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Im Dokument Dynamische elektronische Bücher (Seite 79-82)

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Grundlage des in Teil III zu diskutierenden Prototyps darstellt. Dabei steht eine problem-orientierte Sichtweise im Mittelpunkt, die von technischen Realisierungsmöglichkeiten weitgehend abstrahiert. Eine vertiefende Diskussion der zur Umsetzung des Architektur-modells verfügbaren Standards der Informationsaufbereitung bzw. der Implementie-rungstechnologien findet sich in Teil II dieser Arbeit (Informationskodierung) sowie in den Kap. 11-13 in Teil III (Softwaretechnologien).

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Dem Konzept dynamisches elektronisches Buch steht der Begriff statisches elektroni-sches Buch gegenüber, das zwar das elektronische Medium als Präsentationsplattform nutzt, aber informationelle Einheiten in einer fest vorgegebenen Struktur präsentiert und ggf. einfache Formen der Hypertextverknüpfung als zusätzlichen Navigationsmodus (browsing) neben der sequentiellen Präsentation anbietet. Im Gegensatz dazu sei unter der Dynamisierung von Publikationsinhalten die Erweiterung von Publikationsinhalten durch Komponenten und Dienste verstanden, die dem Benutzer verschiedene Interaktionsmög-lichkeiten bieten und deren Umfang veränderbar ist. Grundsätzlich Normalfall ist davon auszugehen, dass eine solche Dynamisierung zu unterschiedlichen Zeitpunkten stattfinden kann und von einem informationellen Kernbestand ausgeht, der als Bezugspunkt dient (Basis- oder Primärdatenbestand des Buchs). In einer erweiterten Definition kann man unter der Dynamisierung von Publikationsinhalten auch die Möglichkeit verstehen, aus gegebenem Material unterschiedliche Publikationsprodukte zusammenzustellen (Per-spektive von Substanzanbieter/Verlag bzw. Autor); dies soll hier aber nicht weiter unter-sucht werden. Es steht vielmehr die Dynamisierung aus der Perspektive des Benutzers im Zentrum der Überlegungen. Das dynamische Verhalten elektronischer Bücher lässt sich drei Ebenen zuordnen:

Der Ebene der Inhalte, d. h. der Frage, inwiefern sich ein Ausgangsdatenbestand durch Autoren bzw. Benutzer verändern und erweitern lässt und zu welchem Zeitpunkt dies geschehen kann,

der Ebene der Interaktion bzw. der eingebetteten Komponenten. Darunter sind in die-sem Kontext vor allem eingebettete Multimediakomponenten zu verstehen, die inter-aktives dynamisches Verhalten ermöglichen, und

der Ebene der Präsentation, d. h. der Möglichkeit, Inhalte aus einem vorgegebenen Ausgangsdatenbestand auf unterschiedliche Weise zu präsentieren, wobei lokale Mo-duswechsel für eine informationelle Einheit (Wahl unterschiedlicher Präsentationswei-sen, z. B. tabellarisch vs. diagrammatisch) von globalen Präsentationsfiltern zu unter-scheiden sind.

Folgende Faktoren können bei der dynamischen Präsentation eine Rolle spielen:

• Medientypus und Präsentationsmodus,

• gezielte bzw. ad-hoc-Generierung einer informationellen Einheit,

• vollständige Integration ergänzender Materialien in den Ausgangsbestand bzw. Paral-lelstellung, vor allem bei Ermittlung inhaltlich passender externer Ressourcen zur Laufzeit,

• Entstehung durch Integration von Modulen einer erweiterten Informationsinfrastruktur (Dienste).

Der Aspekt der Dynamisierung von Publikationsinhalten durch die Interaktion mit dem Dokument durch den Leser macht deutlich, dass sich der Dokumentbegriff – unabhängig

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von der statischen oder dynamischen Generierung – in elektronischen Büchern einem allgemeinen Begriff eines interaktiven Informationssystems annähert: In elektronischen Büchern können Softwarekomponenten unmittelbar eingebettet oder aus dem Dokument erreichbar sein (Interaktion mit externen Modulen): Dieser Gedanke sieht die elektroni-sche Publikation nicht als Zusatz zu einer Softwarekomponente (z. B. einer Simulation), wie das etwa bei Hilfesystemen bezüglich der unterstützten Softwarekomponente der Fall wäre. Statt dessen steht das Publikationskorpus im Zentrum. Die Annäherung von elec-tronic publishing bzw. Hypertext und software engineering findet mittlerweile in der Lite-ratur Beachtung, insbesondere hinsichtlich der Fragestellung, ob ggf. methodisches Wis-sen aus dem software engineering auf die Hypertextentwicklung übertragbar ist, vgl.

BRERETON, BUDGEN & HAMILTON 1998.

Damit kehrt sich das gewöhnliche Verhältnis elektronisch verfügbarer Dokumentation zu Softwarekomponenten um: Während textuelle Beschreibungen, Hilfesysteme, online-Lexika wie man-pages etc. nur einen Nebenaspekt der Softwarenutzung darstellen, steht bei elektronischen Büchern die Informationspräsentation über ein geeignetes Viewingsy-stem im Mittelpunkt. Als Ergänzung kommt die Nutzung spezifischer Komponenten oder generischer Dienste hinzu. Dazu braucht man Verfahren, die über die reine Paralellstel-lung von Publikationsinhalten und zugeordneten Komponenten hinausgehen: Das Bei-spiel instantiierbarer Formeln30 kann dies verdeutlichen: Die mathematische Herleitung eines physikalischen Zusammenhangs verlangt in vielen Fällen an ihrem Endpunkt nach einer exemplarischen Instantiierung, d. h. mit einer im Text dargestellten Formel soll interagiert (gerechnet) werden können.31 Solche Interaktionsmöglichkeiten durch Integra-tion von Komponenten bzw. Diensten sind ein Beispiel für die Dynamisierung von stati-schen Dokumentinhalten. Wie der state-of-the-art elektronischer Bücher zeigt, sind sie das am weitesten verbreitete Merkmal, das die Weiterentwicklung elektronischer Bücher über einfache Hypertextanwendungen hinaus charakterisiert.32

Ein Beispiel aus dem Kontext des Multimedialen Physikalischen Praktikums kann dies verdeutlichen: Ein Versuch mit theoretischer Herleitung und Erläuterung eines physikali-schen Phänomens sowie einer Beschreibung zur Versuchsdurchführung dient als Aus-gangspunkt der Interaktion, d. h. der Leser rezipiert die allgemeine Darstellung eines physikalischen Phänomens und arbeitet sich in den Versuchsaufbau und die Anleitung zur Versuchsdurchführung ein.

Parallel zur Versuchsbeschreibung kann der Leser eine Versuchssimulation aktivieren, die als Komponente (z. B. als ein Java-Applet) in die Publikation integriert ist; ggf. kön-nen bereits die Startparameter der Simulation aus dynamisch gewählten oder errechneten Werten aus dem Text heraus in die Simulation übernommen werden. Sind geeignete Schnittstellen und Dienste verfügbar, so stehen eine Vielzahl von Interaktions- und Verar-beitungsschritte offen, die auf die Interaktion des Benutzers mit der eingebetteten Multi-mediakomponente folgen:

30 Zur prototypischen Realisierung mit Hilfe der Mathematical Markup Language (MathML, vgl.

Kap. 6.6) siehe unten Kap. 14.2.4.

31 Vgl. dazu den im Statistiklernpaket LernSTATS realisierten Ansatz, SCHULMEISTER 1997: 346 ff. sowie das oben in Kap. 3.1.2.2 angesprochene Projekt einer mathematischen Ar-beitsumgebung.

32 Beispiele sind etwa die Simulation physikalischer Versuche im Referenzprojekt, die Simulation von Algorithmen aus dem Multimediabereich im Projekt MultiBook oder die interaktive Dar-stellung komplexer chirurgischer Operationsabläufe in der Multimedia-Galerie der Herzchirur-gie, vgl. oben Kap. 3.1.2.

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1. Bei Durchführung der Simulation werden neue Daten erzeugt (z. B. eine

Messwertrei-he).

2. Sie sollen anschließend gespeichert, ausgewertet oder dargestellt werden.

3. Der Benutzer instantiiert die mathematische Beschreibung des Phänomens zur Über-prüfung der empirisch ermittelten Werte.

4. Er wählt für die neu generierten Daten eine geeignete Visualisierungsform (z. B. einen geeigneten Diagrammtypus).

5. Der Benutzer übergibt die Daten an ein externes Auswertungsprogramm, das sie z. B.

auf Vorliegen eines bestimmten statistischen Verteilungsmodells hin überprüft.

Neben diesen am Sachproblem im engeren Sinn orientierten Interaktionsschritten kann in ähnlicher Weise eine Schnittstelle zur Kommunikationsinfrastruktur der elektronischen Publikation erforderlich sein, wenn die Arbeitsschritte Teil einer Übungsaufgabe sind. In diesem Fall ergibt sich aus der Aufgabenstellung die geforderte Struktur des Lösungsda-tensatzes (Messreihe, Versuchsprotokoll, Auswertung etc.), der in den Kommunikations-prozess eingebracht werden soll, z. B. durch Versenden per e-Mail an einen Tutor, dessen Adresse über das elektronische Buch verfügbar ist.

Eine weitere Schicht in diesem Szenario könnte durch die dynamische Generierung von Daten zur Lesezeit bzw. deren Integration über externe Schnittstellen (Schnittstelle zum Versuchskontrollrechner, externe Sensoren, z. B. Geiger-Müller-Zählrohr mit Schnittstelle) hinzukommen.

Das Beispiel zeigt zwei wesentliche Aspekte der Dynamisierung elektronischer Bü-cher:

Zum einen die Erweiterung durch für das elektronische Buch spezifische Komponen-ten (Versuchssimulationen und Animationen physikalischer Experimente),

zum anderen die Integration generischer Dienste, die für eine Vielzahl elektronischer Bücher relevant sein können, die aufgrund ihrer Komplexität aber nicht für den Ein-zelfall entwickelt oder mit einem einzelnen Buch distribuiert werden können.

Die Realisierung des oben geschilderten Einzelfalls stellt aufgrund der Verfügbarkeit geeigneter Realisierungswerkzeuge kein prinzipielles Problem dar, solange man die Frage nach seinem Generalisierungspotential außer Acht lässt; neben der konkreten Umsetzung eines über den state-of-the-art hinausgehenden Szenarios interaktiver Dokumente und angesichts der engen ökonomischen und organisatorischen Randbedingungen bei der Produktion elektronischer Publikationen kommt der Generalisierung aber eine zentrale Rolle zu. Sie kann erreicht werden, wenn

• ausschließlich offene Standards verwendet werden, insbesondere für die Auszeichnung von Information (vgl. Teil II),

• eine Basissoftwareinfrastruktur für die Nutzung dynamischer Bücher zur Verfügung steht und

• die Ableitung des Einzelfallmodells (Datenmodell, Interaktionsformen, Datentransfer, Kommunikationsmodell) für den Autor/die Autoren mit angemessenem Aufwand zu spezifizieren ist (z. B. mit Hilfe eines Autorensystems).

Es ist zu klären, wie sich eine inhaltsorientierte Informationsauszeichnung realisieren lässt und welche Möglichkeiten sich für die Integration von Komponenten und Diensten in dynamischen elektronischen Büchern anbieten.

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