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Proliferation Axl-transfizierter Zellen nach EGF Stimulation

4.3 Die Axl-Rezeptortyrosinkinasefamilie in Bronchialkarzinomzellinien

4.3.1 Funktion der Axl-Kinase in Bronchialkarzinomzellinien

4.3.1.7 Proliferation Axl-transfizierter Zellen nach EGF Stimulation

Zellen die mit dem Wildtyp-Axl-RTK Expressionskonstrukt transfiziert worden waren,

zeigten ohne Zugabe eines Stimulans keinerlei Veränderungen in Morphologie und Wachstum gegenüber Zellen, die zur Negativkontrolle mit einem Expressionskonstrukt ohne Insert transfiziert wurden. Auch endogen exprimiertes Gas6 führte keine Veränderung bezüglich Aussehen und Proliferationsverhalten herbei. Zellen, die mit einem chimären EGF-Rezeptor/Axl-Kinase Konstrukt transfiziert wurden, wiesen keine Modifikation in

Morphologie und Wachstum, unabhängig von der Anwesenheit des aktivierenden Liganden EGF, auf. Parallel dazu wurden auch die Wildtyp-Axl transfizierten Zellen mit EGF stimuliert und eine Wachstumskurve erstellt.

Dabei konnte in mehreren unabhängigen Versuchen gezeigt werden, daß die Zellzahl Wildtyp-Axl transfizierte Zellen, deren Medium EGF zugesetzt wurde, deutlich schneller zunahm als Axl transfizierte Zellen, deren Medium kein EGF zugesetzt wurde (siehe Abb. 19, Abb. 20 und Abb. 21). Die mit EGF stimulierten Zellen zeigten autonomes Wachstum, das nur vom Liganden und nicht mehr von anderen Wachstumsfaktoren abhängig war.

Ein Einfluß von endogenem Gas6 und anderen bekannten Gas6 bindenden

Axl-RTK-Familienmitgliedern konnte, wie schon diskutiert, ausgeschlossen werden. EGF scheint damit auf Axl transfizierte Lungentumorzellinien eine stark mitogene Wirkung auszuüben.

Unterschiede zwischen den transfizierten SCLC-Linien und der NSCLC-Linien ließen sich jedoch beobachten. Während die SCLC Linien über die gesamte Dauer des

Beobachtungszeitraumes diesen EGF abhängigen Effekt zeigten, war eine mitogene Wirkung des EGFs in den NSCLC-Linien nur in den ersten Tagen deutlich zu beobachten. Da sich die Proliferation der NSCLC-Linie durch Serumentzug nicht vollständig unterdrücken ließ, ist dieser Effekt wahrscheinlich auf eine EGF-unabhängige Dichtearretierung der Zellen zurückzuführen.

Um sowohl eine Verwechslung mit einem anderen Konstrukt als auch einen Einfluß des möglicherweise durch die Axl-Expression induzierten EGF-Rezeptors auszuschließen, wurde mittels RT-PCR die Expression des EGF-Rezeptors an mRNA aus den transfizierten Zellen überprüft. Die Axl-transfizierten Zellen zeigten weder eine Expression des endogenen EGF-Rezeptors noch EGF-Anteile des chimären Konstrukts.

Aus diesen überraschenden, inzwischen durch Wiederholung der Experimente bestätigten Befunden ergeben sie mehrere mögliche Konsequenzen. Obwohl EGF als Ligand für Axl nicht beschrieben ist, kann von einem EGF-Axl-abhängigen Effekt ausgegangen werden.

Es ist dabei an die spekulative Möglichkeit zu denken, daß EGF direkt Axl-Aktivität, etwa durch Bindung beeinflußt. Experimente, die nach Beendigung der Versuche für diese Arbeit durchgeführt wurden, belegten eine starke Aktivierung des MAP-Kinaseweges nach

Stimulation der Axl-transfizierten Zellen mit EGF. Eine solcher Anstieg einer durch die aktivierte Axl-Kinase stimulierten MAP-Kinaseaktivität, allerdings mit Gas6 als Ligand, ist bekannt (Bellosta et al., 1997; Goruppi et al., 1996 und 1997; Fridell et al., 1996). Während myeloide Vorläuferzellen der murinen 32D Zellinie weder eine Induktion der Proliferation noch einen Apoptoseschutz durch die Gas6-Axl-Interaktion erfuhren, ließ sich in Fibroblasten (NIH-3T3) ein mitogener Effekt und ein koordinierter S-Phaseeintritt beobachten. Allerdings scheint der MAP-Kinaseweg, induziert über die Gas6-Axl-Interaktion, dort hauptsächlich die Zellen vor Apoptose unter Konditionen, die keine Proliferation zulassen, zu schützen

(Goruppi et al., 1996 und 1997; Bellosta et al., 1997). Dabei ist jedoch zu beachten, daß 3T3-Zellen Mausfibroblasten sind und die beschriebenen Effekte von endogen exprimierten Axl abhängig sind. Das zur Stimulation eingesetzte rekombinante Gas6 jedoch ist aus der menschlichen Sequenz gewonnen. Wie schon bei der Protein S-Tyro3-Interaktion, sind hier speziesabhängige Kreuzreaktion denkbar. Die 32D Zellinie hingegen wurde mit einem die menschliche Axl-Sequenz enthaltenden Expressionskonstrukt transfiziert und mit

rekombinantem humanem Gas6 stimuliert (McCloskey et al., 1994; Fridell et al.,1996). Diese

Axl-Gas6 Interaktion zwischen humanem Rezeptor und humanem Ligand rief jedoch, wie auch in den Bronchialkarzinomlinien (transfiziertes Axl mit endogenem Gas6) keinerlei Veränderung der Zellen hinsichtlich einer mitogenen Induktion oder Transformation hervor.

Das den transfizierten Bronchialkarzinomzellinien zugesetzte humane EGF war jedoch in der Lage, die Proliferation stark zu stimulieren. Es ist somit möglich, daß EGF ein neuer, bisher nicht beschriebener Ligand der Axl-RTK ist. Im Rahmen dieser Arbeit konnte allerdings diese Frage nicht abschließend geklärt werden. Da aber der beobachtete Effekt reproduzierbar und die Aktivierung der MAP-Kinase gesichert ist, ist davon auszugehen, daß EGF direkt oder indirekt über die Axl-Kinase eine biologische Wirkung auf Bronchialkarzinomzellinien hat.

Eine private Mitteilung von Prof. Dr. Gullick (London) bestätigte, daß die Existenz eines weiteren EGF-bindenden Rezeptors seit langem postuliert wird, dieser jedoch kein Mitglied der EGF-Rezeptorfamilie sein kann. Somit ist eine Rezeptor-Liganden-Interaktion von humanem EGF und humanem Axl denkbar. Sollte sich eine solche Beziehung bestätigen, wären somit unterschiedliche, über Axl vermittelte Einflüsse auf Zellen über die Bindung unterschiedlicher Liganden möglich. Für die Interaktion zwischen Axl und Gas6 wurde nur in wenigen Zellsystemen ein reproduzierbarer proliferativer Effekt bzw. ein Gas6

konzentrationsabhängiger Apoptoseschutz beschrieben. Andere Axl exprimierende Zellen reagieren nicht auf die Zugabe von Gas6 (McCloskey et al., 1994; Varnum et al., 1995; Stitt et al., 1995; Goruppi et al., 1996; Nagata et al., 1996; Fridell et al., 1996; Goruppi et al., 1997;

Bellosta et al., 1997; Avanzi et al., 1997; Fridell et al., 1998). Weitere Funktionen von Axl sind mit einem neuen Liganden auch in solchen Zellen denkbar.

Neben einem direkten über eine EGF-Axl Interaktion vermittelten Effekt ist es möglich, daß EGF in der Lage ist, in kooperativer Weise die Zellproliferation zu stimulieren. Als Beispiel hierfür ist an einen Synergismus wie zwischen Insulin und EGF in Mausfibroblasten zu denken (Pardee et al., 1981). In diesem Fall wären residuale, in der RT-PCR nicht

nachgewiesene EGF-Rezeptoranteile in den untersuchten Linien zu vermuten. Aktivierte Axl-Kinase könnte hier ähnlich der vermuteten Funktion als Apoptoseschutzfaktor (Bellosta et al., 1997; Goruppi et al., 1996 und 1997), die Empfänglichkeit für EGF-vermittelte Proliferation drastisch verstärken. Diese Hypothese sollte sich durch Kontrollversuche mit variablen EFG-Mengen in Gegenwart bzw. Abwesenheit von Axl-RTK sowie Blockadeexperimenten mittels EGF- und EGF-Rezeptor-spezifischen Antikörpern überprüfen lassen.

Da in den humanen Bronchialkarzinomzellinien kein Effekt von endogenem Gas6 und humanem Axl beobachtet werden konnte, eine Co-Expression dieser beiden Komponenten aber in NHBE Zellen beobachtet wurde, kann, wenn überhaupt, nur von einem

unterstützenden Effekt dieses möglichen Rezeptor-Ligandensystems auf Proliferation und Apoptoseschutz ausgegangen werden. Andere Aufgaben dieser Interaktion sind aber möglich.

Der stark proliferative Effekt von EGF in Axl-transfizierten Bronchialkarzinomzellinien hingegen scheint auf eine eindeutige Wirkung hinzuweisen. Inwieweit in Lunge und Lungentumoren ein solches System hinsichtlich der Genese und Progression von Tumoren eine Rolle spielt, ist spekulativ. Aufgrund des beobachteten starken proliferativen Effekts ist ein Einfluß auf die Regeneration des normalen Bronchialepithels, das auf Grund eines ständigen Kontaktes mit der Atemluft und darin enthaltenen Noxen permanenter Erneuerung unterliegt, und die positive Selektion von Tumorzellen durchaus denkbar.

Es ist also möglich, daß Axl zwei unterschiedliche Funktionen besitzt, die möglicherweise ligandenabhängig gesteuert werden. So könnte mit Gas6 als Liganden ein Schutz vor Apoptose bei Wachstumsfaktormangel möglich sein (Goruppi et al., 1996; Bellosta et al., 1997; Goruppi et al., 1997, Fridell et al., 1996; Stitt et al., 1995; Varnum et al., 1995;

McCloskey et al., 1994), eine Induktion der Chemotaxis (Fridell et al., 1997), eine Wirkung auf die Adhärenz von Zellen (Avanzi et al., 1997; Nakano et al., 1997; McCloskey et al.,1997;

Bellosta et al., 1995), und die Differenzierung hämatopoetischen Gewebes induzieren (Avanzi et al., 1997; Neubauer et al., 1997; Rinke de Wit et al., 1996; Challier et al., 1996; Neubauer et al., 1994). Gleichzeitig könnte aber auch ein mitogener Effekt mit EGF (als Liganden) über Axl vermittelt werden. Die Aktivierung von verschiedenen Liganden würde auch das

Anschalten von unterschiedlichen Signalübertragungswegen erklären. Die Gas6 vermittelten Signale könnten über einen anderen Weg weitergeleitet werden als die, die EGF an den Rezeptor vermittelt. Da sowohl eine Aktivierung des PI3-Kinase und des MAP-Kinaseweges für Axl beschrieben sind, ließen sich so auch die unterschiedlichen beobachteten Wirkungen erklären.

Auch die differierenden Effekte des Chimärs und des Wildtyprezeptors ließen sich so erklären. Es könnte möglich sein, daß das in der Literatur beschriebene Chimär (EGF-R extraz. und transm., Axl intraz.) Signalwege angeschaltet hat, die bei einer Axl-EGF Interaktion aktiviert werden. Die Gas6-Axl-Bindung dagegen scheint eine ganz andere intrazelluläre Signalkaskade in Gang zu setzten. Dies kann allerdings nicht der durch das Chimär aktivierte PI3-Kinaseweg sein, da dieser nachweislich auch von dem in dieser Arbeit

benutzten Chimär aktiviert wird, wie ergänzende Experimente zu dieser Arbeit ergaben, und zu keinerlei Effekt führten.