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2 Literaturübersicht

2.4 Fremdbakterien im Pansen

2.4.3 Escherichia coli

Escherichia coli ist ein gramnegatives, fakultativ anaerob wachsendes Stäbchen, welches üblicherweise im Verdauungstrakt von Säugetieren anzutreffen ist. Es gibt eine Vielzahl von Stämmen, die sowohl Bestandteil der Normalflora als auch wichtige Krankheitserreger sein können (ROLLE u. MAYR 2002).

2.4.3.1 Vorkommen von Escherichia coli im Verdauungstrakt

Auf Heubasis gefütterte Tiere zeigten im Verhältnis zur Gesamtpopulation insgesamt relativ wenig coliforme Bakterien im Pansen, wobei es sich hauptsächlich um E. coli handelte. Aerobacter aerogenes oder Aerobacter cloacae wurden seltener nachge-wiesen, obwohl diese im Wesentlichen auf Pflanzen vorkommen (MANN et al. 1954) und mit der Nahrung aufgenommen werden. E. coli kann regelmäßig aus dem Pansen isoliert werden, kommt dort aber nicht in großer Anzahl vor, weshalb es sich nicht um ein „echtes“ Pansenbakterium handelt (vergl. Kap. 2.3). MANN et al.

beschrieben 1954 ein Vorkommen von 103-106 lebenden E. coli/mL Pansensaft.

Diese Erkenntnis bestätigte sich für den Pansen von Kälbern (MACKAY u. OXFORD 1954). Die coliforme Population belief sich auf 104-106 Coliforme/g Panseninhalt.

GRAUKE et al. (2002) stellten fest, dass das Bakterium im distalen Darmtrakt beherbergt wird und nur geringe Zeit in Vormagen, Labmagen oder Duodenum persistiert. Hierbei wurde es durch getreidereiche Rationen begünstigt, dass ruminale By-Pass Kohlenhydrate im Dickdarm der Fermentation zur Verfügung standen (CALLAWAY et al. 2008). Rinder, die getreidereich gefüttert wurden, schieden deut-lich mehr E. coli aus als mit Grünfutter gefütterte Tiere. Zudem zeigte sich, dass die ausgeschiedenen E. coli säureresistenter waren (DIEZ-GONZALES et al. 1998).

Wurde die Ration von Getreide auf Heu umgestellt, sank die Zahl innerhalb von fünf Tagen um das 1000fache. Ein chemischer oder mechanischer Aufschluss des Getreides führte zu einem Anstieg der Menge ausgeschiedener E. coli (GILBERT et al. 2005). Besonders Gerstenfütterung erhöhte die Ausscheidung (DARGATZ et al.

1997; BUCHKO et al. 2000a).

Die natürliche Besiedlung des Pansens mit E. coli ist auch für den Menschen von Bedeutung, weil dieser ein Reservoir für menschliche Pathogene bilden kann. E. coli O157:H7 ist ein Pathogen, das im Pansen beherbergt wird und beim Menschen schwere hämmorrhagische Colitiden auslöst (GRAUKE et al. 2002). Rinder stellen hier die Hauptinfektionsquelle dar (GANSHEROFF u. O`BRIEN 2000). Bis zu 30 % aller Rinder sind symptomlose Träger von E.coli O157:H7 (STANFORD et al. 2005;

REINSTEIN et al. 2007; CALLAWAY et al. 2008). Auch hier korrelierte die Form der Fütterung mit dem Ausmaß der Ausscheidung über den Kot. DEPENBUSCH et al.

(2008) wiesen nach, dass Stiere, die nach Kornfütterung positiv auf E. coli O157:H7 getestet wurden 21 % mehr fäkale Stärke aufwiesen als negativ getestete Tiere.

Fasten förderte die Kolonisation von E. coli O157:H7, vermutlich da hier die Gehalte an flüchtigen Fettsäuren im Pansen absanken (CALLAWAY et al. 2003). HARMON et al. (1999) stellte hingegen fest, dass eine Hungerperiode zwar den Gehalt an flüchtigen Fettsäuren reduzierte, dies aber keinen Einfluss auf die Ausscheidung von E. coli O157:H7 hatte.

2.4.3.2 Limitierende Faktoren für das Wachstum von Escherichia coli im Pansen

Das Milieu im Pansen bietet E. coli in Bezug auf obligate Anaerobiose, pH-Wert, sowie Temperatur akzeptable Lebensbedingungen. Wie ruminale Bakterien stellen auch E. coli nur geringe Ansprüche an ihre Umgebung (BRYANT 1959). Dennoch gibt es Limitierungsfaktoren, wie

1. eine ungenügende Zahl aufgenommener E. coli, die sich gegen die originäre Flora durchsetzen muss

2. Unvermögen Nährstoffe aus dem Pansensaft oder dem Futter aufzunehmen 3. Inhibitoren wie antibiotisch wirksame Stoffe, Fermentationsprodukte oder

Kohlendioxid

4. Lysis durch Bakteriophagen

HOLLOWELL und WOLIN (1965) haben diese möglichen Limitierungsfaktoren experimentell überprüft. Ihnen erschien die Möglichkeit, dass E. coli unzureichend Nährstoffe für das Wachstum im Pansen aufnehmen kann am wahrscheinlichsten, da es weder Stärke noch Cellulose fermentiert und von anderen Organismen keine ausreichenden Mengen an freien Zuckern produziert werden. Andererseits ist es in der Lage Ammoniak zu nutzen. Experimentell wurde die These durch Zugabe von Lactose zur normalen Ration in einem in vitro-System getestet, konnte aber nicht bestätigt werden. Auch WALLACE et al. (1989) vermuteten einen Vorteil für Bakterien, die sich für gewöhnlich nicht im Pansen ansiedeln können, durch Zugabe von langsam metabolisierbaren Zuckern und Zuckerderivaten. Sie überprüften in vivo die Möglichkeit durch Zugabe von Sorbitol eine Ansiedlung von E. coli im Pansen von Schafen zu ermöglichen, da Sorbitol ein rasches kulturelles Wachstum im Medium mit Zusatz von 20 % Pansensaft bei pH 7,0 förderte (WALLACE et al. 1989).

Allerdings führte die E. coli-Inkubation bei Schafen mit Sorbitolzugabe in den Pansen nicht nur nicht zu Wachstum, sondern nicht einmal zu längerem Überleben der Bakterien (WALLACE et al. 1989).

Auch eine höhere Inokulation führte nicht zur Etablierung von E. coli (HOLLOWELL u. WOLIN 1965). Hier wurde der Grund ebenfalls in den flüchtigen Fettsäuren, die sich physiologischerweise im Pansen akkumulieren, vermutet. Es zeigte sich eine pH-Abhängigkeit der Wirkung: die hemmende Wirkung isolierter Fettsäuren auf

E. coli trat erst bei niedrigem pH-Wert auf (WOLIN 1969). Eine adäquate Hemmung erfolgte zwischen pH 6,0 und 6,5; ab pH 7 war kein Effekt mehr zu erkennen. Dies wird durch BERGEIM (1940) unterstützt, der feststellte, dass Essigsäure in einer Konzentration von 0,2 mol/L bei pH 6,5 kein Wachstum von E. coli hemmen konnte, wogegen bereits eine Konzentration von 0,05 mol/L bei pH 6,25 Wirkung zeigte.

Waren die Konzentrationen an flüchtigen Fettsäuren höher und der pH-Wert nie-driger, wirkten sie sogar toxisch auf die Bakterien. Auch andere Autoren sehen die Ursache der Hemmung des Bakterienwachstums durch kontinuierliche Nahrungs-zufuhr bei den flüchtigen Fettsäuren, die einen bakteriziden und bakteriostatischen Effekt haben (WINSLOW u. LOCKRIDGE 1906; LEVINE u. FELLERS 1940). Wie BERGEIM (1940) wiesen auch LEVINE und FELLERS (1940) im Besonderen auf den toxischen Effekt von Essigsäure hin. Dass dieser Effekt nicht ausschließlich auf die Hydrogenion-Aktivität zurückgeführt werden konnte, begründeten LEVINE und FELLERS (1940) damit, dass Essigsäure bei höherem pH-Wert (pH 4,5) bakterizider wirkte als Salzsäure bei niedrigerem pH (pH 4,0). Einige Autoren führten als Grund für die Toxizität das undissoziierte Molekül an (WINSLOW u. LOCKRIDGE 1906;

WOLF u. SHUNK 1921). In einer Studie zum Überleben von E. coli in Schweine-abfällen wurden mittels anaerober Bakterien flüchtige Fettsäuren produziert. Die Inhibition des Bakteriums wurde bei verschiedenen pH-Werten ausgetestet. Es stellte sich heraus, dass die hemmende Wirkung bei pH 4 größer war als bei pH ≥ 5 (HENRY et al. 1983).

Eine pH- und flüchtige-Fettsäurenabhängige Wirkung wurde auch auf Streptococcus bovis, einem originären Pansenbakterium, getestet. Es wurde wesentlich weniger beeinflusst. Zwar fiel die Anzahl der Kokken bei Senkung des pH-Werts ab, aber lediglich auf 70 % im Vergleich zum Versuchsaufbau mit Abwesenheit von flüchtigen Fettsäuren. Diverse andere ruminale Spezies verhielten sich vergleichbar (WALLACE et al. 1989, keine weiteren Angaben). Der Grund hierfür könnte darin liegen, dass E. coli über einen konstanten intracellulären pH-Wert verfügt, der sich nicht dem äußeren Milieu anpassen kann. Bei ungünstigen Bedingungen von pH-Wert und flüchtigen Fettsäuren kam es allerdings zu Energieauskopplung bei E. coli und Akkumulation von Anionen der flüchtigen Fettsäuren. Sc. bovis beispielsweise war weniger anfällig für Veränderungen des Milieus, da sich der intracelluläre pH-Wert den Bedingungen anpassen konnte (RASMUSSEN et al. 1993).

HOLLOWELL und WOLIN (1965) kamen zu dem Schluss, dass der Hauptgrund für mangelhaftes Wachstum ein Inhibitor im Pansensaft sein muss, da E. coli nach Inokulation mit zellfreiem Pansensaft keinerlei Wachstum zeigte. Diese Inhibitoren ließen sich partiell durch Autoklavieren hemmen.

Auch in anderen Studien war die Summe der flüchtigen Fettsäuren nicht korreliert mit der Ausscheidung von E. coli (GILBERT et al. 2005). Daher stehen eher gram-positive Bakterien des Pansens unter Verdacht niedermolekulare Peptide oder Kom-ponenten mit bakteriziden Eigenschaften zu produzieren (JACK et al. 1995;

KALMOKOFF u. TEATHER 1997). Verantwortlich für die reduzierte Zahl an ausge-schiedenen E. coli bei Heufütterung könnten allerdings auch im Grünfutter enthaltene Tannine und Phenole sein (CALLAWAY et al. 2008).

Aber nicht nur Überleben und Vermehren wurden unter physiologischen Umständen im Pansen gehemmt, sondern auch eine Plasmidübertragung zwischen verschie-denen E. coli-Stämmen (SMITH 1975), welche eine wichtige Strategie zur Steigerung

der Überlebensfähigkeit darstellt. Ohne Nahrungskarenz kam es auch bei größerer Anzahl an Empfängern und Donatoren zu keiner Übertragung, weder zwischen verschiedenen E. coli-Stämmen, noch zwischen E. coli und Salmonella-Spezies.

Während einer Hungerperiode zeigten GRAU und BROWNLIE (1968) hingegen eine Vermehrung von E. coli im Pansen auf das 2000fache. Eine anschließende Wieder-aufnahme der Fütterung ließ die Anzahl erneut ansteigen. Nach sieben Tagen war kein Nachweis im Pansensaft mehr möglich. In einer Studie mit adulten Schafen, welche direkt mit E. coli-Stämmen ruminal inokuliert wurden, konnte SMITH (1975) die Übertragung eines R-Faktors mit Antibiotikaresistenz zwischen E. coli-Stämmen sowie eine Vermehrung lediglich nach einer Hungerphase von mindestens 24 Stunden nachweisen. 1977 bewies SMITH diese Übertragung unter gleichen Bedingungen auch von E. coli auf Salmonella-Spezies. Nach weniger als 48 h Nahrungskarenz vermehrten sich sowohl E. coli als auch die Salmonellen, so dass eine ausreichend große Anzahl erreicht werden konnte, um einen Transfer des R-Faktors zu erreichen.

Generell ist die Ausscheidung mit dem Kot nach Inokulation von E. coli in den Pansen von Rindern bei Kälbern höher als bei ausgewachsenen Tieren (CRAY u.

MOON 1995), da letztere über ein voll ausgebildetes Vormagensystem verfügen, in dem durch entsprechende pH-Werte und Konzentrationen an flüchtigen Fettsäuren eine Vermehrung und somit eine längere Ausscheidung verhindert werden. Die Gesundheit wurde weder von erwachsenen Tieren noch von Kälbern durch die experimentelle orale Infektion mit E. coli beeinträchtigt (CRAY u. MOON 1995).

Aber auch Protozoen sorgen für eine Limitierung von E. coli im Pansen. Bereits innerhalb einer Stunde nach Ingestion von E. coli konnten WALLIS und COLEMAN (1967) kein lebensfähiges Bakterium mehr in den Protozoen in vitro nachweisen.

2.4.3.3 Überleben von Escherichia coli und anderen coliformen Keimen in Protozoen

Um Infektionen bei Wiederkäuern auslösen zu können, muss E. coli die Magenpassage überleben. Unter physiologischen Umständen wird die Anzahl von E. coli von den im Pansen habitierten Protozoen limitiert. BARKER et al. (1999) zeigten, dass ein Überleben und Vermehren von E. coli in Futtervakuolen von Acanthamoeba polyphaga, einem ubiquitär vorkommenden Einzeller, möglich ist. Der normale digestive Cyclus der meisten Amoeben dauert eine bis vier Stunden, bevor das verdaute Material ausgeschieden wird (KWAN 1973). SCHLIMME et al. (1997) zeigten, dass nach der Fütterung von Wasseramoeben über 90 % der ausge-schiedenen Partikel lebensfähige E. coli enthielt. Eine hohe Bakteriendichte und das Vorhandensein von vielen Vakuolen förderte das Überleben der E. coli. Ein Grund hierfür lag in der schnelleren Eliminierung der Vakuolen, wenn viele von ihnen vorhanden waren (NILSSON 1972). Bevor über die Lysosomen eine Verdauung der Bakterien vollzogen werden konnte, wurden diese bereits wieder ausgeschieden.

KING et al. beschrieb 1988 das Überleben von coliformen Keimen in Wasser-protozoen während der Chlorierung. Frei lebende Bakterein wurden während des Versuchs innerhalb einer Minute bei einem Chlorgehalt von ≥1 mg/L inaktiviert. Nach

der Aufnahme durch die Amoeben steigerte sich die Widerstandskraft auf das 30- bis 120-fache, auch nach Verdopplung der bakterizid wirkenden Dosis. Worauf die Überlebensfähigkeit der Bakterien basiert, ist hierbei unklar. Es kam allerdings zur Bakterienanreicherung in den Protozoen, entweder durch freigesetzte Nährstoffe in den Nahrungsvakuolen oder Vermehrung in den Protozoen (FIELDS et al. 1984;

KING u. SHOTTS 1988). Auch in Pansenprotozoen war ein Überleben von E. coli möglich. COLEMAN (1967) detektierte nach 30 Min. Inkubationszeit 12,3 % lebens-fähige E. coli. Die durchschnittliche Überlebenszeit dieses Bakteriums betrug fünf Minuten.