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Der Prozess des technischen Fortschritts bzw. der Innovationsprozess (beide Kategorien werden hier synonym verwendet) lässt sich nach Schumpeter in drei Phasen zerlegen: 1.

Erfindung (invention), 2. Markteinführung (innovation), 3. Diffusion (durch Verbreitung bzw.

durch Imitation). Wenn man davon ausgeht, dass Erfindungen auf Forschung und Entwicklung beruhen, kann man den Prozess des technischen Fortschritts in die folgenden fünf Phasen gliedern:

1 . F o r s c h u n g ( r e s e a r c h ) 2 . E n t w i c k l u n g ( d e v e l o p m e n t ) 3 . E r f i n d u n g ( i n v e n t i o n )

4 . M a r k t e i n f ü h r u n g ( i n n o v a t i o n ) 5 . D i f f u s i o n ( d u r c h V e r b r e i t u n g

[ " d i s s e m i n a t i o n " ] b z w . d u r c h I m i t a t i o n ) T e c h n o l o g i s c h e r

F o r t s c h r i t t T e c h n i s c h e r

F o r t s c h r i t t

Die ersten drei Phasen zusammen machen den technologischen Fortschritt aus. Erst mit der erfolgreichen Markteinführung neuer oder verbesserter Produkte bzw. Produktionsverfahren spricht man von technischem Fortschritt. Die Unterscheidung zwischen "technologischem"

14 Bei der Aussage, der technische Fortschritt sei kontinuierlich, ist es wichtig zu betonen, dass dies für die aggregierte Ebene des technischen Fortschritts gilt. Einzelne Innovatoren (Einzelpersonen oder Firmen) können den technischen Fortschritt durchaus als diskontinuierlich erleben.

und "technischem" Fortschritt ist analytisch wie praktisch zentral, damit das "blosse"

Vorliegen eines Fortschritts des technischen Wissens (Technologie) nicht mit seiner effektiven Anwendung und Markteinführung verwechselt wird. Um einen technischen Fortschritt realisieren zu können, genügt es nicht, bloss neue Ideen zu haben, sondern diese müssen darüber hinaus in Produkte und Verfahren umgesetzt und erfolgreich kommerzialisiert werden. Damit wird der Unterschied zwischen einem wirtschaftlich relevanten und einem wirtschaftlich nicht relevanten technologischen Fortschritt deutlich unterstrichen. Unter technischem Fortschritt wird zusammenfassend die Anwendung und Markteinführung von neuen technischen Ideen in Form von Produkt- und Prozessinnovationen verstanden.

Die Unterscheidung zwischen "technologischem Fortschritt" und "technischem Fortschritt" ist auch in der vorliegenden Arbeit von zentraler Bedeutung und wird konsequent beachtet, und zwar nicht nur im theoretischen, sondern auch v.a. im empirischen Teil.

Dieses 5 Phasen-Schema ist an sich ursprünglich (Schumpeter) nicht als eine Innovationstheorie gedacht, die eine kausale Beziehung zwischen den einzelnen Phasen postuliert (z.B. dass Innovationen immer das Ergebnis von Erfindungen seien)15, sondern als ein deskriptiver Rahmen, der die möglichen Phasen des Innovationsprozesses erfasst. Erst im Laufe der Zeit sind zwei grundsätzlich unterschiedliche theoretische Auffassungen über das Verhältnis der einzelnen Phasen zueinander entstanden. Traditionelle, vorwiegend neoklassische Theoretiker modellieren den Innovationsprozess als einen vertikalen Prozess, der sich in aufeinander folgenden und isolierten, d.h. nicht miteinander durch Feedbacks verknüpften, Phasen vollzieht. Nach dieser Auffassung verläuft der Innovationsprozess in einer linearen und eher berechenbaren Form, die mit der Forschung (Phase 1) beginnt und mit den Verkaufs- und Serviceleistungen technischer Innovationen (letzte Etappen der 4. oder 5.

Phase) endet16. Entsprechend dieser Betrachtungsweise wird den zwei ersten Phasen (F&E),

15 Dies ist aus dem folgenden Zitat von Schumpeter ersichtlich: "It is entirely immaterial whether an innovation implies scientific novelty or not. Although most innovations can be traced to some conquest in the realm of either theoretical or practical knowledge that has occured in the immediate or the remote past, there are many which cannot. Innovation is possible without anything we should identify as invention, and invention does not necessarily induce innovation, but produces itself ... no economically relevant effect at all". (Schumpeter 1939:84).

16 Eine gute Übersicht über Arbeiten in dieser Tradition ist zu finden in Reinganum (1989). Eine kritische Auseinandersetzung mit dem linearen Innovationsmodell liefern Kline/Rosenberg (1986) und Kline (1985).

27 da sie sozusagen die Quelle des ganzen Innovationsprozesses darstellen, eine zentrale Rolle

beigemessen.

Im Gegensatz dazu postuliert die zweite Auffassung (z.B. Vertreter der evolutorischen Theorie und andere), dass diese Phasen keineswegs als isoliert und unabhängig voneinander betrachtet werden dürfen. Der Innovationsprozess vollzieht sich nicht linear von einer Phase in die andere, sondern eher simultan bzw. zirkulär: Die einzelnen Phasen werden miteinander verknüpft und rückgekoppelt; insbesondere die F&E-Aktivitäten (Phase 1 und 2) werden zunehmend nach den Markterfordernissen (Phase 4) ausgerichtet. Technischer Fortschritt ist demnach ein Suchprozess, der simultane Aktivitäten in den verschiedenen Bereichen inner- und ausserhalb der Unternehmen voraussetzt: einerseits gleichzeitige und gemeinsame Anstrengungen der F&E-, der Produktions- und der Marketingabteilungen innerhalb des gleichen Unternehmens und andererseits Kooperationen, strategische Allianzen und joint ventures mit anderen Unternehmen oder anderen Organisationen (z.B. Universitäten).

Technischer Fortschritt ist somit zunehmend auf komplexe Interaktionen zwischen den verschiedenen Akteuren unserer Gesellschaft, insbesondere auf Interaktionen zwischen Forschern, Unternehmern und Finanziers angewiesen.

Ein auf den Überlegungen dieser zweiten Auffassung aufgebautes Modell des Innovationsprozesses stammt von Kline und Rosenberg und wird von ihnen als "Chain-Linked-Model" bezeichnet (Kline und Rosenberg 1986 und Kline 1985). Dieses auch von der OECD in ihrem offiziellen Dokument (Oslo Manual, OECD 1992b) übernommene Modell betrachtet Innovationen als Resultat von Interaktionen zwischen dem Marktpotential und dem Wissen und Können von Unternehmen. Der Innovationsprozess setzt sich nach diesem Modell aus sechs miteinander eng verknüpften Aktivitäten zusammen, wie sie in Figur 1.1 dargestellt sind.

Graphik 1.1: Chain-linked Model

RESEARCH

KNOWLEDGE

INVENT

POTENTIAL AND/OR DETAILED REDESIGN DISTRIBUTE

MARKET PRODUCE DESIGN AND AND

ANALYTIC AND PRODUCE MARKET

DESIGN TEST

Quelle: Landau/Rosenberg (1986:289)

Ausgangspunkt von Innovationsaktivitäten ist die Wahrnehmung eines Marktpotentials, d.h.

von Chancen für eine erfolgreiche Einführung eines neuen oder verbesserten Produktes bzw.

Verfahrens. Danach folgen die Phasen des Produktdesigns, der Produktion und des Marketings. Wegen der in jeder Phase vorhandenen Unsicherheit über das Zustandekommen des erwünschten Resultats gibt es auch keine automatische Reihenfolge zwischen ihnen.

Wenn Probleme bei einer bestimmten Phase auftreten, wird zwecks Suche nach adäquaten Lösungen auf vor- oder nachgelagerte Aktivitäten zurückgegriffen.

Vor allem die Verbindung zwischen "Marketing" und "Invention/Design" ist für die Steuerung des Innovationsprozesses von zentraler Bedeutung. Die F&E-Aktivität wird hier nicht als "die" Quelle von Innovationen, sondern lediglich als ein, wenn auch sehr wichtiges Instrument zur Lösung von Problemen, die in jeder beliebigen Phase auftauchen und die mit dem bestehenden Wissen nicht gelöst werden können, betrachtet. In diesem Modell wird die Rolle von F&E im Innnovationsprozess relativiert. Dies wird auch von den Autoren des offiziellen F&E-Handbuchs der OECD (Frascati-Bericht) betont: "(Innovation) consists of all those scientific, technical, commercial and financial steps necessary for the successful development and marketing of new or improved manufactured products, the commercial use of new or improved processes or equipment or the introduction of a new approach to a social service. R&D is only one of these steps." (Betonung im Original, OECD 1981:15-16).

Die zweite Auffassung zum Innovationsprozess schliesst allerdings nicht aus, dass in bestimmten Technologiefeldern, z.B. in den frühen Entwicklungsphasen der Biotechnologie, eine bestimmte Linearität im Innovationsprozess festzustellen ist (z. B. Ergebnisse der

29 Wissenschaft werden direkt zur Entwicklung von Innovationen verwendet) und dass diese den

Gegebenheiten dieser Technologie entspricht.

Zusammenfassend seien folgende "stilisierten Fakten" über den Prozess des technischen Fortschritts aufgeführt, welche die obigen Ausführungen zu diesem Konzept zusammenfassen sowie weiter präzisieren und verdeutlichen sollen (vgl. u.a. Dosi et al.1988:222-223):

- Der Innovationsprozess ist generell keineswegs eine automatische Abfolge von bestimmten Phasen mit sicheren Ergebnissen, sondern ein mit vielen Unbekannten versehener stochastischer Suchprozess. Dabei gibt es nicht nur einen Mangel an relevanten Informationen über das Zustandekommen bereits bekannter Phänomene, sondern es gibt auch technisch-ökonomische Probleme, deren Lösungen bisher noch unbekannt sind. Hinzu kommt, dass die beteiligten Akteure nicht immer in der Lage sind, die Folgen ihrer Handlungen genau abzuschätzen. Unsicherheit ist somit ein herausragendes Charakteristikum dieses Prozesses.

- F&E-Aktivitäten zeichnen sich durch zunehmende Komplexität aus, mit der Konsequenz, dass diese mehr und mehr formal organisiert und koordiniert werden müssen und immer weniger von einzelnen, in isolierten Wissenschaftsdisziplinen tätigen Forschern durchgeführt werden können. Technischer Fortschritt wird oft dann erzielt, wenn verschiedene Forschungsarten (Grundlagen-, angewandte und industrielle Forschung) und verschiedene Wissenschaftsdisziplinen erfolgreich kombiniert werden können (wie z.B. in der Optoelektronik).

- Die zunehmende Abhängigkeit des technischen Fortschritts von der Wissenschaft bedingt eine zunehmende Bedeutung des Zugangs zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen (Bedeutung von Wissenschafts- und Technologietransferstellen).

- Die Bedeutung des Experimentierens in Form von "Learning by doing" und "Learning by using" für den technischen Fortschritt nimmt zu.

- Technischer Fortschritt weist zunehmend einen kontinuierlichen Charakter auf.

- Technischer Fortschritt hängt zunehmend von einer intensiveren Kommunikation zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Finanzsektor einerseits und zwischen diesen und der Gesellschaft andererseits ab (Frage der Akzeptanz neuer Technologien durch die Bevölkerung).