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2 Literaturübersicht

2.2 Protozoen des Pansens

Eine besondere, wenn auch noch nicht endgültig geklärte Bedeutung haben die Protozoen. Sie regulieren unter anderem die Bakterienpopulation im Pansen sowohl qualitativ als auch quantitativ und haben durch ihre Stärkespeicherkapazität eine Pufferfunktion, durch die sie die Aufrechterhaltung biochemischer Parameter sichern.

Erstmals entdeckt wurden sie bereits 1843 von GRUBY u. DELAFOND. Ihre Anzahl im Pansen beläuft sich auf bis zu 106/mL. Hierbei sind allein Ciliaten mit mehr als 30 verschiedenen Spezies vertreten. Eine kleinere Anzahl Flagellaten und Amoeben sind ebenfalls im Pansen anzutreffen. Die morphologische Einteilung der Protozoen ist in Abb. 2.1 dargestellt. Die Artenzusammensetzung schwankt fütterungsbedingt.

Mangelhaftes Futter wie auch eine erhebliche pH-Wert-Absenkung kann zum Ab-sterben von Protozoen führen, was wiederum Fermentationsprozesse beeinflusst.

Beispielsweise wird die Zusammensetzung der flüchtigen Fettsäuren verändert, der Ammoniakgehalt sinkt, Bakterien und Pilze breiten sich aus (näheres s. HÖHLING 2000). Bei Fütterung von Grassilage steigt die Gesamtzahl der Protozoen an (näheres s. GAST 2010). Im Labmagen oder Duodenum sind keine Protozoen mehr nachweisbar, da sie den physiologischen Verdauungsprozessen unterliegen (MANGOLD 1933).

Abb. 2.1: Morphologische Einteilung der Protozoen

2.2.1 Fermentation von Futterbestandteilen durch die Protozoen

Protozoen fermentieren Futterbestandteile. In Tab. 2.2 sind die speziesabhängigen Fermentationsmöglichkeiten aufgeführt.

Stärke besteht aus α-D-Glucose-Einheiten. Um sie verwerten zu können, muss sie enzymatisch durch Amylasen gespalten werden. Die meisten Protozoen sind in der Lage Stärke zu fermentieren (siehe Tab. 2.2).

Tab. 2.2: Protozoenarten des Pansens, von ihnen fermentierte Substrate und Fermentationsprodukte

Protozoenart Substrat Fermentationsprodukt Autor/Jahr Isotricha und

Stärke und Hemicellulose Acetat und Butyrat, Ameisensäure

Fortsetzung Tab. 2.2

Pansenprotozoen sind auch in der Lage Cellulose zu verstoffwechseln. Eine Übersicht der cellulolytischen Aktivität von Pansenprotozoen ist in Tab. 2.3 aufgeführt.

Tab. 2.3: Cellulolytische Aktivität einiger ruminaler Protozoen Spezies cellulolytische Aktivität Autor/ Jahr

Eudiplodinium magii hoch COLEMAN 1985

Epidinium caudatum hoch COLEMAN 1985;

MICHALOWSKI et al.

2001

Ostracodinium dilobum hoch COLEMAN 1985

Metadinium affine mittel COLEMAN 1985

Eudiplodinium bovis mittel

Einige Pansenciliaten wie Dasytricha ruminantium und Entodinium spp., die aus dem Schafpansen isoliert wurden, beherbergen intrazelluläre Bakterien. Diese Bakterien waren nicht in Verdauungsvakuolen zu finden (FINLAY et al. 1994). Es ist wahrscheinlich, dass alle im Cytoplasma lebenden Bakterien endosymbiotische Methanogene sind, die aus dem von den Protozoen produzierten Wasserstoff Methan bilden können. Vermutlich sind diese intrazellulären Bakterien in den Protozoen des Schafes den extrazellulären, auf der ciliaten Zelle befindlichen zahlenmäßig überlegen (FINLAY et al. 1994).

In dieser Studie (FINLAY et al. 1994) wurden auch intrazelluläre Bakterien nachgewiesen, welche nicht frei im Cytoplasma sondern einzeln eingeschlossen in membrangebundenen Vesikeln vorlagen, bei denen es sich nicht um Verdau-ungsvakuolen handelte. In holotrichen Protozoen, aus Schaf- oder Rinderpansen

isoliert, fand NOUZAREDE (1978) endosymbiotische bazillusartige Bakterien, die in der perinukleären Gegend Sporen gebildet hatten.

Auf der Oberfläche von Pansenciliaten wurden 200 Bakterienarten aus 11 Spezies nachgewiesen, die aufgrund ihrer spezifischen Fluoreszenz als Methanogene identifi-ziert werden konnten (VOGELS et al. 1980).

2.2.3 Bakterien als Nahrung der Protozoen

Bakterien sind auch als Nahrungsquelle für Protozoen von Bedeutung (JOHNSON et al. 1944). Es besteht der Hinweis, dass für das Wachstum notwendige Aminosäuren größtenteils aus Bakterien genutzt werden (OWEN u. COLEMAN 1977). Die Fressgewohnheiten der Einzeller variieren. In vitro kultiviertes Entodinium longinucle-atum fraß in Studien von OWEN u. COLEMAN (1977) verschiedene Bakterienarten, wie Selenomonas ruminantium, bei dem es sich um ein Pansenbakterium handelt, sowie Bacillus megaterium, Bacillus subtilis, Butyrivibrio fibrisolvens und Escherichia coli, bevorzugt aber Klebsiella aerogenes und Proteus mirabilis. Bacteroides rumini-cola, welches originär im Pansen vorkommt, und Pseudomonas sp. wurden von Entodinium longinucleatum nicht aufgenommen. Die Bakterienaufnahme betrug 130-3400 Bakterien/Stunde/Protozoe. Die eingesetzte Bakteriensuspension enthielt 109 Bakterien/mL (OWEN u. COLEMAN 1977).

Bakterien, die von dem Ciliaten Isotricha prostoma aufgenommen wurden, ent-sprachen einem bestimmten morphologischen Typus, wobei es sich häufig um stäb-chenförmige Bakterien handelte (GUTIERREZ 1958).

Entodinium caudatum hingegen nahm in einem Zeitraum von drei Stunden alle angebotenen Bakterien [Pansenbakterien: Streptococcus bovis 2 B; Fremdbakterien:

Streptococcus faecalis, B. megaterium, Clostridium welchii, Leuconostoc mesen-teroides, Salmonella Typhimurium, Serratia marcescens, Vibrio naetchnikovii, Bacterium D] in gleichem Maße auf (COLEMAN 1964). Entodinium simplex zeigte ebenfalls wenig Variation zwischen den aufgenommenen Bakterienspezies [Pansen-bakterien: Streptococcus bovis (Sc. bovis); Fremd[Pansen-bakterien: Sc. faecalis, Butyrivibrio fibrisolvens, B. megaterium, E. coli, K. aerogenes, P. mirabilis], wenn man das Gesamtvolumen der einzelnen Spezies miteinander verglich, das in einem Zeitraum von drei Stunden aufgenommen wurde. Dennoch bestanden Unterschiede in der Aufnahmegeschwindigkeit: so wurden P. mirabilis und K. aerogenes schneller aufgenommen(COLEMAN 1972). In der Regel waren Bakterien nach der Aufnahme durch das Protozoon bis zu fünf Min. in den Vesikeln des Endoplasmas lebensfähig.

30-60 Min. nach der Futteraufnahme erschienen die ersten löslichen Komponenten im Medium (Versuche mit E. coli und Ent. caudatum). Es bestanden allerdings auch hier Speziesunterschiede in der Verdauungsgeschwindigkeit bezüglich der Bakterien (vergl. Tab. 2.4). So war beispielsweise ein stäbchenförmiges Bakterium (unidenti-fiziert) nach 150 Min. trotz ständiger Futteraufnahme in Ent. caudatum immer noch lebensfähig (COLEMAN 1967; WHITE 1969).

Isolierte, markierte Bakterien (K. aerogenes, P. mirabilis) wurden mit Protozoen-suspensionen inkubiert. Beide wurden inkorporiert; nach 2,5 h waren von ersteren 35 %, von den letzteren 82 % in den Protozoen befindliche Bakterien noch lebensfähig. Nachfolgende Versuche von COLEMAN (1975b) zeigten, dass das

Überleben von K. aerogenes mit einer Glucose-Polysaccharid-Kapsel in Zusammen-hang stand, die unter anaeroben Bedingungen aus vom Protozoon bereitgestellten Zuckern gebildet wurde. Die Beständigkeit hing davon ab, wie schnell die Kapsel gebildet oder das Bakterium verdaut werden konnte.

Eine solche Schutzhülle könnte auch für andere Bakterien wie C. botulinum und C. perfringens eine Möglichkeit darstellen einer protozoalen Digestion im Pansen zu entgehen. Für diese Clostridienarten ist eine derartige Kapselbildung nicht beschrie-ben, aber für andere. So wurde die Herstellung von Kapselbestandteilen, den amylopectinartigen Polysacchariden, auch in Clostridium pasteurianum als einziges mengenmäßig signifikantes Glucan nachgewiesen (DARVILL et al. 1977). Die Produktion der Polysaccharide erfolgte vor der Sporulation. Auch in Clostridium butyricum wurde ein intrazelluläres Polysaccharid kurz vor Ende der exponentiellen Phase beschrieben (BERGERE et al. 1975). Es trat im Zellcytoplasma der Zelle als große Granula auf. BALDASSARRI et al. (1991) wies die Bildung einer dünnen ruthenium-rot-positiven Schicht bei Clostridium difficile während des Wachstums in glucosehaltigem Medium nach. Die 10-20 nm dicke Kapsel bestand aus Poly-sacchariden. Ebenso wurde eine Polysaccharidhülle bei Clostridium perfringens Hobbs Typ A beschrieben (CHERNIAK u. FREDERICK 1977).

Tab. 2.4: Lebensfähige Bakterien im Pansenprotozoon Ent. caudatum nach Ingestion (COLEMAN 1967; WILLIAMS u. COLEMAN 1992)

Bakterienart Inkubationszeit (Min.)

Lebensfähige Bakterien (%) aller inkorporierten Bakterien

E. coli 30 12,3*

K. aerogenes 150 35

P. mirabilis 150 82

Serratia marcescens 150 60

B. megaterium 5 0

Sc. bovis 150 1-7

Unidentifiziertes Stäbchen

150 8-70

*durchschnittliche Überlebenszeit von E. coli in den Futtervakuolen von Ent. caudatum betrug fünf Min.