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5.2 Kritische Betrachtung der Versuchsanstellung

Das eingesetzte semikontinuierliche Langzeitinkubationssystem wurde bereits in den Dissertationen SCHIRMER (1990), BECKER (1994), HÜBNER (2001) und GAST (2010) kritisch analysiert.

Der RuSiTec erlaubt eine Versuchsdauer von mehreren Wochen und liefert Ergeb-nisse, die zu 99 % auf in vivo Verhältnisse übertragbar sind (CZERKAWSKI u.

BRECKENRIDGE 1977; CZERKAWSKI 1985; CHENG u. McALLISTER 1997;

DOHME et al. 2001; TEJIDO et al. 2002; BOGUHN et al. 2006). Nach fünf Tagen Einlaufphase erreichte das System ein „steady state“. In den Fermentern lagen iden-tische Ausgangsbedingungen vor, was einen späteren Vergleich der Ergebnisse aus den einzelnen Fermentern ermöglichte (CZERKAWSKI u. BRECKENRIDGE 1977).

Im Prinzip ist das RuSiTec-System ein funktionsfähiger Pansen, der jedoch keine Pansenwand besitzt (CHENG u. COSTERTON 1980; CZERKAWSKI 1984). Hierbei bilden die Bakterien der flüssigen Phase das Kompartiment 1. Kompartiment 2 entspricht den Bakterien, die lediglich lose an die Futterpartikel gebunden sind. Die feste Phase mit anhaftenden Bakterien stellt das ruminale Kompartiment 3 dar. Die Pansenwand bildet in vivo das 4. Kompartiment. Dieses bleibt im RuSiTec unberück-sichtigt (s. BECKER 1994 und ELIAS 1999). Zur bestmöglichen Simulation der in vivo Verhältnisse, müssen neben der Inokulation von ruminalen Mikroben, Anfor-derungen an Temperatur (Pansentemperatur des Rindes, 39 °C) und Atmosphäre (anaerob) erfüllt werden (CZERKAWSKI u. BRECKENRIDGE 1977). Dieses wurde durch das 39 °C warme Wasserbad, in dem sich die Fe rmenter befanden, und die Begasung durch CO2 nach jeder Beladung gewährleistet.

Zur Kontrolle von Funktion und Dichtigkeit des Systems und der kontinuierlichen Pufferzufuhr dienten die Parameter Überstands- und Gasvolumen, sowie die Gas-zusammensetzung. Diese stimmten mit den Werten einer vorangegangenen Unter-suchung (LUMPP 2011) überein. Es konnte von einer korrekten Funktion und Dichtigkeit ausgegangen werden. Des Weiteren sprach die Konstanz dieser Para-meter für eine hohe Präzision der verwendeten Technik.

5.2.2 Beurteilung der verwendeten Futtermittel

Die eingesetzten Silagen waren identisch mit denen aus den Dissertationen GAST (2010), GRESNER (2011) und LUMPP (2011) und wurden daher bereits ausführlich kritisch beurteilt.

Zu beachten ist die Lagerung der Silagen, die bei den vorangegangenen Versuchen ein Jahr betrug (näheres s. GAST 2010) und zum Zeitpunkt der vorliegenden Unter-suchungen ein weiteres Jahr bei -18 °C fortgesetzt wurde. Hierbei waren die La-gerungsbedingungen für alle Silagen gleich.

5.2.3 Beurteilung der eingesetzten Clostridien

Clostridium botulinum und C. perfringens wurden für die Versuche ausgewählt, da es sich um ubiquitär vorkommende Keime handelt, die zu Erkrankungen in Rinderbeständen führen können. Die Optimaltemperatur von Clostridien liegt zwischen 37 °C und 45 °C liegt und auch ein pH-Wert zwischen 5,5 und 8,0 für das Wachstum positiv ist (JAY et al. 2005), waren die Bedingungen im RuSiTec, was diese Parameter betrifft, für das Überleben und die Vermehrung der Bakterien als gut zu bewerten.

Bei der Auswahl der Toxintypen zur Inokulation im RuSiTec waren zwei Aspekte von Bedeutung. Zum einen sollten es Toxintypen sein, die dafür bekannt sind Erkran-kungen beim Rind auszulösen und regelmäßig in der Umwelt angetroffen werden, zum anderen musste eine Anzucht unter Laborbedingungen möglich sein, um zum Zeitpunkt der Zulagephase in ausreichender Menge zur Verfügung zu stehen. Daher wurden C. botulinum Typ C (CCUG 7970) und C. perfringens Typ B (CCUG 2035) eingesetzt. Die Fähigkeit zur Spaltung von Proteinen und Peptiden ist von besonderer Bedeutung in der vorliegenden Studie, da während der Versuche Material in Form von Silagen in den RuSiTec eingebracht wurde, welches unterschiedliche Anteile an freien Aminosäuren enthielt (s. Tab. 9.5), die schnell zum Abbau zur Verfügung standen. Bestünde für die Clostridien keine Möglichkeit zur Proteolyse, wären die freien Aminosäuren ein wichtiger Faktor für das Überleben und Wachstum dieser Fremdbakterien. C. botulinum Typ C wurde in der Literatur als generell nicht proteolytisch aktiv beschrieben (EKLUND u. POISKY 1972; BRENNER et al. 1986). Jedoch bei einzelnen wenigen Stämmen entdeckten SKULBERG (1964) sowie TJABERG (1973) proteolytische Aktivität, wobei sich toxinogene Stämme immer als nicht zur Proteolyse fähig herausgestellt hatten. Verschiedene Medien förderten die Expression der Proteasen (Magermilch-Agar eignete sich am besten, mit Zusatz von Hefe gab es gleiche Ergebnisse, schlechter waren Proteose-Peptone-Trypticase-Yeast-Extrakt-Glucose-Medium und Robertsons Fleischbrühe). Die Expression von Proteasen war aber deutlich geringer als bei den Clostridien, die andere Toxintypen bildeten (TJABERG 1973). TJABERG (1973) fand bei seinen

Versuchen nur eine Protease, die schwer detektierbar war und in geringer Konzentration gebildet wurde. Der optimale pH zur maximalen Aktivität dieser Enzyme lag bei 7 - 7,4, die beste Temperatur bei 37 °C. Die Bedingungen waren im RuSiTec demnach nicht hervorragend. Die proteolytische Aktivität der eingesetzten Stämme ist nicht bekannt. Daher kann über einen möglichen proteolytischen Abbau durch die Clostridien im Versuch nur spekuliert werden.

Beide Clostridienstämme wurden vom Institut für Lebensmittelqualität und –sicherheit der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover zur Verfügung gestellt. Da die vor jeder Inokulation durchgeführte mikroskopische Kontrolle auf Reinheit in keinem Fall einen Hinweis auf mikrobielle Verunreinigungen erbrachte, kann davon ausgegangen werden, dass es sich bei den eingesetzten Clostridiensuspensionen um Reinkulturen der entsprechenden Stämme handelte. Die Konzentration in den Inokulaten betrug 3 x 109 Bakterien pro mL Bakteriensuspension.

Vergleicht man die im Versuch den Fermentern zugesetzte Menge an Clostridien mit natürlicherweise in Silagen vorkommenden Gehalten, war erstere um vier Potenzen höher (vergl. Tab. 5.1). Geringe Clostridiengehalte lassen sich abhängig vom jewei-ligen Produktionsverfahren laut ADLER (2002) in Silagen nicht vermeiden. Gehalte von 4 log KBE/g Grassilage kommen selbst in Grassilagen von hoher mikrobieller Qualität vor.

Tab. 5.1: Vergleich der zugesetzten Menge Clostridien zu den Fermentern mit potentiellen Clostridiengehalten, deren Eintrag in Grassilagen als unbedenklich gilt (ADLER 2002)

Silage Zugesetzte Menge Clostridien (KBE/Fermenter)

Normaler Eintrag von Clostridien in Silagen (KBE/Fermenter)

3 x 109 K-01

6 x 109

1,7 x 105 3 x 109

S-11

6 x 109

3,4 x 105 3 x 109

S-05

6 x 109

2,9 x 105

Der Eintrag erfolgt im Wesentlichen über Erde, während oberirdisches Pflanzen-material nur in geringem Umfang mit Clostridien besetzt ist (WAGNER et al. 2007).

Dennoch ist ein geringer Eintrag unbedenklich, solange die von den Milchsäure-bakterien aufgebauten Silierbedingungen aufrecht gehalten werden und die Clostridien sich nicht vermehren können. Wird allerdings ein pH-Wert von 4,2 deut-lich überschritten, können sich Clostridien vermehren und zum anaeroben Verderb der Silage führen (WAGNER et al. 2007). Derartig veränderte Grassilagen fallen durch geringere Energiegehalte, stechenden Geruch (insbesondere Buttersäure), sowie Geschmacksbeeinträchtigungen durch den unerwünschten Umsatz von Milch- zu Buttersäure auf (WAGNER et al. 2007). Die eingesetzten Grassilagen waren je-doch sensorisch unauffällig und zeigten keine reduzierten Energiegehalte (s. Tab.

9.4). Darüber hinaus wurden bei PCR-Untersuchungen auf toxinbildende Gene von Clostridium botulinum Typ A bis F durch das Institut für Lebensmittelqualität und – sicherheit der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover keine Hinweise auf eine entsprechende Clostridienbelastung festgestellt (s. Tab. 9.3).