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1 Grundtatbestände von Wirtschaftsgesellschaften

1.5 Produktionsmöglichkeiten

Produktionsmöglichkeiten

Neben den dauerhaften Produktionsmitteln werden im Produktionsprozess auch nicht dauerhafte Produktionsmittel wie z. B. Rohstoffe, Verbrauchsmate-rial und Energie eingesetzt. Sofern diese nicht dauerhaften Produktionsmittel von anderen Unternehmen geliefert werden – was meistens der Fall ist –, nennt man sie auchVorleistungen.

Eine zentrale Fragestellung der Ökonomen ist die Analyse der Möglichkei-ten, eine gegebene Produktion mit den geringsten Kosten bzw. mit gegebenen Kosten eine größtmögliche Produktionsmenge zu erstellen. Dieser Fragestel-lung gehen wir im fünften Kapitel nach. Hier im ersten Kapitel erläutern wir das zentrale Konzept der insgesamt beschränkten Produktionsmöglichkeiten, das Konzept der Transformationskurve.

1.5 Produktionsmöglichkeiten

Der Bestand an Produktionsfaktoren begrenzt die Produktionsmöglichkeiten einer Volkswirtschaft.

Diese Tatsache kann anhand einer einfachen Modelldarstellung – der Kurve der volkswirtschaftlichen Produktionsmöglichkeiten – verdeutlicht werden. Wir nehmen an, in einer Volkswirtschaft werden nur zwei Güter – ein Konsumgut (Nahrungsmittel) und ein Investitionsgut (Maschinen) – hergestellt. Setzt man alle vorhandenen Produktionsfaktoren zur Produktion von Nahrungsmitteln ein, ohne Produktionsfaktoren zu verschwenden, so kann man höchstens eine bestimmte Menge Nahrungsmittel herstellen (z. B. 1.000 Tonnen). Setzt man hingegen alle vorhandenen Produktionsfaktoren zur Produktion von Maschinen ein, so kann man auch hiermit nur eine bestimmte Höchstmenge (z. B. 500 Ma-schinen) erzeugen (vgl. Abbildung 1-3).

Die entscheidende Überlegung ist nun: Will man, ausgehend von der Höchst-menge an überhaupt produzierbaren Nahrungsmitteln, auch einige Maschinen erstellen (z. B. 100), so ist dies nur möglich, wenn ein Teil der Produktionsmit-tel, die bisher für die Nahrungsmittelproduktion eingesetzt wurden, jetzt zur Maschinenproduktion verwendet wird. Folglich können jetzt nur weniger als 1.000 Tonnen Nahrungsmittel erzeugt werden (z. B. 860). In der Volkswirt-schaft wird damit der Punkt A in Abbildung 1-3 verwirklicht. Ausgehend von diesen Produktionsmengen (100 Maschinen, 860 Tonnen Nahrungsmittel) kann die obige Überlegung wiederholt werden: Will man noch mehr Maschinen er-zeugen, so müssen weitere Produktionsfaktoren für die Maschinenproduktion abgezogen werden. Die Mehrproduktion von einem Gut ist also nur auf Kosten der Produktion des anderen Gutes möglich. Diesen Verzicht auf die Produktion des »anderen« Gutes nennt manOpportunitätskosten. Sämtliche Produktions-mengen der beiden Güter, die in der betrachteten Volkswirtschaft hergestellt werden können, liegen also auf einer fallenden Kurve (vgl. Abbildung 1-3).

Man nennt diese Kurve die Kurve der volkswirtschaftlichen Produktionsmög-lichkeiten oder auch (volkswirtschaftliche)Transformationskurve. Sie bringt

Die Produktionskapazität einer Volkswirtschaft ist begrenzt.

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1.5

Grundtatbestände von Wirtschaftsgesellschaften Produktionsmöglichkeiten

in Modellform die Begrenztheit der Güterproduktion jeder Volkswirtschaft plas-tisch zum Ausdruck.

Die Transformationskurve gibt alle Gütermengenkombinationen an, die in der Volkswirtschaft mit dem gegebenen Bestand an Produktionsfaktoren maximal produziert werden können.

Der Leser mag sich fragen, warum die Transformationskurve nach oben ge-krümmt (konkav) gezeichnet worden ist. Ökonomisch bedeutet dies, dass die Produktion weiterer Mengeneinheiten des einen Gutes nur durch Verzicht auf immer größere Mengen des anderen Gutes erreicht werden kann. Die einfachste Erklärung ist die, dass es immer schwieriger wird, die Produktionsfaktoren, die bisher für die Herstellung von Nahrungsmitteln eingesetzt wurden, bei der Er-zeugung von Maschinen zu verwenden, weil die Ergiebigkeit eines bestimmten Produktionsfaktors in der Regel in einer der beiden Produktionen größer ist (»Ein Dreher ist meist kein guter Melker«).

Erhöht sich der Bestand an Produktionsfaktoren, so ist klar, dass mehr von jedem Gut erzeugt werden kann: Die Transformationskurve verschiebt sich nach außen. Zu einer solchen Verschiebung kann es z. B. dadurch kommen, dass die Volkswirtschaft mit der Zeit ihren Bestand an Kapitalgütern erhöht.

Eine andere Möglichkeit, die Transformationskurve nach außen zu verschieben, stellt der technische Fortschritt dar, der, einfach ausgedrückt, die Qualität der Produktionsfaktoren verbessert.

Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass die tatsächliche Produktion der Volkswirtschaft einem Punkt auf der Transformationskurve entspricht. Werden

Abb. 1-3

Die Transformationskurve

Nahrungsmittel (in Tonnen) 1.000

500

A Maschinen

(in Stück) 500 400 300 200 100 x

x x

Die Transformationskurve ist konkav

Verschiebung der Transformationskurve

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1.6

Knappheit

nicht alle Produktionsfaktoren beschäftigt (z. B. infolge Arbeitslosigkeit), so verzichtet die Volkswirtschaft auf einen Teil ihrer Produktionsmöglichkeiten.

Es bestehtUnterbeschäftigung eines oder mehrerer Produktionsfaktoren (vgl.

Abbildung 1-4, Punkt B, der eine Gütermengenkombination darstellt, bei der ungefähr 320 Maschinen und 135 t Nahrungsmittel produziert werden, wäh-rend z. B. circa 320 Maschinen und 580 t Nahrungsmittel bzw. 135 t Nahrungs-mittel und 480 Maschinen erstellt werden könnten).

1.6 Knappheit

Wir haben bisher die Bedürfnisse, die Produktion und die Produktionsmöglich-keiten betrachtet. Wie wir festgestellt haben, sind die Produktionsmöglichkei-ten einer Volkswirtschaft zu einem gegebenen Zeitpunkt begrenzt. Wie aber sieht es mit dem Wunsch aus, Güter zur Befriedigung der Bedürfnisse zu erhal-ten? Es ist schwierig, die Bedürfnisse einer Volkswirtschaft mengenmäßig zu erfassen. Man wird aber davon ausgehen können, dass sich bei vollständiger Er-füllung sämtlicher Bedürfnisse Gütermengenkombinationen ergeben, die au-ßerhalb der Transformationskurve der Volkswirtschaft liegen (vgl. Punkt A in Abbildung 1-5).

Das aber bedeutet, dass die Güter, gemessen an den Bedürfnissen, knapp sind. Sie sind deshalb knapp, weil nicht beliebig viele Produktionsfaktoren zur Herstellung der Güter zur Verfügung stehen.

Produktionsfaktoren können unterbeschäftigt sein.

Abb. 1-4

Unterbeschäftigung eines oder mehrerer Produktionsfaktoren

1.000 500

B 500

x

Nahrungsmittel (in Tonnen) Maschinen

(in Stück)

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1.7

Grundtatbestände von Wirtschaftsgesellschaften Arbeitsteilung

Die Knappheit ist zentrales Charakteristikum aller Wirtschaftsgesellschaften, Knappheit ist das Grundgesetz der Ökonomie: Zwar ist es denkbar, dass ein-zelne Menschen »wunschlos glücklich« sind und die Knappheit individuell nicht spüren. Aber für eine Wirtschaftsgesellschaft insgesamt übersteigt die Summe der Bedürfnisse die Summe der Produktionsmöglichkeiten in jedem Fall. Die Fülle individueller Wünsche z. B. nach einem Auto, einem Haus oder einer Weltreise und die Fülle der gesellschaftlichen Aufgaben, z. B. im Bereich der Bildung, der Gesundheit oder der Verkehrsinfrastruktur, mag die Knappheit anschaulich machen und der Hinweis auf die Armut in weiten Teilen der Welt (vgl. Kapitel 30) macht die Knappheit als zentrales Problem der Weltwirtschaft deutlich.

Die Existenz von Knappheit erfordert Wirtschaften als planmäßigen Einsatz knapper Güter zur Erfüllung menschlicher Bedürfnisse. Und die zentrale Auf-gabe der Wirtschaftswissenschaft ist es zu erforschen, wie die Knappheit ver-mindert werden kann. Als wesentliche Organisationsform des Wirtschaftens gilt die Arbeitsteilung, die in herausragender Weise geeignet ist, die Knappheit zu vermindern.

1.7 Arbeitsteilung

Menschliches Wirtschaften beginnt, historisch gesehen, mit der einfachen Selbstversorgungswirtschaft. Hier produzieren die Menschen das, was sie kon-sumieren im Wesentlichen selbst und das, was sie produzieren, konkon-sumieren sie

Abb. 1-5

Bedürfnisse und Produktionsmöglichkeiten

1.000 500

400 300 200 100

xA

Nahrungsmittel (in Tonnen) Maschinen

(in Stück)

Knappheit als Grundgesetz der Ökonomie

Wirtschaften heißt, knappe Güter planmäßig zur Erfüllung menschlicher Bedürfnisse einzusetzen.

23

1.7

Arbeitsteilung

im Wesentlichen selbst. Aufgrund der Vorteilhaftigkeit der Arbeitsteilung ent-stand dann im Zuge der Entwicklung der Menschheit eine zunehmend arbeits-teilige Produktion. Die Vorteilhaftigkeit derArbeitsteilung wird besonders an-schaulich im berühmten Stecknadelbeispiel von Adam Smith (1723–1790, Begründer der Volkswirtschaftslehre) dargestellt:

»Der eine Arbeiter zieht den Draht, ein anderer streckt ihn, ein dritter schneidet ihn ab, ein vierter spitzt ihn zu, ein fünfter schleift ihn am oberen Ende, damit der Kopf angesetzt werden kann. Die Anfertigung des Kopfes macht wiederum zwei oder drei verschiedene Tätigkeiten erforderlich: das An-setzen desselben ist eine Arbeit für sich, das Weißglühen der Nadeln ebenso, ja sogar das Einwickeln der Nadeln in Papier bildet eine selbständige Arbeit. Auf diese Weise zerfällt die schwierige Aufgabe, eine Stecknadel herzustellen, in etwa achtzehn verschiedene Teilarbeiten, die in manchen Fabriken alle von ver-schiedenen Händen ausgeführt werden, während in anderen zuweilen zwei oder drei derselben von einem Arbeiter allein besorgt werden. Ich habe eine kleine Manufaktur dieser Art gesehen, in der nur zehn Mann beschäftigt waren und folglich einige zwei oder drei verschiedene Arbeiten zu übernehmen hatten.

Obgleich sie nur sehr arm und infolgedessen mit den nötigen Maschinen nur ungenügend versehen waren, so konnten sie doch, wenn sie sich tüchtig daran hielten, an einem Tage zusammen etwa zwölf Pfund Stecknadeln anfertigen.

Ein Pfund enthält über viertausend Nadeln mittlerer Größe. Diese zehn Arbeiter konnten demnach täglich über achtundvierzigtausend Nadeln herstellen. Da nun auf jeden der zehnte Teil von achtundvierzigtausend Nadeln entfällt, so kann man auch sagen, dass jeder täglich viertausendachthundert Nadeln her-stellte. Hätten sie dagegen alle einzeln und unabhängig voneinander gearbei-tet und wäre niemand besonders angelernt gewesen, so hätte gewiss keiner zwanzig, vielleicht sogar nicht einmal einer eine Nadel täglich anfertigen kön-nen, d. h. sicher nicht den zweihundertvierzigsten, vielleicht nicht einmal den viertausendachthundertsten Teil von dem, was sie jetzt infolge einer entspre-chenden Teilung und Vereinigung der verschiedenen Arbeitsvorgänge zu leisten imstande sind.« (Smith, 1924, S. 5 f. Dieses klassische Buch ist einer der größ-ten Erfolge der wirtschaftswissenschaftlichen Weltliteratur.)

Aus dem Stecknadelbeispiel lässt sich derBegriff der Arbeitsteilung ablei-ten. Man versteht darunter die Zerlegung der Produktion in Teilverrichtungen, die von spezialisierten Arbeitern oder Betrieben durchgeführt werden. Voll-zieht sich die Spezialisierung innerhalb eines Betriebes, so spricht man von in-nerbetrieblicher Arbeitsteilung. Vollzieht sie sich zwischen Betrieben, so spricht man vonzwischenbetrieblicher Arbeitsteilung. Gehören die Betriebe dabei zu unterschiedlichen Volkswirtschaften, so liegt internationale Ar-beitsteilungvor.

Die Vorteile der Arbeitsteilung liegen auf der Hand:

쑺 Arbeitsteilung ermöglicht den Einsatz spezialisierter Maschinen und damit kostengünstige Massenproduktion. Das ist ihr zentraler Vorteil.

쑺 Die Spezialisierung auf einige wenige Tätigkeiten erhöht die Schnelligkeit, mit der diese Tätigkeiten ausgeführt werden können.

Stecknadelbeispiel von Adam Smith

Begriff der Arbeitsteilung

Vorteile der Arbeitsteilung

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1.8

Grundtatbestände von Wirtschaftsgesellschaften Tausch, Transaktionen und Transaktionskosten

쑺 Menschen mit den unterschiedlichsten Fertigkeiten können so im Produkti-onsprozess eingesetzt werden, dass ihre speziellen Fertigkeiten am besten ausgeschöpft werden.

Es darf aber nicht übersehen werden, dass mit der Arbeitsteilung auch Nach-teile verbunden sind:

쑺 Die Arbeit wird fremdbestimmt, d. h. man produziert nicht mehr das, was man konsumiert, und konsumiert nicht mehr das, was man produziert. Dies begründet die Notwendigkeit von Hierarchien und die Schaffung von Leis-tungsanreizen.

쑺 Arbeitsteilung zwingt zu einer straffen Arbeitsdisziplin.

쑺 Arbeitsteilung schafft Abhängigkeiten der Menschen, Betriebe usw. von-einander, die in Krisenzeiten zu Versorgungsproblemen führen können.

쑺 Sofern die Art und Menge der Nachfrage im Voraus nicht mit Sicherheit be-kannt ist, kann es zu Über- und Unterproduktion kommen.

쑺 Da nur noch Teile gefertigt werden, geht die Beziehung zum Arbeitsprodukt verloren.

쑺 Mit der Fließbandfertigung können auch negative psychische Rückwirkun-gen verbunden sein. Einseitige Beanspruchung des Beschäftigten und vorge-gebenes Arbeitstempo vermindern oft die Arbeitslust.

Per Saldo überwiegen die wirtschaftlichen Vorteile der Arbeitsteilung ihre Nachteile aber bei weitem. Insgesamt ist die Arbeitsteilung die wesentliche Quelle der Produktivitätssteigerungen und damit die wesentliche Quelle der Wohlstandssteigerung der Menschheit.

Mittlerweile hat die Arbeitsteilung weltweite Dimensionen erreicht. Man spricht von einer Globalisierung der Weltwirtschaft. Globalisierung heißt nichts anderes als eine zunehmend weltweite (globale) Arbeitsteilung.

In der Arbeitsteilung, im Verzicht auf Selbstversorgung und in der Bereit-schaft zur Spezialisierung offenbart sich der gesellBereit-schaftliche Charakter der Produktion. In der arbeitsteiligen Produktion sind die Menschen von anderen Menschen abhängig, die Gesellschaft ist auf die wirtschaftliche Leistung ihrer Mitglieder angewiesen und die Menschen benötigen gesellschaftliche Regeln zur Organisation der arbeitsteiligen Produktion. Arbeitsteilung bedeutet ge-sellschaftliches Wirtschaften.