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Grundsätzlich können neue Blutgefäße durch zwei unterschiedliche Prozesse entstehen. Zum einen ist die Vaskulogenese anzuführen, die vorrangig die de novo Entwicklung eines primitiven Gefäßsystems in der frühen Embryonalphase beschreibt. Aus dem Dottersack stammenden Angioblasten ordnen sich an, um ein primitives Gefäßnetzwerk zu bilden. Auch in adulten Individuen sind Endothelzellvorläufer im Knochenmark oder im zirkulierenden Blut vorhanden, so dass auch hier noch eine Blutgefäßbildung durch Vaskulogenese vorkommen kann (RISAU u. FLAMME 1995; CARMELIET 2000).

Zum anderen ist die Blutgefäßbildung durch Angiogenese zu nennen, die alle Prozesse umfasst, bei denen neue Blutgefäße auf Basis bereits bestehender Gefäße entstehen. Diese Form der Blutgefäßbildung ist in der späteren Embryonalentwicklung und in wachsenden Geweben anzutreffen. Im adulten Individuum ist die Angiogenese im Rahmen physiologischer Vorgänge, wie dem ovariellen und uterinen Zyklus und in der Trächtigkeit bzw. Schwangerschaft, aber auch während pathologischer Zustände, wie der Wundheilung, in Tumoren, rheumatoiden Arthritiden oder Retinopathien anzutreffen (CARMELIET 2000). Es werden verschiedene Typen der Angiogenese unterschieden. Die Angiogenese erfolgt durch Sprossung oder Einstülpung, sie kann aber auch durch transendotheliale Brückenbildung vollzogen werden (RISAU 1997; CARMELIET 2000).

Die Angiogenese durch Sprossung ist der am intensivsten untersuchte Angiogenese-Typ, welcher sich aus der Basalmembrandegradation, der Endothelzellmigration und -proliferation, einer Lumenbildung, funktioneller Reifung des Endothels und dem Abbau extrazellulärer Matrix zusammensetzt (RISAU 1996; CARMELIET 2000). Im Detail erfolgt zu Beginn eine Vasodilatation des bestehenden Gefäßes, die durch Stickstoffmonoxid (NO) vermittelt wird. VEGF, welches in einem Wirkungszusammenhang mit NO steht und durch NO vermehrt durch Endothelzellen exprimiert wird, bewirkt eine gesteigerte Gefäßpermeabilität (KIMURA et al. 2000; CAO et al. 2004). Diese wird durch Fenestrierung der Basalmembran, Bildung von vesikulo-vakuolären Organellen und der

Umstrukturierung von Thrombozyten-Endothelzell-Adhäsionsmolekülen (Platelet Endothelial Cell Adhesion Molecule, PECAM1) und vaskulär-endothelialem Cadherin (VE-Cadherin) erreicht. Durch die gesteigerte Permeabilität gelangen Plasmaproteine in die extrazelluläre Matrix (EZM), die später ein Leitgerüst für die migrierenden Endothelzellen bilden (CARMELIET 2000). Um jedoch einen übermäßigen Übertritt von Plasmaproteinen in die extrazelluläre Matrix zu verhindern, fungiert Angiopoetin 1 (Ang1) mit dem dazugehörigen Rezeptor Tie2 als Anti-Permeabilitätsfaktor (THURSTON et al. 2000).

Im Weiteren werden ruhende Endothelzellen des bestehenden Gefäßes aktiviert, sie übernehmen die Rolle von „tip cells“, die die umliegenden Endothelzellen inhibieren. In der Maus-Retina konnte gezeigt werden, das diese laterale Hemmung über die Expression von Delta-like-4 Liganden (DLL4) in „tip cells“ und die Aktivierung des Notch 1-Signalweges in den ruhenden Zellen erfolgt (HELLSTRÖM et al. 2007). Die Aktivierung von Endothelzellen zu „tip cells“ wird durch pro-angiogen wirkende Wachstumsfaktoren hervorgerufen. Zu diesen Wachstumsfaktoren gehört VEGF, welches Mitosen in arteriellen und venösen sowie lymphatischen Endothelzellen induziert (FERRARA u. HENZEL 1989;

PLOUËT et al. 1989). Auch werden Endothelzellen durch FGF aktiviert, hier sind vor allem der FGF1 und 2 zu nennen (GOSPODAROWICZ et al. 1986). Aktivierte Endothelzellen durchlaufen einige Veränderungen, die sie befähigen, in die Richtung des pro-angiogenen Stimulus zu migrieren. Dazu zählen die Sekretion von Proteasen, die die subendotheliale Basalmembran degradieren, und die Ausbildung von Filopodien. Des Weiteren wird die apiko-basale Polarität der Endothelzellen umgekehrt, da Gefäßsprosse grundsätzlich von der basalen Seite der Endothelzellschicht ausgehen (ADAMS u. ALITALO 2007). An der Basis des durch die migrierenden Endothelzellen entstehenden Gefäßsprosses proliferieren weitere Endothelzellen, um eine ausreichende Menge an Zellen für den entstehenden Gefäßspross zur Verfügung zu stellen. Nicht nur die Aktivierung der Endothelzellen, sondern auch die Migration und Proliferation werden durch Wachstumsfaktoren, wie VEGF, gesteuert. Es konnte im Rahmen des Aortic Ring Assays der Ratte gezeigt werden, dass die Migration von „tip cells“ entlang eines

Konzentrationsgradienten von VEGF-A, einer Form des VEGF, erfolgt, wohingegen die Proliferation der Endothelzellen durch die Konzentration des lokal vorhandenen VEGF-A gesteuert wird (GERHARDT et al. 2003). In einigen Fällen wird das entstehende Gefäß in die Richtung eines bereits bestehenden oder sich ebenfalls entwickelnden Gefäßes geleitet, so dass eine Fusion von gegenüberliegenden „tip cells“ erfolgt. Es wird vermutet, dass die Vermittlung über Adhäsionsmoleküle wie VE-Cadherin oder PECAM1 erfolgt (RAMJAUN u.

HODIVALA-DILKE 2009).

In einem weiteren Schritt wird die Lumenbildung des entstehenden Gefäßes vollzogen. In verschiedenen in vitro Modellen und in vivo bei Ratte und Kaninchen konnte gezeigt werden, dass dieser Prozess durch Pinozytose mehrerer Vesikel erfolgt, die im Zytoplasma zu einer Vakuole verschmelzen. Nach Exozytose der Vakuole bildet die Endothelzelle zwischen den entstandenen Zytoplasmafortsätzen Zellverbindungen aus, so dass ein Lumen entsteht. Die Zell-Matrix-Interaktionen werden dabei durch Integrine vermittelt, die Signaltransduktion innerhalb der Zelle erfolgt über Rho-GTPasen (DAVIS u. BAYLESS 2003).

Die weitere Entwicklung des Gefäßes beinhaltet auch die Differenzierung des Gefäßes zu einer Arterie, Vene oder Kapillare. Hierbei muss zwischen der embryonalen Entwicklung und Vorgängen im adulten Organismus unterschieden werden (JAIN 2003). Arterien zeichnen sich durch eine Anlagerung von glatten Muskelzellen, extrazellulärer Matrix und elastischen Fasern um das Primitivgefäß aus, wohingegen Venen durch die Bildung von Klappen innerhalb des Lumens und eine vergleichsweise sehr dünne Schicht glatter Muskelzellen charakterisiert sind (ADAMS u. ALITALO 2007). Die molekularen Signale, die die Anlagerung spezifischer periendothelialer Zellen dabei bestimmen, sind noch weitestgehend unbekannt. Dennoch übernehmen periendotheliale Zellen und die das Gefäß umgebende EZM wichtige Funktionen in Bezug auf die funktionelle und strukturelle Unterstützung des Gefäßes. Zum einen schützen die umgebenden Zellen das Endothel vor Regression, falls angiogene Faktoren in nur begrenzter Menge vorhanden sein sollten. Zum anderen mobilisieren sie angiogene

Wachstumsfaktoren und vermitteln interzelluläre Signale (BENJAMIN et al. 1998;

CONWAY et al. 2001).

Notwendig zur Entstehung des Gefäßsprosses ist zudem eine Umgestaltung der Basalmembran des bestehenden Gefäßes und der extrazellulären Matrix (EZM), so dass Endothelzellen losgelöst und zur Migration befähigt werden. Dies erfolgt durch Proteasen wie Matrixmetalloproteinasen (MMP) und Urokinase-Typ Plasminogen Aktivator (uPA) und deren Inhibitoren (Tissue Inhibitors of Metalloproteinases, TIMP, und Plasminogen Aktivator Inhibitor) (JAIN 2003). Für Angiopoetin 2, einem weiteren Liganden des Tie2 Rezeptors, konnte gezeigt werden, dass dessen angiogene Wirkung zu einem Teil über eine gesteigerte Sekretion von MMP2, 3 und 9 durch die Endothelzellen und einer Unterdrückung von TIMP2 erreicht wird (KIM et al. 2000a). Durch den Abbau der EZM wird nicht nur die Dichte vorhandener Matrixmoleküle herabgesetzt, sondern werden auch Bindungsstellen einzelner Matrixmoleküle freigelegt, so dass eine gesteigerte Migration der Endothelzellen erfolgen kann (XU et al. 2001).