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2 Zum Konzept des technischen Fortschritts 2.1 Definition

2.2 Arten des technischen Fortschritts

2.2 Arten des technischen Fortschritts

Zusätzlich zur Aufteilung in Produkt- und Prozessinnovationen wird technischer Fortschritt in die vier folgenden Arten unterteilt (vgl. Freeman/Perez 1988 und Freeman 1991):

- Laufende Innovationen13 ("incremental" oder "minor" innovation)

- Bedeutende Innovationen10 ("radical innovations" oder "major technological break-throughs")

- Neue technologische Systeme ("new technological systems") und

- Wechsel vom technisch-ökonomischen Paradigma ("changes of techno-economic paradigm" bzw. "technological revolutions").

2.2.1 Laufende Innovationen

Laufende Innovationen erfolgen mehr oder weniger kontinuierlich, wenn auch je nach Branche in einem unterschiedlichen Tempo. Sie beinhalten Verbesserungen in den bestehenden Produktsortimenten bzw. Prozessen, die entweder kleine Veränderungen der Marktnachfrage und damit der Bedürfnisse der Benutzer reflektieren oder von den Produzenten selbst autonom induziert werden. Deshalb werden gute und enge Beziehungen zwischen Produzenten und Kunden sowie "Learning by doing" und "Learning by using" in Unternehmen als wichtige Quellen für diese Innovationsart angesehen (Lundvall 1988).

12 Zum Vergleich USA - Japan im F&E-Bereich siehe auch Rosenberg/Steinmüller (1988).

13 Die Terminologie ist im Hinblick auf diese beiden Arten von Innovationen nicht einheitlich. Im ersten Fall finden wir auch Bezeichnungen wie „inkrementale“, „kleine“ Innovationen oder „Rationalisierungstechno-logien“; im zweiten Fall wird auch von „Basisinnovationen“ bzw. „Basistechnologien“ oder „Schlüssel-technologien“ gesprochen.

23 Laufende Innovationen bilden einen grossen Teil der Patente und der internen

Mitarbeiterauszeichnungen von Unternehmen. Obwohl ihr kombinierter Effekt für das Wirtschaftswachstum sehr wichtig sein kann, löst keine dieser Innovationen für sich allein dramatische Veränderungen oder gar einen Strukturwandel in der Wirtschaft aus.

2.2.2 Bedeutende Innovationen

Bedeutende Innovationen sind diskontinuierliche (d.h. im Zeitablauf diskret auftretende) Ereignisse und entstehen inhaltlich nicht aus laufenden Verbesserungen bisheriger Produkte bzw. Verfahren. Zwei historische Beispiele illustrieren diesen Tatbestand: Weder ist Nylon aus Verbesserungen natürlicher Materialien, noch ist die Eisenbahn dank der Zusammenlegung mehrerer Postkutschen entstanden. Solche Innovationen verkörpern sowohl grundlegende technologische als auch organisatorische Neuerungen und führen oft zu einem wirtschaftlichen Strukturwandel.

2.2.3 Neue technologische Systeme

Dieses Konzept wurde zum ersten Mal von Carlota Perez entwickelt (Perez 1985) und wird definiert als Cluster technischer Innovationen, die technologisch und wirtschaftlich miteinander verknüpft sind. Nahe liegende Beispiele sind petrochemische Innovationen, Innovationen auf der Basis synthetischer Materialien und in den 1930er, 1940er und 1950er Jahren neu eingeführte, aus Plastik hergestellte Maschinen. Ein weiteres Beispiel sind die Cluster von Innovationen im Bereich der elektrischen Haushaltsgeräte (vgl. Freeman 1991).

Wie diese Beispiele zeigen, betreffen neue technologische Systeme nicht nur eine einzige Innovation, sondern eine ganze Palette von Produkten und Verfahren und haben somit grundlegende Breitenwirkung auf ganze Wirtschaftssektoren.

2.2.4 Wechsel eines technisch-ökonomischen Paradigmas (bzw. "technologische Revolution")

Wechsel des technisch-ökonomischen Paradigmas bzw. technologische Revolutionen entsprechen nach Freeman dem "Prozess der schöpferischen Zerstörung" von Schumpeter, welcher im Zentrum seiner Theorie der langen Wellen steht. Die Einführung der Dampfmaschine oder der elektrischen Energie seien zwei Beispiele von Technologien, die tief greifende technologische und wirtschaftliche Transformationen ausgelöst haben. Ein zentrales Charakteristikum dieser vierten Art des technischen Fortschritts sei: "...that it has

pervasive effects throughout the economy, i.e. it not only leads to the emergence of a new range of products, services, systems and industries in its own rights; it also affects directly or indirectly almost every other branch of the economy as in the example of mass production.

The expression 'techno-economic' rather than 'technological paradigm' emphasizes that the changes are interactive, involving organizational as well as technical changes which go beyond specific product or process technologies" (Freeman 1991:224). Aus dieser Perspektive sind also die langen Wellen von Schumpeter nichts anderes als eine Aufeinanderfolge von neuen technisch-ökonomischen Paradigmen bzw. von technologischen Revolutionen.

In der vorliegenden Arbeit wird lediglich die Unterscheidung zwischen laufenden und bedeutenden Innovationen aufrechterhalten. Konzepte wie "neue technologische Systeme"

oder längerfristige Phänomene wie "Wechsel des technisch-ökonomischen Paradigmas"

werden nicht weiter verfolgt. Betrachtet man dennoch die verschiedenen Arten des technischen Fortschritts gemeinsam, so lässt sich zusammenfassend feststellen, dass er ein heterogenes und kontinuierliches Phänomen darstellt.

Das Wort "heterogen" bedeutet in diesem Zusammenhang, dass technischer Fortschritt sich nicht nur in Form von grossen, epochemachenden technologischen Durchbrüchen, eingeleitet von grossen und berühmten Innovatoren (technischer Fortschritt = "bedeutende Innovationen"), sondern auch in Form von kleinen und laufenden Verbesserungen an bestehenden Produkten und Verfahren manifestiert (technischer Fortschritt = "bedeutende" +

"laufende" Innovationen).

Die Feststellung, technischer Fortschritt sei ein kontinuierlicher Prozess, ist das vorläufige Ergebnis einer langen und kontroversen Diskussion darüber, ob technischer Fortschritt diskontinuierlich oder eben kontinuierlich ist (s. z.B. Rosenberg 1982). Diese Frage ist im Übrigen nicht nur für das wissenschaftliche Verständnis dieses Phänomens, sondern auch für die praktische Technologiepolitik von Unternehmen und Staat von zentraler Bedeutung.

"Diskontinuierlich" heisst in diesem Zusammenhang, dass technologische Entwicklungen sich in zeitlich vereinzelten Schüben ("bursts") vollziehen, während "kontinuierlich" für die gegenteilige Auffassung steht, dass nämlich technischer Fortschritt in Form von laufenden, komplementären und sich gegenseitig bedingenden Schritten stattfindet: Die eine Erfindung

25 führt zur anderen, und die eine Verbesserung löst die andere aus. Technischer Fortschritt ist

nach der ersten Meinung zufällig, d.h. Produkt persönlicher Einfälle von Innovatoren, und nach der zweiten Auffassung durch spezifische technologische, wirtschaftliche und politische Faktoren bestimmt. Letztere Auffassung ist eher deterministisch und postuliert daher, dass technischer Fortschritt ein rational erklärbarer und deshalb zu einem gewissen Grad auch ein planbarer Prozess ist. Heertje z.B. lehnt explizit die Meinung ab, "that inventions and innovations occur in bursts with innovations always following inventions" und postuliert, dass "...technical change is a continuous process in which the technical possibilities increase."

(Heertje 1977). Die Auffassung, technischer Fortschritt sei ein kontinuierlicher Prozess, impliziert, dass die betroffenen Wirtschaftssubjekte (Unternehmen, Staat und andere Organisationen) diesen Prozess initiieren, gestalten und bis zu einem gewissen Grad auch steuern können. Im umgekehrten Fall ist dies nicht oder nur in sehr beschränktem Masse möglich.14