Auszeichnungselemente, die in der Regel sowohl durch intellektuelle als auch automatische Verfahren erfolgt. Der kon-krete Arbeitsablauf hängt stark davon ab, inwiefern schon bei der Produktion von Inhalts-elementen mit Werkzeugen gearbeitet wird, die deklaratives Markup unterstützen oder ob

37 Man muss anmerken, dass sich für die Verwendung deklarativer Markupstandards, z. B. im Verlagswesen als Vorstufe der Buchproduktion bisher anders als im Softwarebereich kein ein-heitliches Modellierungsverfahren herausgebildet hat; die von MALER & EL ANDALOUSSI 1996 vorgestellte Methodik bildet insofern eine Ausnahme.

.DSLWHO¥'\QDPLVFKHHOHNWURQLVFKH%FKHU

Ausgangsdaten aus proprietären Formaten in eine Kodierung mit deklarativem Markup überführt werden müssen.38

Im Dokument Dynamische elektronische Bücher (Seite 83-90)