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Co-Expression onkogener Rezeptortyrosinkinasen und ihrer Liganden

Da Veränderungen im Expressionsmuster von Liganden von signalübertragenden Rezeptoren eine modulierte Zell-Zell-Kommunikation und damit eine veränderte zelluläre Reaktion nach sich ziehen können, kann die Transformation von Zellen auch durch eine modulierte

Ligandenexpression begünstigt bzw. ausgelöst werden.

Für viele der Wachstumsfaktoren ist ein transformierender, proliferativer Einfluß auf Lungenzellen bekannt, so daß von einem stimulierenden Effekt dieser Faktoren auf die untersuchten Zellinien ausgegangen werden kann (Liu et al., 1990; Rubin et al., 1991;

Rygaard et al., 1993; Weidner et al., 1993; Liu und Tsao, 1993; Itakura et al., 1994; Shiratori et al., 1995; Singh-kaw et al., 1995). Interessanterweise können die Überstände (serumhaltige konditionierte Medien) von Wachstumsfaktoren exprimierenden Zellinien die Etablierung von Zellinien aus Primärtumoren ermöglichen. Primärtumorzellen ohne solche konditionierten Medien sind hingegen häufig nicht in der Lage, Zellinien zu bilden (Siegfried und Owens, 1988). Die Bedeutsamkeit und Potenz solcher Wachstumsfaktoren wird durch derartig Versuche demonstriert.

Die Untersuchung der Expression von Wachstumsfaktoren, die onkogene

Rezeptortyrosinkinasen stimulieren können, zeigte, daß alle untersuchten Zellinien mehrere solcher Peptide exprimierten. Dabei unterschied sich die Expressionsstärke in nahezu allen Fällen von der als der normalen Bronchialepithelzellen. Aber auch ein Verlust der Expression konnte beobachtet werden (siehe Tab. 4).

Eine Fehl-Expression der an die EGF-Rezeptoren bindenden Faktoren TGFα, Amphiregulin und Heregulin konnte häufig beobachtet werden. Dies trifft auch für den SCF zu, der

individuell unterschiedlich nachzuweisen war. HGF war in nur wenigen Linien de novo exprimiert, in Übereinstimmung mit der Literatur (Rygaard et al., 1993; Singh-kaw et al., 1995). MSP, SCF, Gas6 und Protein S wiesen hauptsächlich eine nicht als physiologisch angenommene Expressionsstärke auf.

Korreliert man die Expression dieser Liganden mit der mittels RT-PCR durchgeführten Expressionsanalyse onkogener Rezeptortyrosinkinasen (siehe Tab. 5), kann davon ausgegangen werden, daß alle untersuchten Zellinien die Möglichkeit besitzen, autokrin mehrere untersuchte Rezeptor-Liganden-Interaktionen einzugehen. Die Zellinien haben so die Möglichkeit eines größtenteils von exogenen Faktoren unabhängigen Wachstums.

Mehr als die Hälfte der Zellinien verfügte über den EGF-Rezeptor und seine Liganden TGFα und Amphiregulin, unabhängig von ihrer histologischen Einteilung. Auch eine Co-Expression von erbB3 und Heregulin konnte in einigen Linien nachgewiesen werde, häufiger in NSCLC -als in SCLC-Linien. Ein Nachweis einer erbB4 Expression war in den Karzinomlinien nicht möglich. Auch normale Bronchialepithelzellen (NHBE) verfügten über die Möglichkeit einer autokrinen Stimulation über den EGF-Rezeptor und seine beiden Liganden und zusätzlich, im Gegensatz zu den Tumorzellinien über eine mögliche autokrine Schleife mittels

erbB4-Rezeptor und Heregulin, jedoch nicht, wie viele Karzinomzellinien, über eine über den erbB3-Rezeptor vermittelte, da diese Zellen ein erbB3 exprimieren.

Eine autokrine Stimulation über den Met-Rezeptor scheint in Bronchialkarzinomzellinien keine Rolle zu spielen, da von allen untersuchten Zellinien lediglich eine SCLC-Linie in der Lage war, mRNA für ein autokrines Met-HGF-System zu synthetisieren. Dies ist in

Übereinstimmung mit bereits publizierten Befunden, die das Vorkommen von autokrinen Schleifen über Met und HGF in Lungentumoren bestätigen (Itakura et al., 1994), diese jedoch in nur 5% der untersuchten SCLC-Linien belegen können (Rygaard et al., 1993). Eine

Autokrinie über Met und HGF wurde, in Übereinstimmung mit den Befunden dieser Arbeit, in normalen Bronchialepithelzellen nicht gefunden (Shing-kaw et al., 1995). Hingegen ist ein Einfluß über Ron und MSP auf Bronchialkarzinomzellinien denkbar, da mehr als ein Drittel aller untersuchten Linien beide Komponenten exprimierten. NHBE-Zellen verfügten nicht über die Möglichkeit einer autokrinen Stimulation über Met-Rezeptoren.

Da in der Bronchialkarzinomzellinien und NHBE-Zellen ein mRNA-Nachweis von GDNF nicht möglich war, ist eine Stimulation des Rezeptors durch autokrine Ligandenbindung in den untersuchten Zellinien unwahrscheinlich. Für den c-kit-Rezeptor ist, auf Grund seines histiotypischen Auftretens, eine Autokrinie nur in 60% der SCLC-Zellinien denkbar. Dies deckt sich mit bereits veröffentlichten Befunden (Hibi et al., 1991; Rygaard et al., 1993).

Sowohl Ret/GDNF als auch c-kit/SCF werden nicht von NHBE-Zellen co-exprimiert.

Zusätzlich konnte, neben den bekannten autokrinen Systemen im Bronchialkarzinom, in der Mehrzahl der Zellinien eine Co-Expression der Axl-RTK-Familienmitglieder und

Gas6/Protein S-Liganden gezeigt werden (siehe Tab. 8). So sind 5/22 (NSCLC 42%, SCLC 0%) Linien mit Axl und Gas6 , 13/22 Linien mit Tyro3 und Gas6 (NSCLC 42%, SCLC 80%) bzw. 13 /22 Linien mit Tyro3 und Protein S (NSCLC 75%, SCLC 40 %) und 16/22 Linien mit cMer und Gas6 (NSCLC 67%, SCLC 80%) in der Lage, sich autokrin zu stimulieren.

Aufgrund einer Expression von Axl ausschließlich in NSCLC-Zellinien kann eine Co-Expression mit Gas6 nur in einem Teil dieser Zellinien beschrieben werden.

Interessanterweise bilden NHBE-Zellen ebenfalls die Rezeptoren der Axl-Familie und die Liganden Gas6 und Protein S. Dies ist bislang nicht beschrieben und könnte ein zusätzliches wichtiges Autoregulationsglied, insbesondere für NSCLC, darstellen. Allerdings läßt sich nicht sicher sagen, ob und in welcher Weise die Autokriniemöglichkeiten in vivo genutzt werden. Es ist nicht gesichert, daß alle Rezeptoren durch Gas6 aktiviert werden. Es konnte zwar gezeigt werden, daß Gas6 eine deutlich höhere Affinität zu Axl als zu cMer hat, da cMer

aber in fast allen Linien stark überexprimiert ist, ist hier ein Einfluß, auch durch eine Aktivierung des Rezeptors durch Dimerisierung in Folge der Überexpression durchaus denkbar (Chen et al., 1997). Welche Bedeutung die histiotypische Axl-Expression hat, ist spekulativ. Beachtenswert ist, daß alle drei Kinasen in die Embryonalentwicklung involviert sind (Ohashi et al., 1994; Mark et al., 1994; Bellosta et al., 1995; Graham et al., 1994 und 1995). Die veränderte Expression könnte ein Zurückgreifen auf embryonale Wachstums-, Entwicklungs- und Differenzierungsmechanismen sein, die einen Selektionsvorteil für die Tumorzellen bieten.

Ein natürlich gewonnenes Chemotherapeutikum, pau dárco, das Lapachol enthält, hat die Wirkung eines Vitamin K-Antagonisten. Da Vitamin K allerdings notwendig ist um Gas6 vollständig zu aktivieren und ein lebensverlängernder Effekt in Patienten mit SCLC und Colontumoren beobachtet wurde, wird vermutet, speziell im Fall der Colonkarzinome, für die eine Überexpression von Axl beschrieben wurde, daß die Carboxylierung von Gas6

unterdrückt wird und somit die Transduktion wachstumsstimulierender Signale vermindert wird (Dinnen et al., 1997). Da aber SCLC-Tumoren, wie die Befunde an den

Bronchialkarzinomlinien zeigten, offensichtlich kein Axl exprimieren, muß der beobachtete Effekt auf andere Interaktionen Vitamin K regulierter Proteine mit Rezeptoren

zurückzuführen sein. Denkbar wäre z.B. eine Gas6-Interaktion mit cMer oder Tyro3, die auch in SCLC-Linien nachgewiesen werden konnten. Über die biologische Wirkung dieser

Rezeptoren in Lungentumoren ist jedoch nichts bekannt. Lediglich eine starke Überexpression von cMer, das allerdings nur mit geringer Affinität Gas6 als Liganden bindet (Nagata et al., 1996; Chen et al., 1997), konnte beobachtet werden.

Der Nachweis, daß normale Bronchialepithelzellen in der Lage sind, viele der untersuchten autokrinen Wege zu nutzen, war unerwartet. Eine kontrollierte autokrine Stimulation normaler Zellen ist jedoch bekannt und hängt in diesem Fall wahrscheinlich mit der hohen

Erneuerungsrate des Gewebes im Bronchialtrakt zusammen. Da die untersuchten NHBE-Zellen allerdings nicht direkt dem Bronchialepithel entnommen, sondern zur weiteren

Vermehrung als Primärkulturen gezüchtet wurden, kann auch eine Reaktion der Zellen auf die veränderte Umgebung als Folge der Kultivierung nicht ausgeschlossen werden (Liu und Tsao, 1993). Da innerhalb des Bronchialepithels neben Epithelzellen auch andere Zelltypen wie z.B.

Fibroblasten existieren, sind solche Gewebeverbände physiologisch darauf angewiesen, über parakrine Wege auf neue Gegebenheiten in ihrer Umgebung mit verändertem Verhalten zu

reagieren (Siegfried und Owens, 1988). Es ist denkbar, daß die Isolation und kurzzeitige Kultivierung einzelner Zelltypen aus einem Gewebeverband heraus solche Zellen veranlaßt, durch nicht mehr vorhandene Signale und Rückkopplungen anderer Zelltypen dies als Veränderung zu registrieren, und sie infolgedessen sie ihrerseits ihre Signale verändern. Die Beobachtung, daß Primärtumoren verglichen mit den aus ihnen etablierten

Lungenkarzinomzellinien grundsätzlich niedrigere Spiegel an Wachstumsfaktoren und Rezeptoren aufwiesen, unterstützt diese Behauptung, daß die Kultivierung von Zellen artifizielle Reaktionen auslösen kann (Liu und Tsao, 1993).

Die Beobachtung, daß Tumorzellen häufig mehrere autokrine Stimulationsmöglichkeiten besitzen, mag an der Etablierung permanenter Linien liegen. Da jene Zellen am besten wachsen, die möglichst viele autokrine Schleifen benutzten, steht der gewonnene

Selektionsvorteil aufgrund einer autokrinen Wachstumsstimulation bei der Anzucht und Selektion von (nicht SV40 transformierten) Zellinien im Vordergrund und wird zur Selektion autokriner Klone führen (Liu und Tsao, 1993). Gerade die Bedingungen einer Zellkultivierung wird zur Selektion einer besonders schnell wachsenden Zellpopulation führen. Da in

Kulturzellen verstärkt solche Autokriniemechanismen angetroffen werden, ist davon auszugehen, daß eine positive Selektion der Zellen bezüglich autokriner Stimulation stattgefunden hat, gleichzeitig aber auch als eine Adaption an die neue Umgebung nicht ausgeschlossen werden kann (Liu und Tsao, 1993). So konnte gezeigt werden, daß

Primärtumorzellen, die spontan in der Lage waren Zellinien zu formen, eine deutliche erhöhte TGFαund Met Expression aufwiesen als Tumorzellen, die keine Linien bildeten. Zusätzlich waren vor allem solche Zellen in der Lage Nacktmaustumoren zu bilden, die eine hohe Met Expression zeigten (Liu und Tsao, 1993).

Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß alle untersuchten Tumorzellinien über mehrere Rezeptor-Ligandensysteme verfügen, die ihnen die Möglichkeit einer autokrinen Stimulation boten. Solche autokrinen Schleifen liefern Zellen in vitro und in vivo Selektionsvorteile, so daß das Auftreten vieler solcher Autokriniemechanismen sicherlich die Genese eines Tumors positiv beeinflußt. Sie sind zusätzlich Ausdruck des transformierten Charakters der

untersuchten Zellinien.